Kapitel XII

Zusammenfassung

§ 1

[325] Das Schöpferische ist das Allerstärkste in der Welt. Die Äußerung seiner Art ist dauernd das Leichte, um so das Gefährliche zu beherrschen. Das Empfangende ist das Allerhingebendste in der Welt. Die Äußerung seiner[325] Art ist dauernd einfach, um so das Hindernde zu beherrschen.


Die beiden Grundprinzipien des Buchs der Wandlungen, »das Schöpferische« und »das Empfangende«, werden hier noch einmal in ihrer Art dargestellt. Das Schöpferische als das Starke, dem alles leicht fällt, das sich aber der Gefahr, die darin liegt, von oben nach unten zu wirken, bewußt bleibt und dadurch die Gefahr beherrscht. Das Empfangende als das Hingebende, das darum ganz einfach handelt, das sich aber der Hindernisse bewußt ist, die darin liegen, von unten nach oben zu wirken, und dadurch diese Hindernisse beherrscht.


§ 2

Heiterkeit im Herzen wahren können und dabei dennoch besorgt sein in Gedanken: so vermag man Heil und Unheil auf Erden zu bestimmen und alles Schwierige auf Erden zu vollenden.


Im Text stehen bei »besorgt sein in Gedanken« noch zwei Zeichen, die Dschu Hi mit Recht als spätere Zusätze beseitigt hat. Heiterkeit im Herzen ist die Art des Schöpferischen. Sorgen in Gedanken ist die Art des Empfangenden. Durch die Heiterkeit gewinnt man den Überblick über Heil und Unheil, durch das Sorgen die Möglichkeit der Vollendung.


§ 3

Darum: Die Veränderungen und Umgestaltungen beziehen sich auf das Handeln. Heilvolle Taten haben gute Vorbedeutungen. Darum dienen die Bilder dazu, die Dinge zu erkennen, und das Orakel dient dazu, die Zukunft zu erkennen.


Die Veränderungen beziehen sich aufs Handeln. Darum sind die Bilder des Buchs der Wandlungen geeignet, danach zu handeln und die Wirklichkeit zu kennen (vgl. auch Kapitel II über die Kulturgeschichte, wo die Erfin dungen von den Bildern abgeleitet werden). Die Ereignisse haben ihre Richtung auf Heil und Unheil zu, die sich in Vorzeichen ausdrücken. Indem das Buch der Wandlungen diese Vorzeichen deutet, wird die Zukunft klar.


§ 4

Himmel und Erde bestimmen die Plätze. Die Heiligen und Weisen vollenden deren Möglichkeiten. Durch Menschengedanken und Geistergedanken werden dem Volk diese Möglichkeiten zuteil.


[326] Himmel und Erde bestimmen die Plätze und damit die Möglichkeiten. Die Heiligen verwirklichen diese Möglichkeiten, und indem im Buch der Wandlungen die Gedanken der Menschen und der Geister zusammenwirken, gibt es die Möglichkeit, auch dem Volk die Segnungen der Kultur zuteil werden zu lassen.


§ 5

Die acht Zeichen deuten durch ihre Bilder an, die Worte zu den Strichen und die Entscheidungen reden nach den Umständen. Indem das Feste und das Weiche durcheinander stehen, läßt Heil und Unheil sich ersehen.


§ 6

Veränderungen und Bewegungen werden nach der Förderung beurteilt (die sie bringen). Heil und Unheil verändern sich je nach den Verhältnissen. Darum: Liebe und Haß bekämpfen einander, und Heil und Unheil entstehen daraus. Fernes und Nahes beeinträchtigen einander, und Reue und Beschämung entstehen daraus. Wahres und Falsches beeinflussen einander, und Nutzen und Schaden entstehen daraus. Bei allen Verhältnissen des Buchs der Wandlungen ist es so, daß, wenn zueinander in naher Beziehung Stehendes nicht miteinander stimmt, Unheil die Folge ist, aus der Schädigung entsteht, Reue und Beschämung.


Die nahen Beziehungen sind die in Beziehung des Entsprechens und Zusammenhaltens stehenden Striche. Je nachdem sie einander anziehen oder abstoßen, folgt Heil oder Unheil mit allen Abstufungen daraus.


§ 7

Wer Aufruhr plant, dessen Worte sind beschämt. Wer im innersten Herzen Zweifel hegt, dessen Worte sind verzweigt. Heilvoller Menschen Worte sind sparsam. Aufgeregte Menschen machen viele Worte. Verleumder der Guten machen in ihren Worten Umschweife. Wer seinen Standpunkt verloren hat, dessen Worte sind verdreht.


Hier wird noch ein Überblick gegeben über die Wirkung der seelischen Zustände auf die Äußerung in Worten. Es zeigt sich daraus, daß die Verfasser des Buchs der Wandlungen, deren Worte so sparsam sind, zu den heilvollen Menschen gehören.

Quelle:
I Ging. Köln 141987, S. 325-327.
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