Kapitel LVII.
De imaginibus
oder
Von Bildern

[225] Den Cultum der Bilder haben schon für alters nicht alle Völker zugelassen, denn die Juden (wie Josephus erzählet) haben für nichts mehr einen Abscheu gehabt als für den Bildern; auch dessen Bildnis, das sie sonst in grossen Ehren gehabt haben, niemals aufgehenket, noch auch derselben, die sie stets in ihrem Gedächtnis gehalten haben. Denn Gottes Gesetz hat ihnen durch Moysen verboten, dass sie nicht Bilder machen oder in die Kirche setzen, viel weniger dieselben anbeten sollten.

Bei denen Völkern, welche Seres genennet werden, ist (wie Eusebius Zeuge ist) verboten worden, Bilder zu verehren. In den Kirchen bei den Römern (nach des Clementis und Plutarchi Schriften) ist aus dem Ratschluss Numae im Jahr von Gründung Roms hundertundsiebzig verboten worden, dass kein Bild entweder gemalet oder sonsten fingieret sollte gesehen werden; und dieses bezeuget auch Augustinus aus dem Varrone, dessen Worte klar bezeugen, wann er spricht, dass kein Götterbild in der Stadt Rom gewesen ist bei[225] hundertsechzig Jahren; hernach aber ist es geschehn, dass durch die Menge der Bilder und Statuen die Religion ist verachtet worden. Auch die Perser (wie wir aus dem Herodoto und Strabone sehen) haben keine Statuen aufgerichtet; aber diese Gottlosigkeit und Torheit war äusserst gross bei den Ägyptern, und von ihnen ist das auch hernach auf alle Völker kommen. Dieser der Heiden verderbter Gebrauch und falsche Religion haben, als dieselben angefangen, sich zu dem christlichen Glauben zu bekehren, auch unsere Religion infizieret und in unsere Kirchen die Bilder und andere Gebräuche, so nur zur unfruchtbaren Hoffart dienen, eingeführet, davon bei den ersten und wahren Christen nichts gewesen ist2. Es kann nicht gesaget werden, was für Aberglauben, ich will sagen Abgötterei, das grobe und ungehobelte gemeine Volk aus diesen Bildern geschöpfet, nachdem die Priester durch die Finger gesehen und ein Nützgen dadurch empfunden haben; sie berufen sich auf die Worte des Gregorius: Imagines esse libros vulgi, ut possit rerum memoria retineri; atque in his legant, qui literas non didicerunt, illisque conspectis ad Dei contemplationem trahantur. Das ist: Die Bilder sind die Bücher des gemeinen Mannes, dabei sie sich eines Dinges erinnern können; und darinnen sollen die Ungelehrten lesen, so nicht studieret haben, damit sie durch dieses Anschauen zur Betrachtung des wahren Gottes mögen gelangen. Aber dieses sind des entschuldigenden Gregorii menschliche Schwachheiten und Erdichtungen, ob er schon die Bilder billiget, so billiget er doch nicht derselben Beehrung; denn[226] uns Christen geziemet nicht aus dem verbotenen Buche der Bilder was zu lernen, sondern aus Gottes Buche, welches ist die Heilige Schrift. Wer derohalben Gott erkennen will, der muss ihn nicht bei den Bildern und Statuen suchen, sondern wie Johannes spricht: Scrutetur Scripturas, quae testimonium perhibent de illo. Das ist: Er muss in der Schrift forschen, denn sie zeuget von ihm. Diejenigen aber, die nicht lesen können, die mögen Gottes Wort hören, denn, wie Paulus spricht: Fides eorum ex auditu est. Ihr Glaube ist aus dem Gehör. Und Christus spricht bei dem Johanne: Oves meae vocem meam audiunt. Meine Schafe hören meine Stimme. Auch saget Christus weiter: Nemo potest venire ad eum, nisi pater traxerit illum, et nemo venit ad Patrem, nisi per ipsum Christum. Niemand kann zu ihm kommen, den nicht der Vater dahin gebracht hat, und niemand kommt zum Vater, denn durch Christum.

Warum sollen wir Gott die Ehre nehmen und solche den Bildern und Statuen geben, gleich als wenn dadurch Gott könnte erkennet werden? Und hierzu kommt noch die übermässige Verehrung der Reliquien. Wir müssen es zwar erkennen und kann es niemand leugnen, dass die Reliquien der Heiligen heilig sind, und dass sie dermaleinst von der Glorie der Ewigkeit glänzen werden, derowegen sie von uns billig müssen hochgeschätzt werden3. Damit wir also nicht auf eine Idolatrie oder Superstition fallen, so ist es besser und sicherer, dass wir unsern Glauben nicht an sichtbare Sachen hangen, sondern dass wir die Heiligen ehren im Geist und in der Wahrheit durch unsern Herrn Jesum Christum. Derowegen müssen uns die Reliquien[227] der Heiligen nicht würdiger und gewisser sein, als das Sakrament des Leibes Christi, welches allein als ein Sanctum Sanctorum in unsern Kirchen aufgehoben wird, weil wir dasselbe vor Christuni halten und ehren, welcher, ob er schon überall zugegen ist, so ist er doch allhier corporaliter und dem Leibe nach zugegen.

Aber das geizige Pfaffengeschlecht nimmt nicht allein aus dem Holz und Steinen, sondern auch aus den Gebeinen der Toten und aus den Reliquien der heiligen Märtyrer eine Materia zu ihrem verfluchten Geiz, und brauchet es zum Instrument ihres Wuchers und Raubes. Sie treiben Wucher mit den Gräbern der Bekenner Christi und mit den Reliquien der Märtyrer. Sie lassen sie ums Geld anrühren und küssen, zieren ihre Bilder mit einer grossen Pompe und Pracht aus und preisen sie heilig und heben sie im Himmel; aber dass sie sollten so ein Leben führen, das ist ferne von ihnen. Hat nicht unser Heiland zu diesen die Worte geredet: Vae vobis, qui aedificatis sepulchra Prophetarum, similes illis, qui occiderunt eos. Das ist: Wehe euch, die ihr bauet die Gräber der Propheten, ihr seid gleich denen, die sie getötet haben.

Dahero teilen sie nach Art der Heiden den Heiligen gewisse Ämter aus und sagen: Der ist Patron übers Wasser und kann mit dem Neptuno aus Wassersgefahr erretten; einen andern machen sie mit dem Jupiter zum Herrn über Donner und Blitz, oder mit dem Vulcano über das Feuer; einem andern übergeben sie mit Cerere die Sorge der Ernte; einen andern setzen sie mit Baccho über die Weinlese. Auch haben die Weiber ihre Heiligen, von welchen sie, wie vor Zeiten bei den Heiden von der Lucina und Venere, Kinder bitten; und wieder von andern lassen sich die Ehefrauen, wie die heidnischen von der Junone, mit ihren Gatten versöhnen oder an ihnen rächen.

So sind ihrer auch, die da machen, dass man gestohlene oder verlorene Sachen wiederbekommen kann; und ist auch nach ihren Gedanken keine Art der[228] Krankheit, welche nicht unter den Heiligen ihren Arzt hätte; und das ist die Ursache, dass die Medici weniger Geld verdienen können, wie auch die Anwälte; denn es ist kein Prozess so klein und so gerecht, dass er nicht sollte einen Heiligen zum Patron bekommen können.

Aber gleich wie unsere Seele durch unterschiedene Teile auch unterschiedene Actus auswirket und dieselbe nach Gelegenheit ihrer Disposition unterschiedene Wirkung austeilet, wie dem Auge das Gesichte, dem Ohre das Gehör zukommet, also teilet unser Herr Jesus Christus in seinem mystischen Leibe, dessen Seele er ist, das ist in der Kirche durch seine Heiligen, als hierzu geschaffene Gliedmassen, unterschiedene Gaben seiner Gnade aus in solchen Leuten; und bekommet ein jeglicher Heiliger ein sonderlich Amt, was zu wirken; etliche teilen gewisse Gnaden aus nach der vielfältigen Austeilung der Gnade, die teils dem Menschen ist revelieret und offenbaret, teils durch gottesfürchtiges Nachsinnen und andächtiges Gebet erlanget worden.

Wir meinen zwar, dass, wie Christus mit seinem Tode uns von unserm Tode hat errettet, in dessen Tode haben der Heiligen Tode angefangen und sind geheiliget worden. Also hätten die Märtyrer, welche durch eine gewisse Art der Krankheit oder Peinigung umkommen sind, uns von solchem Übel, das wir hätten leiden sollen, erlöset; es hat dieses einiges Fundament. Aber sind die billig auszulachen, welche von Gleichheit des Namens des Heiligen und von dem Klange der Bezeichnung der Krankheit und durch andere dergleichen unnütze Sachen den Heiligen was zuschreiben wollen, wie die Teutsche die fallende Krankheit dem Valentino, welcher Name das Wort fallen zu enthalten scheinet, zuschreiben wollen, und die Franzosen schreiben die Hydropisin oder Wassersucht dem Eutropio zu, wegen des Namens gleichem Klang.[229]

Ich will aber hier nicht haben, dass man der göttlichen Allmacht oder dem Verdienst der Heiligen etwas zu kurz tun solle. Denn der ist gottlos, welcher von der christlichen Gottesfurcht und von den Wunderwerken der Heiligen falsche Gedanken führet; hingegen ist der auch gottlos und abergläubisch, welcher anstatt der Wunderwerke abscheuliche Lügen und grausame Geschwätze in die Historien bringet, und denen Einfältigen, als wann es aus einem Oraculo geredet wäre, zu glauben aufbürden und mit einem grossen Geschrei einbläuen will. Die aber sind die allernärrischsten, die den Fabeln und Träumen Glauben schenken.

Aber gleichwohl wollte ich, dass ihr dieses hier wissen möchtet, dass, gleichwie der unmässige Kultus und Gebrauch der Bilder eine rechte Idololatrie ist, also ist auch die vertrackte Verachtung derselben eine Ketzerei, weswegen vor Zeiten Philippus und Leo III., die Kaiser, sind verdammet worden. Denn gleichwie der Missbrauch der Reliquien ein verfluchtes Verbrechen ist, also ist auch derselben gänzliche Verachtung eine Ketzerei, welche vor Zeiten von dem Vigilantio Gallo ist an Tag kommen, und von dem Hieronymo verfolget worden; jetzo aber fänget sie bei den Teutschen nebenst Verachtung und Abschaffung der Bilder wiederum aufs neue an, herfür zu quellen.[230]

2

»So fingen wir an, stumme Bilder unserer Heiligen in unsere Kirchen zu tragen, sie mit grossen Ehren auf die Altäre zu stellen, und wo der Mensch, das Ebenbild Gottes, nicht stehen darf, dorthin stellen wir leblose Bilder, verbeugen uns vor ihnen, küssen sie, zünden ihnen Kerzen an, hängen ihnen Weihgeschenke auf, schreiben ihnen Wunder zu, kaufen von ihnen Ablässe, machen ihnen Wallfahrten und Gelübde, verehren sie, beten sie an.« Diese Stelle ist in der alten Übersetzung fortgelassen.

3

»Wir müssen aber auch erkennen, dass die Heiligen fromme Beter überall erhören können; und wenn das auch leichter ist an den Orten, wo irgend ein Pfand von ihnen vorhanden ist, so besteht doch eine grosse Unsicherheit, weil man an verschiedenen Orten die Pfänder oder Reliquien derselben Heiligen zu besitzen glaubt; und so muss das Vertrauen da oder dort töricht sein.« Auch diese Zeilen fehlen in der alten Übersetzung.

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 225-231.
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