Kapitel XCIX.
De theologia prophetica
oder
Von der weissagerischen Theologie

[155] Gleichwie die Weissagung ist eine Rede der Propheten, also ist diese Theologie nichts anderes, als eine Tradition der wahren Theologen oder mit Gott Redenden. Aber gleichwie derjenige, welcher etwas Prophetisches vorbringet oder zu verdolmetschen weiss, nicht alsobald ein Prophet ist, sondern erst derselbige, welcher in göttlichen Sachen mit Heiligkeit und andern göttlichen Tugenden begabet ist, welcher mit Gott redet, und nach seinem Gesetze lebet Tag und Nacht: also wird Johannes, der Autor der Offenbarung, in den Schriften Dionysii der Theologus genennet, nämlich von seinen göttlichen Reden, da die Wahrheit selber geredet und gesaget hat: Qui vos audit, me audit, et qui vos spernit, me spernit. Wer euch höret, der höret mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich. Welches Wort er nicht zu unsern zänkischen Theosophisten geredet hat, zu unsern Ablassverkäufern, sondern zu den rechten Theologen, zu Aposteln und Evangelisten, zu den Boten seines Wortes, welche sagen: Non audeo aliquid[155] loqui, quod per me non efficit Christus. Das ist: Ich unterstehe mich nichts zu reden, was nicht Christus durch mich tut.

Derowegen ist die Tradition vom Glauben und Gottesfurcht dieser heiligen Männer die Theologie. Deren Schriften und Worten muss man Glauben beimessen, weil sie gegründet sind nicht auf zänkische Schlussreden oder Menschenphantasien und Einbildungen, sondern auf die rechte gesunde Lehre, die (wie Paulus spricht) heilig inspirieret ist, nicht auf Art und Weise, wie es die Philosophi oder Weltweisen mit ihrem Definieren, Dividieren und Komponieren machen, sondern eine gewisse göttliche Berührung, welche in der klaren Vision des göttlichen Lichtes enthalten ist; derer Vision wir in der Heiligen Schrift vielfältig wahrgenommen haben, nach unterschiedenen Dispositionen der Propheten. Denn wir lesen, dass etliche Gott und die Engel in Gestalt von Menschen gesehen haben, andere in der Gestalt eines Feuers, andere in der Gestalt der Luft und des Windes, andere in der Gestalt eines Flusses oder Wassers, andere in der Gestalt eines Vogels, andere in der Gestalt eines köstlichen Steines oder Metalles, andere in der Gestalt der Charakteren oder Buchstaben oder einer Hand eines Schreibers, andere im Klang einer Stimme, andere im Traum, andere in einem Geist in ihrem Innern, andere aber in Kraft ihres Intellectus. Dahero nennet die Heilige Schrift die Propheten alle Seher, dahero lesen wir: das Gesichte oder die Visio Jeremiae, das Gesichte Jesaiae, das Gesichte Ezechielis etc. Und im neuen Testament saget Johannes: Fui in spiritu in illa Dominica die, in qua subvectus vidi thronum Dei. Das ist: Ich bin im Geist gewesen an demselben Gottestage, an welchem ich emporgeführet, Gottes Thron gesehen habe. Und Paulus bezeuget, dass er solche Sachen gesehen habe, über welche keinem Menschen gebühret zu reden. Aber dieses Sehen wird von vielen ein Raptus oder Ekstasis oder geistlicher Tod genennet; denn es wird zu derselben[156] Zeit gleichsam eine Separation oder Scheidung der Seele von dem Leibe, aber nicht des Leibes von der Seele sein. Von diesem Tode wird gesaget: Deum non videbit homo et vivet. Das ist: Der Mensch wird Gott nicht sehen und doch leben. Und anderswo: Pretiosa in conspectu Domini mors Sanctorum. Das ist: Der Tod der Heiligen ist für Gottes Angesicht wert gehalten. Und noch deutlicher durch den Apostel: Mortui estis, et vita vestra abscondita est cum Christo. Das ist: Ihr seid gestorben und euer Leben ist mit Christo verborgen. Sehet also, diesen Tod muss der sterben, welcher die untersten Geheimnisse der prophetischen Theologie begreifen will.

Es ist aber eine zwiefache Art dieser Vision. Eines, da Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen wird, und da sehen die Propheten, wie Paulus saget, was nicht vergönnet ist dem Menschen zu reden, und was keine, weder des Menschen noch des Engels Zunge aussprechen, noch keine Feder beschreiben kann. Denn es ist ein Anrühren und eine Vereinigung des göttlichen Wesens, und eine Erleuchtung des reinen und ganz abgesonderten Verstandes ohne Verhüllung durch Bilder. Dahero legen die Theologi dieses Gesichte oder Vision aus und nennen es Visionem meridionalem; worüber Augustinus schön und weitläuftig diskurieret (über das erste Buch Moses) und Origenes (wider Celsum). Das andere Anschauen ist, wann dasjenige angesehen wird, was Gott hinterlassen hat, nämlich, wann der Mensch mit klarem Schauen die Kreaturen Gottes siehet, welche sind Gottes Nachkömmlinge und Wirkungen, durch deren Betrachtung wird erkennet der Meister und Schöpfer aller Dinge, und die erste Ursache daraus alles kommt, wie der weise Lehrer spricht: A magnitudine speciei et creaturae poterit cognosci eorum creator. Das ist: Von der Grösse der Kreaturen kann derselben Schöpfer erkennet werden.

Und Paulus spricht: Invisibilia Dei per ea, quae[157] facta sunt, intellecta cognoscuntur. Das ist: Die unsichtbaren Sachen Gottes können durch die, welche gemachet sind, verstanden und erkennet werden. Gleichwie bei den Peripateticis eine gleiche Art zu reden ist: die da schliessen von den Effekten auf die Ursachen, die schliessen a posteriori.

Dieser beider Visionen oder Gesichter gebrauchte sich Moyses, wie solches die heilige Schrift bezeuget, denn von dem ersten lesen wir, dass Moyses Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen hat; von dem andern aber, dass von dem Herrn ist gesaget worden : Du wirst sehen meine Posteriora. Und nach diesem letzten Gesichte hat Moyses das Gesetze gemacht, Opfer eingesetzet, gewisse Gebräuche gegeben, die Lade des Bundes gebauet und andere Geheimnisse mehr ans Licht gebracht, und hat darunter Gott und der Natur heimliche Werke begriffen. Und diese Vision ist wieder zweierlei, denn entweder man schaut Gottes Geschöpfe und die Kreaturen in Gott an, dann heisst sie visio matutina, oder man schauet Gott selbsten an in den Kreaturen und dann wird sie genennet visio vespertina.

Überdieses aber ist noch eine andere prophetische Vision, nämlich diese, welche im Traum erscheinen, wie Gott dem Joseph im Traume erschienen ist. Sodann die Weisen, nachdem sie Christum angebetet, sind im Traum erinnert worden, dass sie auf einem andern Wege in ihr Land umkehren sollten. Dergleichen Exempel sind viel im alten Testament, und was eigentlich diese Vision sei, das beschreibet uns Job, wann er saget : In horrore visionis nocturnae, quando cadit sopor super homines et dormiunt in lectulo, tunc aperit aures et erudiens instruit eos disciplina. Das ist: Im Schrecken des Gesichtes in der Nacht, wann der Schlaf auf die Leute fället, wann sie schlafen auf dem Bette, da öffnet er ihr Ohr und lehret sie durch seine Zucht oder Disziplin. Und diese, als die vierte Vision, wird visio nocturna genennet. Sonsten sind auch noch zwei Arten zu prophezeien,[158] eine, welche mit lauter Stimme geschicht, mit welcher sind erleuchtet worden Moyses auf dem Berge Sinai, Abraham, Jacob, Samuel und die meisten andern Propheten des alten Testaments, im neuen aber die Apostel und Jünger Christi, die sind alle durch Christi lebendige und wahre Stimme gelehret worden. Die andere Art der Prophezeihung geschicht durch Antrieb des Geistes, wann nämlich die Seele von etwas Göttlichem eingenommen, sich ihm verbindet und sich von dem fleischlichen Menschen absondert, und durch Weisheit und Erkenntnis über alle menschliche Vernunft und Vermögen ganz erfüllet wird; welche Verbindung zwar nicht allein aus dem englischen Geiste herkommet, sondern auch oftermals von dem Geist des Herrn selbsten, wie vom Saul gelesen wird, dass der Geist des Herrn in ihn gesprungen sei und er geweissaget hat; so ist er zu einem ganz andern Manne und unter die Propheten gezählet worden. Und nach der Apostelgeschichte ist der Heil. Geist in Gestalt einer feurigen Flamme auf die Getauften gekommen, und dieser Geist ergreifet auch oftmals die Menschen, welche den Sünden unterworfen sind, ja viel heidnische Wahrsager als Cassandra, Helenus, Calchas, Amphiaraus, Tiresias, Mopsus, Amphilochus, Polybius Corinthius, auch Calanus Indus, Socrates, Diotima, Anaximander, Epimenides Cretensis, wie auch die Magier in Persien und Brachmani Asiatici, die Gymnosophisten in Mohrenland, die memphitischen Wahrsager, die französischen Druides und die Sybillen, die haben hierinnen exzellieret.

Und zwar gehören zu dieser prophetischen Weissagung oftermals gewisse vorausgehende Zeremonien, so tut auch des Amtes Autorität und der Opfer Kommunion viel darbei, wie solches die Schrift von Balaam zum Exempel gibt und solches der Evangelist von Caipha bezeuget, welcher dasselbe Jahr, als er Hoherpriester worden, prophezeiet hat. Auch die hebräischen Mecubales haben sich unterstanden, eine Kunst zu prophezeien auszusinnen.[159]

Ich will jetzo nicht ausführen, was die hebräischen Theologi mit einer tiefsinnigen Kontemplation von den Wegen des Verstandes gelehret haben, und was Augustinus von gewissen Gradibus desselben berühret, auch was Albertus von Annehmungen der Formen, derer er sieben, so einem im Traum widerfahren können und auch so viel Erscheinungen bei wachendem Leibe, uns erzählet hat. Von diesen allen wollen wir nur dieses einige, so wohl zu betrachten ist, erinnern, nämlich, dass den Propheten nicht allezeit der göttliche Geist äußerlich und ins Gesichte laufet, sondern dass er zum öftern bei ihnen erst innerlich causieret wird, wann nämlich der Verstand des Propheten von dem heiligen Licht wird eingenommen, dessen Erleuchtung mit seinen Strahlen durch sonderliche Mittel auch bis in den groben Leib kommet, und machet die Sinne solcher Glückseligkeit fähig und fähret fort aus dem Verstand in die Vernunft und in gewisse Imagination durch das ganze Gemüt und dessen innerliche Sinne. In diesen entstehet hernach geheimnisvoll eine Stimme, ein Licht oder eine Rede, welche einem jedweden Sinne nach seiner Art von sich selbsten Anregung machet; und dieses zwar widerfähret gar viel Propheten, manchem bei wachenden Augen, manchem aber im Schlaf und Traum. Also lesen wir bei dem Platone und Proclo von dem Socrate, dass er nicht allein durch die natürliche und begreifliche Influxion, sondern auch durch die Stimme und Rede ist inspirieret worden; dieses aber geschicht viel leichter und öfter im Schlafe. Aber bis hierher genug von diesen.

Damit wir nun zu unserm rechten Vorsatz wieder kommen, so ist die prophetische Theologie, welche aus der intuitiven Inspiration uns das unerschütterliche Wort Gottes lehret. Die Beweistümer aber, womit diese Wahrheit von ihnen bestärket wird, sind nicht Menschensatzungen, nicht langwierige Gebräuche, nicht der Weisen ausgesonnene Erdichtungen, nicht grossartige Dekrete unterschiedener Sekten,[160] nicht Syllogismi und Enthymemata, nicht Inductiones und Obligationes, nicht unauflösliche Consequentien und Folgerungen, sondern göttliche und mit sich übereinstimmende, auch von der ganzen Kirchen mit einhelligem Consens gebilligte Oracula, welche mit vielen Wunderwerken und einer vollkommenen Heiligkeit, ja durch das Zeugnis des vergossenen Blutes bekräftiget sind. Zu Lehrern aber dieser prophetischen Theologie haben wir Mosen, Job, David, Salomon und viel andere Propheten des alten Testamentes; in dem neuen Testament haben wir die Apostel und Evangelisten. Und obwohl diese alle mit dem heiligen Geist erfüllet gewesen, so sind sie doch sonsten als Menschen von der Wahrheit abgewichen und auf gewisse Masse Lügner gewesen. Nicht, dass sie wissentlich oder mit Arglistigkeit gelogen hätten, denn das sei ferne, dass wir solches sagen; es wäre über der Arianer und Sabellianer Ketzerei hinaus ein grosser und gefährlicher Irrtum, welcher der ganzen Heiligen Schrift Autorität stürzen könnte. In welchem grossen Irrtum doch vor Zeiten gewesen ist der grosse und heilige Hieronymus in dem Tadel des Petri, wie er wider den Augustinum disputieret hat; denn er hat statuieret, nämlich Hieronymus, Paulus hätte mit Arglistigkeit gelogen; welches, wann es wahr und dergleichen Lügen in der Heiligen Schrift zugelassen wären, so würde fürwahr bald, wie Augustinus spricht, die Gewissheit der Heiligen Schrift übern Haufen geworfen werden, welcher Ansicht endlich Hieronymus nach vieler Kontradiktion und nach bekanntem Irrtum und erkannter Wahrheit gefolget und diesem Irrtum abgesaget hat.

Derohalben wann ich sage, dass auf gewisse Masse diese Männer sind Lügner gewesen, so wollte ich, dass man es verstünde, dass sie nicht absichtlich oder[161] mutwillig geirrt, sondern dass solches aus menschlicher Schwachheit geschehen sei oder dass der Ratschluss Gottes geändert worden sei; also hat Moyses gefehlet, als er versprochen, dass er das israelitische Volk von Ägypten aus und in das gelobte Land einführen sollte, da er dasselbe wohl aus Ägypten, aber nicht in das gelobte Land eingeführet. Jonas hat gefehlet, als er den Niniviten den Untergang auf den vierzigsten Tag prophezeiet hat, welcher aber hernach weiter hinauskommen ist. Es hat gefehlet Elias, welcher prophezeiet, dass Böses kommen sollte zu Zeiten des Achabs, welches aber doch bis auf den Tod Achabs verschoben worden; es hat gefehlet Jesaias, welcher dem Ezechiä den Tod auf den morgenden Tag verkündiget hat, welcher aber doch noch auf 15 Jahr aufgeschoben worden; es haben noch andere Propheten gefehlet, derer Prophezeiung entweder gar aufgehoben oder differieret worden. Es haben gefehlet die Apostel und Evangelisten; es hat gefehlet Petrus, da er ist vom Paulo gescholten worden; es hat gefehlet Matthäus, wann er geschrieben hat, dass Christus noch nicht gestorben gewesen wäre, wie ihm seine Brust ist mit der Lanze geöffnet worden. Aber dieser Fehler ist nicht ein Fehler des Heiligen Geistes, sondern ein Fehler des Propheten, entweder dass er es nicht recht vernommen, was ihm der Geist eingeflösset hat oder aus einer Veränderung des Facti oder der Sachen, darüber er hat weissagen sollen. Dahero geschicht es, dass bisweilen die Meinung des Oraculi entweder gar verändert oder differieret wird; und dahero kommt's, dass es scheinet, als wann alle Propheten und Schriftgelehrten Lügner wären, nach der Schrift, wann sie saget: Omnis homo mendax. Alle Menschen sind Lügner. Christus aber allein wahrer Gott und Mensch, ist jederzeit wahr befunden worden und sein Wort fehlet nicht, wird auch nicht verändert, er ist allein des Irrtums frei und hat niemals nichts Vergebliches vorgebracht, wie er selbst saget: Coelum et terra transibunt, verba autem mea non praeteribunt.[162] Das ist: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.

Und weil alle Wahrheit durch den Heiligen Geist herkommt, so besitzet alleine Christus den Heiligen Geist und wird von ihm niemals verlassen, sondern er ruhet in ihm. Aber mit andern ist es anders beschaffen; denn der Geist ist über Moysen gekommen, aber wie er den Fels zerschlagen, da ist er wieder von ihm gangen. Er ist kommen über Aaron, aber bei Versündigung des Kalbes ist er wieder von ihm gewichen; er ist über Annam, ihre Schwester, kommen, aber als sie wider Moysen gemurret, hat er sie wieder verlassen. Er ist kommen über Saul, David, Salomon, Esaiam und andere mehr, aber er ist nicht bei ihnen geblieben. Denn die Propheten sind nicht allezeit Propheten, sie haben keinen kontinuierlichen prophetischen Habitum, sondern es ist ein Geschenk, eine Erduldung und ein Spiritus transiens, und weil niemand auf der Welt gefunden wird, der nicht sündigen sollte, so wird auch niemand gefunden werden, von dem der Geist nicht wiederum gewichen oder ihn auf eine Zeitlang verlassen hätte; sondern allein der Sohn Gottes Jesus Christus, von welchem bei dem Johanne geschrieben steht: Super quem videris spiritum descendentem et manentem in eo, hic est filius Dei, qui baptizat in spiritu sancto, potens illum etiam aliis impartiri. Das ist: Über welchen du sehen wirst den Geist herabfabren und auf ihm bleiben, derselbe ist's, der mit dem Heiligen Geiste taufet.

Dahero hat Gott, wie der Simonides spricht, die Ehre ganz allein, dass er über der Natur oder ein Metaphysicus ist. Also können wir auch recht wahrhaftig sagen, dass Christus ganz allein die Ehre habe, dass er ein Theologus sei; deswegen aber darf niemand nicht meinen, dass die Schrift des Alten Testaments, nachdem wir das Evangelium bekommen haben, nicht mehr kräftig oder tot sei, denn sie lebet stets im höchsten Ansehen, und aus derselben haben die Apostel ihre Lehre gewonnen und bewiesen, und[163] ohne ihr Zeugnis haben sie nichts geredet. Dieser nachzuforschen, weiset uns Christus selbsten an, dessen Evangelium solches nicht aufgehoben, sondern er hat es bis auf den letzten Punkt und Buchstaben erfüllet; aber unten wollen wir hiervon weiter reden.

Dieses ist noch hierbei in acht zu nehmen, dass die Heilige Schrift noch viel Bücher desiderieret, welches daraus zu schliessen ist, dass Moyses zitieret die Bücher Bellorum Domini oder der Kriege Gottes, Josua Librum Justorum oder das Buch der Gerechten; Esther Libros Memorabilium oder die Bücher denkwürdiger Sachen; das Buch der Machabäer zitieret die heiligen Bücher de Spartiatis, die Chronik nennet die Bücher des Klagens; die Bücher des Sehers Samuelis, die Bücher Nathan, Gad, Semejae, Haddo, Ahiae Silonitis und eines Sohnes Gottes Hammonis und der Propheten. Judas zitieret in einer canonischen Epistel das Buch Enoch. Es wird von Glaubwürdigen zitieret Bücher Abrahä des Patriarchen, welche alle weg und nicht zu finden sind. Ja auch die, welche wir unter unsern Händen haben, sind nicht auf einerlei Art und Weise angenommen. Einige Kapitel da und dort und die ganze Geschichte der Machabäer werden für apokryphisch gehalten; das hat sich auch im Neuen Testament ereignet. Denn der Dionysius gedenkt des Bartholomäi, und Hieronymus gedenkt desselben nach den Nazaräern, und Lucas in der Vorrede seines Evangelii erinnert, dass ihrer viel sind, welche angefangen haben, Evangelia zu schreiben, die aber alle nicht mehr da sind; auch viel andere Sachen, welche von den Ketzern sind depravieret und von Ungewissen Autoribus rausgegeben worden, sind hernachmals von den Patribus nicht angenommen oder von der christlichen Kirche gebilliget worden.

Inzwischen will ich nicht berühren die falschen Propheten, welche wegen der eitlen Ehre eingeschlichen sind und prophezeiet haben, bei welchen nicht ist die Beiwohnung des Heiligen Geistes; sie bringen unerhörte Lügen vor, führen allerhand Sekten ein[164] gegen die Einheit des Geistes, und machen sich gleichsam zu Gottes Räten und unterstehen sich, das Testament des Herrn ins Maul zu nehmen und wollen Weissagungen und Evangelia daraus machen, welches aber nichts als Ketzerei ist und mit dem Heiligen Gesetze nicht überein kommet. Ja das Lied Salomonis selber ist in den hebräischen Canonibus nicht eingetragen und nicht anders blieben, als so ferne sie von dem Propheten Esaia korrigieret und für gut befunden worden.

Aus diesem allem ist ja leicht zu schliessen, wie die Theologie selbst, nämlich die Heilige Schrift, vieler Bücher beraubet worden ist, also dass sie etlichermassen mangelhaft scheinet, und aus vielen etliche gewisse übrig sind, welche gleichsam als Bücher des Lebens die Heilige Schrift machen.[165]

Quelle:
Agrippa von Nettesheim: Die Eitelkeit und Unsicherheit der Wissenschaften und die Verteidigungsschrift. München 1913, Band 2, S. 155-166.
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