III, 55. [289.] An alle Götter.

[97] Neben der Allheit der Götter wird noch besonders hervorgehoben die Sonne als das grosse Licht am Himmel in Vers 1, Agni in Vers 2-17, und zwar theils als entsprungen aus den beiden Reibhölzern als seinen Aeltern (3-7), theils als hineindringend in den höchsten Himmel (8-10), theils als hervorgegangen aus der Nacht und Morgenröthe (11-16), die bald als Schwestern (11), bald als Mutter und Tochter (12) dargestellt sind; ferner Indra in Vers 20-22, vielleicht auch in 17. 18, Tvaschtar in 19. Manches ist absichtlich dunkel gehalten.


1.69 Da, als die ersten Morgenröthen strahlten,

entstand das grosse Licht am Ort der Weltkuh,

Die Satzungen der Götter nun befolgend;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

2. Nicht, Agni, mögen jetzt uns Götter täuschen,

noch auch die alten wegekund'gen Väter,

Du Fackel zwischen beiden grossen Sitzen;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

3. Nach vielen Seiten fliegen meine Wünsche,

beim Opfer acht' ich auf die alten Sprüche;

Bei Agni's Flamme mögen recht wir preisen;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

4. Derselbe König, viel umhergetragen,

liegt auf den Lagern sorglos in den Hölzern,

Die eine nährt das Kalb, die Mutter schlummert;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

5.70 In frühern ruhend wächst er nach in spätern,

in den so eben nur gebornen Jungfrau'n;

Ob unbelegt, gebären doch die schwangern;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

6. Dort ferne ruhend, hier in Zweiten Müttern,

das eine Kalb, es wandert ungefesselt,[97]

Das sind des Mitra-Varuna Gesetze;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

7. Sohn zweier Mütter, Priester, Herr der Feste,

nach aufwärts geht er, ruhend ist die Wurzel;

Ihm bringen liebes dar, die lieblich reden;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

8. So wie des liebsten Helden, welcher kämpfet,

erschien willkommen alles, was herbeikam;

Es dringt sein Sinn ein in der Weltkuh Spende,

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

9. In diese Mütter dringt der greise Bote,

der grosse geht hinein mit hellem Glanze;

Er zeigt sich uns in lichter Schönheit prangend,

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

10. Der thät'ge Hüter schirmt die höchste Stätte,

die lieben Sitze gründend unvergänglich;

Es kennet Agni alle diese Welten;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

11. Verschieden wirken die verbund'nen Schönen,

die eine hell von ihnen, schwarz die andre,

Und Schwestern sind die dunkle und die rothe;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

12. Wo beide Kühe, Mutter und die Tochter,

vereinigt säugen, reichen Nektar strömend;

Sie beide preis' ich in dem heil'gen Sitze;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

13. Das Kalb der andern leckend brüllte laut sie;

in welcher Welt legt hin die Kuh ihr Euter?

Sie schwillt vom Trunk und von der Milch des Opfers;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

14. Sie legt sich an den schönen Schmuck der Füsse,

stand aufrecht nun, das junge Kalb beleckend;

Den Sitz des Opfers, ihn durchschreit' ich kundig;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

15. Wie zwei Fusstapfen stehen dort die Schönen,

verborgen eine, offenbar die andre;

Der Pfad sich einend, hier und dort sich scheidend,

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

16. Die Kühe, frei des Kalbes, mögen rauschen,

neumilchend, ungemolken, immerströmend,

Die jugendlichen, fort und fort erneuten,

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

17. Wenn brünstig brüllt der Stier nach andern Kühen,

so setzt in andre Kühe er den Samen;[98]

Er ist ja Fürst, Vertheiler, Erdbeschützer;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

18. Lasst preisen nun den Rossbesitz des Helden,

ihr Menschen, uns; es kennen ihn die Götter;

Ihn fahren sechzig, angeschirrt zu fünfen;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

19. Tvaschtar, der Gott, belebend, vielgestaltig,

erzeugt' und nährte reichlich die Geschöpfe,

Und diese Wesen alle sind sein eigen;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

20. Er schuf vereint die beiden Weltenschalen,

sie beide sind gefüllt mit seinem Gute;

Gepriesen wird der Held, der Güter auffand;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

21. Und er beherrscht allnährend diese Welt uns,

gleich einem König, holdgesinnt den Freunden,

Wie Helden, die zum Schutz sich vor uns lagern;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

22. An Gaben reich sind Kräuter dir und Wasser;

die Erde trägt dir reiches Gut, o Indra,

Wir sei'n dir Freunde, schönen Schatz empfangend;

gross ist allein der Götter Geistesfülle.

Quelle:
Rig-Veda. 2 Teile, Leipzig 1876, [Nachdruck 1990], Teil 1, S. 97-99.
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