Kiwisch, Franz

Rotterau, Franz Ritter von
Rotterau, Franz Ritter von

[860] Kiwisch, Franz Ritter von Rotterau, der Schöpfer der modernen deutsch. Gynäkologie, einer der hervorragendsten Lehrer der Geburtshilfe und Gynäkologie,[860] 30. April 1814 zu Klattau in Böhmen geb., studierte in Prag, promovierte daselbst 1837 als Dr. med. und nach einer grösseren Studienreise als Dr. chir. und mag. der Geburtsh. 1838 bis 40 Assistent der geburtshilfl. Klinik, bereiste er noch gemeinschaftlich mit Pitha Deutschland, Frankreich, England und Dänemark und trat 1841 in das Sanitätsdepartement des böhm. Landesguberniums ein. 1842 wurde er als Bydzower, einige Monate später als Berauner Kreisarzt angestellt mit dem Wohnsitz in Prag, wo er sich 1842 für Gynäkologie habilitierte und gleichzeitig die Leitung der neu errichteten »Abteilung für Frauenkranke« erhielt. Nach d'Outrepont's Tode erhielt er 1845 einen Ruf als Ordinarius der Geburtshilfe und Gynäkologie nach Würzburg, wo er als Lehrer, sowie als Geburtshelfer und Frauenarzt einen grossen Ruf erlangte. Eine von seiner Gönnerin, der Grossfürstin Helene von Russland veranlasste Berufung nach Petersburg lehnte er ab. 1850, nach Jungmann's Tode, wurde er zum ord. Prof. der Geburtshilfe und Gynäkologie in Prag ernannt, jedoch war es ihm nicht vergönnt, noch lange daselbst zu wirken, denn schwere Schicksalsschläge, die er schon in Würzburg erlitten, sowie eigene Erkrankung führten schon infolge einer Lungen- und Wirbelsäulentuberkulose im Alter von 37 Jahren 24. Okt. 1852 seinen Tod herbei. Wie Kleinwächter im älteren Lexikon hervorhebt, beginnt mit K. die moderne Geburtskunde.[861] »Er war der erste, der in dieser Disziplin mit der naturphilosophischen Richtung, welche damals als Ausfluss der Schelling'schen Philosophie die Medizin beherrschte, brach und sich auf den realen Boden der Beobachtung begab, auf dem er, unbefangen von philosoph. Theoremen, unterstützt von der eben sich entwickelnden pathol. Anatomie, seine Schlussfolgerungen aus den natürlichen und pathol. Vorgängen des Geburtsaktes in der nüchternsten Weise zog« Seine leider unvollendet gebliebene Geburtskunde (1. u. 2. Abt, 1. Heft, Erlangen 1851), in der er seine Erfahrungen und Ansichten niederlegte, muss geradezu als ein epochemachendes Werk bezeichnet werden. Noch höhere Verdienste erwarb sich K. um die Gynäkologie. Seine »Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes« (Prag, 3 Bde., I 1851, II 1853), leider ebenfalls unbeendet (d. III B.) bearbeitete Scanzoni, (1855), stellen das erste deutsche wissenschaftl. gynäkol. Werk dar, welches Jahre hindurch das einzige in seiner Art blieb. Als selbständiges Werk erschienen noch zwei Hefte »Beiträge zur Geburtskunde« (Würzburg 1846 und 48). Wegen der weiteren Würdigung von K.'s Leistungen verweisen wir auf Kleinwächter's Biogr. im älteren Lexikon.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 860-862.
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