Kleiner Kiefernrüsselkäfer (Pissodes notatus)

[137] Der kleine Kiefernrüsselkäfer oder Weißpunktrüsselkäfer (Pissodes notatus) stellt sich uns als zweiter und gefährlicherer »Kulturverderber« S. 138 ebenfalls vor. Er unterscheidet sich im Wesen von dem großen Fichtenrüßler durch die in der Mitte des dünneren Rüssels angehefteten [137] Fühler, durch ein rundes und erhabenes Schildchen und durch eine einfache, d.h. nicht ausgeschnittene Vorderbrust. Auch er hat eine braune, bald mehr in gelb, bald mehr in roth ziehende Körperfarbe. Die lichten, fast weißen Borstenbüschel, von welchen einige auf dem gekielten Halsschilde stehen, gruppiren sich auf den Flügeldecken zu größeren Flecken vor der Mitte, bindenartig hinter derselben. Die helle Zeichnung war nicht bei allen in der Anlage dieselbe und ändert sich überdies durch Abreiben der Borsten. Häufig kann das Verschwinden solcher Haar- oder Schuppenzeich nungen einem alten, vom Zahne der Zeit benagten Rüsselkäfer ein wesentlich verschiedenes Ansehen von dem jugendlich frischen verleihen. Unser Pissodes notatus läßt sich unter mehreren anderen Gattungsgenossen an der ungleichen Punktirung seiner Flügeldecken erkennen. Die Punkte nämlich, welche in Streifen über dieselben hinziehen, werden auf der Mitte der Decken viel größer und nehmen eine beinahe viereckige Gestalt an gegen die kleineren und runden ringsum.

Wie der große braune Rüsselkäfer erscheint auch dieser kleine im Mai, jedoch in größerer Menge und in weiterer Verbreitung als jener. Anfangs geht er nur dem Fraße nach, indem er die Rinde der Kiefern und Weymouthskiefern, seltener der Lärchen und Fichten ansticht, den Rüssel versenkt und nur wenig Nahrung herauszieht, so daß er viele Wunden beibringt. Diese gleichen groben Nadelstichen und veranlassen infolge des Harzausflusses grindiges Ansehen der Oberfläche. Meist hält er sich an vier- bis achtjährige Pflanzen, verschmäht aber, in Ermangelung dieser auch ältere, bis dreißigjährige, nicht. Werden nun die Tage anhaltend wärmer, so nimmt die Lebendigkeit des Käfers zu und die Paarung erfolgt in derselben Weise und an den gleichen Orten, wie es bei dem vorigen angegeben worden ist, beim Ablegen der Eier gehen aber beide weit aus einander.


Kleiner Kiefernrüsselkäfer (Pissodes notatus). a Vergrößert, b in natürlicher Größe; c Larve, d Puppe, e ein theilweise entrindetes Kiefernstämmchen mit Larvengängen und Puppenlagern.
Kleiner Kiefernrüsselkäfer (Pissodes notatus). a Vergrößert, b in natürlicher Größe; c Larve, d Puppe, e ein theilweise entrindetes Kiefernstämmchen mit Larvengängen und Puppenlagern.

Das Weibchen dieser Art sucht nicht nur kränkliche Stangenhölzer von funfzehn- bis dreißigjährigem Alter, unterdrückte Stämme noch höheren Alters auf, sondern auch gesunde und nur sehr ausnahmsweise Wurzelstöcke oder aufgeklaftertes Holz. Die Larvengänge beginnen meist unterhalb des obersten Quirles oder noch etwas höher und ziehen sich, unregelmäßig schwach geschlängelt und nach und nach breiter werdend, unterhalb der Rinde weiter nach abwärts. Der Raum ist nicht hohl, sondern mit braun und weiß gescheckten, wurstähnlichen Abfällen erfüllt. Am Ende derselben macht die Larve bei dünner Rinde eine eiförmige, tief in das Holz eingreifende Grube, welche in schwachen [138] Stämmchen sogar das Mark trifft, bereitet um sich aus den weichen Abnagseln ein charpieähnliches Polster und wird in demselben zur Puppe. Diese ruht nur wenige Wochen, und meist bohrt sich der Käfer durch ein Flugloch, wie mit Schrot Nr. 6 oder 7 geschossen, gegen den Herbst noch heraus, verkriecht sich jedoch, um zu überwintern, später wieder am Stammende in den Rindenrissen, zwischen Moos und Bodenstreue. Bei der ungleichen Entwickelung bleiben auch Larven und Puppen den Winter über im Lager zurück. Selbst in vorjährigen Zapfen sehr dürftig erwachsener Kiefern hat man die Larven vereinzelt oder bis zu dreien angetroffen.

Weil der Käfer seine ganze Thätigkeit gern auf ein und denselben Baum beschränkt, an demselben frißt, dem er auch die Brut anvertraut, so wird er, besonders den jungen Pflanzen, schnell verderblich, zumal, wenn allerlei anderes Gesindel mit ihm im Bunde steht. Darum ist ein wachsames Auge auf ihn nöthig und das sofortige Wegschaffen der befallenen Pflanzen unerläßlich.

Noch eine Reihe weiterer Arten derselben Gattung kommen für den Forstmann in Betracht, doch würde ihre nähere Unterscheidung uns hier zu weit führen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 137-139.
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