Kapitel LXIX.
De nobilibus aulicis
oder
Von adelichen Hofleuten

[310] Das Hofvolk oder die Hofschranzen sind zweierlei. Von der ersten Partei sind die adelichen Pagen, Hof- und Kammerjunker, diejenigen Thrasones und Bramarbasse, welche fast für Pracht, Hochmut und Stolzheit unsinnig sind, die alle Tage in Purpur und köstlichen Stoffen, in güldenen Kleidern und Federbüschen daher treten, von welchen gesaget wird:


Scorta placent, fracti curvique e corpore gressus

Et laxi crines, et tot nova nomina vestis.


Das ist: Sie haben ihre Lust am Huren, wissen nicht, wie sie vor Hoffart die Beine setzen sollen, stolzieren mit den Haaren, und verkleiden sich in alle närrische neue Moden. Diese strecken alle ihre Kräfte dran, wie sie möchten Venusbrüder sein und täglich im Schmausen und Saufen leben; sie meinen, es sei ihnen ein Ruhm, wann sie nur alles das ihrige auf eine Gasterei wenden, wann sie hernach drei Monate lang an einem fremden Tische schmarutzen sollten. Zu diesen sammeln sich stets Pfeifer, Lautenisten und allerhand Musici, wie auch Gaukler, Seiltänzer, Komödianten, Springer, Jäger, Huren und Kuppler und mehr dergleichen[310] Wundertiere aufwarten. Diese Hofleute füttern Hunde, Pferde, Wölfe, Hirsche, Stossvögel und andere gewaffnete Vögel, Affen, Papageien, Bären, Löwen, Leoparden und Tigertiere. Ihr Gespräch ist nichts als blosse Schandpossen, Märchen, unnütze Fabeln und Historien; sie schänden, schmählen, lügen, schwatzen in Tag hinein, schrauben und ziehen einander auf; da redet eine Partei von Hunden und Jagden, und wie breit oder lang ein Wald ist; eine andere Partei von Pferden, Gewehr und Kriege, und schneiden von ihren Krieges- und Heldentaten auf, und wollen den grossen Alexander über Tische und beim Gebrauch des Weins ums Leben bringen; einer heisset oft den andern Lügner und kommen mit Scheltworten also aneinander, dass sich die Gastereien mit Zorn und Unwillen enden; und höret bei ihren Conviviis des Bachi Geschenke nicht auf, bis dass es Blut gibet, und sie mit blutigen Köpfen wieder nach Hause kommen, als wann sie zu dem Ende hingeboten worden wären. Da heisset es:


Quod superest laeti bene gestis corpora rebus

Procurate viri, et pugnam sperate parati.


Das ist: Im übrigen machet euch wacker lustig, und wann euch jemand in etwas zu nahe kommet, so wehret euch dagegen als tapfere Leute. Überdieses lassen sie sich die grösste Tugend sein, dass sie die richtigen Zeiten und Stunden bei den Fürsten inacht nehmen, damit nicht etwan was Ungeschicktes ihm in Weg gebracht werde; ihre Bemerkungen machen sie nicht über die Gestirne, den Himmel oder den Kalender, sondern sie schwatzen von der Weinkanne, von der Jagd, von Gelagen und Schmausereien, vom Bette; wann der Fürst lustig und bei gutem Humeur ist, da bringen sie ihm erst was lustiges Neues vor, und wann sie ihm die Ohren damit gekitzelt haben, so kommen sie hernach allmählig zu dem, was sie ihm abbetteln wollen; und folgen aus ihrer Natur heraus dem Rat, welchen Aristoteles seinem Discipul, dem Callistheni, gegeben hat: wann er wollte mit einem Könige reden,[311] so sollte er entweder niemals oder von lauter lustigen Sachen mit ihm reden; nämlich damit einer entweder durch sein Stillschweigen sicherer oder durch seine Reden angenehmer wäre.

Wann nun dieses dem Könige oder Fürsten gefället, und er dadurch lachet, oder das, was er geredet hat, billiget und merket, dass er ihm eine Freundlichkeit erweiset oder ihn auf die Seite rufet und à part mit ihm redet, da kommt er in ein trefflich Ansehen bei den Leuten, da wird er sich hernach alles unterstehen, er wird alle anzwacken, alle auslachen, geringe halten, wird heimlich herabziehen, öffentlich tadeln oder strafen, er wird grosse Redensarten vorbringen und wird sich alles unterstehen, damit er in die andern Furcht einjage; die Geringe wird er unter die Füsse treten, seinesgleichen neben sich verachten, die Höhern nicht gross respektieren, er aber will sonderlich geehret und angebetet sein, ist stolz und suchet mächtig zu werden.


Libertas scelerum est virtus et summa potestas.


Das ist: Ihre einzige Tugend ist, dass ihnen alle Laster vor ungewesen hinausgehen. Die ihm nicht nach seiner Pfeife tanzen und nicht schmeicheln, ob der Hofmann gleich nichts Tüchtiges geleistet hat, die müssen vom Hofe weg, als wären sie neidisch oder widerspenstig. Auf solche Art ist so ein Hofmensch nicht allein für seinesgleichen gefährlich, sondern auch dem Fürsten sehr schädlich, wie Curio (bei dem Lucano) den Kaiser instigieret hat: Es ist uns leid, dass dich was hat aufgehalten, deine Macht und Gewalt zu gebrauchen, da du dich doch auf uns hättest verlassen mögen. Nun wird hinfüro Zeit unsers Lebens das Volk gegen dem Rat und Herrschaft sich widerspenstig erzeigen.

Dergleichen Instigatores oder Hetzer hat Alexander Magnus gehabt, welche ihn, da er ohne das von Natur wilde war, zu immer neuen Kriegen und Schlachten angereizet haben. Dergleichen Ratgeber hat Roboam, des Salomonis Sohn, gehabt. Und haben die Fürsten jetzo bei unsern Zeiten auch dergleichen Berater, welche[312] ihren Begierden schmeicheln, ihren argen Befehlen rasch gehorchen oder mit so schwachen Scheingründen widersprechen, dass der Fürst es leicht hat, auf seinem Willen zu bestehen, und die Schranzen doch sagen können: sie hätten's widerraten. Dergleichen Räte hat gegenwärtig Franciscus, König in Frankreich, zu solchen bösen Ratschlägen gar willig, welche ihn wider den Kaiser gar gerne aufwiegeln wollten, und gleichwohl gelten sie für die besten und getreuesten Räte.

Und dieses sei hier genug von adelichen Hofleuten; wer einen davon offendieret, der hat sie alle wider sich.[313]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 1, S. 310-314.
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