Dornhai (Acanthias vulgaris)

[378] Der Dornhai (Acanthias vulgaris, americanus und Sucklii, Squalus acanthias und fernandinus, Spinax acanthias und fernandezianus; Abbildung auf Seite 372), Vertreter einer gleichnamigen Sippe (Acanthias), ist gestreckt gebaut, der Kopf platt, keilförmig, vorne schmal, an der Spitze abgerundet; die Nasenlöcher stehen gleich weit von dem Maule und der Nasenspitze entfernt; die Spritzlöcher sind groß. Das halbmondförmig geöffnete, vollständig runde Maul wird bewaffnet von drei Reihen langer, spitziger, am Rande wenig gesägter Zähne. Die Brustflossen sind sehr groß, die Bauchflossen klein. Ein gleichmäßiges Schiefergrau ist die Färbung der Oberseite, ein gelbliches Weiß die der unteren Theile; Junge sind gewöhnlich weiß gefleckt. Die Länge beträgt selten mehr als einen Meter, das Gewicht nicht über zehn Kilogramm.

Unter den in den europäischen Meeren vorkommenden Haien tritt der Dornhai am zahlreichsten auf. Die britischen Gewässer bewohnt er in erstaunlicher Menge; in der Nähe des Gestades, namentlich während der Hochfluten, bildet er förmliche Heerzüge, folgt den zum Laichen dem Gestade sich nähernden kleinen Fischen und beeinträchtigt deren Fang in empfindlicher Weise. Laut Couch erscheint er zuweilen in wirklich unschätzbarer Anzahl, zum größten Aerger des Fischers, dessen Angeln er abschneidet. »Ich habe von Zwanzigtausenden gehört, welche mit einem Male in einem großen Grundnetze gefangen worden, und dabei in Erfahrung gebracht, daß die jungen, noch nicht funfzehn Centimeter langen, in Gesellschaft der größeren kräftigen Fische folgen, unter denen sie unmöglich Beute machen können. Um seine Rückenstacheln in Anwendung zu bringen, schnellt sich der Dornhai wie ein Bogen zusammen und weiß diese Bewegung, sei es nach der einen, sei es nach der anderen Seite, so genau einzurichten, daß er die Hand, welche sein Haupt berührt, trifft, ohne sein eigenes Fell zu verletzen.« Im März 1858 zeigte sich westwärts von Uig ein so außerordentlich zahlreiches Heer dieser Fische, daß man das Meer zwanzig bis dreißig Seemeilen seewärts von ihnen förmlich bedeckt sah. Myriaden von ihnen schwammen auf der Oberfläche des Wassers, in jedem Hafen, in jeder Bucht des nördlichen Schottland. Unter solchen Umständen fällt es für die Fischer nicht schwer, so viele dieser Haie zu erbeuten, wie sie eben mögen, und binnen wenigen Stunden ihre Boote buchstäblich bis zum Rande zu beladen. Das zwar harte und nicht eben wohlschmeckende Fleisch wird selbst in Schottland getrocknet und gegessen, aus der Leber Thran gewonnen, die Haut zum Poliren gebraucht und der Abfall als Dung benutzt. Aus den Stacheln, welche man der durch sie hervorgebrachten schmerzhaften Verwundungen halber für giftig hält, fertigte man früher Zahnstocher.

Das Weibchen soll gleichzeitig sechs bis zwanzig wohlausgebildete Junge zur Welt bringen. Ihr Fleisch gilt als sehr schmackhaft; noch mehr aber schätzt man hier und da die in der Entwickelung begriffenen Eier.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 378.
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