Modke (Leucaspius delineatus)

[289] Ein kleiner, unscheinbarer und wenig in die Augen fallender Fisch, die Modke (Leucaspius delineatus und abruptus, Aspius delineatus und Owsianka, Owsianka Czernayi), vertritt die Sippe der Moderrapfen (Leucaspius) und kennzeichnet sich durch gestreckten, seitlich zusammengedrückten, auf dem Bauche kantigen Leib, mäßig große, leicht abfallende Schuppen, unvollständige Seitenlinie, kurze, weit nach rückwärts stehende Rückenflosse ohne Stachelstrahl, vorstehenden Unterkiefer und eigenthümliche Anordnung der Schlundzähne, welche entweder zu fünf jederseits in einer Reihe oder zu vier und fünf in zwei Reihen stehen, und deren Kronen, beziehentlich die der inneren Reihe, seitlich zusammengedrückt, sägeförmig gekerbt und an der Spitze hakenförmig umgebogen sind. Rücken und Oberkopf haben grünlichbraune, Seiten und Bauch silberweiße Färbung; ein stahlblauer Längsstreifen tritt an den hinteren Seiten hervor. Drei und acht Strahlen spannen die Rücken-, drei und elf bis dreizehn die After-, neunzehn die Schwanz-, ein und dreizehn jede Brust-, zwei und acht jede Bauchflosse. Die Länge beträgt sieben bis acht, höchstens neun Centimeter.

Der Brennpunkt des Verbreitungsgebietes der Modke scheint Rußland zu sein, da sie hier in allen Strömen und Flüssen häufig auftreten soll. Im unteren Laufe des Ob beobachteten wir sie im Anfange des September zu tausenden geschart und dicht am Ufer stromaufwärts dahinziehend. Von hier ausdehnt sich ihr Wohnkreis erwiesenermaßen einerseits bis Griechenland, anderseits bis Nordwestdeutschland; wahrscheinlich aber tritt sie auch in anderen Strömen Sibiriens auf und würde somit zu den am weitesten verbreiteten Süßwasserfischen zählen. Kaum zu bezweifeln dürfte sein, daß sie auch in unserem Vaterlande häufiger vorkommt, als bisher nachgewiesen werden konnte. Man hat sie übersehen oder verkannt. Es scheint, meint Siebold, welcher sie in Ost- und Westpreußen eingesammelt und aus Braunschweig erhalten hat, daß die Modke in früheren Zeiten bekannter gewesen ist als gegenwärtig. In älteren Fischwerken ist hier und da von kleinen Fischchen die Rede, welche vom Volke »Mutterloseken« oder »Moderliesken« genannt werden, und von denen man glaubte, sie fänden mutterlos aus Schlamm und Moder ihre Entstehung. Die Beschreibungen dieser sagenhaften Fischchen sind jedoch meist so unklar, daß es kaum möglich ist, die Art zu erkennen. Aber die Fischer Preußens wie Braunschweigs bezeichnen die Modke heute noch mit jenen beiden Namen, und wahrscheinlich glaubt der eine oder der andere noch gegenwärtig an jene Sage. Ueber die Lebensweise mangeln Beobachtungen. Hier und da soll auch bei uns zu Lande das Fischchen häufig auftreten, in Flüssen ebensowohl wie in Torfgräben hausen und in den Monaten April und Mai laichen.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 289.
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