Bretonneau, Pierre

[239] Bretonneau, Pierre, der bekannte patholog. Anatom zu Tours, 3. April 1778 zu Saint-Georges-sur-Cher geb., kam um 1798 zu Studienzwecken nach Paris, unterbrach aber, da er bei einem Examen scheiterte, seine Studien, wurde Officier de santé und liess sich als solcher in Tours nieder, woselbst er bald zu einem solchen Rufe gelangte, dass er gedrängt wurde, den Doktorgrad zu erwerben, um die Leitung des allgemeinen Krankenhauses zu übernehmen. Eine Epidemie des Abdominaltyphus, welche von 1816 bis 19 die Touraine heimsuchte, gab ihm Gelegenheit, sich mit der pathologischen Anatomie desselben näher zu beschäftigen, und wegen der Eruptionen, die er dabei auf der Darmschleimhaut fand, nannte er die Krankheit »Dothiénenterite« (von ὁ δοϑιὴν, der Blutschwär und Enteritis). Dieselbe wurde von seinem Schüler Armand Trousseau näher beschrieben (Archives générales, T. 10, 1826). Von einer anderen schweren epidemischen Krankheit, die 1818 bis 21 in der Touraine herrschte und der er nach ihrer äusseren Erscheinung den Namen »Diphthérite« (von ἡ διφϑέρα, das abgezogene Fell) gab, welcher seitdem das Bürgerrecht in der Medizin[239] erlangt hat, berichtete er in der eine Sammlung von verschiedenen Aufsätzen darstellenden Schrift: »Des inflammations spéciales du tissu muqueux, et en particulier de la diphthérite, ou inflammation pelliculaire, connue sous le nom de croup, d'angine maligne, d'angine gangréneuse etc.« (Paris 1826), empfahl bei derselben die Anwendung des Alauns (Arch. génér. 1827) und machte in schweren Fällen auch von der Tracheotomie Gebrauch; er ist auch der Erfinder der Doppel-Kanüle für die letztere. Die Arbeiten über die Dothiénenterite und die Diphtherie machen die eigentliche historische Bedeutung B.'s aus; die übrigen Arbeiten desselben über die Méthode ectrotique der Variolabehandlung (mit Ätzmitteln) u.a.m. sind ohne Belang. B. war eines der grössten Originale, nicht nur in seinen Ideen, sondern auch im gewöhnlichen Leben; er machte alles anders, als andere Leute. Er starb 18. Februar 1862 zu Passy bei Paris, wohin er sich zurückgezogen hatte.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 239-240.
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