4. Auswahl der Menschen

[128] Der Herzog sprach: »Gut fürwahr! Bitte, fahret noch ein wenig weiter fort!«

Der Meister sprach: »Im Altertum wählte Yau seine Leute aus nach der Gestalt, Schun wählte seine Leute aus nach den Mienen, Yü wählte seine Leute aus nach den Worten, Tang wählte seine Leute aus nach dem Ton, König Wen wählte seine Leute aus nach seinem Ermessen (ihrer Gesinnung). So haben die fünf Könige der vier Dynastien ihre Leute ausgewählt, um das Weltreich in Ordnung zu bringen.«

Der Herzog sprach: »Ach! Da sind also auch die Besten nicht gleich in ihrem Verfahren!«

Der Meister sprach: »Wie sollten sie einander nicht gleich sein!«

Der Herzog sprach: »Dann sind sie also einander gleich?«

Der Meister sprach: »Ja!«

Der Herzog sprach: »Kann man nach der Gestalt die Menschen erkennen?«

Der Meister sprach: »Nein, man kann sie nicht erkennen.«

Der Herzog sprach: »Wenn die fünf Könige doch alle ihre[128] Merkmale hatten, nach denen sie die Menschen auswählten, wie kann man dann sagen, daß man sie nicht erkennen kann?«

Der Meister sprach: »Die fünf Könige sahen sich bei ihrer Auswahl die Menschen wohl aus der Nähe an, aber sie blickten nach ihrer Erscheinung in der Ferne. Die fünf Könige wählten ihre Leute alle nach sich aus, darum sind sie gleich in ihrer Art.«

Der Herzog sprach: »Wie könnt Ihr die Menschen aus ihrer Erscheinung beurteilen?«

Der Meister sprach: »Nein, ich kann das nicht. Wie die fünf Könige ihre Leute ausgewählt haben, habe ich wohl vom Hörensagen vernommen und will es Ew. Hoheit berichten; aber ich selbst will es nicht und kann es auch nicht.«

Der Herzog sprach: »Wenn ich Eure Worte höre, werde ich ganz verwirrt.«

Der Meister sprach: »Wenn Ew. Hoheit nur verharren, so werdet Ihr die Lauterkeit erreichen (die dazu nötig ist). Wozu wollt Ihr Euch verwirren lassen! Auch die Alten, die die Welt in Ordnung brachten, sind ja nicht in fremden Gegenden geboren. (Ihr könnt also ebensogut Eure wie sie ihre Werke vollenden.)«

Quelle:
Li Gi. Düsseldorf/Köln 1981, S. 128-129.
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