|
Wer wird diese Welt überwältigen,
Dies Todesreich mit seiner Götterschar?
Wer wird den leuchtenden Wahrheitpfad
Wie der Edle eine Blume, sich erpflücken?
Wer kämpft, wird die Welt überwältigen,
Dies Todesreich mit seiner Götterschar,
Wer kämpft, wird den leuchtenden Wahrheitpfad
Wie der Edle eine Blume, sich erpflücken.
46
Als Schaumgebild betrachte diesen Körper,
Erkenne wohl sein trügerisches Dasein,
Zerbrich des Todeskönigs Blumenpfeile,
Entschwinde dem Bereiche seiner Herrschaft.
47
Den holde Blumen Pflückenden,
Den Herzenslust-Gefesselten
Ergreift, wie Hochflut überfällt
Ein schlafend Dorf, der jache Tod.
48
Den holde Blumen Pflückenden,
Den Herzenslust-Gefesselten,
Noch ungesättigt im Genuß,
Zwingt ihn der Tod in seine Macht.
[628] 49
Wie eine Biene Honigseim
Aus milder Duftesblüte saugt
Und dann, gesättigt, weiter fliegt:
So wandle mittags auch der Mönch.
50
Nicht andrer Fehler, andrer Pein,
Nicht ihr Getan und Nichtgetan:
Blick' dir ins eigne Herz hinein,
Sieh' dein Getan und Nichtgetan.
51
Wie köstlich aufgeblühter Kelch,
Duftlos, doch voller Farbenreiz:
So ist ein schön gesprochnes Wort
Unwirksam, wenn kein Handeln folgt.
52
Wie köstlich aufgeblühter Kelch,
Voll Duft und voller Farbenreiz:
So ist ein schön gesprochnes Wort
Erwirksam, wenn das Handeln folgt.
53
Gleichwie aus reichem Blumenkorb
Viel Kränze man erflechten kann:
So flechte viel Verdienstliches
Der Sterbliche ins Leben ein.
54
Dem Wind entgegen ziehn nicht Blütendüfte,
Noch Sandelhauch, noch Blumenwohlgerüche:
Doch selbst den Sturm durchweht der Duft der Guten,
Der Duft des Edlen dringt nach allen Seiten.
Das Sandelholz, den Evabaum,
Die Lotusblüte, den Jasmin:
All diese Düfte übertrifft
Der Wohlgeruch des Tüchtigen.
[629] 56
Nicht weit erstreckt sich jener Duft
Vom Sandelholz, vom Evabaum:
Der Wohlgeruch der Tüchtigen
Weht über alle Götter hin.
57
Die Fährte dieser Tüchtigen,
Der ernstergriffen Wandelnden,
Der völlig klar Vollendeten,
Ist unsichtbar dem Todesgott.
58
Gleichwie auf einem Haufen Mist,
Geschichtet an dem Straßenrand,
Ein Lotushaupt erstehen mag,
Wohlriechend, herrlich anzuschaun:
So strahlt aus wirrer Welt hervor,
Weit über alles Blindenvolk,
In weisheitklarer Heiligkeit
Ein Jünger des erwachten Herrn.
Buchempfehlung
Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro