Reißkäfer (Calandra oryzae)

[157] Auf die kleinsten Arten der ganzen Sippe will Lacordaire den sonst allen gegebenen Namen Calandra allein noch angewendet wissen. Zwei davon haben sich durch den Handel, wahrscheinlich aus dem Morgenlande, verschleppt und über ganz Europa nicht nur, sondern auch über die anderen Erdtheile ausgebreitet: der schwarze Kornwurm (Calandra granaria, auch Sitophilus granarius) bewohnt die Magazine und Kornböden, weil er und seine Larve vom Mehle des Getreides leben, und letztere zwar von dem einen Korne, welches die Mutter anbohrte und mit einem Eie beschenkte. Hier frißt sich die Larve weiter und hat ihre volle Größe erlangt, wenn von jenem, sofern es sich um Roggen oder Gerste handelt, nur noch die Hülse vorhanden ist, in der sie sich einpuppt. Nach fünf bis sechs Wochen, vom Eie an gerechnet, erscheint anfangs Juli die erste Brut von den überwinterten Käfern. Vierzehn Tage später beginnen die jungen Käfer ihr Brutgeschäft, und vor Winters kommen zum zweitenmale die in Dielenritzen, Balkenfurchen und sonstigen Winkeln des Speichers überwinternden Käfer zur Ausbildung. Man weiß längst, daß Reinlichkeit und guter Luftdurchzug die besten Schutzmittel gegen diesen nicht zu unterschätzenden Feind sind, und hat neuerdings mit bestem Erfolge ein sinnreiches Verfahren in Anwendung gebracht, um den Kornwurm zu vertreiben: durch eine Luftdrainage, mittels reichlich drei Meter von einander durch den Getreidehaufen gelegter Drainröhren, welche sich nach außen einzeln öffnen oder auch zu einem Ausgange verbunden sein können, wird innerhalb des Haufens dieselbe Temperatur, wie in der umgebenden Luft hergestellt, und die, die Wärme liebenden und zur Entwickelung gebrauchenden Käferchen verlassen den Haufen. Dieses Verfahren gestattet außerdem, die Haufen ohne Schaden für das Getreide selbst höher aufzuschütten als es sonst möglich wird. Der Kornkäfer ist roth- bis schwarzbraun, an den Fühlern und Beinen etwas heller, mit Ausschluß des Rüssels 3,75 Millimeter lang, 1,5 Millimeter an den Schultern breit. Der dünne, sanft gebogene Rüssel, etwa von der Länge des Halsschildes, trägt an seiner Wurzel, unmittelbar vor den Augen, die geknieten Fühlhörner mit sechsgliederiger, lang eiförmig geknopfter Geisel, das platte, vorn wenig verengte Halsschild ist dicht mit tiefen, länglichen Punkten besetzt, welche nur eine glänzende Längslinie durch die Mitte freilassen. Die Flügeldecken, von der Breite des letzteren und gleichläufig an den Seiten, runden sich vor dem Steiße gemeinschaftlich ab und werden von tiefen Punktstreifen durchzogen, deren Zwischenräume glatt bleiben. Die Schienen sind mit einem Hornhaken an der Spitze bewehrt, die vorderen am Innenrande mit kleinen Kerbzähnen. Wie dieser Käfer von Roggen, Weizen und Mais lebt, so der sehr ähnliche Reißkäfer (Calandra oryzae) von den Reißkörnern, deren Lagerräume seinen Aufenthalt bilden, indem er sich, so wenig wie der vorige, bei uns zu Lande im Freien vermehren kann. Ein Fleckchen jeder Schulter, eins hinter der Mitte jeder Flügeldecke und der Seitenrand von rother Farbe auf mattem, pechschwarzem Grunde, ein dicht und rund punktirtes Halsschild, ohne deutliche glatte Mittellinie und äußerst dicht punktstreifige Flügeldecken, deren sehr schmale Zwischenräume abwechselnd mit gelben Börstchen besetzt sind, unterscheiden ihn vom vorigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 157.
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