Kapitel LXII.
De sectis monasticis
oder
Von Orden der Mönche

[254] Es sind über dieses allerhand Orden: Mönche und Fratres Anachoritae, welche das alte Testament nicht gehabt hat. Es hat sie auch die Kirche zu derselben Zeit nicht gehabt, da sie am besten gestanden und von solchen zeremonialischen Gebräuchen nichts gewusst hat. Diese massen sich heutiges Tages allein des Namens der Religiösen an, schreiben sich harte Reguln zu leben für, und profitieren ihr Amt heilig; und nennen sich nach den Namen lobwürdiger Männer und heiliger Väter als vom Basilio, Benedicto, Bernhardo, Augustino, Francisco und andern mehr.

Heutiges Tages aber ist unter ihnen selten ein Guter, dagegen ein grosser Haufe böser Buben; denn hier fliesset alles zusammen, als wie in ein Asylum, was nicht gut tun will, und bei welchem das Gewissen der begangenen Schelmenstücken aufwachet, und die an keinem Orte wegen ihrer verübten Missetaten sicher sind oder sich deswegen einiger Strafe befürchten, welche ihr Vermögen mit Huren, mit Karten und Würfeln, mit Fressen und Saufen haben durchgebracht, und die auf die Letzt die höchste Armut zu betteln[254] zwinget; welche nicht arbeiten, und die Hände daran strecken wollen, die des Müssiggangs oder der Wollüste und der guten Tage gewohnet sind, welche ihre Jugend übel angewendet, denen das Glück nicht wohl gewollt, oder welche eine ungerechte Stiefmutter oder die schelmischen Vormünder um das ihrige gebracht und in den Orden getrieben haben. Diesen schönen Haufen nun bedecket diese simulierte Frömmigkeit, diese hochgepriesene Mönchskappe und diese nahrhafte Bettelei. Und das grosse weite Meer, darinnen der höllische Leviathan und Behemoth mit ihren Kreaturen wohnen, diese sind die grossen Meervögel und hässlichen Tiere, die nicht zu zählen sind, und daraus kommen so viel Stoicische Affen, so viel stolze und aufgeblasene Hellerschlucker, soviel Bettler im Ornat, so viel gekappete Monstra, so viel grosse Bart-, Seil- und Strickträger, Sackträger, Grapscher, Schlappbeine, Stelzfüsse, Barfüsse, Schwartzträger, Grauröcke, Weissröcke, Buntröcke, Leib- und Lebensfechter, Leute in schmutzigen und in kostbaren Trachten, und viel andere dergleichen Komödianten.[255]

Diesen nun, welche in dem weltlichen Wesen keinen Kredit mehr haben, denen werden wegen ihres abscheulichen geistlichen Habits geistliche Sachen anvertrauet, und nehmen den Namen heiliger und religioser Leute an sich, nennen sich Christi Gesellen und Kameraden der Apostel; und ist doch oft ihr Leben von Bosheit und vom Geiz, argen Lüsten, Schmausen und Saufen, Ehrgeiz, Vermessenheit und andern Lastern angefüllet, aber wegen Prätext der Religion sind sie unbestrafet; denn von der römischen Kirche sind sie mit trefflichen Privilegien begabet, und von der Jurisdicton aller Kirchen exemt, damit sie alles ungestrafet tun und für keinem andern Gerichte stehen mögen, als zu Rom und zu Jerusalem; da sie doch andere für ihren Gerichten verklagen können. Wann ich dieser Leute Eitelkeiten und Irrtümer anjetzo mit der Feder beschreiben sollte, so würden nicht der Kuhhäute von Madian (Midian) genug sein; sollte ich, sage ich, die Irrtümer derer aufschreiben, welche nicht aus Andacht oder Eifer der Religion, sondern ihren Bauch zu füllen die Mönchskappe angezogen haben.

Die Frommen aber sollen sich an meine Rede nicht kehren und lassen sich nicht ärgern, denn ich rede nur hier von Bösen und Gottlosen, welche unter den Schafskleidern reissende Wölfe sind und unter ihrem geistlichen Habit einen listigen Fuchs verborgen haben, und diese, welche ihren Betrug künstlich verbergen und mit ihrer Heuchelei der Gottesfurcht eine artige Farbe dergestalt anstreichen können, als wann sie die heiligsten Leute wären. Mit ihren bleichen Gesichtern simulieren sie das Fasten, mit ihren heuchlerischen Tränen suchen sie die innersten Herzensseufzer her, mit ihren beweglichen Lippen und lallenden Zungen simulieren sie ein fleissig Gebet, mit ihren Tritten,[256] demütigen Gebärden und massvollen Haltung geben sie sich für Lichter auf Erden aus und stellen sich, als wann sie die Ehrbarkeit und die Demut ganz gefressen, unter ihren langen Kutten die Heiligkeit wohnen hätten; da sie doch verfluchte Sitten an sich haben und lauter Schurkereien begehen, und indem sie unterm Vorwande der Religion und unter dem Schild ihrer Mönchskutten von allen weltlichen und ärgerlichen Beschwerungen frei sind, so nehmen sie das müssig erbettelte Brot denjenigen, denen es in der Welt sauer wird, vor dem Maule weg, und fressen, saufen und schlafen ohne Sorgen, und meinen, das wäre die evangelische Armut, wann sie mit Betteln und Müssiggang anderer Leute Schweiss und Blut an sich ziehen; sie wären rechte demütige Leute, wann sie in geringen Kleidern, barfüssig wie Bauern, mit Stricken umgeben wie gefangene Strassenräuber, mit geschorenen Köpfen wie die Narren gehen; es fehlen nur die Schellen an den Kappen, um sie wie die Fastnachtsnarren aussehen zu lassen. Alle Schmach, Schande und Verachtung um Christi willen müssten sie leiden und auf sich nehmen, da sie doch voller Hochmut stecken und prächtige Tituln an sich nehmen: sie sind Brautführer, Rectores, Präsides, Priores, Vicarii, Provinciales, Guardiani, Archimandritae, und ist kein ehrgeiziger Volk unter der Sonnen als sie.

Hier sollte es mir an Materie nicht ermangeln und ich wollte noch viel von ihren bösen Taten sagen; aber es sind ihrer schon gar viel vor mir gewesen, welche von ihren Schandtaten allbereits genug geprediget und geschrieben haben.

Sehet, also haben diese lose Leute nicht allein viel fromme und rechtschaffene, ehrliche und religiose Patres geschimpfet, sondern sie haben auch dieser heiligen Väter heilsame Einsetzungen und Anordnungen[257] verachtet und gleichsam vor ein Schaubhütlein gehalten. Derowegen will ich allhier diese gar nicht durchgezogen haben, welche in die Fusstapfen dieser heiligen Väter getreten und ihre Profession gut abwarten. Ich muss bekennen, dass ihre Reguln und Professiones heilig sind; ich muss bekennen, dass auch noch auf den heutigen Tag es so viel heilige Mönche gibet unter den Bettelmönchen, Einsiedlern und heiligen Canonicis Secularibus.

Aber gleichwohl ist auch nicht zu leugnen, dass Unter ihnen auch viel böse Schelmen, Unglaubige und Abtrünnige sich befinden, welche diesen Orden grosse Schmach und Schande antun. Und ist fürnehmlich allhier unser Vorsatz gewesen, dass kein Religionsorden jemals so fromm und züchtig gefunden worden, darinnen nicht auch ein Irrtum oder sonsten andere Bosheiten gestecket und mit eingeschlichen wären.

Ja wir lesen, dass bei den Engeln sind Abtrünnige und Mamelucken, Totschläger bei unsern ersten Brüdern, verworfene Propheten, verräterische Apostel und untreue Discipul Christi; auch unter den römischen Päpsten sind viel Spaltungen-Lehrer und Ketzer gewesen. Ja auch ein Weibsbild, welche Johannes Octavus ist genennet worden, und hat den Apostolischen Stuhl zwei Jahre, etliche Monat und Tage zu aller Zufriedenheit regieret; und diese hat, welches sonsten dem weiblichen Geschlechte versaget ist, heilige Orden konferieret, Bischöfe gemachet, Sacramenta administrieret[258] und andere päpstliche Ämter ausgeübet; und ihre Facta sind nicht revozieret worden. Also machet der gemeine Irrtum ein Recht, und diese hat es so weit gebracht, dass die Kirche ist gezwungen worden zu dissimulieren und zu billigen dasjenige, was sonsten die Schärfe des geistlichen Rechtes keinesweges zugelassen hätte. Also sehet ihr, dass man auch in der Kirche und Religionssachen nichts Beständiges finden kann.

Diejenigen aber, welche in der Kirchen gewisse Sekten einführen, und solches ihres Gewinnstes halber, oder wegen simulierter Heiligkeit tun, dieselben sollen wie Nadab und Abihu, als sie fremd Feuer auf den Altar Gottes bracht haben, verbrannt werden, welche aber als angesehene stolze Leute mit verruchten Lehren und Meinungen wider die Kirche sich auflehnen und Ketzereien einführen, die sollen, wie Dathan und Abirom von der Erde verschlungen und lebendig in die Hölle gestossen werden. Die aber, so die Einigkeit der Religion aufheben und Christi Gliedmassen teilen und die Kirche Gottes plagen, die sollen mit der Strafe, die Jerobeam angetan ist worden, ausgerottet werden.[259]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 254-260.
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