Neunzehntes Capitel.

Von der Ausdehnung abgeleiteter Gesetze auf angrenzende (naheliegende) Fälle.

[84] §. 1. Wir hatten häufig Gelegenheit, die geringere Allgemeinheit der abgeleiteten Gesetze im Vergleich zu letzten Gesetzen, von denen sie abgeleitet sind, zu bemerken. Diese geringere Gültigkeit, welche nicht allein den Umfang der Sätze selbst, sondern auch ihren Grad von Gewissheit innerhalb dieses Umfangs berührt, ist bei den Gleichförmigkeiten der Coexistenz und der Folge, welche zwischen zuletzt von verschiedenen urersten Ursachen abhängigen Wirkungen bestehen, sehr sichtlich. Dergleichen Gleichförmigkeiten werden nur da bestehen, wo dieselbe Collocation jener urersten Ursachen existirt. Wenn, obgleich die Gesetze selbst dieselben bleiben, die Collocation sich verändert, so kann und wird im allgemeinen eine gänzlich verschiedene Reihe von abgeleiteten Gleichförmigkeiten das Resultat sein.

Sogar da, wo die abgeleitete Gleichförmigkeit zwischen verschiedenen Wirkungen derselben Ursache besteht, wird sie keineswegs so universal als das Gesetz der Ursache selbst bestehen. Wenn a und b sich als Wirkungen der Ursache A einander begleiten oder folgen, so folgt hieraus keineswegs, dass A die einzige Ursache ist, welche sie hervorbringen kann, oder dass wenn es eine andere Ursache B gäbe, die fähig ist, a hervorzubringen, sie auch b hervorbringen müsste. Die Verbindung von a und b besteht daher vielleicht nicht allgemein, sondern nur in den Fällen, in denen a aus A hervorgeht. Wenn es durch eine andere Ursache als A hervorgebracht ist, so können a und b möglicherweise getrennt sein. Dem Tage z.B. folgt unserer Erfahrung nach immer die[84] Nacht. Aber der Tag ist nicht die Ursache der Nacht; sie sind beide aufeinanderfolgende Wirkungen einer gemeinschaftlichen Ursache, des periodischen Eintritts und Austritts des Beobachters in den und aus dem von der Umdrehung der Erde und der leuchtenden Eigenschaft der Sonne herrührenden Schatten der Erde. Wenn daher der Tag jemals von einer andern Ursache oder Reihe von Ursachen hervorgebracht wird, so wird ihm die Nacht nicht folgen oder wird ihm wenigstens nicht folgen müssen. Auf der Oberfläche der Sonne kann dies z.B. der Fall sein.

Wenn endlich auch die abgeleitete Gleichförmigkeit selbst ein Causalgesetz ist (aus der Combination verschiedener Ursachen hervorgehend), so ist sie nicht gänzlich von Collocationen unabhängig. Wenn eine Ursache dazukommt, welche fähig ist, die Wirkung von nur einer der verbundenen Ursachen aufzuheben, so wird die Wirkung nicht mehr länger dem abgeleiteten Gesetze entsprechen. Während daher ein jedes letzte Gesetz nur von einer Reihe von entgegenwirkenden Ursachen aufgehoben werden kann, kann ein abgeleitetes Gesetz von mehreren aufgehoben werden. Nun hängt aber die Möglichkeit des Eintreffens entgegenwirkender Ursachen, welche nicht aus in dem Gesetze selbst eingeschlossenen Bedingungen hervorgehen, von den ursprünglichen Collocationen ab.

Es ist, wie früher bemerkt wurde, wahr, dass Causalgesetze, sie seien letzte oder abgeleitete, in den meisten Fällen sogar da erfüllt werden, wo sie eine Entgegenwirkung erleiden; die Ursache bringt ihre Wirkung hervor, wenn diese auch durch etwas Anderes aufgehoben wird. Dass die Wirkung aufgehoben werden kann, ist daher kein Einwurf gegen die Universalität des Causalgesetzes; es ist aber ein Einwurf gegen die Allgemeinheit der Sequenzen oder Coexistenzen der Wirkungen, welche den grössten Theil der diesen Causalgesetzen entspringenden, abgeleiteten Gesetze ausmachen. Wenn aus dem Gesetze einer gewissen Combination von Ursachen eine gewisse Ordnung in den Wirkungen hervorgeht, wie aus der Combination einer einzigen Sonne mit einem sich um seine Axe drehenden dunklen Körper auf der ganzen Oberfläche dieses dunklen Körpers ein Wechsel von Tag und Nacht entspringt; und wenn wir dann annehmen, die eine von den verbundenen Ursachen wäre aufgehoben, die Rotation gehemmt,[85] die Sonne ausgelöscht oder eine zweite Sonne hinzugefügt, so bliebe die Wahrheit dieses besondern Causalgesetzes dadurch in jeder Weise unberührt; es bliebe immer noch wahr, dass wenn eine Sonne auf einen dunklen, sich drehenden Körper schiene, sie auch einen Wechsel von Tag und Nacht erzeugen würde; sobald aber die Sonne in Wirklichkeit nicht länger mehr auf einen solchen Körper scheint, so ist auch die abgeleitete Gleichförmigkeit, die Folge von Tag und Nacht auf dem gegebenen Planeten nicht länger wahr. Diese abgeleiteten Gleichförmigkeiten, welche keine Causalgesetze sind, beruhen daher (ausgenommen in dem seltenen Falle ihrer Abhängigkeit von nur einer einzigen und nicht einer Verbindung von Ursachen) immer mehr oder weniger auf Collocationen und sind demnach der charakteristischen Schwäche der empirischen Gesetze unterworfen, derjenigen nämlich, dass sie nur dann zulässig sind, wenn wir aus der Erfahrung wissen, dass die Collocationen der Art sind, wie sie die Wahrheit des Gesetzes verlangt, d.h. dass sie nur innerhalb der Bedingungen von Zeit und Ort durch die wirkliche Beobachtung bestätigt werden.

§. 2. Wenn dieses Princip in allgemeinen Worten ausgedrückt wird, so scheint es klar und unbestreitbar, und dennoch steht es, wenigstens scheinbar, mit vielen von den gewöhnlichen Urtheilen der Menschen, deren Richtigkeit nicht bezweifelt werden kann, in Widerspruch. Aus welchem Grunde, kann man fragen, erwarten wir, dass die Sonne morgen aufgehen wird? Morgen liegt ausserhalb der Grenzen der in unseren Beobachtungen inbegriffenen Zeit. Dieselben haben sich zwar über einige Tausende vergangener Jahre erstreckt, aber sie schliessen die Zukunft nicht ein. Wir schliessen indessen mit Zuversicht, dass die Sonne morgen aufgehen wird, und Niemand zweifelt daran, dass wir dazu berechtigt sind. Wir wollen sehen, was unsere Bürgschaft für diese Zuversicht ist.

In dem fraglichen Beispiele kennen wir die Ursachen, von denen die abgeleitete Gleichförmigkeit abhängt: eine Licht ausstrahlende Sonne, und eine rotirende und Licht auffangende Erde. Da die Induction, welche zeigt, dass dies wirkliche Ursachen und nicht bloss frühere Wirkungen einer gemeinschaftlichen Ursache sind, vollständig und unverwerflich ist, so sind die einzigen Umstände, welche das abgeleitete Gesetz vernichten könnten,[86] der Art, dass sie die eine oder die andere der verbundenen Ursachen vernichten oder ihr entgegenwirken würden. Während die Ursachen existiren und ihnen nichts entgegenwirkt, wird die Wirkung fortdauern. Wenn sie morgen existiren und ihnen nichts entgegenwirkt, so wird die Sonne morgen aufgehen.

Da die Ursachen, nämlich die Sonne und die Erde, die eine in dem Zustande des Leuchtens, die andere in einem Zustande von Umdrehung, existiren werden, so lange sie nicht vernichtet sind, so hängt Alles von der Wahrscheinlichkeit ihrer Vernichtung und von derjenigen einer Entgegenwirkung ab. Wir wissen aus der Beobachtung (indem wir die gefolgerten Beweise von einer Existenz von Tausenden von Jahrhunderten übergehen), dass diese Phänomene seit fünftausend Jahren fortgedauert haben. Während dieser Zeit existirte keine Ursache, welche hinreichend war, sie merklich zu vermindern, oder welche ihre Wirkungen um eine schätzbare Grösse hätte aufheben können. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne vielleicht morgen nicht aufgehen dürfte, ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ursache, welche sich nicht in dem geringsten Grade während fünftausend Jahren gezeigt hat, morgen mit einer Intensität existiren wird, dass sie die Sonne und die Erde, das Licht der Sonne oder die Umdrehung der Erde, vernichten oder eine immense Störung in den aus diesen Ursachen hervorgehenden Wirkungen hervorbringen wird.

Wenn nun eine solche Ursache morgen oder in einer zukünftigen Zeit existiren soll, so muss jetzt eine nähere oder entferntere Ursache dieser Ursache existiren und während diesen fünftausend Jahren existirt haben. Wenn daher die Sonne morgen nicht aufgehen wird, so geschieht es, weil eine Ursache existirt hat, deren Wirkungen, obgleich sie während fünftausend Jahren keine merkliche Grösse ausmachten, in einem einzigen Tage überwältigend wird. Da diese Ursache eine solche Zeit hindurch von keinem Beobachter der Erde bemerkt worden ist, so muss sie, wenn sie existirt, entweder ein Agens sein, dessen Wirkungen sich langsam und allmälig entwickeln, oder welches in Regionen existirt hat, die ausserhalb des Bereiches unserer Beobachtung liegen, und das nun auf dem Punkte steht, in unserm Theile des Weltalls anzukommen. Es wirken nun aber alle Ursachen, in Betreff deren wir eine Erfahrung haben, nach Gesetzen, welche mit der Annahme, dass ihre Wirkungen,[87] nachdem sie sich so langsam angehäuft haben, dass sie während fünftausend Jahren nicht bemerkbar waren, nun in einem einzigen Tage ins Ungeheure wachsen könnten, unverträglich sind. Kein mathematisches Gesetz des Verhältnisses zwischen einer Wirkung und der Quantität oder den Beziehungen ihrer Ursache könnte solche widersprechende Resultate hervorbringen. Die plötzliche Entwickelung einer Ursache, wovon vorher keine Spur vorhanden war, entsteht immer durch das Zusammenkommen mehrerer unterschiedener Ursachen, die vorher nicht vereinigt waren; wenn aber eine solche plötzliche Vereinigung be stimmt ist stattzufinden, so müssen ihre Ursachen oder deren Ursachen während der ganzen fünftausend Jahre existirt haben, und dass sie während dieser ganzen Periode nicht ein einziges Mal zusammentrafen, beweist die grosse Seltenheit dieser Verbindung. Wir haben daher die Bürgschaft einer strengen Induction, um es in einem Grade, der sich von der Gewissheit nicht unterscheiden lässt, als wahrscheinlich zu betrachten, dass die für den Aufgang der Sonne erforderlichen Bedingungen morgen existiren werden.

§. 3. Die eben angeführte Ausdehnung abgeleiteter Gesetze über die Grenze der Beobachtung hinaus kann jedoch nur auf angrenzende Fälle stattfinden. Wenn wir, anstatt morgen zu sagen, heute über zwanzigtausend Jahre gesagt hätten, so hätte die Induction keine Beweiskraft gehabt. Dass eine Ursache, welche im Widerstreit gegen sehr mächtige Ursachen während fünftausend Jahren keine bemerkbare Wirkung hervorgebracht hat, am Ende von zwanzigtausend Jahren eine bedeutende Wirkung hervorbringen kann, steht durchaus nicht in Widerspruch mit unserer Erfahrung. Wir kennen viele Agentien, deren Wirkung sich zwar in einer kurzen Zeit zu keiner merklichen Grösse erhebt, die aber durch Anhäufung während einer längeren Zeit sehr beträchtlich wird. Wenn wir überdies die ungeheure Menge der Himmelskörper, ihre grossen Entfernungen und die Schnelligkeit der Bewegung derjenigen betrachten, von denen wir wissen, dass sie sich bewegen, so liegt nichts der Erfahrung Widersprechendes in der Annahme, dass sich irgend ein Körper gegen uns oder dass wir uns gegen einen Körper bewegen, in dessen Wirkungskreis wir zwar seit fünftausend Jahren nicht gekommen sind, der aber[88] in zwanzigtausend weiteren Jahren Wirkungen der ausserordentlichsten Art auf uns auszuüben vermag. Auch kann die Thatsache, welche im Stand ist, das Aufgehen der Sonne zu verhindern, vielleicht nicht die angehäufte Wirkung einer Ursache, sondern eine neue Verbindung von Ursachen sein; und die Zufälle, welche dieser Verbindung günstig sind, können sie einmal in zwanzigtausend Jahren hervorbringen, obgleich sie dieselbe in fünftausend Jahren nicht hervorgebracht haben. Es werden also die Inductionen, welche uns berechtigen, künftige Ereignisse zu erwarten, immer schwächer, je weiter wir in die Zukunft blicken, und zuletzt können sie gar nicht mehr geschätzt werden.

Wir haben die Wahrscheinlichkeiten des morgenden Sonnenaufgangs als von wirklichen Gesetzen abgeleitet betrachtet, d.h. von Gesetzen der Ursachen, von denen jene Gleichförmigkeiten abhängig sind. Wir wollen nun betrachten, wie die Sache gewesen wäre, wenn uns die Gleichförmigkeit nur als ein empirisches Gesetz bekannt gewesen wäre; wenn wir nicht gewusst hätten, dass das Licht der Sonne und die Umdrehung der Erde (oder die Bewegung der Sonne) die Ursachen sind, von denen das periodische Eintreffen des Sonnenaufganges abhängt. Wir hätten dieses empirische Gesetz auf in der Zeit angrenzende Fälle anwenden können, obgleich nicht in einer so langen Zeit, wie wir es jetzt können. Da wir den Beweis haben, dass die Wirkungen während fünftausend Jahren unverändert und genau verbunden blieben, so konnten wir schliessen, dass die unbekannten Ursachen, von denen die Verbindung abhängt, während dieser Periode unvermindert und unbehindert existirt haben. Es würden daher dieselben Schlüsse folgen wie in dem vorhergehenden Falle, nur dass wir bloss wüssten, dass sich während fünftausend Jahren nichts ereignet hat, was diese besondere Wirkung in bemerkbarer Weise aufhob; während wenn wir die Ursachen kennen, wir eine weitere Sicherheit haben, dass während dieser Zeit in den Ursachen selbst keine Veränderung bemerkbar war, die bei irgend einem Grade der Vervielfältigung oder bei einer längeren Fortdauer die Wirkung hätte aufheben können.

Dem Vorhergehenden muss noch hinzugefügt werden, dass wenn wir die Ursachen kennen, wir im Stande sind zu beurtheilen, ob eine bekannte Ursache existirt, die fähig ist ihnen entgegen zu wirken;[89] während, so lange sie unbekannt sind, wir nur dessen gewiss sind, dass wenn sie uns wirklich bekannt wären, wir ihre Vernichtung durch wirklich existirende Ursachen voraussagen könnten. Ein bettlägeriger Indianer, der den Fall des Niagara nie gesehen hat, ihn aber hören kann, könnte sich einbilden, das Gebrause, welches er hört, werde immer fortdauern; wenn er aber wüsste, dass es die Wirkung eines Wasserstromes ist, der sich über einen allmälig schwindenden Felsen stürzt, so wüsste er auch, dass dasselbe nach einer berechenbaren Anzahl von Jahrhunderten nicht mehr gehört werden wird. Wir sind also im Verhältniss zu unserer Unbekanntschaft mit den Ursachen, von denen das empirische Gesetz abhängt, weniger sicher, dass es gültig bleiben wird, und je weiter wir in die Zukunft sehen, desto weniger unwahrscheinlich wird es, dass vielleicht eine der Ursachen, deren Coexistenz der abgeleiteten Gleichförmigkeit ihre Entstehung giebt, vernichtet oder dass ihr entgegengewirkt wird. Mit einer jeden Verlängerung der Zeit wächst die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses, d.h. sein bisheriges Nichteintreffen wird eine geringere Bürgschaft seines Nichteintreffens innerhalb der gegebenen Zeit. Wenn also ein jedes abgeleitete Gesetz, das kein Causalgesetz ist, mit einer der Gewissheit äquivalenten Wahrscheinlichkeit nur auf solche Fälle ausgedehnt werden kann, die in Beziehung auf die Zeit an die Fälle angrenzen (oder nahezu angrenzen) welche wir wirklich beobachtet haben, so ist dies bei bloss empirischen Gesetzen um so mehr wahr. Es ist ein Glück, dass wir in Beziehung auf die Zwecke des Lebens es fast immer nur auf solche Fälle allein auszudehnen haben.

In Beziehung auf den Ort könnte es scheinen, dass ein bloss empirisches Gesetz nicht einmal auf angrenzende Fälle ausgedehnt werden kann; dass wir keine Gewissheit haben können, dass es ausserhalb des Ortes, wo es speciell beobachtet wurde, wahr sein wird. Die vergangene Dauer einer Ursache ist, wenn sie durch nichts vernichtet wird, eine Bürgschaft für ihre zukünftige Dauer; aber die Existenz einer Ursache an einem Ort oder an einer beliebigen Anzahl von Orten ist keine Bürgschaft für deren Existenz an einem anderen Orte, indem keine Gleichförmigkeit in den Collocationen von urersten Ursachen existirt. Wenn daher ein empirisches Gesetz über die localen Grenzen, in denen es durch die Beobachtung als wahr befunden wurde, ausgedehnt wird, so müssen[90] die Fälle, auf welche es in dieser Weise ausgedehnt wird, der Art sein, dass sie muthmaasslicherweise innerhalb des Einflusses derselben individuellen Agentien liegen. Wenn wir innerhalb der bekannten Grenzen des Sonnensystems (oder sogar ausserhalb dieser Grenzen, aber seinen Zusammenhang mit dem System durch den Umlauf um die Sonne anzeigend) einen neuen Planeten entdeckten, so könnten wir mit grosser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass er sich um seine Achse dreht. Alle bekannten Planeten thun dies, und diese Gleichförmigkeit deutet auf eine, den ersten Aufzeichnungen astronomischer Beobachtungen vorausgängige, gemeinschaftliche Ursache, und obgleich die Natur derselben nur ein Gegenstand der Vermuthung sein kann, so muss doch diese Ursache, wenn sie, was nicht unwahrscheinlich ist und wie es die Theorie von Laplace voraussetzt, nicht bloss dieselbe Art Ursache, sondern dieselbe individuelle Ursache (etwa ein allen Körpern auf einmal gegebener Stoss) ist, da sie an den äussersten Punkten des durch die Sonne und die Planeten eingenommenen Raumes gewirkt hat, aller Wahrscheinlichkeit nach auch an einem jeden zwischenliegenden Punkte und wahrscheinlich noch etwas weiter gewirkt haben, wenn sie nicht durch eine entgegenwirkende Ursache vernichtet wurde; sie wird daher auch mit aller Wahrscheinlichkeit auf den angenommenen neu entdeckten Planeten gewirkt haben.

Wenn daher Wirkungen, welche man immer verbunden fand, mit einiger Wahrscheinlichkeit auf ein und denselben (und nicht bloss einen ähnlichen) Ursprung zurückgeführt werden können, so können wir mit grosser Wahrscheinlichkeit das empirische Gesetz ihrer Verbindung auf alle Orte innerhalb der äussersten localen Grenzen, in denen die Thatsachen beobachtet worden sind, ausdehnen, die Möglichkeit entgegenwirkender Ursachen in irgend einem Theil des Gebietes vorausgesetzt. Wir können dies mit noch mehr Zuversicht thun, wenn das Gesetz kein bloss empirisches ist; wenn die Erscheinungen, welche wir verbunden finden, die Folgen ermittelter Ursachen sind, von deren Gesetze die Verbindung ihrer Wirkungen abgeleitet werden kann. In diesem Falle können wir die abgeleitete Gleichförmigkeit zugleich über einen weitern Raum und mit einer geringern Verminderung der Wahrscheinlichkeit entgegenwirkender Ursachen ausdehnen. Das Erste, weil wir anstatt der localen Grenzen unserer Beobachtung der Thatsache selbst die[91] äussersten Grenzen des ermittelten Einflusses ihrer Ursachen einschliessen können. So wissen wir, dass die Folge von Tag und Nacht für alle Körper unseres Sonnensystems, mit Ausnahme der Sonne selbst, wahr ist, aber wir wissen dies nur, weil wir mit den Ursachen bekannt sind; wenn wir es nicht wären, so könnten wir unsere Behauptung nicht über die Erde und den Mond hinaus ausdehnen, da wir nur innerhalb dieser Grenzen den Beweis ihrer Wahrheit durch die Beobachtung besitzen. In Beziehung auf die Wahrscheinlichkeit entgegenwirkender Ursachen sahen wir, dass diese im Verhältniss unserer Unbekanntschaft mit den Ursachen, von denen die Naturerscheinung abhängt, eine grössere Verminderung der Sicherheit herbeiführt. Beider Gründe wegen ist daher ein abgeleitetes Gesetz, von dem wir wissen, wie es zu zerlegen ist, einer grösseren Ausdehnung auf im Raum angrenzende Fälle fähig als ein bloss empirisches Gesetz.[92]

Quelle:
John Stuart Mill: System der deduktiven und inductiven Logik. Band 2, Braunschweig 31868, S. 84-93.
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