Lilienhähnchen (Crioceris merdigera)

[181] Wer an den stolzen weißen Lilien (Lilium candidum) unserer Gärten die Blätter zerfressen sah und sich nach dem Uebelthäter umschaute, wird schwarzglänzende, feuchte Körper bemerkt haben, welche träge am Stengel sich bewegen oder thätig den Blättern zusprechen. Was man von ihnen zu Gesicht bekommt, ist der Koth, in welchen sie sich hüllen, nur den Bauch frei lassend. Sie ergeben sich bei näherer Betrachtung als dicke, nach vorn verjüngte, sechsbeinige Lärvchen, die den Sommer über von jenen Blättern sich ernähren und dann in die Erde gehen, um sich zu verpuppen. Im nächsten Frühjahre kommen die allbekannten glänzend schwarzen, auf Halsschild und Flügeldecken rothen Lilienkäfer, Lilienhähnchen (Crioceris merdigera) zum Vorscheine, die man auch alsbald auf einander in der Paarung sitzen sieht. In Gestalt kommen sie den Schilfkäfern nahe, sind jedoch gedrungener, ihre schnurförmigen, nur halbe Körperlänge erreichenden Fühler und die Beine dicker. Wie dort, erreicht das nahezu walzige, nach hinten stark eingeschnürte Halsschild bei weitem nicht die Breite der an den Schultern rechteckigen Flügeldecken; der dreieckige Kopf verengt sich nach hinten halsartig und erhält durch die glotzenden, nach innen schwach ausgerandeten Augen seinen größten Breitendurchmesser. Die keilförmig endenden Kiefertaster und vollkommen von einander getrennten Fußklauen kennzeichnen diese Gattung vor anderen, der Körpertracht nach sehr ähnlichen (Lema, Zeugophora). Der 6,6 Millimeter messende Lilienkäfer vermag für seine Größe einen starken Zirpton zu erzeugen, indem er durch Aus- und Einziehen des letzten Hinterleibsringes, der mit einer in der Mitte unterbrochenen und gerillten Rückenleiste versehen ist, gegen zahlreiche Chitinschüppchen an den Spitzen der Flügeldecken reibt; beim Reiben trifft die Unterbrechung der Leiste auf die Naht der Flügeldecken, neben welcher eben jene Schüppchen stehen. Hält man einen in die hohle Hand eingeschlossenen Käfer an das Ohr, so vernimmt man jene Laute sehr deutlich, die während der Paarungszeit zur Verwendung kommen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 181.
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