Aesche (Thymallus vulgaris)

[246] Die weit vor den Bauchflossen beginnende, sehr große, durch Höhe und Länge ausgezeichnete Rückenflosse, die mittelgroßen, steifen, festsitzenden Schuppen, die kleine Mundspalte und die feine Bezahnung der Kiefer-, Pflugschar- und Gaumenbeine gelten als die Merkmale der Aeschen (Thymallus), welche in unseren Gewässern vertreten werden durch die weit verbreitete Aesche, auch Asche, Aescher, Aeschling, Springer, Mailing, Spalt, Stalling, Harr, Sprengling, Sprözling genannt (Thymallus vulgaris, vexilifer und gymnothorax, Salmo und Coregonus thymallus; Abbildung auf S. 230). Der Kopf ist klein; der Oberkiefer steht über dem unteren vor; die Rückenflosse übertrifft die Afterflosse um das doppelte an Länge. Die Färbung ändert je nach Aufenthalt, Jahreszeit und Alter bedeutend ab. Auf der Oberseite herrscht gewöhnlich ein grünliches Braun vor, welches auf den Seiten in Grau und auf der Bauchseite in glänzendes Silberweiß übergeht; der Kopf ist oben bräunlich, seitlich auf gelblichem Grunde schwarz gefleckt, und diese Fleckung setzt sich auch auf der vorderen Seite über einen Theil des Leibes fort oder ordnet sich mit den Schuppenreihen in bräunlichgraue Längsstreifen. Die Rückenflosse prangt in prachtvollem Farbenspiele und trägt zum Schmucke des Fisches wesentlich bei; ihre Grundfärbung ist ein lebhaftes Purpurroth, welches gleichsam einen Spiegel bildet und durch drei oder vier schwarze Fleckenbinden noch besonders hervorgehoben wird; die paarigen Flossen sehen schmutzig gelbroth, After-und Schwanzflosse violett aus. In der Rückenflosse stehen sechs bis acht einfache und sechzehn bis siebzehn gegliederte, in der Brustflosse ein und vierzehn bis funfzehn, in der Bauchflosse ein und zehn, in der Afterflosse drei bis vier und neun bis zehn, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Die Länge beträgt meist wenig über dreißig, kann jedoch bis sechzig Centimeter ansteigen. Das Gewicht schwankt zwischen dreiviertel bis anderthalb Kilogramm.

Unter den europäischen Lachsfischen gehört die Aesche zu den verbreitetsten Arten; denn sie kommt in ganz Mittel- und Osteuropa, in den Gewässern der Alpen wie in denen der norddeutschen und russischen Ebenen, auf dem Festlande wie in Großbritannien und ebenso im Obgebiete vor, wenn auch hier einzig und allein in Gebirgsflüssen und Bächen, welche sich dem Riesenstrome oder einem seiner Zuflüsse zuwenden, nach eigenen Beobachtungen, wie bereits (Seite 235) erwähnt wurde, beispielsweise in allen Gebirgsbächen, welche sich in den Markakul des chinesischen Altai ergießen. Zu ihrem Aufenthalte wählt sie sich ungefähr dieselben Gewässer, wie sie die Forelle liebt; aber nicht in allen Bächen, welche Forellen enthalten, kommen Aeschen vor und umgekehrt. In der Schweiz hegt man die Ansicht, sie vertreibe die Forelle. So erzählt Tschudi, daß sie im Inn bis Steinzberg, etwa funfzehnhundert Meter über dem Meere gelegen, einwanderte und die Forellen von dieser Zeit an verschwanden. In Großbritannien nimmt man an, daß die Mönche früherer Jahre für ihre Einbürgerung in manchen Flüssen sich bemüht haben, während mit Sicherheit wohl nur so viel sich sagen läßt, daß diese ihre Klöster gern in Berggegenden und in der Nähe klarer Flüsse anlegten, wie die Aesche solche liebt. In Irland und Schottland, wo es bekanntlich auch viele Klöster gab, soll der leckere Fisch übrigens gar nicht vorkommen.

Die Aesche ist ein echter Flußfisch, welcher Seen und große Teiche meidet, ja in stillstehenden Gewässern, nach Versuchen, welche man in England angestellt hat, gar nicht gedeiht, wenigstens nicht zur Fortpflanzung gelangt. In den Gebirgswässern fehlt sie selten; in der Ebene hingegen findet sie sich nur da, wo ein klarer, nicht allzu tiefer Fluß oder Bach mit steinigem Grunde vorhanden ist. Sie liebt Flüsse, welche weder zu kaltes noch zu warmes Wasser haben, in denen rasche Strömungen und ruhige Stellen mit einander abwechseln, und deren Grund aus Kies, Mergel[246] oder Lehm besteht, scheut sich auch vor trüben Gewässern nicht, steigt aber minder hoch als die Forelle zu Berge. Ihre Sitten haben mit denen der Bachforelle viele Aehnlichkeit. Wie diese schwimmt sie ungemein rasch dahin, wenn sie sich bewegt, und wie diese steht sie, den Kopf gegen die Strömung gerichtet, stundenlang auf einer und derselben Stelle, oft so ruhig und fest, daß man sie mit den Händen aus dem Wasser nehmen kann. Ihre Nahrung besteht aus den Larven verschiedener Wasserkerfe und in letzteren selbst; auch nimmt sie kleine Wasserschnecken und Muscheln zu sich, verschmäht ebenso Gewürm und verschont selbst Fischbrut nicht. Wie die Forelle springt sie nach vorüberschwirrenden Kerfen über den Wasserspiegel empor, geht deshalb auch leicht an die Angel. Während der Laichzeit prangt sie in einem Hochzeitskleide, welches durch erhöhte Schönheit aller Farben und einen über die ganze Hautoberfläche verbreiteten, goldgrün schimmernden Glanz sich auszeichnet und wohl größtentheils in der jetzt wie bei anderen Lachsen vermehrten Hautthätigkeit seine Erklärung finden mag. In günstigen Frühjahren beginnt sie schon im März mit dem Eierlegen; bei ungünstigem Wetter verzögert sich dieses Geschäft bis zu Ende des April. Das Paar, welches jetzt regelmäßig sich zusammenhält und innerhalb eines verhältnismäßig kleinen Gebietes auf- und niederschwimmt, wühlt auf sandigem Grunde mit der Schwanzflosse Gruben aus; das Weibchen setzt in ihnen die Eier ab, das Männchen befruchtet diese, und beide gemeinschaftlich überdecken dann die Eier wieder mit Sand und kleinen Steinchen. Die Jungen kriechen gewöhnlich im Juni aus und halten sich anfänglich auf den seichtesten Stellen der Gewässer, wachsen aber sehr rasch und nehmen bald die Lebensweise der Alten an.

Viele Feinde, namentlich die größeren Artverwandten und manche Wasservögel, stellen den Aeschen nach, und zwar fast ebenso eifrig wie der Mensch, welcher ihr Fleisch dem der Forelle an Güte gleichschätzt und sie mit Recht zu den besten Leckerbissen zählt. »Die äschen«, sagt Geßner, »haben ein sehr gut, gesund, löblich Fleisch, lieblich zu essen, mag auß allen süssen Wasserfischen zum allernächst gebraucht werden, anstatt der Steinfisch auß dem Meer. Nach denen die gemeinen Albulen; zum dritten die Forellen. Sind gesund zu jederzeit deß Jars. Von seiner güte vnd köstlichkeit wegen ist das Sprichwort kommen: Der Esch ist ein Rheingraff. Es haben etliche der Alten geschrieben, daß diese Fisch Goldt fressen, welches sich doch bedunckt in solcher gestalt zu verstehen seyn, daß sie fressen das Goldt auß dem Beutel vnnützer Leuthe, so ihr Goldt, Haab vnd Gut mit solchen köstlichen Fischen verschlecken.« In früherer Zeit hielt man überhaupt diesen Fisch höher als jeden anderen Flußfisch. Durch zu häufige Nachstellungen in der Traun war er so selten geworden, daß es vom Hofe aus bei Strafe von fünf Gulden verboten wurde, einen zu fangen. Wer das Geld nicht habe, solle einen Fischzug im Werthe von fünf Gulden umsonst herbringen. Sprenzling- und Mailingfang wurde auf eine gewisse Zeit gänzlich verboten, »bis der Aeschen wieder mehr werden«, und endlich geboten, daß man keinen Sprenzling vor einem Jahre fangen soll, das heißt »von einem April zum anderen, ausgenommen ein Essen auf des Herrn Tisch, für Kranke oder zu einer schwangeren Frau Gelüsten.« Nächst dem Fleische wurde das Fett hochgeachtet. »Das fürnembste stück so von den Fischen in den brauch der Artzney kompt, ist sein schmaltz oder seißte, zu allerley gebrechen der Augen, röte, flecken, auch zu allerley gebrechen der Ohren, als wärm, wust, dösen, flüß usw. Demnach wirdt das äschenschmaltz auch bereytet als eine sondere Artzney zu allem Brandt, es sey von Fewer oder Wasser.« Heutzutage bezahlt man für das Kilogramm Aesche je nach Oertlichkeit und Jahreszeit achtzig Pfennige bis drei Mark.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 246-247.
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