1. Sippe: Hylesininen

[157] Die kleinen schwarzen, meist schmalen und glatten Rüsselkäfer, welche sich wesentlich nur durch den bedeckten Steiß von den vorigen unterscheiden und, zu der Sippe der Kossoniden vereinigt, auch zahlreiche, aber unansehnliche Vertreter in Europa und Deutschland haben, leiten über zu der Familie der Borkenkäfer (Bostrychidae, Scolytidae). In ihrer äußeren Erscheinung stimmen sie durch Kleinheit des walzigen Körpers, durch einen dicken Kopf mit vortretenden Kinnbacken, im [157] übrigen versteckten Mundtheilen, durch gebrochene Fühler mit dickem Endkopfe, durch lang gestreckte Augen mit einander überein und unterscheiden sich von den verwandten durch die Kürze des Kopfes, der Taster, Fühler und Beine, an denen breitgedrückte, in einen Haken endende Schienen viergliederige Füße tragen. Von den fünf Bauchringen verwachsen die beiden ersten öfter unter sich. Die beiden Geschlechter derselben Art lassen sich äußerlich nicht schwer von einander unterscheiden. Die Larven haben die größte Aehnlichkeit mit denen der Rüsselkäfer, nur erscheinen sie minder gedrungen und vollkommener walzig. Ihr geselliges Beisammensein, wie das der Käfer, und die Art, wie sie in der Rinde der Bäume selbst oder unmittelbar unter ihr im Baste Gänge anlegen, weisen auf ihre natürliche Zusammengehörigkeit hin. Meist von einem etwas breiteren Anfange des Ganges, einem Vorzimmer aus, wo bei vielen Arten auch die Paarung stattfindet, arbeiten die Weibchen weiter und legen den sogenannten »Muttergang« an, wo sie zu beiden Seiten kleinen, gleichentfernten Aushöhlungen je ein Ei anvertrauen. Die den Eiern entschlüpften Lärvchen fressen nun ihrerseits rechts und links von dem Muttergange, wenn dieser senkrecht oder schräg, oberhalb oder unterhalb, wenn er nahezu wagerecht läuft, die mehr oder weniger geschlängelten Neben- oder Larvengänge, die sich mit dem Wachsthume der Larve verbreitern. Am Ende wird jeder etwas erweitert, damit die Puppe ein bequemes Lager habe. Auf diese Weise entstehen artige, baumähnliche Gebilde, deren Grundform von der bestimmten Käferart abhängt, je nach dem gegebenen Raume und nach dem Begegnen mit einem zweiten Gangsysteme aber gewisse Abänderungen erleidet. Wenn man bedenkt, daß diese kleinen Wühler fruchtbar sind und von manchen zwei Bruten im Jahre zu Stande kommen, so darf man sich auch nicht wundern, daß zeitweilig hunderte und tausende von Hektaren der schönsten Waldungen durch die »Wurmtrocknis« einem sicheren Tode entgegengeführt werden, wie z.B. in der allerjüngsten Zeit im Böhmerwalde. Die Nadelhölzer ernähren die bei weitem überwiegende Mehrzahl der europäischen Arten, und erleiden durch sie verhältnismäßig größeren Schaden als die Laubbäume, in denen wieder andere Arten hausen. Daß selbst die echten Borkenkäfer nicht alle in der angegebenen Weise leben, beweist unter anderen Bostrychus bispinus, welchen man bohrend in den rankenden Zweigen der gemeinen Waldrebe (Clematis vitalba) findet, der Bostrychus dactyliperda, welcher bis zu hunderten in dem Kerne der Dattel, diese durch seinen Koth unschmackhaft machend, und in der Betelnuß (Areca Katechu) zur Entwickelung gelangt. An ersterer Art hat beiläufig Bach die den Anobien eigene Gewohnheit des Klopfens beobachtet, so daß diese Lockweise bei mehreren Arten der Familie zu vermuthen nahe liegt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 157-158.
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