Nachtkerzenschwärmer (Macroglossa oenotherae)

[373] Die breitleibigen Schwärmer (Macroglossa) vereinigen ein breiter, an den Seiten und der Spitze mit Haarschöpfen versehener Hinterleib, mehr keulenförmige Fühler, welche die halbe Vorderrandslänge der Flügel überragen, und eine lange, hornige Rollzunge zu einer dritten Sippe, deren Glieder auch im Betragen von den übrigen Familiengenossen abweichen. Die meisten breitleibigen, gleichzeitig auch kleinsten Schwärmer fliegen bei Sonnenschein in derselben Weise, wie die echten Schwärmer in der Dämmerung. Der Nachtkerzenschwärmer (Macroglossa oenotherae) ist von den heimischen der zierlichste und durch den ausgefressenen Saum der Vorderflügel ausgezeichnet; dieselben sind grün am Saume und in einer Mittelbinde dunkler, die Hinterflügel gelb mit schwarzer Saumbinde verziert. Mir ist kein Falter bekannt, welcher in seiner Größe so auffällig hinter der seiner Raupe zurückbleibt. In der ersten Jugend grün, nimmt diese nach den späteren Häutungen eine graubraune Grundfarbe an, welche auf dem Rücken durch dichte schwarzbraune Punkte und in den Seiten durch fast schwarze Schrägflecke und schwarze Längsadern vielfach verdunkelt wird. Mitten in den Seitenflecken stehen die gelben Luftlöcher und an Stelle des bei den Verwandten vorhandenen Hornes ein gelber, schwarz umringter Augenfleck mit gewölbter und polirter Oberfläche. Sie ernährt sich während des Juli und August von Nachtkerze, verschiedenen Arten des Weidenröschens (Epilobium) und von dem Blutkraute, und findet sich, wo sie einmal vorkommt, in größeren Mengen beisammen, wie mich meine Beobachtungen in der Gegend von Halle [373] gelehrt haben. Die Verbreitung ist keine allgemeine und scheint sich für Deutschland vorzugsweise auf das Hügelland und die Vorberge des Gebirges zu beschränken. Die erwachsene Raupe hat in der Gefangenschaft die üble Gewohnheit, unruhig umherzulaufen und schließlich ermattet zu Grunde zu gehen, so daß der Mehrzahl der Sammler die Erziehung des Schmetterlings nicht hat glücken wollen. Nach manchen vergeblichen Versuchen erreichte einer meiner Freunde seinen Zweck vollständig, indem er jede unruhig werdende Raupe auf einen kleinen, mit Erde gefüllten Blumentopf setzte, diesen mit einem Glasscherben bedeckte, um das Entweichen zu verhindern und die Wirkungen der Sonnenstrahlen zu erhöhen, denen der Topf preis gegeben ward. Jede Raupe verfügte sich alsbald in die Erde und lieferte eine entwickelungsfähige Puppe. Dies allen denen zur Beachtung, welche in der Lage sind, die Raupen des Nachtkerzenschwärmers zu züchten!

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 373-374.
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