Kapitel LXXXI.
De arte heraldica
oder
Von der heraldischen Kunst in Erfindung sonderlicher Zeichen und Farben in Schilden und Wappen

[57] Und daraus ist kommen diejenige Kunst der Heraldik, welche in Austeilung und Kritik der adeligen Schilde und Wappen beschäftiget ist. Dieser aber ist ein Maultier, ein Kalb oder ein Schaf oder ein Lamm oder ein Kapaun oder eine Henne oder eine Gans oder sonsten ein Tier, so dem Menschen brauchbar oder dienlich ist, in den Wappen führen zu lassen eine Schande; vielmehr müssen alle Insignia und Wappen des Adelstandes von greulichen Bestien und räuberischen wilden Tieren genommen werden. Also haben die Römer den Adler, als den räuberischsten unter allen Vögeln, sich auserlesen; die Phrygii das Wildschwein, das schädliche Tier; die Thracier den Tod; die alten Goten den Bären; die Alani, wie sie Spanien angefallen, die Katze, ein räuberisch und betrügerisch Tier; die alten Franken und Sachsen den Löwen, hernach aber haben die Franken, die in Frankreich sich aufgehalten haben, die[57] Kröte, die Sachsen aber das kriegerische Pferd erwählet; die Cymbri den Stier, zum Zeichen ihrer Stärke; dem Könige Antiocho war ein Adler, welcher einen Drachen mit Klauen packte, zum Zeichen; dem Pompejo aber ein schwerttragender Löwe; dem Attila ein gekrönter Vogel Astur zum Wappen. Ja, die Römer selbsten, welchen die Gänse das Capitolium wider die Gallier beschützet, haben doch nicht dahin können gebracht werden, dass sie die Gans zu ihrem Wappen erwählet hätten.

Aber, es gibt ihrer gleichwohl, welche den Hahn und den Bock in den Wappen zulassen, vielleicht, weil diese Tiere stolz und geil sind, welches die vornehmsten Gaben des Adelstandes sind. Eben aus dieser Ursache nehmen sie auch den Pfau an, wegen der Stolzheit; und den Wiedehopfen, welcher auch etwas Königliches an sich zu haben und eine Krone zu tragen scheinet; und kehret sich der Adel nicht daran, dass dieser Vogel das Nest im Kote machet. Denn der Kaiser Vespasianus selbsten hat aus dem Harn und Drecke einen Zoll genommen und gesaget: Lucri non esse malum odorem; der Gewinnst habe keinen üblen Geruch. So haben auch viel kleine Tiere in der Edelleute Wappen für andern den Vorzug, wenn sie nur ein Beispiel irgendeines Schadens oder Unglücks bieten können; sonsten aber sind sie nicht zulässlich. Aus dieser Zahl sind die Kaninchen, die Maulwürfe, die Frösche, die Heuschrecken, die Mäuse, die Schlangen, die Ameisen, die Tausendfüsse, von welchen (wie Plinius schreibet) gewisse Völker sind vertrieben und Städte sind verheeret worden; und aus diesen Ursachen wären auch die Bremen, die Wanzen, die Fliegen, ja auch die Blasen, die Eiter, die Geschwüre und Pestbeulen selbsten wohl als Wappen zugelassen; denn durch diese ist vor Zeiten Agyptenland unterm Pharaone und Mose geplaget worden. Und was bedarf's mehr? Heutiges Tages werden ja diejenigen für die besten Edelleute gehalten, welche für andern mit den Franzosen behaftet und gezieret sind.[58]

Es gibet ihrer auch, welche Schwerter, Dolche, Schlachtmesser. Äxte, Schleudermaschinen, Türme, Schlösser, grobes Geschütz, Feuer und andere zum Totschlag und Verderben der Menschen erfundene Instrumenta in ihre Wappen hinein bringen lassen. Ja bei den Skythiern ist der Blitz, bei den Persern sind Bogen und Pfeile, bei den Corallern sind Räder Wappen gewesen. Ähnlich haben wohl gar der Jupiter den Blitz, der Neptun die dreizackige Gabel, der Mars den Spiess, der Bacchus den Tyrsus, der Herkules die Keule und der Saturnus die Sichel auserlesen.

Und diese Insignia sind's, welche zum Zeichen der Grausamkeit und Tyrannei, der Rauberei und der Gewalt oder der Stärke oder Verwegenheit, welches alles adelige Tugenden sind, von den Heraldikern also sind erdacht und vorgebildet worden. Diejenigen Schilde oder Wappen nun, welche oben erzählte Sachen nicht haben, sondern was Leutseligeres in sich begreifen, als Bäume, Blumen, Sterne oder des Apollinis Leier, des Mercurii Stab, oder die nur mit gewissen Farben gemalet und unterschieden sind, die werden nicht für so alt und lange nicht für so edel gehalten; denn man hat gemeinet, dass diese nicht durch die Stärke des Krieges oder durch Vergiessung Menschenbluts sind erworben worden.

Aber recht wunderlich ist es, mit was für einer närrischen Weisheit diese militärischen Heraldiker dieser Wappen wegen astrologizieren, philosophastern und theologizieren, wann sie die dunkele und schwarze Farbe dem Saturno assignieren; sie schreiben ihr deswegen die Beständigkeit, die Verschwiegenheit und die Geduld zu; der blauen Farbe, die sie dem Jupiter unterordnen, geben sie den Sinn der Treue, nach der Franzosen Meinung dem des Eifers; in der roten Farbe wollen sie den Zorn und die Rache fürbilden, wegen der Gewalt des zornigen Martis; die gelbe Goldfarbe wird der Sonne zugeschrieben, durch diese wird die Fürtrefflichkeit des Metalls, der helle Schein der Sonnen, das Verlangen und die Freude[59] vorgebildet; die Venus setzen sie über die purpurne und grüne Farbe, und wollen damit den rosigen Purpur, die Liebe bezeichnen lassen; die Franzosen aber schreiben ihr die List der Verräterei zu; die grüne Farbe aber bedeutet nach aller Meinung die Hoffnung, denn wann die Äcker anfangen zu grünen, so hoffet man Früchte; die weisse Farbe wird dem Mond zugeschrieben, weil sie ohne Vermischung für sich alleine ist; sie nimmt aber gern andere Farben an, und damit haben sie die Reinigkeit, Einfachheit und Schicksamkeit anzeigen wollen.

Die andern, gemischten Farben aber eignen sie dem Mercurio zu, denn wie er an sich selbsten unbeständig und rumvagierend ist, also werden auch durch ihn alle unbeständige Gemüter vorgebildet; denn die Aschenfarbe ist der schwarzen näher und wird dadurch eine Bangigkeit ausdrücken, die Fleischfarbe ein Schmerzen des Gemütes oder heimliche verborgene Gedanken, die Strohfarbe, hell oder dunkel, aber erinnert an die verdorreten Blätter und Kräuter und zeiget des Menschen Desperation und Kleinmütigkeit an.

Aber es würde zu lang, alle Narrendeutungen aus den Humoren, den Komplexionen, den Jahreszeiten, den astrologischen Zeichnungen, aus den Winden, Zeichen, Gewächsen, Planeten und Steinen hier zu erzählen. Ja sie dichten den heiligen Sacramenten der Kirchen und deren Geheimnissen viel zu, und wollen bald die ganze Offenbarung Johannis in diese ihre nichtswürdige Fabeln mit hineinziehen.

Sehet, das ist nun dieser heldischen Heraldorum heldische Philosophie. Hier machte ich diesem Geschäfte ein Ende, wann mir nicht einfiele, dass ich den Ursprung dieser Heraldorum vergessen habe, derowegen muss ich noch solchen hieher zusetzen.

Aeneas Sylvius der deduzieret die Heralden von den Heroibus oder Helden; es waren aber die Heroës oder Helden alte Soldaten, welche man nur allein Heraldos oder Heralden nennen dürfte, und ist also[60] Herald ein alt teutsch Wort, und heisset soviel als einen, der mit Waffen alt worden ist, oder einen alten Soldaten. Heutigen Tages aber werden schlechte Leute Friedensboten oder Herolde, die ihr Lebtage nicht in Krieg kommen sind, also genennet. Die Freiheiten und Privilegia aber dieser Heraldorum sind noch von alten Zeiten bis auf den heutigen Tag im Gebrauch. Der Stifter und Anfänger derselben ist gewesen Liber Pater oder Bacchus, welcher sie, nachdem er Indien eingenommen hat, mit solchen Worten geweiht hat: Ego vos hodie militiae laboribusque absolvo, veteranos milites esse volo, heroasque vocari; munus vestrum erit Reipublicae consulere, sontes arguere, laudare probos, caeteris muneribus vacabitis, quocunque gentium terrarumque veneritis, victum[61] vobis reges vestitumque dabunt, honoratiores apud omnes eritis, xenia vobis principes offerrent, suasque vestes condonabunt, stabit fides dictis vestris, mendacia horrebitis, proditores judicabitis, qui foeminas male habent infames hos asseverabitis; in omni terra libertas vobis esto, securusque vobis transitus et incolatus. Si quis vos vestrumque verbo factove angariaverit quempiam, gladio ferietur. Das ist: Ich spreche euch Leute von allen Kriegesdiensten los, und sollt ihr hinfüro ausgediente Soldaten und Helden genennet werden. Ihr sollet das gemeine Wesen beraten, die Bösen strafen, die Frommen belobigen, und dieses soll eure einige Verrichtung sein. Wo ihr werdet hinkommen, sollet ihr von Königen und Fürsten unterhalten und gekleidet werden, ihr sollet hoch angesehen sein bei jedermann; Fürsten und Herren sollen euch beschenken und begnadigen; jedermann soll euch auf euer Wort trauen, und ihr sollet euch vor aller Unwahrheit hüten; die Verräter sollt ihr züchtigen und gegen die, so ihre Weiber nicht nach Gebühr halten, sollet ihr mit Nachdruck vorgehen. Allenthalben wo ihr hinkommet, sollet ihr freien Aufenthalt haben; und wer euch oder den euerigen was zu nahe redet oder tut, soll mit dem Schwerte gestrafet werden.

Lange Zeit hernach hat Alexander Magnus zu diesen Helden-Privilegiis noch dieses hinzu gesetzet, dass sie sich in Gold, Purpur und Scharlach kleiden und kaiserliche Gewänder anziehen, ja königliche Wappen und Insignien, an welchem Ort sie wollen, gebrauchen mögen. Rührte einer dieselben mit der Hand oder war man ihnen mit Worten zuwider, so war gleich dessen Vermögen verfallen, und wurde derselbe auch wohl gar am Leben gestrafet. Dass auch Thucydides, Herodotus, Didymus, Megasthon und Xenophon solches also berichtet haben, erzählet eben dieser Aeneas Sylvius. Endlich aber, als er die römische Monarchie aufgerichtet, hat Octavianus Augustus diese Herolde mit einem solchen Gesetze beehret[62] und gezieret: Quisquis es, qui per decennium nobiscum militaveris, si modo quadragenarius fueris, sive eques, sive pedes stipendia merueris, militia posthac vacato, Heros esto, veteranusque miles, nemo di civitate, foro, templo, hospitio, domo prohibeat; nemo tibi crimen adscribat, onus imponat, pecuniam ex te quaerat; si quid peccaveris, solam Caesaris vindictam expectato, quicquid turpitudinis admiserint homines, te judicem propalatoremque timeant, seu privati, seu principes fuerint, quod dixeris affirmaverisque, nemo falsum arguet, libera et aperta tibi omnia itinera locaque sunto, in aedibus principum mensa tibi cibi potusque esto, stipendia, quibus te tuamque domum serves, ex publico quotannis habeto; quam legitima face duxeris uxorem, caeteris foeminis praeferatur; quem exprobraveris infamemque dixeris, hic reprobatus homo et infamis esto; arma, insignia, nomina et ornamenta heros ferto, quae reges decent, quae dicere aut facere velis, ubivis gentium, locorum nationumque facito. Si quis injurius fuerit, cervice careto. Das ist: Ein jeglicher, welcher zehen Jahre bei mir in Kriegesdiensten, es mag sein zu Ross oder zu Fuss gewesen, der soll nach seinem 40. Jahre davon los sein, und soll ein Held und ausgedienter Kriegesmann genennet werden; es soll ihm niemand verwehren sich der Stadt, Kirchen und gemeinen Häuser nach Belieben zu gebrauchen; er soll von allen Steuern oder andern Gefällen befreiet sein; wann er etwas verbrochen, soll er alleine von dem Kaiser gestrafet werden, hingegen sollen alle andere, so etwas verschuldet, sich seiner Strafe unterwerfen; was er behauptet, dem soll niemand widersprechen; es soll ihm frei sein hinzuziehen und zu reisen wo er will; bei Fürsten und Herren soll er allezeit freien Tisch haben, und seine jährliche Besoldung, wovon er sich und die Seinigen erhalten kann, bekommen; sein eheliches Weib soll andern vorgezogen werden; welchen er vor unehrlich erklären wird, der soll auch von jedermann darvor gehalten werden; es soll ihm[63] zugelassen sein, fürstliche Wappen und Namen zu führen; was er sagen oder tun will, es sei wann und an welchem Orte es wolle, das mag er tun; und wer ihn lästern oder schmähen wird, der soll am Leben gestrafet werden.

Und gar auf die Letzt hat Carolus Magnus, als des römischen Reiches Namen ist auf die Teutschen kommen, und er, als er die Sachsen und Longobarder überwunden, Cäsar und Augustus genennet worden, hat er die Herolde mit dieser Ehre gewürdiget, wann er gesaget: Milites mei, vos Heroës vocabimini, socii regum et judices criminum, vivite posthac laboris expertes, consulite regibus publico nomine, turpia corripite, favete foeminis, juvate pupillos, concilio circundate principes, ab his victum, vestitum, stipendiumque petite; si quis negaverit, inglorius infamisque esto; si quis injuriam vobis intulerit, reum se laesae Majestatis agnoscat. Vos autem cavebitis, ne tantum decus, tantumque privilegium justo labore bellorum partum aut ebrietatis aut scurrilitatis, aut alio quovis vitio maculetis, ne quod vobis largimur ad gloriam, redundet ad poenam, quam de vobis sumendam, si forsitan excesseritis, nobis et successoribus nostris Romanorum regibus, perpetuó reservamus. Das ist: Ihr meine Soldaten, ihr sollet nun ins Künftige Helden genennet werden, Gesellen von Königen, Richter von Übeltaten; lebet hinfüro ohne Müh und Arbeit, und gehet den Fürsten zu dem gemeinen Besten an die Hand; strafet das Böse, schützet die Weiber und Unmündigen; stehet den Fürsten in ihrem Rate bei, ihr sollt von ihnen euern Unterhalt und jährliche Besoldung haben; wer euch zuwider ist, soll vor unehrlich gehalten werden, und wer euch schändet oder schmähet, soll ein crimen laesae Majestatis begangen haben; ihr aber sehet zu, damit ihr diese hohe Würde, so ihr im gerechten Kriege verdienet, durch Trunkenheit, Possenreisserei oder andere Laster nicht beflecket, damit das, womit wir euch beehren, euch nicht zur Strafe gereiche, was[64] wir uns allein und unsern Nachfolgern, denen römischen Kaisern, für Verbrechen an euch auszuüben, wollen vorbehalten haben.

Und dieses ist nun der Heraldorum ihre Magnifizenz, mit welcher sie sich durch alte hergebrachte Gewohnheit gross machen, weil ihnen nachgelassen ist, grosse Leute ungestrafet zu tadeln und zu schelten.[65]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 2, S. 57-66.
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