Dunkelrippige Kümmelschabe (Depressaria nervosa)

[436] Die Ackereulenmotten (Depressaria) vertreten unter den Schaben die Eulengattung Agrotis in Rücksicht auf die mehr düsteren Farben der platt auf dem breitgedrückten Hinterleibe aufliegenden Flügel, deren vordere breit, hinten stark gestutzt oder gerundet sind, während die hinteren am Saume einen Ausschnitt haben. Sie fliegen in derselben Weise auf, wie jene, wenn sie am Tage gestört werden, oder laufen dahin, um sich zu verstecken. Ihre großen Taster schließen an einander, steigen hoch auf und bergen eine wohl entwickelte Rollzunge, auf dem Scheitel des polsterartig beschuppten Kopfes stehen Nebenaugen. Von den zahlreichen Arten, welche als Schmetterlinge überwintern, leben viele als Raupen im Blüten- und Fruchtstande von Dolden, und ist als für den Feldbau verderblich zu nennen: die dunkelrippige Kümmelschabe, der Pfeifer im Kümmel (Depressaria nervosa, Haemylis daucella Hübners, Fig. 4, 5). Die Motte hat wenig für sich Gewinnendes infolge der röthlich graubraunen Vorderflügel, welche auf den Rippen, besonders saumwärts, schwärzlich bestäubt sind, am meisten aber durch einen lichten Winkelhaken auffallen, dessen Spitze nach der Flügelspitze gewendet und ihr genähert ist, und dessen längerer Schenkel mit dem Vorderrande nahezu gleichläuft. Die Hinterflügel sind graubraun, das Endglied der Taster zweimal schwärzlich geringelt, das vorletzte bürstenartig, die Bürste durch eine [436] Längsfurche getheilt. Die Flügelspannung beträgt durchschnittlich 20,15 Millimeter. Je nach der warmen oder kühlen Witterung kommen die Schaben früher oder später aus ihren winterlichen Verstecken, und das Weibchen legt seine Eier mehr einzeln an die Kümmelpflanzen, wenn es deren habhaft werden kann, wo nicht, an andere Dolden, unter denen Oenanthe aquatica (Phellandrium aquaticum) und Sium latifolium neben noch einigen anderen genannt werden. Am Kümmel wird die Raupe bemerklich, sobald er mitten in der Blüte steht. Sie sitzt halb- oder ganz erwachsen in den Dolden, die sie in der Regel durch wenige Fäden zusammenzieht, und frißt die Blüten und jungen Samen; sollten beide nicht mehr ausreichen, so nagt sie auch die zarteren Zweige an. Es sind Fälle vorgekommen, in denen man den Ausfall der Ernte durch ihre Schuld auf mehr denn die Hälfte veranschlagt hat. Das sechzehnfüßige Räupchen (Fig. 6) ist ungemein lebendig, schnellt um sich, wenn man es berührt, oder läßt sich an einem Faden zur Erde hinab, auf der es eilfertig davonkriecht. In der Gefangenschaft weiß es sich durch die engsten und verborgensten Spalten durchzuzwängen, um ihr zu entgehen. Nach viermaliger Häutung ist die Raupe erwachsen, wozu sie vom Eie an durchschnittlich fünf Wochen gebraucht, wenn ungünstige Witterung ihre Entwickelung nicht aufhält. Sie ist etwa 15 Millimeter lang und ziemlich bunt gefärbt: ein breiter orangener Seitenstreifen mit den schwarzen Luftlöchern theilt den Körper in eine blaß olivengrüne, breitere Rücken-und eine lichtere Bauchhälfte, an jener stehen auf jedem Ringe vom vierten an in einer Querreihe vier glänzend schwarze, weiß geringelte Warzen und je zwei noch dahinter, auf dem vorletzten Gliede nur vier in einem nach vorn offenen Halbkreise, auf dem zweiten und dritten dagegen sechs in einer Querlinie. Kopf, Nackenschild und Afterklappe glänzen schwarz, beide letztere umgibt ein rothgelber Saum, jenes theilt überdies noch eine ebenso gefärbte Längslinie. Die untere Körperhälfte zeichnen gleichfalls mehrere Warzenreihen aus. Zur Verpuppung bohrt sich die Raupe in den Stengel der Futterpflanze ein und nagt sich ein bequemes Lager aus, spinnt das Flugloch durch ein schräges Deckelchen zu und wird zu einer etwas flachgedrückten Puppe (Fig. 7), welche, von einigen Seidenfädchen in der Stengelhöhlung festgehalten, gestürzt über dem Flugloche zu liegen pflegt. Sind die Raupen sehr zahlreich, so kann man dreißig bis vierzig Löcher in einer Staude zählen, Zugänge zu ebenso vielen Puppenlagern, und ihre Aehnlichkeit mit einer Flöte dürfte größer sein, als bei der vom Pfeifer angebohrten Rapsschote. Die entschlossene Raupe ist übrigens nicht leicht verlegen, wie ich angefangenen beobachtet habe. Hat sie keinen geeigneten Stengel, so verpuppt sie sich in der etwas zurecht genagten und zugesponnenen Dolde, wie viele ihrer Gattungsgenossen, oder auch frei an der Erde. Zur Zeit, in welcher man den Kümmel rauft, sind alle Raupen in den Stengeln verpuppt, einzelne Schmetterlinge schon ausgeschlüpft. In den ersten Tagen des Juni erhielt ich bereits dergleichen aus zerbohrten Stengeln, welche ich eingetragen hatte. In einem anderen Jahre traf ich dagegen am 13. August noch Raupen und Puppen in den Stengeln der Oenanthe aquatica und erzog aus letzteren nach zwei Tagen die ersten Schmetterlinge. So können die Entwickelungszeiten in verschiedenen Jahren und an verschiedenen Futterpflanzen auseinander gehen; denn diese Erfahrungen möchten schwerlich zu der Annahme von zwei Bruten berechtigen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 436-437.
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