Zweites Kapitel

[3] Es giebt vier Arten von mündlichen Erörterungen, die belehrende, die dialektische, die erprobende und die streitsüchtige. Die belehrenden Erörterungen stützen sich auf die eigenthümlichen obersten Grundsätze der betreffenden Wissenschaft und nicht auf das, was dem Antwortenden als glaubwürdig gilt; (denn der Lernende muss vertrauen); die dialektischen stützen den Beweis ihres Gegensatzes auf das, was glaubwürdig ist; die, welche den Gegner auf die Probe stellen wollen, auf das, was der Antwortende billigt, und auf das, was der, welcher vorgiebt, die Wissenschaft inne zu haben, nothwendig wissen muss. (In welcher Weise dies geschieht, ist anderwärts auseinandergesetzt worden.) Die streitsüchtigen Begründungen endlich stützen sich auf scheinbare, aber nicht wirklich glaubwürdige Sätze, oder auf nur scheinbare Beweise. Ueber die beweisenden Begründungen habe ich in den Analytiken gehandelt; über die dialektischen und die auf Prüfung des Gegners abzielenden anderwärts; über die nur auf Kampf und Streit abzielenden Erörterungen werde ich aber jetzt sprechen.

Quelle:
Aristoteles: Sophistische Widerlegungen. Heidelberg 1883, S. 3.
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