Schoenlein, Johann Lucas

Schoenlein, Johann Lucas
Schoenlein, Johann Lucas

[1522] Schoenlein, Johann Lucas, einer der berühmtesten Kliniker der Neuzeit, geb. 30. Nov. 1793 zu Bamberg, studierte seit 1811 in Landshut, anfangs Naturwissenschaften, später Med., seit 1813 in Würzburg, promovierte 1816 mit der Abhandlung: »Von der Hirnmetamorphose«, einer als Inaug.-Abhandl. ungewöhnlich umfangreichen Schrift von 140 Seiten, die allerdings noch etwas naturphilosophisch gehalten ist, mit 2 gut ausgestatteten Kupfertafeln. Dann machte er eine wissenschaftl. Reise nach Göttingen und Jena, praktizierte kurze Zeit in Bamberg und habilitierte sich 1817 in Würzburg für pathol. Anatomie. 1819 wurde er an Stelle des an einem Augenleiden erkrankten Direktors der med. Klinik im Juliusspital Nicolaus Friedreich provisorisch mit der Leitung der Klinik betraut, 1820, nachdem er einen Ruf an die Freiburger Univ. abgelehnt hatte, zum Prof. e. o., 1824 zum ord. Prof. der spez. Pathol. und Therapie und zum Vorstande der Klinik ernannt. In dieser Eigenschaft trug er zur Hebung der Besuchsfrequenz der Würzburger Univ. ausserordentlich viel bei, indem er die Klinik im Juliusspital schon nach kurzer Zeit zu einer der berühmtesten von Deutschland machte. Dies bewirkte er besonders dadurch, dass er die Klinik nicht als eine Art Vorlesung mit Demonstrationen ansah, sondern als zur prakt. Leitung des angehenden Arztes bestimmte Anstalt, und das reiche Material[1522] der ihm unterstellten Abteilung den Studierenden so zugänglich machte, dass jeder einzelne durch eigene Beobachtung den Verlauf der Krankheiten verfolgen und wirkliche Erfahrungen sammeln konnte. In dieser Stellung war es auch, wo S. zuerst gegen die bisherige, in der Med. geltende naturphilosoph. Richtung Front zu machen begann und die sogen, »naturhistorische Schule« begründete, d.h. die Ergebnisse der Physik und Chemie und namentlich die sogen, physikal. Hilfsmittel, Perkussion und Auskultation, wie überhaupt die exakte Forschungsmethode am Krankenbette (Mikroskop, ehem. Reagens etc.) in Anwendung zu bringen lehrte. Infolge seiner, übrigens nur ganz schwachen Beteiligung an der polit. Bewegung von 1830 seines akad. Amtes enthoben und als Kreis-Medizinalrat nach Passau versetzt, nahm er seine Entlassung und folgte 1833 einem Rufe als Prof. der Med. an der neugegründeten Hochschule zu Zürich, nachdem er der infolge des Frankfurter Attentates ihm drohenden Verhaftung sich durch die Flucht entzogen hatte. Dort wirkte er mit gleichem Erfolge wie in Würzburg bis 1839, wo er einen Ruf als Prof. der med. Klinik und Leibarzt des Königs nach Berlin annahm. In dieser Stellung begann er 1840, unter ganz ungewöhnlichem und dauerndem Zudrange der Studierenden und Ärzte, seine Vorlesungen über spez. Pathol. und Ther., verbunden mit der Klinik, abzuhalten, führte in letzterer die deutsche Sprache statt der bisher üblichen lateinischen ein, besetzte einige Assistentenstellen, die allein den Militärärzten zugänglich gewesen waren, mit Zivilärzten und wusste durch seinen Einfluss eine grosse Zahl talentvoller Schüler durch Bezeichnung der Aufgaben und der einer Lösung bedürftigen Fragen zu bahnbrechenden Arbeiten anzuregen, an deren Fortgang er den regsten Anteil nahm. Ausser dieser segensreichen Thätigkeit als akad. Lehrer wirkte[1523] er in hervorragendem Maasse als Arzt, speziell als konsultierender, und erfreute sich in dieser Eigenschaft einer grossen Beliebtheit. 1856 hatte er das Unglück, seinen einzigen hochbegabten Sohn Philipp S. auf einer botan. Exkursion im westlichen Afrika zu verlieren. Dieser und noch einige andere, mehr äusserliche Umstände veranlassten ihn 1859 seinen Abschied zu nehmen. Er zog sich nach seiner Vaterstadt zurück und starb daselbst an den Folgen eines zunehmenden, langjährigen Kropfübels 23. Jan. 1864. – Veröffentlicht hat S. verhältnismässig ausserordentlich wenig. Ausser einigen akad. Programmen sind erwähnenswert die bekannten Abhandlungen: »Ueber Krystalle im Darmcanal bei Typhus abdominalis« (Joh. Mueller's Arch. f. Anat., 1836, briefl. Mitteilungen an den Herausgeber) und: »Zur Pathologie der Impetigines« (Ib. 1839, pag. 82). In der letztgenannten Arbeit findet sich auch die berühmte Entdeckung des Fadenpilzes (Achorion Schoenleinii, auf Remak's Veranlassung benannt) beim Kopfgrind, welche den Ausgangspunkt d. später so wichtig gewordenen Untersuchungen auf dem Gebiete der parasit. Krankheiten bildet. S. ist dadurch gewissermassen als der eigentliche Begründer der Lehre von den Dermatomykosen anzusehen. Über das von ihm gelehrte, übrigens nie recht voll zum Abschluss gebrachte nosolog. System hat er selbst nichts veröffentlicht. Dies haben teils mit seinem Willen, teils gegen denselben einzelne seiner Zuhörer gethan, welche seine Vorlesungen im ganzen oder in Stücken drucken liessen. Wegen dieser, übrigens nicht wichtigen Publikationen verweisen wir auf die ältere Quelle und die daselbst (V, 269 u. VI, 998) genannten Gedächtnisschriften.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1522-1524.
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