Loblied auf den Fürsten von Hân.

[451] (824 v. Chr.)


Am mächtigen Leâng-Gebirge,

Dem Jü die Urbarkeit verlieh'n,1

Von dem sich weit die Straßen bahnen,

Empfing der Fürst von Hân sein Amt.

Der König selbst beamtet' ihn:

»Setz' fort die Reihe deiner Ahnen;

Versäume nichts in meinem Amt,

Laß Tag und Nacht nicht Muße seh'n,

Hingebend ehre deine Würde,

So wird mein Amt dir nie entgeh'n.

Treib' ein die unbotmäß'gen Lande,

Um deinem Obherrn beizusteh'n.«


Mit seinen vier gewalt'gen Hengsten –

Sie waren mächtig hoch und lang –

Erschien der Hân-Fürst beim Empfang.

In seiner Hand das große Scepter,

Kam er zum König beim Empfang.

Der König gab dem Fürsten Hân's

Ein prächtig Banner mit Behang,

Geflocht'ne Schirmwand, Jochschmuck blank,

Ein schwarzes Staatskleid, rothe Schuhe,

Gravirten Stirnschmuck, Brustgespang,2

Lehnsitz von Leder, Tigerdecken,

Und Zügel goldberingter Ecken.
[452]

Der Hân-Fürst brach vom Opfer auf;

Er hatt' in Thû zu ruh'n beschlossen.

Hiàn-fù gab ihm das Abschiedsmahl,

Wo hundert Krüge Weines flossen.

Und was für Fleische gab es da?

Schildkrötenbraten, Fisch mit Flossen.

Was für Gemüse gab es da?

Nebst Kalmuswurzeln Bambussprossen.

Was für Geschenke gab es da?

Ein Viergespann sammt Staatskarossen.

Um viele Näpf' und Schüsseln schlossen

Die Fürsten sich als Festgenossen.


Es nahm der Hân-Fürst zur Gemahlin

Die Schwestertochter Königs Fên,3

Die einst dem Kúei-fù war geboren.

Der Hân-Fürst holte sie von dort,

Wo Kuéi die Wohnstadt war erkoren.

Ein Hundert Wagen rollt' entlang,

Und ihrer Schellen Klingeln klang.

War da nicht Glanz in Überschwang?

All' ihre Folgejungfraun traten

Gleich einer Wolke sanft hervor.

Der Hân-Fürst sah sich um nach ihnen,

So glänzend füllten sie das Thor.


Kúei-fù war ein erfahrner Krieger;

Kein Land, das nicht sein' Augen sahn.

Da er für Hân-khĭ eine Heimath wählte,4

Schien keine lieblicher als Hân.

Gar lieblich ist ja Hân's Gebiet,

Das weithin See und Fluß durchzieht,[453]

D'rin Brass' und Karpfe wolgerieth,

Da Hochwildpret in Rudeln zieht,

Und da man Bären, Riesenbären,

Waldkatzen sowie Tiger sieht.

Und von so schönem Heim entzückt,

Ward Hân-khĭ ruhig und beglückt.


Hochragend war die Mauer Hân's,

Die einst erbaut das Heer von Jân,

Als dort sein erster Ahn' das Amt empfangen,

Zu bändigen die wilden Mân.

Der König hat dem Fürsten Hân's

Dazu die Tschūi, die Mĕ gegeben,5

Und rasch nahm er das Nordland ein,

Um als sein Oberhaupt zu leben.

Dann gab es Wälle, gab es Gräben,

Gab Landausleih'n, gab Zinserheben;

Und Pelz vom Luchse sandt' er her,

Vom rothen Pardel, gelben Bär.6

1

Vgl. II. 6, 6 Anm. 1.

2

Beides für die Pferde.

3

Späterer Beiname des Königs Lí vom Flusse Fên, an welchem er sich nach seiner Vertreibung aufhielt.

4

Hân-khĭ ist der Name der Gemahlin des Fürsten von Hân.

5

Wilde Stämme im Norden.

6

Diese Pelze sandte der Hân-Fürst als Huldigungsgeschenke an den Königshof.

Quelle:
Schī-kīng. Heidelberg 1880, S. 451-454.
Lizenz:

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