[Dialog]

[421] ANSELMO. Willst du uns wiederholen, o Lucian, was du gestern, als wir von der Einrichtung der Mysterien sprachen, über die Wahrheit und Schönheit behauptet?

LUCIAN. Meine Meinung war, daß in vielen Werken die höchste Wahrheit sein könne, ohne daß ihnen darum auch der Preis der Schönheit zuerkannt werden dürfte.

ANSELMO. Du aber, Alexander, erklärtest dagegen, daß die Wahrheit allein alle Forderungen der Kunst erfülle, und daß einzig durch diese ein Werk wahrhaft schön werde.

ALEXANDER. So behauptete ich.

ANSELMO. Gefällt es euch, daß wir diese Rede wieder aufnehmen und den Streit jetzt entscheiden, der unentschieden blieb, als die Zeit Trennung gebot? Denn glücklich hat uns, nicht offenbare Verabredung zwar, doch geheime Übereinstimmung wieder hier vereinigt.

LUCIAN. Willkommen jede Welle des Gesprächs, die in den Strom der Rede uns zurückführt.

ALEXANDER. Immer tiefer in den Kern der Sache dringt gemeinsamer Rede Wetteifer) die leise beginnend, langsam fortschreitend, zuletzt tief anschwillt, die Teilnehmer fortreißt, alle mit Lust erfüllt.

ANSELMO. Lag nicht der Ursprung des Streites in dem, was von uns über die Mysterien und die Mythologie, sowie über das Verhältnis der Philosophen und Dichter festgesetzt worden war?

LUCIAN. So war es.

ANSELMO. Dünkt es euch nicht gut, daß, indem wir diesen[421] Streit beilegen, die Rede zugleich in ihren Ursprung zurückkehre, damit wir nachher ungestört auf den gelegten sichern Grund weiter bauen?

ALEXANDER. Vortrefflich.

ANSELMO. Du also, Lucian, indem es dir möglich dünkt, daß ein Werk, ohne schön zu sein, der höchsten Wahrheit Vollendung haben könne, scheinst etwas Wahrheit zu nennen, dem wir Philosophen vielleicht auch diesen Namen nicht zugestehn würden. Du aber, Alexander, indem du ein Werk nur durch seine Wahrheit schön sein lassest, bezweifelst, daß es einen Punkt geben könne, wo beide, gleich unbedingt, keine von der andern abhängig oder ihr untergeordnet, jede für sich das Höchste, so schlechthin eins und dasselbe sind, daß eine an die Stelle der andern gesetzt, und das Werk, welches jenen Punkt ausgedrückt hat, auf völlig gleiche Weise unter beiden Eigenschaften betrachtet werden kann. Haltet ihr es also nicht für nötig, daß wir vor allem übereinzukommen suchen, was Wahrheit, dann auch was Schönheit zu nennen sei, damit wir nicht entweder irgend etwas, was nur untergeordneterweise dafür gehalten wird, der Schönheit gleichstellen, oder, indem wir diese Wahrheit, die es nicht an sich ist, als unvergleichbar mit der Schönheit setzen, das, was allein wahrhaft Wahrheit ist, zugleich mit aus den Augen verlieren?

LUCIAN. Ein würdiger Stoff und Gegenstand der Unterredung.

ANSELMO. Bist du es aber zufrieden, o Vortrefflicher, der du der Wahrheit vor der Schönheit den Preis zuerkannt hast, unbekümmert, daß sie wenige zählt, die ihr strenges Antlitz ertragen oder den Anblick der Ägide, so wende ich mich an dich.

ALEXANDER. Sehr gern folg' ich dir, o Freund, mich über die Idee der Wahrheit zu verständigen.

ANSELMO. Die Wahrheit also über alles und selbst über die Schönheit setzend, o Freund, wirst du um so weniger anstehn können, ihr auch ferner die höchsten Eigenschaften beizulegen, und diesen ehrwürdigen Namen nicht so wie es kommt auf alles anwenden lassen, was man insgemein darunter begreift.

ALEXANDER. Gewiß.[422]

ANSELMO. Du wirst demnach die Eigenschaft der Wahrheit keiner Erkenntnis zugestehn, welche nur eine gegenwärtige oder überhaupt vergängliche Gewißheit mit sich führt.

ALEXANDER. Keineswegs werde ich.

ANSELMO. Du wirst aus diesem Grunde niemals einer solchen Erkenntnis, welche nur durch die unmittelbaren Affektionen des Leibes vermittelt ist, oder sich unmittelbar nur auf sie bezieht, Wahrheit zuschreiben.

ALEXANDER. Unmöglich, da ich weiß, daß diese, zusamt dem Gegenstande, der sie erleidet, den Bedingungen der Zeit unterworfen sind.

ANSELMO. Aus demselben Grunde wirst du keiner Erkenntnis Wahrheit zugestehn, die verworren, undeutlich, unangemessen der Sache, wie sie an sich, ist.

ALEXANDER. Keine, denn eine jede ist bloß sinnlicher Art und durch Affektionen vermittelt.

ANSELMO. Würdest du aber ferner, was überhaupt zwar eine bleibende, aber doch insofern nur untergeordnete Gewißheit hat, daß es nur für die menschliche oder irgend eine andere Betrachtungsweise, welche nicht die höchste ist, Gültigkeit hätte, mit dem erhabenen Namen der Wahrheit bezeichnen?

ALEXANDER. Auch dieses nicht, wenn es eine solche gebe.

ANSELMO. Du zweifelst, ob es eine solche gebe. Laß demnach sehn, was du jener von uns vergänglich genannten entgegenstellest, oder worein du die unvergängliche Gewißheit setzest.

ALEXANDER. Notwendig in diejenige Wahrheit, die nicht nur von einzelnen Dingen, sondern von allen, und nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern für alle Zeit gilt.

ANSELMO. Solltest du wirklich die unvergängliche Gewißheit in das setzen, was zwar für alle Zeit, aber doch überhaupt in Beziehung auf Zeit Gültigkeit hat? Ist es nicht offenbar, daß die Wahrheit, die überhaupt für die Zeit und Dinge in der Zeit gilt, unvergänglich ist nur in bezug auf das, was selbst nicht ewig ist, also nicht schlechthin und an sich betrachtet? Es ist aber undenkbar, daß, was überhaupt nur vom Endlichen,[423] obgleich es allgemein davon gilt, einen höheren Wert habe als dieses selbst, und daß wir ihm eine mehr als relative Wahrheit zugestehn können, da es mit dem Endlichen zugleich steht und fällt. Denn wer der Menschen wird leugnen, daß einer jeden Wirkung ihre Ursache vorausgehe, und daß diese Gewißheit, ohne an den Gegenständen geprüft zu werden, unmittelbar durch die bloße Beziehung des endlichen Erkennens auf den Begriff des Erkennens, unzweifelhaft sei? Wenn aber derselbe Satz außer der Beziehung auf das an sich Endliche keine Bedeutung hat, so ist es auch unmöglich, daß ihm Wahrheit zukomme. Denn bist du nicht mit mir übereingekommen, daß, was nur für eine untergeordnete Betrachtungsweise Gewißheit hat, nicht im echten Sinne für wahr gehalten werden könne?

ALEXANDER. Freilich.

ANSELMO. Du wirst aber ferner nicht in Abrede sein können, daß die Erkenntnis des Endlichen und Zeitlichen, als solche, selbst nur im endlichen Erkennen, nicht aber im absoluten, statthabe. Würdest du dich aber mit einer Wahrheit begnügen, welche bloß für das Erkennen endlicher Wesen, und nicht schlechthin und auch in Ansehung Gottes und des höchsten Erkennens Wahrheit ist, oder geht nicht alles unser Bestreben darauf, die Dinge so zu erkennen, wie sie auch in jenem urbildlichen Verstande vorgebildet sind, von dem wir in dem unsrigen die bloßen Abbilder erblicken?

ALEXANDER. Es ist schwer zu leugnen.

ANSELMO. Dieses höchste Erkennen aber, kannst du es überhaupt unter Zeitbedingungen denken?

ALEXANDER. Unmöglich.

ANSELMO. Oder auch nur als bestimmt durch Begriffe, die, obgleich an sie allgemein und unendlich, dennoch sich nur auf die Zeit und das Endliche beziehen?

ALEXANDER. Als bestimmt durch solche Begriffe zwar nicht, aber wohl als bestimmend diese Begriffe.

ANSELMO. Dies gilt uns hier gleichviel; denn wir im endlichen Erkennen erscheinen uns nicht als bestimmend jene Begriffe,[424] sondern als durch sie bestimmt, und wenn als bestimmend, offenbar durch ein höheres Erkennen. Wir müssen daher auf jeden Fall es als einen ausgemachten Satz annehmen, daß derjenigen Erkenntnis, die sich überhaupt auf die Zeit oder das zeitliche Dasein der Dinge bezieht, gesetzt auch, daß sie nicht selbst zeitlich entstehe und für die unendliche Zeit so wie für alle Dinge in der Zeit gelte, dennoch keine absolute Wahrheit zukomme, denn sie setzt ein höheres Erkennen voraus, welches von der Art ist, unabhängig von aller Zeit, und ohne allen Bezug auf die Zeit, an sich selbst, demnach schlechthin ewig zu sein.

ALEXANDER. Diese Folge ist unvermeidlich nach den ersten Voraussetzungen.

ANSELMO. Wir werden also erst dann auf dem Gipfel der Wahrheit selbst angekommen sein, und die Dinge sowohl mit Wahrheit erkennen als darstellen, nachdem wir mit unsern Gedanken zu dem unzeitlichen Dasein der Dinge und den ewigen Begriffen derselben gelangt sind.

ALEXANDER. Ich kann es nicht leugnen, obgleich du noch nicht gezeigt hast, wie wir dazu gelangen können.

ANSELMO. Auch geht uns diese Frage hier nicht an, da wir uns bloß um die Idee der Wahrheit bekümmern, die wir darum tiefer zu stellen, oder von ihrer Höhe herabzusetzen, damit sie den meisten leichter zu erreichen sei, für unwürdig halten. – Aber ist es dir gefällig, daß wir auf diese Weise in unsern Untersuchungen fortgehen?

ALEXANDER. Allerdings.

ANSELMO. So laß uns weiter den Unterschied des ewigen und zeitlichen Erkennens betrachten. Hältst du es also für möglich, daß, was wir irrig, verkehrt, unvollkommen usw. nennen, alles dies wirklich an sich, oder daß es solches vielmehr nur in Ansehung unserer Betrachtungsweise sei?

ALEXANDER. Ich kann mir nicht denken, daß z.B. die Unvollkommenheit irgend eines menschlichen Werks nicht wirklich in Ansehung dieses Werkes stattfinde, noch, daß, was wir uns notwendig als irrig denken, nicht auch wirklich falsch sei.[425]

ANSELMO. Laß dir, o Freund, den Sinn der Frage nicht entgehen. Nicht davon rede ich, was das Werk sei, einzeln betrachtet, losgetrennt vom Ganzen. Daß also jener anstatt eines vollkommenen Werks etwas durchaus Verkehrtes, dieser statt wahrer keine andern als falsche Sätze hervorbringt, ist, wahrhaft betrachtet, weder Verkehrtheit noch Irrtum. Vielmehr wenn jener, so beschaffen als er ist, etwas Vollkommenes und irgend etwas anderes als das Widersinnige und Törichte hervorbringen könnte, so wäre dies vielmehr ein Irrtum und eine wirkliche Verkehrtheit der Natur zu nennen, welches beides unmöglich ist. Da nun keiner etwas anderes hervorbringt, als was teils aus der Eigentümlichkeit seiner Natur, teils aus den Einwirkungen, welche auf ihn von außen geschehen sind, notwendig folgt, so drückt jeder, der eine durch seinen Irrtum, der andere durch die Unvollkommenheit seines Werks, die höchste Wahrheit und die höchste Vollkommenheit des Ganzen aus, und bestätigt eben durch sein Beispiel, daß in der Natur keine Lüge möglich sei.

ALEXANDER. Du scheinst dich in deinen eignen Reden zu fangen. Denn daß der Irrtum des einen Wahrheit, die Unvollkommenheit des andern Vollkommenheit sei, folgt freilich aus der zugestandenen Verkehrtheit ihrer Natur, –

ANSELMO. Die wiederum an sich betrachtet keine Verkehrtheit ist. Denn nachdem z.B. jener von einem solchen Vater gezeugt, dieser durch solche Einwirkungen von außen bestimmt worden ist, so ist ihre jetzige Beschaffenheit ganz in der Regel und in der allgemeinen Ordnung der Dinge notwendig.

ALEXANDER. Nach dieser Ansicht wirst du dich nur hüten müssen, einen Anfang der Unvollkommenheit zuzulassen.

ANSELMO. Freilich, so wie es überhaupt unmöglich ist, einen Anfang des Zeitlichen zu denken. Alle Unvollkommenheit findet nur in derjenigen Ansicht statt, für welche das Gesetz der Ursache und Wirkung selbst Prinzip, nicht für die höhere, die, da sie keinen Anfang des Endlichen zugibt, auch das Unvollkommene von Ewigkeit bei dem Vollkommenen, das heißt selbst als Vollkommenheit setzt. – Scheint es dir aber nicht, daß, was wir bisher mehr auf die Werke der Menschen eingeschränkt,[426] auch auf die Werke der Natur und überhaupt alle Dinge ausgedehnt werden müsse, nämlich, daß an sich betrachtet nichts mangelhaft, unvollkommen und unharmonisch sei?

ALEXANDER. Es scheint so.

ANSELMO. Dagegen daß sie unvollkommen seien, nur für die bloß zeitliche Betrachtungsweise, oder war es nicht so?

ALEXANDER. Auch dies.

ANSELMO. Laß uns nun weiter gehen, und sage mir, ob nicht anzunehmen ist, daß der schaffenden Natur bei allen ihren Hervorbringungen, im Ganzen nicht nur, sondern auch im Einzelnen, ein Typus vorgeschrieben sei, nach welchem sie sowohl die Gattungen als die Individuen bildet.

ALEXANDER. Offenbar ist dies, da wir nicht nur die verschiedenen Gattungen der Tiere und Pflanzen näher oder entfernter eben dieselbe Grundform ausdrücken sehen, sondern auch in den Individuen der Gattung sich genau dieselbe Anlage wiederholt.

ANSELMO. Wenn wir nun die Natur, sofern sie der lebendige Spiegel ist, worin alle Dinge vorgebildet sind, die urbildliche, die Natur aber, sofern sie jene Vorbilder in der Substanz ausprägt, die hervorbringende nennen, so sage mir, ob wir die urbildliche Natur oder die hervorbringende dem Gesetz der Zeit und des Mechanismus unterworfen denken müssen?

ALEXANDER. Nicht die urbildliche, wie mir scheint, denn das Urbild jenes Geschöpfes muß gedacht werden als sich immer gleich und unwandelbar, ja sogar als ewig, sonach auf keine Weise der Zeit unterworfen und weder als entstanden noch als vergänglich.

ANSELMO. So sind es also die Dinge in der hervorbringenden Natur, welche nicht freiwillig, sondern gezwungen dem Dienst der Eitelkeit unterworfen sind. Jene ewigen Urbilder aber der Dinge sind gleichsam die unmittelbaren Söhne und Kinder Gottes, daher auch in einer heiligen Schrift gesagt wird, daß die Kreatur sich sehne und verlange nach der Herrlichkeit der Kinder Gottes, welche die Vortrefflichkeit jener ewigen Urbilder ist. Denn es ist notwendig, daß in der urbildlichen Natur oder in Gott alle[427] Dinge, weil sie von den Bedingungen der Zeit befreit sind, auch viel herrlicher und vortrefflicher seien, als sie an sich selbst sind. Die Erde z.B., welche gemacht worden, ist nicht die wahre Erde, sondern ein Abbild der Erde, insofern sie nicht gemacht, und weder entstanden ist, noch jemals vergehen wird. In der Idee der Erde aber sind auch die Ideen aller in ihr enthaltenen oder auf ihr zum Dasein kommenden Dinge begriffen. Es ist also auch auf der Erde kein Mensch, kein Tier, kein Gewächs, kein Stein, dessen Bildnis nicht in der lebendigen Kunst und Weisheit der Natur weit herrlicher leuchtete als in dem toten Abdrucke der geschaffenen Welt. Da nun dieses vorgebildete Leben der Dinge weder jemals angefangen hat noch je aufhören wird, das nachgebildete dagegen unter dem Gesetz der Zeit, nicht frei und bloß seiner eignen Natur gemäß, sondern unter dem Zwange der Bedingungen entsteht und wieder vergeht, so werden wir also zugeben müssen, daß, so wenig als in seinem ewigen Dasein irgend etwas unvollkommen und mangelhaft ist, so wenig auf zeitliche Art irgend eine Vollkommenheit, welche sie sei, entstehen könne, und daß vielmehr, zeitlich angesehen, notwendig alles unvollkommen und mangelhaft sei.

ALEXANDER. Wir werden nicht umhin können, dies alles zu behaupten.

ANSELMO. Nun sage mir, ob du die Schönheit für eine Vollkommenheit, den Mangel an Schönheit für eine Unvollkommenheit hältst?

ALEXANDER. Freilich, und zwar halte ich dafür, daß die Schönheit, welche nur der äußere Ausdruck der organischen Vollkommenheit ist, die unbedingteste Vollkommenheit sei, die ein Ding haben könne, weil nämlich jede andere Vollkommenheit eines Dinges nach seiner Angemessenheit zu einem Zweck außer ihm geschätzt wird, die Schönheit aber bloß an sich selbst betrachtet und ohne alle Beziehung auf ein äußeres Verhältnis das ist, was sie ist.

ANSELMO. So wirst du mir also noch viel mehr zugeben, daß die Schönheit weil sie nämlich unter allen Vollkommenheiten[428] die größte Unabhängigkeit von Bedingungen fordert, auf keine zeitliche Weise entstehe, und daß hinwiederum auf zeitliche Weise nichts schön genannt werden könne.

ALEXANDER. Nach dieser Ansicht würden wir uns in einem großen Irrtum befinden, indem wir einige Dinge der Natur oder Kunst schön zu nennen pflegen.

ANSELMO. Auch leugne ich nicht das Dasein der Schönheit überhaupt, sondern das zeitliche Dasein. Überdies könnte ich dir dasselbe erwidern, was Sokrates beim Plato1, daß derjenige, welcher nicht etwa unlängst eingeweiht ist in den Mysterien, wenn er die sinnliche Schönheit erblickt, welche von der Schönheit an und für sich selbst den gleichen Namen borgt, durch jene nicht so leicht angetrieben wird, diese sich vorzustellen; wer aber jüngst eingeweiht worden, und solcher nun ein göttliches Angesicht erblickt, wo die Schönheit, oder vielmehr das unkörperliche Urbild nachgeahmt ist, erstaunt und zuerst erschrickt, indem eine der vormaligen ähnliche Furcht über ihn kommt, hernach aber sie als eine Gottheit anbetet. Diese, welche die Schönheit an und für sich selbst gesehen haben, sind auch gewohnt, ungestört von den Mängeln, welche der widerstrebenden Natur durch den Zwang der Ursachen aufgedrungen sind, in dem unvollkommenen Abdrucke das Urbild zu sehen, alles aber zu lieben, was sie an die vormalige Seligkeit des Anschauens erinnert. Das, was an jeder lebenden Gestalt dem Urbilde der Schönheit widerspricht, ist aus dem natürlichen Prinzip zu begreifen, niemals aber das, was ihm gemäß ist, denn dieses ist seiner Natur nach eher, der Grund davon aber liegt in der idealen Natur selbst und der Einheit, die wir zwischen der hervorbringenden und der urbildlichen Natur setzen müssen, welche auch durchaus offenbar wird, daß die Schönheit allent halben hervortritt, wo es der Naturlauf gestattet, sie selbst aber ist niemals entstanden, und überall, wo sie zu entstehen scheint (sie scheint es aber immer nur), kann sie nur entstehen, weil sie ist. Wenn du also ein Werk oder Ding schön nennest, so ist nur dieses Werk entstanden, die Schönheit aber nicht, welche[429] ihrer Natur nach, also mitten in der Zeit, ewig ist. Indem wir also unsere Schlüsse überrechnen, so findet sich, nicht nur daß die ewigen Begriffe vortrefflicher und schöner seien als die Dinge selbst, sondern vielmehr, daß sie auch allein schön, ja daß der ewige Begriff eines Dinges notwendig schön sei.

ALEXANDER. Gegen diese Schlußfolge ist nichts einzuwenden. Denn notwendig ist, daß, wenn die Schönheit etwas Unzeitliches ist, jedes Ding nur durch seinen ewigen Begriff schön sei; notwendig, wenn die Schönheit nie entstehen kann, daß sie das Erste, Positive, die Substanz der Dinge selbst sei; notwendig, wenn das Entgegengesetzte der Schönheit bloße Verneinung und Einschränkung ist, daß diese nicht in jene Region dringen könne, wo nichts als Realität angetroffen wird, daß also auch die ewigen Begriffe aller Dinge allein und notwendig schön seien.

ANSELMO. Sind wir aber nicht früher übereingekommen, daß eben diese ewigen Begriffe der Dinge auch allein und absolut wahr, alle andern täuschend oder nur relativ wahr seien, und daß, die Dinge mit absoluter Wahrheit erkennen, so viel heiße als: sie in ihren ewigen Begriffen erkennen?

ALEXANDER. Freilich sind wir übereingekommen.

ANSELMO. Haben wir also nicht die höchste Einheit der Wahrheit und der Schönheit aufgezeigt?

ALEXANDER. Ich kann nicht widersprechen, nachdem du mich in diese Schlußfolge verstrickt hast.

ANSELMO. Du hattest also ganz recht, wenn du urteiltest, daß ein Kunstwerk einzig durch seine Wahrheit schön sei, denn ich glaube nicht, daß du unter Wahrheit irgend etwas Schlechteres oder Geringeres verstanden habest als die der intellektualen Urbilder der Dinge. Außer dieser aber haben wir noch eine untergeordnete und trügerische Wahrheit, die den Namen von jener leiht, ohne ihr der Sache nach gleich zu sein, und die teils in einer verworrenen und undeutlichen, immer aber in einer bloß zeitlichen Erkenntnis besteht. Diese Art der Wahrheit welche sich auch mit dem Unvollkommenen und Zeitlichen[430] an den Gestalten, dem, was ihnen von außen aufgedrungen ist, nicht lebendig aus ihrem Begriff sich entwickelt hat, verträgt, kann nur der zur Regel und Norm der Schönheit machen, welcher nie unsterbliche und heilige Schönheit erblickte. Aus der Nachahmung dieser Wahrheit ent stehen diejenigen Werke, an welchen wir nur die Kunst bewundern, mit der sie das Natürliche erreichen, ohne es mit dem Göttlichen verbinden zu können. Von dieser Wahrheit aber kann nicht einmal gesagt werden, wie Lucian getan hat, daß sie der Schönheit untergeordnet sei, sondern vielmehr, daß sie gar nichts mit ihr gemein habe. Jene einzig hohe Wahrheit aber ist der Schönheit nicht zufällig, noch ist es diese jener, und wie die Wahrheit, die nicht Schönheit ist, auch nicht Wahrheit, so kann hinwiederum die Schönheit welche nicht Wahrheit ist, auch nicht Schönheit sein, wofür wir an den uns umgebenden Werken, wie mir dünkt, offenbare Beispiele haben. Denn sehen wir nicht die meisten zwischen zwei Extremen schwanken, und den einen, welcher die bloße Wahrheit hervorbringen will, statt dieser der rohen Natürlichkeit hingegeben, und indem er ganz auf jene geheftet ist, dagegen dasjenige versäumen, was durch keine Erfahrung gegeben werden kann, den andern, dem es ganz an Wahrheit gebricht, einen leeren und schwächlichen Schein von Form, den die Unwissenden als Schönheit bewundern, hervorbringen?

Allein, o Freunde, nachdem wir die höchste Einheit der Schönheit und Wahrheit bewiesen haben, so scheint mir auch die der Philosophie mit der Poesie bewiesen; denn wonach strebt jene als eben nach jener ewigen Wahrheit, die mit der Schönheit, diese aber nach jener ungeborenen und unsterblichen Schönheit, welche mit der Wahrheit eins und dasselbe ist? Gefällt es dir aber, o Teurer, daß wir dieses Verhältnis weiter auseinandersetzen, um zu unserm Anfang zurückzugelangen?

ALEXANDER. Allerdings wünsche ich dies.

ANSELMO. Die höchste Schönheit und Wahrheit aller Dinge also wird angeschaut in einer und derselben Idee.

ALEXANDER. So haben wir ausgemacht.[431]

ANSELMO. Diese Idee aber ist die des Ewigen.

ALEXANDER. Nicht anders.

ANSELMO. Wie nun in jener Idee Wahrheit und Schönheit eins sind, so notwendig auch eins in den Werken, welche jener Idee gleichen.

ALEXANDER. Notwendig.

ANSELMO. Was aber hältst du für das Hervorbringende solcher Werke?

ALEXANDER. Es ist schwer zu sagen.

ANSELMO. Ein jedes Werk ist notwendig endlich?

ALEXANDER. Natürlich.

ANSELMO. Das Endliche aber, sagten wir, sei vollkommen dadurch, daß es dem Unendlichen verknüpft werde.

ALEXANDER. Richtig.

ANSELMO. Wodurch nun glaubst du, daß das Endliche dem Unendlichen verknüpft werden könne?

ALEXANDER. Offenbar nun durch ein solches, in Ansehung dessen es zuvor mit ihm eins ist.

ANSELMO. Also nur durch das Ewige selbst.

ALEXANDER. Es ist klar.

ANSELMO. Demnach kann auch ein Werk, welches die höchste Schönheit darstellt, nur durch das Ewige hervorgebracht sein?

ALEXANDER. Es scheint.

ANSELMO. Aber durch das Ewige schlechthin betrachtet, oder durch das Ewige, sofern es sich unmittelbar bezieht auf das hervorbringende Individuum?

ALEXANDER. Das letzte.

ANSELMO. Aber wodurch glaubst du, daß sich jenes auf dieses beziehe?

ALEXANDER. Ich sehe es nicht sogleich ein.

ANSELMO. Sagten wir nicht, daß alle Dinge in Gott nur durch ihre ewigen Begriffe seien?

ALEXANDER. Allerdings.[432]

ANSELMO. Das Ewige demnach bezieht sich auf alle Dinge durch ihre ewigen Begriffe, auf das hervorbringende Individuum also durch den ewigen Begriff des Individuums, der in Gott und mit der Seele ebenso eins ist wie die Seele mit dem Leibe.

ALEXANDER. Diesen ewigen Begriff des Individuums also werden wir als das Hervorbringende eines Werks ansehen, worin die höchste Schönheit dargestellt ist.

ANSELMO. Unstreitig. Diese Schönheit aber, welche in dem Werk dargestellt wird, ist selbst wieder das Ewige?

ALEXANDER. Ohne Zweifel.

ANSELMO. Aber das Ewige schlechthin betrachtet?

ALEXANDER. Es scheint nicht, denn es wird nur durch das Ewige hervorgebracht, sofern es der ewige Begriff eines Individuums ist und sich auf dieses unmittelbar bezieht.

ANSELMO. Das Ewige in dem Hervorgebrachten wird also auch nicht an sich dargestellt, sondern sofern es sich bezieht auf einzelne Dinge, oder der Begriff solcher Dinge ist.

ALEXANDER. Notwendig.

ANSELMO. Welcher Dinge aber, solcher, die mit dem ewigen Begriff des Individuums verbunden sind, oder solcher, die nicht?

ALEXANDER. Notwendig solcher, die mit ihm verbunden sind.

ANSELMO. Wird nicht dieser Begriff notwendig eine desto herrlichere Vollkommenheit haben, je näher ihm in Gott der Begriff aller andern Dinge verknüpft ist?

ALEXANDER. Unstreitig.

ANSELMO. Sehen wir daher nicht, daß, je vollkommener Begriff und gleichsam organischer, desto geschickter auch der Hervorbringende, andere Dinge als sich selbst darzustellen, ja sich ganz von seiner Individualität zu entfernen, dagegen je unvollkommener jener und einzelner, desto ungeschickter dieser, in noch so wechselnden Formen etwas anderes als sich selbst zu offenbaren?

ALEXANDER. Dies ist alles klar genug.

ANSELMO. Erhellet aber nicht auch hieraus offenbar, daß[433] das Hervorbringende nicht die Schönheit an und für sich selbst, sondern nur die Schönheit an Dingen, also immer nur die konkrete Schönheit darstelle?

ALEXANDER. Offenbar.

ANSELMO. Gleicht aber das Hervorbringende nicht auch hierin dem, dessen Ausfluß es ist? Denn hat auch jener, Gott nämlich, irgendwo in der fühlbaren Welt die Schönheit, wie sie in ihm selbst ist, enthüllt, und gibt er nicht vielmehr den Ideen der Dinge, die in ihm sind, ein eignes und unabhängiges Leben dadurch, daß er sie als die Seelen einzelner Leiber existieren läßt? Ja, hat nicht eben deswegen auch jedes Werk, dessen Hervorbringendes der ewige Begriff des Individuums ist, ein gedoppeltes Leben, ein unabhängiges in ihm selbst, und ein anderes in dem Hervorbringenden?

ALEXANDER. Notwendig.

ANSELMO. Ein Werk also, das nicht in ihm selbst lebt und unabhängig von dem Hervorbringenden für sich fortdauert, werden wir auch für kein Werk halten, dessen Seele ein ewiger Begriff ist.

ALEXANDER. Unmöglich.

ANSELMO. Haben wir aber nicht ferner festgesetzt, daß jedes Ding in seinem ewigen Begriff schön sei? Das Hervorbringende also eines Werkes, wie wir es angenommen haben, und das Hervorgebrachte selbst sind eins, beide nämlich schön. Das Schöne also bringt das Schöne, das Göttliche das Göttliche hervor.

ALEXANDER. Dies ist einleuchtend.

ANSELMO. Da nun das Schöne und Göttliche in dem hervorbringenden Individuum sich unmittelbar nur auf dieses Individuum bezieht, ist es denkbar, daß insofern in ihm zugleich die Idee des Schönen und Göttlichen an und für sich selbst sei, oder ist diese nicht vielmehr notwendig in einem anderen, in demselben nämlich, aber nicht als unmittelbarem Begriff des Individuums, sondern schlechthin betrachtet?

ALEXANDER. Notwendig das letzte.

ANSELMO. Ist es daher nicht ferner begreiflich, daß diejenigen,[434] welche geschickt sind schöne Werke hervorzubringen, die Idee der Schönheit und Wahrheit an und für sich selbst oft am wenigsten besitzen, eben weil sie von ihr besessen werden.

ALEXANDER. Es ist natürlich.

ANSELMO. Insofern nun der Hervorbringende das Göttliche nicht erkennt, als solcher erscheint er notwendig mehr wie ein Profaner als wie ein Eingeweihter. Obgleich er es aber nicht erkennt, übt er es doch von Natur aus, und offenbart, ohne es zu wissen, denen, die es verstehen, die verborgensten aller Geheimnisse, die Einheit des göttlichen und natürlichen Wesens und das Innere jener allerseligsten Natur, in welcher kein Gegensatz ist; daher die Dichter schon im höchsten Altertum als die Ausleger der Götter und von ihnen getriebene und begeisterte Menschen verehrt worden sind. Was dünkt dir aber, werden wir nicht jede Erkenntnis, welche die Ideen nur an den Dingen, nicht an sich selbst zeigt, exoterisch, dagegen die, welche die Urbilder der Dinge an und für sich selbst, mit Recht eine esoterische nennen?

ALEXANDER. Mit größtem Rechte, dünkt mir.

ANSELMO. Der Hervorbringende aber wird nie die Schönheit an und für sich selbst, aber wohl schöne Dinge darstellen.

ALEXANDER. So sagten wir.

ANSELMO. Auch nicht an der Idee der Schönheit selbst, sondern nur an dem Vermögen, ihr so viel möglich ähnliche Dinge hervorzubringen, wird seine Kunst erkannt.

ALEXANDER. Unstreitig.

ANSELMO. Seine Kunst ist also notwendig exoterisch.

ALEXANDER. Es versteht sich.

ANSELMO. Der Philosoph aber bestrebt sich nicht das einzelne Wahre und Schöne, sondern die Wahrheit und Schönheit an und für sich selbst zu erkennen.

ALEXANDER. So ist es.

ANSELMO. Er übt also denselben Gottesdienst innerlich aus, den der Hervorbringende äußerlich übt, ohne es zu wissen.

ALEXANDER. Offenbar.[435]

ANSELMO. Das Prinzip aber des Philosophierenden ist nicht der ewige Begriff, sofern er sich unmittelbar auf das Individuum bezieht, sondern derselbe schlechthin und an sich betrachtet.

ALEXANDER. So werden wir schließen müssen.

ANSELMO. Und die Philosophie ist notwendig ihrer Natur nach esoterisch, und braucht nicht geheim gehalten zu werden, sondern ist es vielmehr durch sich selbst.

ALEXANDER. Dies ist klar.

ANSELMO. Müssen wir aber nicht eben dieses als wesentlich ansehen zu dem Begriff der Mysterien, daß sie es nämlich mehr durch sich selbst als durch äußere Veranstaltungen seien?

ALEXANDER. Hiervon scheinen uns selbst die Alten schon das Beispiel gegeben zu haben.

ANSELMO. Ganz gewiß, denn obgleich die ganze Hellas zu den Mysterien gelangen konnte, und die Teilnahme an denselben für eine allgemeine Glückseligkeit gehalten wurde, so daß Sophokles eine seiner Personen so redend einführte:


O der Sterblichen

Glücksel'ge die, so diese Weihung schauend erst

Zum Hades wandeln! Denn ihr Teil ist's, dort allein

Noch leben, doch den andern Unheil alles dort,


und Aristophanes dem Chor seliger Abgeschiedenen in den Fröschen die Worte in den Mund legt:


Denn uns allein ist Sonne hier

Und frohes Licht, so viele,

Teilhaftig der Weihung einst,

Nach heiliger Sitte Recht

Mit Fremdlingen immer und

Mitbürgern gelebet,


so hörten sie doch nicht auf Geheimnisse zu sein und als solche geehrt und streng beobachtet zu wer den, woraus wir schließen müssen, daß in ihrer Natur etwas gewesen, welches, obgleich einer großen Menge mitgeteilt, doch nicht entweiht werden konnte.[436]

Der Zweck aber aller Mysterien ist kein anderer, als den Menschen von allem dem, wovon sie sonst nur die Abbilder zu sehen gewohnt sind, die Urbilder zu zeigen, was gestern zuletzt Polyhymnio, welcher gegenwärtig war, mit vielen Gründen auseinandersetzte. Denn auf dem Rückwege zur Stadt, da wir von dem Inhalt der Mysterien uns besprachen, sagte er, daß wir vergebens entweder heiligere Lehren oder bedeutendere Symbole und Zeichen zu erfinden strebten, als in den alten gelehrt und vorgestellt worden seien. Und was die ersteren betrifft, sagte er, so haben in den Mysterien die Menschen zuerst gelernt, daß außer den Dingen, welche unaufhörlich verändert werden und vielgestaltig sich verwandeln, etwas Unwandelbares, Eingestaltiges und Unteilbares sei, und daß dasjenige, was dem Göttlichen und Unsterblichen am ähnlichsten, die Seele, das aber, was dem Vielgestaltigen, Teilbaren und immer Veränderlichen am meisten gleicht, der Körper sei. Die einzelnen Dinge nun hätten sich durch das, was an ihnen unterscheidbar und besonder wäre, von dem an und für sich selbst Gleichen abgesondert, obwohl sie an dem, wodurch sie sich selbst gleich und individuell sind, einen Abdruck und gleichsam das Gepräge jenes schlechthin Unteilbaren mit in die Zeitlichkeit genommen. Da wir nun diese Ähnlichkeit der konkreten Dinge mit dem an sich selbst Gleichen bemerken, und wahrnehmen, daß sie sich zwar bestreben jenem in der Einheit ähnlich zu sein, aber diese Ähnlichkeit nicht ganz erreichen, so müssen wir das Urbild des an und für sich selbst Gleichen, schlechthin Unteilbaren, auf eine unzeitliche Weise, gleichsam vor der Geburt erkannt haben, welches sie durch einen dem jetzigen vorhergegangenen Zustand der Seele ausdrückten, worin sie der unmittelbaren Anschauung der Ideen und Urbilder der Dinge teilhaftig gewesen, und aus dem sie erst durch die Vereinigung mit dem Leibe und den Übergang in das zeitliche Dasein gerissen worden wäre. Die Mysterien seien deshalb vorgestellt worden als eine Anstalt, die, welche daran teilnehmen, durch Reinigung der Seele zur Wiedererinnerung an die vormals angeschauten Ideen des an sich Wahren, Schönen und Guten, und dadurch zur höchsten Seligkeit zu bringen. Da nun in der Erkenntnis des Ewigen und Unveränderlichen die erhabene Philosophie[437] bestehe, so sei die Lehre der Mysterien nichts anderes als die erhabenste, heiligste und vortrefflichste, aus dem äußersten Altertum überlieferte Philosophie gewesen, so daß sich die Mysterien zu der Mythologie wirklich ebenso verhalten, wie wir glauben, daß sich die Philosophie zu der Poesie verhalte, und wir demnach mit gutem Grund beschlossen haben, daß die Mythologie zwar den Dichtern, die Einrichtung der Mysterien aber den Philosophen überlassen werden sollte. Allein nachdem wir die Rede bis zu diesem Punkt zurückgebracht, so möget ihr nun ferner urteilen, ob und auf welche Art ihr von demselben aus sie weiterführen wollet.

LUCIAN. Eine zu schöne Laufbahn des Gesprächs öffnet sich, als daß ihr stille stehen könntet.

ALEXANDER. Auch mir erscheint es so.

ANSELMO. So hört meinen Vorschlag. Es dünkt mir also, daß wir ferner über die Einrichtung der Mysterien und die Beschaffenheit der Mythologie reden, und zwar schien mir das Schicklichste, daß, welcher bisher als Gast unsern Gesprächen gegenwärtig war, Bruno, davon rede, von welcher Art der Philosophie er glaube, daß sie in den Mysterien gelehrt werden müsse, und daß sie denjenigen Antrieb eines seligen und göttlichen Lebens enthalte, der von einer heiligen Lehre mit Recht gefordert werden kann; darauf aber Polyhymnio den Faden da aufnehme, wo ihn jener verlassen, und die Sinnbilder und Handlungen beschreibe, durch welche eine solche dargestellt werden könne; endlich, wie es kommt, einer von uns oder wir alle zusammen die Rede von der Mythologie und Poesie vollführen.

BRUNO. Undankbar würde ich erscheinen, wenn ich, so oft und so reichlich bewirtet von euch, nicht hinwiederum so gut ich vermag, euch von dem Meinigen mitteilen sollte.

So wende ich mich also, indem ich nicht versagen will, was Pflicht gebietet, zuerst, nicht an die Gewalthaber irdischer Mysterien, sondern an die Vorsteher der ewigen Geheimnisse, die durch das Licht der Gestirne, den Umlauf der Sphären, den Tod und[438] die Wiederbelebung der Geschlechter auf der Erde gefeiert werden, und flehe jene an, erstens, daß sie mich gelangen lassen zu der Anschauung des Unverletzlichen, Einfachen, Gesunden und Seligen, hierauf, daß sie mich von den Übeln frei sein lassen, unter welchen mehr oder weniger im Leben wie in der Kunst, und im Handeln wie im Denken, die mehresten gleicherweise leiden, indem sie dem unerbittlichen Schicksal sich zu entziehen trachten, welches verordnet hat, daß die Welt nicht bloß aus Leben, sondern auch aus Tod, und hinwiederum nicht allein aus Leib, sondern auch aus Seele bestünde, und dem völlig gleichen Geschick das Universum wie der Mensch unterworfen wäre, aus Unsterblichem und Sterblichem, und weder bloß aus Endlichem noch aus Unendlichem gemischt zu sein.

Dann aber rede ich euch an, bittend, daß ihr mir verzeihet, wenn ich euch nicht sowohl sage, welche Philosophie ich für die beste halte in Mysterien gelehrt zu werden, als vielmehr von welcher ich wisse, daß sie die wahre sei, und auch diese nicht selbst, sondern nur den Grund und Boden darstelle, auf welchem sie erbaut und aufgeführt werden müsse. Dann auch, daß ihr mir vergönnet, nicht für mich selbst in stetiger Rede, sondern, wie ihr wohl sonst pflegt, fragend oder auch antwortend, wie es sich trifft, die Gedanken meines Gemüts zu entwickeln, und mir besonders erlaubt, daß ich vorzüglich einen unter euch auswähle, der entweder von mir gefragt antworte, oder mich selbst fragend die Antwort empfange. Seid ihr aber, und ist dieser es zufrieden, so bitte ich unsern Lucian, daß er vorzüglich die Rede mit mir teile, auf welche Weise es ihm gefällt. Zum Grunde aber des Gesprächs zu legen, was sollte ich oder wir andern Vortrefflicheres, und worüber wir alle einiger sein könnten, erfinden, Anselmo, als wozu du uns geführet, die Idee dessen, worin alle Gegensätze, nicht sowohl vereinigt, als vielmehr eins, und nicht sowohl aufgehoben, als vielmehr gar nicht getrennt sind?

Vorerst also preise ich jenes als Erstes, was allem vorangeht, darum weil abgesehen von ihm nur die zwei Fälle möglich sind: entweder die Einheit, welche den Gegensatz sich entgegenstehend[439] hat, als Erstes zu setzen, alsdann aber wird sie selbst mit einem Gegensatz gesetzt; oder die Gegensätze, alsdann aber werden diese ohne die Einheit gedacht, welches unmöglich ist, denn alles, was sich entgegengesetzt, ist es wahrhaft und auf reelle Weise nur dadurch, daß es in einem und demselben gesetzt sein soll.

LUCIAN. Hüte dich, o Bester, (denn ich will deiner Aufforderung Folge leisten, und dich frühzeitig erinnern) dich nicht gleich anfangs in Widersprüche zu verwickeln. Denn der Einheit stellt der Gegensatz notwendig entgegen, da sie also ohne den Gegensatz so wenig denkbar ist, als dieser ohne sie, so muß es auch unmöglich sein, die Einheit zu setzen, ohne sie mit einem Gegensatz zu setzen.

BRUNO. Nur Eines, o Vortrefflicher, scheinst du übersehen zu haben: nämlich daß, da wir die Einheit aller Gegensätze zum Ersten machen, die Einheit selbst aber zusamt dem, was du den Gegensatz nennest, selbst wieder und zwar den höchsten Gegensatz bildet, wir, um jene Einheit zur höchsten zu machen, auch diesen Gegensatz, zusamt der Einheit, die ihm gegenübersteht, darin begriffen den ken, und jene Einheit als dasjenige bestimmen, worin die Einheit und der Gegensatz, das sich selbst Gleiche mit dem Ungleichen eins ist.

LUCIAN. Sehr gut zwar scheinst du dich aus dieser Schlinge zu ziehen, indem du eine Einheit setzest, welche die Einheit und den Gegensatz selbst wieder verknüpfet. Wie magst du aber den Gegensatz in Ansehung dieser zugeben, ohne eben deswegen ihn auch in Ansehung jener zu setzen? Auf keine Weise also scheinst du zu einer reinen Einheit und einer solchen zu gelangen, die nicht durch Differenz getrübt wäre.

BRUNO. Es scheint zwar, o Freund, daß du sowohl von der Einheit, welche der Differenz entgegen, als der höheren, worin jene selbst mit dieser eins ist, sagst, daß sie getrübt sei, allein von welcher der beiden du dies meinst, so denke ich dich vom Gegenteil zu überführen. Denn wenn du sagst, daß in Ansehung jener höheren die Einheit und die Differenz sich entgegenstehen, jene also selbst mit einem Gegensatz behaftet sei, so leugne ich dir jenes, nämlich daß sie in Ansehung ihrer entgegengesetzt seien.[440] Du kannst also das Getrübtsein durch Differenz nur von derjenigen Einheit aussagen wollen, welche der Differenz und insofern sie ihr entgegengesetzt, nicht aber von derjenigen, die über ihr und in Ansehung welcher dieser Gegensatz selbst nicht da ist. Oder ist es nicht so?

LUCIAN. Ich will es indes zugeben.

BRUNO. Du sagst also, daß die Einheit getrübt werde, insofern sie der Differenz entgegengesetzt ist?

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Aber wie entgegengesetzt: schlechthin oder nur beziehungsweise?

LUCIAN. Was nennest du schlechthin und was nennest du beziehungsweise entgegengesetzt?

BRUNO. Beziehungsweise entgegengesetzt nenne ich, was in irgend einem Dritten aufhören kann entgegengesetzt zu sein und eins werden. Absolut aber, wovon dies nicht gedacht werden kann. Denke dir zwei Körper von entgegengesetzter Natur, die sich mischen können und dadurch einen dritten hervorbringen, so hast du ein Beispiel des ersten. Denke dir den Gegenstand und das vom Spiegel zurückgeworfene Bild des Gegenstandes, so hast du ein Beispiel des anderen. Denn kannst du dir ein Drittes denken, worin das Bild je in den Gegenstand, der Gegenstand in das Bild übergehen könnte, und sind sie nicht eben dadurch, daß das eine Gegenstand, das andere Bild ist, notwendig ewig und schlechthin getrennt?

LUCIAN. Freilich.

BRUNO. Von welcher Art wirst du also den Gegensatz zwischen der Einheit und der Differenz setzen müssen?

LUCIAN. Notwendig von der letzten, nach deiner Meinung, da du sie nur in einem Höheren eins sein lassest.

BRUNO. Vortrefflich, aber diese Einheit hast du ja als aufgehoben gesetzt. Denn war es nicht so, daß du die Einheit nur getrübt werden ließest, sofern sie der Differenz entgegengesetzt war?

LUCIAN. So war es.

BRUNO. Entgegengesetzt aber ist sie ihr nur, wenn die höhere[441] Einheit als aufgehoben gedacht wird; du also konntest beide auch nur beziehungsweise entgegengesetzt denken.

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Sofern sie bloß beziehungsweise entgegengesetzt sind, werden sie auch bloß beziehungsweise eins sein können, und sich wechselseitig begrenzen und einschränken, wie die zwei Körper, die wir oben angenommen haben.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Und nur sofern sie sich begrenzen und wechselseitig einschränken, wird die Einheit getrübt, worunter du doch wohl verstehst, daß sie der Differenz teilhaftig werde.

LUCIAN. Ganz richtig.

BRUNO. Du setzest also, indem du die Einheit als getrübt setzest, notwendig ein Verhältnis der Ursache und Wirkung zwischen beiden, wie die, welche, philosophierend wie es kommt, hier die Einheit, dort die Mannigfaltigkeit setzen, und jene auf diese, diese auf jene einwirken, beide aber sich wechselseitig aneinander schmiegen lassen.

LUCIAN. Die Götter bewahren mich, daß ich dies im Ernste annehmen sollte.

BRUNO. Du kannst also auch nicht im Ernst annehmen, daß wir die Einheit, welche wir dem Gegensatz entgegenstellen, notwendig als getrübt setzen.

LUCIAN. Freilich nicht. – Wie ist es aber, folgt nicht aus deiner Meinung, daß eben nur das, was sich absolut entgegengesetzt, auch absolut eins sein könne, und umgekehrt?

BRUNO. Freilich folgt es. Denke dir nur, was du bereits gedacht hast, und sage mir, ob du eine vollkommenere Einheit denken kannst, als zwischen dem Gegenstände und seinem Bilde, obgleich es schlechterdings unmöglich ist, daß beide je zusammen kommen in einem Dritten. Notwendig daher setzest du sie als vereinigt durch ein Höheres, worin das, wodurch das Bild Bild, der Gegenstand Gegenstand ist, das Licht nämlich und der Körper, selbst wieder eines sind. Setze nun ein solches Verhängnis und diese Ordnung der Welt, daß allgemein, wenn der Gegenstand[442] ist, auch das Bild, und wenn das Bild, auch jener ist, so werden eben deswegen und aus diesem Grunde notwendig und überall beide beisammen sein, weil sie nirgends beisammen sind. Denn was sich absolut und unendlich entgegen ist, kann auch nur unendlich vereinigt sein. Was aber unendlich vereinigt ist, kann in nichts und niemals sich trennen; was also niemals und in nichts getrennt und schlechthin zusammengefügt ist, ist eben darum sich schlechthin entgegengesetzt. Von dem also, worin die Einheit und der Gegensatz selbst eines sind, mußt du jene trennen und für sich, die Differenz aber ihr relativ entgegensetzen, um sie von dieser getrübt werden zu lassen; jenes aber ist dir unmöglich, denn sie ist nichts außer jener absoluten, und überhaupt nur an ihr, und alles, was von ihr ausgesagt wird, kann von ihr nur in Ansehung jener absoluten ausgesagt werden. In Ansehung dieser aber kann sie nicht getrübt gedacht werden durch Differenz, denn in Ansehung jener ist sie dieser überhaupt nicht entgegen. Es ist hier also nichts denn Durchsichtigkeit; denn daß in Ansehung der absoluten Einheit, welche, indem sie das Endliche auch das Unendliche, nicht vereinigt, sondern ungetrennt begreift, weder Finsternis sei noch Mischung, siehest du selbst ein, und hast es bereits zugestanden.

LUCIAN. Bist du aber gewiß, mit dem, was du Einheit der Einheit und des Gegensatzes nennest, alle Gegensätze aufgehoben zu haben, und wie verhalten sich zu diesem die andern Gegensätze, welche ihr in der Philosophie zu machen pfleget?

BRUNO. Wie sollte ich nicht des ersten gewiß sein, da eins von beiden notwendig ist: entweder daß die Gegensätze, welche sonst gemacht werden, unter das, was wir den Gegensatz nennen, oder unter das, was die Einheit und den Gegensatz, fallen müssen. Jedoch da du zu zweifeln scheinst, und damit ich dir zugleich auf das andere antworte, nenne uns denjenigen Gegensatz, welchen du für den höchsten hältst.

LUCIAN. Ich halte dafür, daß es keinen höheren geben könne, als den wir durch ideal und real ausdrücken, so wie mir dagegen die höchste Einheit in die Einheit des Ideal- und Realgrundes gesetzt werden zu müssen scheint.[443]

BRUNO. Wir werden damit noch nicht zufrieden sein können, sondern dich noch bitten müssen, uns zu sagen, was du dir unter der Einheit dieses Ideal- und Realgrundes vorstellest.

LUCIAN. Die Einheit des Denkens und des Anschauens.

BRUNO. Ich werde dir über diese Bestimmung keinen Streit erregen, o Freund, und weder dich fragen, ob du jene Einheit nicht etwa selbst wieder als ideal oder real bestimmest (denn wie sollte das einem von beiden entgegengesetzt sein, was über beiden ist?), noch jetzt untersuchen, ob nicht das, was du Anschauung genannt hast, selbst schon eine Einheit des Ideellen und Reellen sei. Denn dieses wollen wir jetzt alles dahingestellt sein lassen, und nur weiter erforschen, was du dir unter jener Einheit des Anschauens und Denkens selbst denkest. Denn indes scheinest du mir dadurch ganz dasselbe auszudrücken, was wir die Einheit des Gegensatzes und der Einheit, des Endlichen und Unendlichen genannt haben. Sage mir demnach, o Vortrefflicher, ob du die Anschauung nicht für völlig bestimmt in jedem einzelnen Falle hältst, und ob du nicht von der in jeder Rücksicht bestimmten Anschauung die Einheit mit dem Denken behauptet hast? Denn nur auf diese Weise kann ich mir sowohl einen Gegensatz als eine Einheit beider denken.

LUCIAN. So ist es auch wirklich.

BRUNO. Notwendig aber denkst du die Anschauung als bestimmt durch irgend etwas.

LUCIAN. Allerdings und zwar durch eine andere Anschauung, diese wieder durch eine andere, und so fort ins Unendliche.

BRUNO. Wie kannst du aber eine Anschauung als bestimmt setzen durch eine andere, wenn du nicht diese von jener und jene von dieser unterscheidbar setzest, also ohne durch die ganze Sphäre der Anschauung Differenz zu setzen, so daß jede eine besondere, keine der andern völlig gleich ist?

LUCIAN. Unmöglich anders, als wie du sagst.

BRUNO. Denke dir dagegen einen Begriff, den der Pflanze, oder einer Figur, oder was du sonst willst, und sage mir, ob sich[444] dieser Begriff ebenso verändert und bestimmt, wie sich deine Anschauungen verändern und bestimmen, wenn du mehrere Pflanzen oder mehrere Figuren nacheinander betrachtest, oder ob nicht vielmehr dieser Begriff unveränderlich derselbe bleibt, und allen noch so verschiedenen Pflanzen oder Figuren auf eine völlig gleiche Weise angemessen, oder gegen alle indifferent ist?

LUCIAN. Das letzte.

BRUNO. Du hast also die Anschauungen als das, was notwendig der Differenz unterworfen, den Begriff aber als das, was indifferent, bestimmt.

LUCIAN. So ist es.

BRUNO. Du hast dir ferner die Anschauung gedacht unter der Eigenschaft des Besonderen, den Begriff aber unter der des Allgemeinen.

LUCIAN. Es ist klar, daß dies so sei.

BRUNO. Welch' eine hohe und vortreffliche Idee also hast du mit jener Einheit des Anschauens und des Denkens ausgesprochen! Denn was kann wohl Herrlicheres und Vortrefflicheres gedacht werden als die Natur desjenigen, in welchem durch das Allgemeine auch das Besondere, durch den Begriff auch die Gegenstände gesetzt und bestimmt werden, so, daß in ihm selbst beides ungetrennt ist, und wie sehr hast du dich mit dieser Idee über die endliche Erkenntnis erschwungen, in welcher dies alles getrennt ist, und wieviel mehr noch über die vermeinte Erkenntnis eingebildeter Philosophen, welche erst die Einheit und dann die Mannigfaltigkeit, beide aber einander schlechthin entgegensetzen. Laß uns daher fest an jener Idee halten, und ohne etwas anderes einzumischen, oder etwas von der ersten Strenge nachzulassen, mit der wir sie gedacht haben, zwischen Denken und Anschauen eine solche Einheit setzen, daß, was in dem einen, notwendig auch in dem anderen ausgedrückt, und beide nicht bloß in einem Dritten, sondern an sich und vor der Trennung eins, und nicht sowohl zugleich, als vielmehr auf völlig gleiche Weise die Eigenschaften alles anderen seien, was aus der Vortrefflichkeit jener Natur hervorgeht, die an sich nicht das eine oder das andere, auch nicht beides zugleich, sondern die Einheit davon ist. Siehest[445] du aber nicht, daß in dem, was wir die Einheit des Anschauens und Denkens nennen, auch die des Endlichen und Unendlichen enthalten sei, und umgekehrt, daß wir also unter verschiedenen Ausdrücken ein und eben dasselbe Prinzip zum höchsten gemacht haben?

LUCIAN. Ich glaube es ganz bestimmt zu sehen. Denn da jeder Begriff an sich eine Unendlichkeit mit sich führt, indem er einer unendlichen Reihe von Dingen ebenso wie dem einzelnen angemessen ist, dagegen das Besondere, welches Gegenstand der Anschauung, notwendig auch ein Einzelnes und Endliches ist, so setzen wir mit der Einheit des Begriffs und der Anschauung notwendig auch die des Endlichen und Unendlichen. Jedoch da mir dieser Gegenstand der Betrachtung vorzüglich würdig scheint, so bitte ich dich, diese Untersuchung weiter zu verfolgen, und besonders die Art und Weise zu betrachten, auf welche in demselben Reelles und Ideelles, Endliches und Unendliches vereinigt sind.

BRUNO. Mit Recht sagst du, daß jener Gegenstand der Betrachtung überhaupt vorzüglich würdig, ja du würdest viel richtiger sagen, daß er der einzige der philosophischen Betrachtung würdige ist, und auch allein sie beschäftigt; denn ist es nicht offenbar, daß die Neigung, daß Unendliche in dem Endlichen und hinwiederum dieses in jenem zu setzen, in allen philosophischen Reden und Untersuchungen herrschend ist? Diese Form zu denken ist ewig, wie das Wesen dessen, was sich in ihr ausdrückt, und hat weder jetzt angefangen, noch wird sie jemals aufhören, sie ist, wie Sokrates bei Plato sagt, die unsterbliche, nie alternde Eigenschaft jeder Untersuchung. Der Jüngling, der sie zuerst geschmeckt hat, erfreut sich, als ob er einen Schatz der Weisheit gefunden hätte, und von seiner Freude begeistert, greift er mit Lust jede Untersuchung an, jetzt alles, was ihm vorkommt, in die Einheit des Begriffs zusammenfassend, jetzt alles wieder auflösend und zerteilend in vieles. Diese Form ist eine Gabe der Götter an die Menschen, die zugleich mit dem reinsten Feuer des Himmels Prometheus auf die Erde brachte. Bei dieser Einrichtung der Dinge, da aus dem Unendlichen und dem Endlichen alles ist,[446] was für ewig geachtet wird, alles aber, was wir wahrhaft unterscheiden, das eine oder das andere von beiden sein muß, ist notwendig, daß von allem Eine Idee, hinwiederum also alles in Einer Idee sei. Denn die Idee unterscheidet sich von dem Begriff, dem nur ein Teil ihres Wesens zukommt, dadurch, daß dieser bloße Unendlichkeit ist und eben deswegen unmittelbar auch der Vielheit entgegengesetzt, jene dagegen, indem sie Vielheit und Einheit, Endliches und Unendliches vereinigt, auch gegen beide völlig gleich sich verhält. Da wir nun schon früher gelehrt worden sind, daß sich die Philosophie nur mit den ewigen Begriffen der Dinge zu beschäftigen habe, so wird die Idee aller Ideen der einzige Gegenstand aller Philosophie sein, diese aber ist keine andere als, welche die Ungetrenntheit des Verschiedenen vom Einen, des Anschauens vom Denken ausgedrückt enthält. Die Natur dieser Einheit ist die der Schönheit und der Wahrheit selbst. Denn schön ist, worin das Allgemeine und das Besondere, die Gattung und das Individuum, absolut eins sind, wie in den Gestalten der Götter. Dasselbe ist aber auch allein wahr, und da wir diese Idee als das höchste Maß der Wahrheit betrachten, so werden wir auch für absolut wahr halten nur, was in Ansehung dieser Idee wahr ist, für bloß relative und trügerische Wahrheiten aber, welchen in Ansehung dieser Idee keine Wahrheit zukommt. Um so mehr also werden wir unsere Untersuchung auf die Art der Vereinigung des Endlichen mit dem Unendlichen in jenem Höchsten zu richten haben. Vorerst also müssen wir uns erinnern, daß wir eine absolute Ungetrenntheit beider gesetzt haben, so daß das Wesen zwar des Absoluten weder das eine noch das andere Von beiden, eben deswegen absolut ist, alles aber, was ist, in Ansehung jenes Absoluten, indem es ideal unmittelbar auch real, und indem real unmittelbar auch ideal ist. Offenbar aber ist, daß dies in unserem Erkennen nicht der Fall sei, da vielmehr in demselben, das, was ideal ist, der Begriff, als bloße Möglichkeit, das aber, was real, oder das Ding, als Wirklichkeit erscheint; und geht dies nicht durch alle möglichen Begriffe hindurch, durch die wir jenen Gegensatz von ideal und real ausdrücken? Werden wir z.B. nicht sagen müssen, daß in demselben, worin das Ideelle von dem Reellen und dieses von jenem ungetrennt[447] ist, auch die Vielheit mit der Einheit, die Grenze mit dem Unbegrenzten, und umgekehrt diese mit jenen, eins und auf absolute Weise verknüpft seien?

LUCIAN. So ist es wirklich.

BRUNO. Ist nun aber nicht offenbar, daß die Einheit für das endliche Erkennen die bloße unendliche Möglichkeit, die Vielheit dagegen die Wirklichkeit der Dinge enthält, und ferner, daß wir in der grenzenlosen Realität nur die unendliche Möglichkeit aller Wirklichkeit, in der Grenze dagegen die Wirklichkeit derselben erblicken, daß also die Negation hier zur Position, die Position dagegen zur Negation wird. Ebenso, daß, was für das Wesentliche in allen Dingen gehalten wird, die Substanz, für jenes Erkennen die bloße Möglichkeit eines Seins enthält, dasjenige dagegen, was das bloß Zufällige ist und das Akzidens genannt wird, die Wirklichkeit, daß also mit Einem Wort im endlichen Verstande, verglichen mit der höchsten Idee und der Art aller Dinge in dieser zu sein, alles umgekehrt und wie auf den Kopf gestellt erscheint, ungefähr so wie Dinge, die man in einer Wasserfläche abgespiegelt sieht.

LUCIAN. Dies alles, was du sagst, ist schwer in Zweifel zu ziehen.

BRUNO. Werden wir daher nicht weiter mit Grund schließen, daß, weil mit dem Gegensatz von Idealem und Realem auch der der Möglichkeit und Wirklichkeit durch alle unsere Begriffe gesetzt ist, auch alle Begriffe, die auf diesem Gegensatz beruhen oder aus ihm hervorgehen, nicht minder als jener falsch und in Ansehung der höchsten Idee ohne alle Bedeutung seien?

LUCIAN. Es ist notwendig diesen Schluß zu machen.

BRUNO. Können wir es als eine Vollkommenheit, oder müssen wir es als eine Unvollkommenheit unserer Natur betrachten, daß wir uns etwas denken können, was nicht ist, daß wir also überhaupt einen Begriff des Nichtseins neben dem des Seins haben, oder urteilen können, sowohl daß etwas nicht sei, als daß es sei?

LUCIAN. Unmöglich können wir dies, verglichen mit der[448] höchsten Idee, für eine Vollkommenheit halten. Denn der Begriff des Nichtseins setzt ein Denken voraus, das nicht in der Anschauung ausgedrückt ist, welches im Absoluten unmöglich ist, weil in Ansehung seiner, was in dem einen, unmittelbar auch in dem andern ausgedrückt sein muß.

BRUNO. Wir werden also in bezug auf die höchste Idee einen Unterschied des Seins und des Nichtseins so wenig als den Begriff der Unmöglichkeit denken können.

LUCIAN. Auch diesen nicht, weil er einen Widerspruch zwischen dem Begriff und der Anschauung setzt, welcher in Ansehung des Absoluten ebenso undenkbar ist.

BRUNO. Wie aber, haben wir nicht festgesetzt, daß das Ideelle schon als Ideelles unbegrenzbar, also auch jeder Begriff an sich unendlich sei; und wie denkst du diese Unendlichkeit? als eine solche, die sich in der Zeit erzeugt und also ihrer Natur nach nie vollendet sein kann, oder als eine schlechthin gegenwärtige, in sich vollendete Unendlichkeit?

LUCIAN. Das letzte, wenn der Begriff seiner Natur nach unendlich ist.

BRUNO. Ist es daher nicht begreiflich, daß die Unerfahrenen sich darüber, als ob sie den höchsten Fund getan hätten, freuen, wenn sie gewahr werden, daß sie um ihres Begriffs vom Dreieck: es sei ein durch drei Linien eingeschlossener Raum, als eines unendlichen inne zu werden, der Anschauung aller Dreiecke, die je gewesen sind oder sein werden, oder auch nur der Anschauung aller verschiedenen Arten von Dreiecken, des gleichseitigen und ungleichseitigen, des gleichschenkligen und un gleichschenkligen usw. nicht bedürfen, und dessen ungeachtet gewiß sein können, daß jener alle möglichen Dreiecke, die waren, jetzt sind oder künftig sein werden, ohne Unterschied der Arten, in sich befasse, und allen auf gleiche Weise angemessen sei. In dem Begriffe aber, an und für sich, ist, wie wir wissen, zwar die unendliche Möglichkeit aller der Dinge enthalten, die ihm in der unendlichen Zeit entsprechen, aber doch nur als Möglichkeit, so daß er, obgleich ihm eine von der Zeit völlig unabhängige Natur zukommt, deswegen doch nicht für absolut gehalten werden kann.[449]

LUCIAN. So verhält es sich wirklich.

BRUNO. Das Absolute nun haben wir bestimmt als dem Wesen nach weder ideal noch real, weder als Denken noch als Sein. In der Beziehung aber auf die Dinge ist es notwendig das eine und andere mit gleicher Unendlichkeit, denn in Ansehung seiner, sagten wir, sei alles, was ist, indem es real ist, auch ideal, und indem ideal, auch real.

LUCIAN. Ganz richtig.

BRUNO. Die unendliche Idealität nun werden wir als ein unendliches Denken bestimmen können, diesem aber das entgegensetzen, was du Anschauen genannt hast.

LUCIAN. Hiermit bin ich ganz einverstanden.

BRUNO. Werden wir nun in dem unendlichen Denken nicht die Begriffe aller Dinge, und da jeder Begriff seiner Natur nach unendlich ist, diese Begriffe als schlechthin und ohne alle Beziehung auf Zeit unendlich setzen müssen?

LUCIAN. Wir müssen wohl.

BRUNO. Das unendliche Denken also, im Gegensatz gegen das Anschauen, werden wir, als die sich immer gleiche ohne alle Beziehung auf Zeit unendliche Möglichkeit aller Dinge betrachten.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Da aber im Absoluten das Denken mit dem Anschauen schlechthin eins, so werden auch die Dinge nicht bloß durch ihre Begriffe als unendlich, sondern durch ihre Ideen als ewig, mithin ohne alle Beziehung, selbst die der Entgegensetzung, auf Zeit, und mit absoluter Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit, in ihm, als der höchsten Einheit des Denkens und Anschauens, ausgedrückt sein. Denn da du dem Anschauen zu dem Denken dasselbe Verhältnis gibst, welches andere dem Sein oder der Realität geben, so liegt, das Anschauen als das unendliche Reale betrachtet, in ihm für das unendliche Denken die Möglichkeit aller Dinge, nur daß, wegen der absoluten Einheit beider, unmittelbar mit jener auch die ihr gleiche Wirklichkeit gesetzt, und also, da die Begriffe unendlich sind, zwischen den Begriff aber und die Anschauung nichts tritt, was sie trennte, außer den Begriffen[450] auch die Anschauungen der Dinge, diese aber, jenen völlig angemessen, mithin unendlich ausgedrückt sein müssen in den Ideen.

LUCIAN. Haben wir aber nicht früher selbst festgesetzt, daß eine jede Anschauung bestimmt sei durch eine andere Anschauung, welche wieder durch eine andere bestimmt ist, und so ferner ins Unendliche?

BRUNO. Ganz richtig, denn da wir das Endliche als Anschauen gesetzt haben, so konnten wir eine Verknüpfung durch Ursache nur zwischen den Anschauungen setzen.

LUCIAN. Wie aber kannst du mit jenem ewigen Sein der Dinge in ihren Ideen diese unendliche Bestimmtheit der Dinge durcheinander reimen, die sich nur auf das zeitliche Dasein zu beziehen scheint?

BRUNO. Wir wollen sehen. Den Begriff also hast du als unendlich, die Anschauung als endlich, beide aber als eins in der Idee und völlig ungetrennt gesetzt, oder war es nicht so?

LUCIAN. So war es.

BRUNO. Die Idee aber als das einzige an sich Reale?

LUCIAN. Auch dies.

BRUNO. In Ansehung der Idee sonach, mithin wahrhaft, ist weder das Unendliche noch das Endliche etwas für sich und unabhängig von unserem Unterscheiden. Da nun keines an sich, jedes aber nur durch sein Entgegengesetztes das ist, was es ist, so können wir auch keines dem anderen nachsetzen oder um des anderen willen, aufgeben.

LUCIAN. Unmöglich.

BRUNO. Notwendig also ist, daß, wenn das Unendliche ist, auch das Endliche bei ihm, von ihm ungetrennt sei in dem, was wir als ewig gesetzt haben.

LUCIAN. Offenbar, denn sonst müßten wir das Unendliche allein setzen; dieses aber ist als Unendliches selbst nur in der Entgegensetzung gegen das Endliche.

BRUNO. Das Endliche aber, sagtest du, sei als dieses notwendig immer ein Bestimmtes, und als dieses Bestimmte bestimmt durch ein anderes Endliches, welches wiederum durch ein anderes, und so fort ins Unendliche.[451]

LUCIAN. Richtig.

BRUNO. Dieses ins Unendliche Endliche ist aber in der Idee mit dem an und für sich selbst Unendlichen als eins gesetzt und ihm unmittelbar verknüpft.

LUCIAN. So nahmen wir an.

BRUNO. Jenes an und für sich selbst Unendliche aber ist der Begriff?

LUCIAN. Ich gebe es zu.

BRUNO. Dem Begriff nun kann überhaupt keine Endlichkeit gleich oder angemessen sein als eine unendliche.

LUCIAN. Dies ist klar.

BRUNO. Aber eine unendliche der Zeit nach?

LUCIAN. Unmöglich, wie mir scheint; denn das, was unabhängig von aller Zeit unendlich ist, schöpft keine Zeit, auch unendliche, aus, und keine Unendlichkeit, die sich auf diese bezieht, kann jenem gleich oder angemessen werden.

BRUNO. Also eine Endlichkeit, die zeitlos unendlich ist?

LUCIAN. Es folgt wohl.

BRUNO. Zeitlos unendlich aber ist nur der Begriff?

LUCIAN. Dies ist angenommen.

BRUNO. Eine zeitlos unendliche Endlichkeit ist also die, welche an und für sich selbst oder ihrem Wesen nach unendlich ist.

LUCIAN. Auch das.

BRUNO. Eine Endlichkeit aber, die ihrem Wesen nach unendlich ist, kann nie und auf keine Weise aufhören endlich zu sein.

LUCIAN. Nimmermehr.

BRUNO. Unendlich ferner nicht durch die Zeit, sondern an und für sich selbst, kann sie auch durch Hinwegnahme der Zeit nicht aufhören unendlich endlich zu sein.

LUCIAN. Auch dieses nicht.

BRUNO. Also ebensowenig aufhören an sich endlich zu sein, darum weil sie im Absoluten, und in ihm zeitlos gegenwärtig ist.

LUCIAN. Ebensowenig. Jedoch, obwohl mir dies nicht ganz[452] uneinleuchtend scheint, bitte ich dich dennoch, es weiter auseinanderzusetzen, da es zu den dunkelsten Dingen gehört, und die nicht gleich auf den ersten Blick gefaßt werden.

BRUNO. Das unendliche Denken also haben wir nur durch unsere Unterscheidung abgesondert von der Idee, in der es mit dem Endlichen ohne Vermittlung eins ist. Der Möglichkeit nach nun im unendlichen Denken ist alles eins ohne Unterschied der Zeit und der Dinge, der Wirklichkeit nach aber ist es nicht eins, sondern vieles, und notwendig und unendlich endlich. Nicht minder aber als das an und für sich selbst Unendliche übertrifft auch das an und für sich selbst Endliche alle Zeit, und so wenig es durch Zeit Unendlichkeit gewinnen könnte, da diese durch seinen Begriff von ihm ausgeschlossen ist, ebensowenig kann es durch Verneinung der Zeit seine Endlichkeit verlieren. Um also ein unendliches Endliches in und bei dem Absoluten zu denken, bedarf es keiner Zeit, obgleich es notwendig ist, daß es, abgesondert gedacht von ihm, in eine unendliche Zeit ausgedehnt werde. Es wird aber in der unendlichen Zeit nicht unendlicher endlich, als es seiner Natur nach in dem Augenblicke sein würde, wenn es in Ansehung des Absoluten auch nur in dem Augenblicke wäre. Doch dieses kannst du auf folgende Art der Anschauung näher bringen.

Jedes Endliche als solches hat den Grund seines Daseins nicht in sich selbst, sondern notwendig außer sich; es ist also eine Wirklichkeit, von der die Möglichkeit in einem anderen liegt. Hinwiederum enthält es von unendlich vielem anderem nur die Möglichkeit ohne die Wirklichkeit, und ist eben dadurch notwendig und ins Unendliche unvollkommen. Dies ist aber in Ansehung des Absoluten durchaus undenkbar. Denn in demselben, sofern wir auf die Form sehen, die dem Wesen selbst gleich ist, ist das Reelle dem Ideellen zwar dem Begriff nach notwendig und ewig entgegengesetzt, wie Gegenbild dem Vorbild, und jenes zwar dem Begriff nach ist notwendig endlich, reell aber oder der Sache nach diesem absolut gleich. Betrachtest du also das Endliche bloß seinem Begriff nach, so ist es notwendig und ins Unendliche einzeln, und indem es selbst eine Wirklichkeit ist, wovon die[453] Möglichkeit in einem anderen liegt, enthält es selbst wieder die unendliche Möglichkeit anderer Einzelner, welche aus demselben Grunde wieder die unendliche Möglichkeit anderer Einzelner enthalten usf. ins Unendliche. Reell aber, also in der absoluten Einheit mit dem Unendlichen erblickt, ist erstens der unendlichen Möglichkeit anderer Einzelner, die es enthält, unmittelbar die Wirklichkeit verknüpft, hernach ist aus gleichem Grunde ihm selbst, als wirklich, unmittelbar seine Möglichkeit verbunden; alles also, sofern es in Gott ist, ist selbst absolut, außer aller Zeit, und hat ein ewiges Leben. Das Einzelne nun ist eben dadurch Einzelnes, und sondert sich ab dadurch, daß es nur die Möglichkeit von andern ohne die Wirklichkeit, oder selbst eine Wirklichkeit enthält, von der die Möglichkeit nicht in ihm ist. Welches Endliche du aber setzen mögest, und mit welcher Differenz der Möglichkeit und Wirklichkeit, so ist, ebenso wie mit der unendlichen Möglichkeit des ganzen Leibes, die jeder Teil eines organischen Leibes enthält, in Ansehung desselben, ohne Zeitverhältnis, unmittelbar auch die Wirklichkeit gesetzt ist, und wie umgekehrt kein einzelner organischer Teil seine Möglichkeit vor sich oder außer sich, sondern unmittelbar mit sich in den andern hat, ebenso auch jenem, sofern es im Absoluten ist, weder die Wirklichkeit von seiner Möglichkeit, noch diese von jener getrennt. Was also von allen bekannten und sichtbaren Dingen der Art des Endlichen, im Unendlichen zu sein, am nächsten kommt, ist die Art, wie das Einzelne im organischen Leibe zum Ganzen verbunden ist, denn so wenig dieser einzelne organische Teil im organischen Leib als einzelner gesetzt ist, ebensowenig auch im Absoluten das Einzelne als Einzelnes, und gleich wie ein organischer Teil dadurch, daß er, reell betrachtet, nicht einzeln ist, nicht aufhört ideell oder für sich selbst einzeln zu sein, ebenso auch das Endliche, sofern es im Absoluten ist. Das Verhältnis von Endlichem zu Endlichem in diesem ist daher nicht das der Ursache und Wirkung, sondern das, welches der Teil eines organischen Leibes zu dem andern Einzelnen hat; nur daß jene Verknüpfung des Endlichen mit dem Unendlichen im Absoluten unendlich vollkommener ist als die in einem organischen Leib, denn ein jeder solcher enthält noch eine Möglichkeit, von der die Wirklichkeit[454] außer ihm ist, und zu der er sich wie die Ursache zur Wirkung verhält; auch er ist nur Abbild eines Urbilds im Absoluten, in welchem jeder Möglichkeit ihre Wirklichkeit und eben deswegen auch jeder Wirklichkeit ihre Möglichkeit verknüpft ist.

Eben darum nun, weil das wahre Universum von einer unendlichen Fülle, nichts in ihm außer dem anderen, getrennt, alles absolut eins und ineinander ist, dehnt es sich in dem Abbild notwendig in eine grenzenlose Zeit aus, so wie jene Einheit des Möglichen und Wirklichen, die im organischen Leib ohne Zeit ist, auseinander gezogen im Reflex zu ihrem Werden eine Zeit erforderte, die weder einen Anfang noch ein Ende haben könnte. So ist also kein Endliches an sich außer dem Absoluten, und nur für sich selbst einzeln, denn im Absoluten ist, was im Endlichen ideal ohne Zeit, auch real, und wenn jenes Verhältnis von Möglichkeit das von Ursache und Wirkung ist, so setzt es sich selbst dieses Verhältnis, und wenn dieses nicht ohne Zeit, so setzt es sich selbst seine Zeit, und zwar das, wovon es nur die Wirklichkeit ohne die Möglichkeit, als Vergangenheit, das, wovon es die Möglichkeit ohne die Wirklichkeit enthält, als Zukunft; das Setzende seiner Zeit also ist sein Begriff, oder die durch Beziehung auf ein einzelnes Reales bestimmte Möglichkeit, die es enthält, und deren Bestimmtheit sowohl das Vergangene ausschließt, als das, was zukünftig ist. Im Absoluten also sind im Gegenteil Sein und Nichtsein unmittelbar zusammengeknüpft. Denn auch die nicht existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge sind in dem Ewigen nicht anders als wie die existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge, nämlich auf eine ewige Weise enthalten. Hinwiederum sind auch die existierenden Dinge und die Begriffe dieser Dinge im Absoluten doch auf keine andere Weise als auch die nicht existierenden Dinge und ihre Begriffe, nämlich in ihren Ideen. Alle andere Existenz aber ist Schein.

Der Begriff keines Einzelnen ist in Gott getrennt vom Begriff aller Dinge, die sind, waren oder sein werden, denn diese Unterschiede haben in Ansehung seiner selbst keine Bedeutung. Die unendliche Möglichkeit z.B. im Begriff eines Menschen ist in ihm vereint nicht nur mit der unendlichen Wirklichkeit aller andern, sondern auch alles dessen, was aus ihr selbst als wirklich hervorgeht,[455] deswegen das in ihm vorgebildete Leben des Einzelnen rein und unverworren und viel seliger ist als sein eignes Leben, denn auch das, was im Einzelnen unrein und verworren erscheint, dient doch in dem ewigen Wesen angeschaut zur Herrlichkeit und Göttlichkeit des Ganzen.

Wir werden also, o Freund, wenn wir von jener Einheit, die du selbst aufgestellt hast, den wahren und höchsten Sinn einsehen, dieselbe auf keine Weise wahrhaft im endlichen Erkennen anzutreffen meinen, sondern vielmehr weit darüber erhaben glauben müssen. Wir werden in dem Wesen jenes Einen, welches von allen Entgegengesetzten weder das eine noch das andere ist, den ewigen und unsichtbaren Vater aller Dinge erkennen, der, indem er selbst nie aus seiner Ewigkeit heraustritt, Unendliches und Endliches begreift in einem und demselben Akt göttlichen Erkennens: und das Unendliche zwar ist der Geist, welcher die Einheit aller Dinge ist, das Endliche aber an sich zwar gleich dem Unendlichen, durch seinen eignen Willen aber ein leidender und den Bedingungen der Zeit unterworfener Gott. Wie nun diese drei eins sein können in Einem Wesen, und auch das Endliche als Endliches gleichwohl ohne Zeit bei dem Unendlichen sei, glaube ich gezeigt zu haben.

LUCIAN. Du hast uns, o Freund, tief in die Natur des Unbegreiflichen geführt; allein wie du von da zu dem Bewußtsein zurückkehrtest, nachdem du es weit überflogen, verlangt mich zu sehen.

BRUNO. Obwohl ich nicht weiß, o Bester, ob du mir aus jenem Überfliegen, wie du es nennst, des Bewußtseins einen Vorwurf machst oder nicht, will ich doch sagen, daß ich es für keinen halte, denn erstlich sage mir, ob ich etwas anderes getan habe, als die Idee, welche du als Prinzip aufgestellt hattest, in ihrem höchsten Sinn zu nehmen?

LUCIAN. Etwas anderes nun zwar nicht, dieses aber so, daß jene Einheit aufhört Prinzip des Wissens zu sein, und eben dadurch auch, wie mir scheint, Prinzip der Philosophie, welche die Wissenschaft des Wissens ist.

BRUNO. Über dieses zwar möchte ich mit dir wohl einig sein,[456] ich fürchte aber, daß du nicht unter dem Wissen irgend ein untergeordnetes Wissen verstehest, das eben deswegen auch ein untergeordnetes Prinzip fordert. Laß uns daher vor allem wissen, wo du das Wissen suchest.

LUCIAN. Das Wissen also setze ich eben in jene Einheit des Denkens und des Anschauens selbst, von der wir ausgegangen sind.

BRUNO. Und hinwiederum bestimmest diese Einheit als Prinzip des Wissens?

LUCIAN. So ist es.

BRUNO. Laß uns nun zusehn, o Freund, wie du dir diese Einheit denkst, insofern sie Prinzip des Wissens und insofern sie das Wissen selbst ist. Sage mir daher vorerst, ich bitte, willst du, daß Ideelles und Reelles im Prinzip des Wissens ebenso eines seien, wie wir bestimmt haben, daß sie es im Absoluten sind, oder ob du diese Einheit, sofern sie in jenem ist, von anderer Art denkest? Von derselben? so sind wir nicht verschieden, und du wirst alsdann eben das vom Prinzip des Wissens behaupten, was wir vom Absoluten, allein dann möchtest du wohl mit mir, aber nicht mit dir selbst einig sein. Denn ist dir im Prinzip des Wissens dieselbe absolute Einheit ausgedrückt, welche uns im Absoluten, so wirst du mit dem Wissen selbst das Wissen und das Bewußtsein überfliegen.

LUCIAN. Du übersiehst, daß wir die Einheit zwar, sofern sie Prinzip des Wissens ist, als absolut, aber als absolut eben nur in ihrer Beziehung auf das Wissen selbst wissen, und als Prinzip des Wissens erkennen.

BRUNO. Ich weiß nicht, ob ich dich verstehe. – Das Wissen als Einheit des Denkens und Anschauens ist Bewußtsein. Das Prinzip aber des Bewußtseins ist dieselbe Einheit, nur rein oder absolut gedacht; sie ist das absolute Bewußtsein, jenes dagegen ist das abgeleitete oder begründete Bewußtsein. Ist nun deine Meinung diese, daß wir keinen Grund haben im Philosophieren über das im begründeten Bewußtsein gegebene reine Bewußtsein hinauszugehen oder dieses überhaupt anders als in bezug auf das Bewußtsein, dessen Prinzip es ist, zu betrachten?[457]

LUCIAN. Gar sehr aber ist dies meine Meinung.

BRUNO. Du behauptest also notwendig auch, daß die Einheit im begründeten Bewußtsein eine andere sei als im absoluten.

LUCIAN. Ebenso notwendig, als es ist, daß überhaupt die Einheit im Prinzip eine andere sei als in dem, wovon es Prinzip ist.

BRUNO. Die Einheit aber im absoluten Bewußtsein ist dieselbe, wie die im Absoluten schlechthin betrachtet.

LUCIAN. Richtig.

BRUNO. Die Einheit aber im Absoluten dachten wir absolut?

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Die im Wissen also als nicht absolut.

LUCIAN. Freilich.

BRUNO. Sonach als relativ.

LUCIAN. Du hast ganz recht.

BRUNO. Wenn aber relativ, so notwendig auch beide, Ideelles und Reelles, als unterscheidbar.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Beide aber haben wir im Absoluten als ununterscheidbar, völlig indifferent gedacht.

LUCIAN. So haben wir.

BRUNO. Wenn aber ununterscheidbar, schlechthin eins, so wird keine Bestimmung möglich sein, durch die das eine, das Ideelle z.B., als Ideelles gesetzt wird, ohne daß durch dieselbe Bestimmung auch das andere, das Reelle, als Reelles gesetzt wird, und umgekehrt.

LUCIAN. Es ist nicht zu leugnen.

BRUNO. Es wird also nie weder ein reines Ideelles noch ein reines Reelles gesetzt sein?

LUCIAN. Nimmermehr.

BRUNO. Sondern immer nur eine relative Einheit beider?

LUCIAN. Unstreitig.

BRUNO. Wie also beide eins sind im Ewigen, so wird auch das eine nur an dein anderen, das Reelle nur am Ideellen, das Ideelle aber am Reellen sich trennen von der absoluten Einheit.[458] Wo dies nicht ist, da ist auch weder das eine noch das andere, sondern es ist die absolute Einheit beider gesetzt. Bist du damit nun einverstanden?

LUCIAN. In alle Wege.

BRUNO. So wirst du also auch die Unvermeidlichkeit davon einsehen, daß, sobald überhaupt eine relative Einheit gesetzt wird, z.B. also, daß das Reelle sich absondere an dem Ideellen, unmittelbar und notwendig auch ihre entgegengesetzte, das Ideelle also, als abgesondert durch die Beziehung aufs Reelle, gesetzt wird, daß also, sowie nur überhaupt von der absoluten Einheit abgesehen wird, jene höchste Einheit auch notwendig in zwei Punkte getrennt erscheinen müsse, den einen, wo durch das Reelle das Ideelle, den andern, wo durch das Ideelle das Reelle als solches gesetzt wird.

LUCIAN. Dies alles ist unleugbar; auch läßt es sich unmittelbar nachweisen, daß, sowie überhaupt ein Bewußtsein gesetzt wird, auch nur das meiner selbst, jene von dir bestimmte Trennung notwendig ist.

BRUNO. Das Wissen ist aber eine relative Einheit?

LUCIAN. So nahmen wir an.

BRUNO. Es steht ihr also eine andere gegenüber.

LUCIAN. Auch dieses gebe ich zu.

BRUNO. Wie nennst du das, was dem Wissen entgegensteht, das also, was ich nicht weiß?

LUCIAN. Das Sein.

BRUNO. Das Sein also ist eine relative Einheit, wie das Wissen.

LUCIAN. Es folgt wohl.

BRUNO. So wenig also wie das Wissen eine reine Idealität, so wenig das Sein eine reine Realität.

LUCIAN. Richtig.

BRUNO. Keine aber von beiden Einheiten ist etwas an sich, denn jede ist nur durch die andere.

LUCIAN. Es scheint.

BRUNO. Es ist offenbar; denn du kannst so wenig ein Wissen setzen, ohne unmittelbar zugleich ein Sein, als ein Sein, ohne unmittelbar zugleich ein Wissen.[459]

LUCIAN. Dies ist offenbar.

BRUNO. Keine von beiden Einheiten kann also das Prinzip der andern sein.

LUCIAN. Keine.

BRUNO. Das Wissen, sofern es relative Einheit ist, so wenig des Seins, als das Sein, sofern es relative Einheit ist, des Wissens.

LUCIAN. Zugestanden.

BRUNO. Du kannst also auch keine dieser Bestimmtheiten in die andere auflösen; denn die eine steht und fällt mit der andern, so daß, die eine hinwegnehmend, du auch die andere aufhebst.

LUCIAN. Freilich, auch ist jenes nicht meine Meinung.

BRUNO. Du willst vielmehr beide auflösen in das absolute Bewußtsein.

LUCIAN. Getroffen.

BRUNO. Absolutes Bewußtsein aber ist die Einheit nur, sofern du sie als Prinzip der bestimmten relativen Einheit betrachtest, welche Wissen ist.

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Es ist aber kein Grund, die absolute Einheit vorzugsweise als Prinzip der einen von beiden relativen Einheiten zu betrachten, z.B. des Wissens, und in der auf diese Weise betrachteten Einheit die relativen Gegensätze aufzuheben, denn sie ist gleiches Prinzip beider, und entweder betrachtest du sie, auch in der Beziehung auf das Wissen, an sich, so ist kein Grund, sie überhaupt auf diese Beziehung einzuschränken, oder du betrachtest sie nicht an sich, so ist gleicher Grund, sie in der Beziehung auf die entgegenstehende relative Einheit zu betrachten, welche ebenso reell und von gleicher Ursprünglichkeit ist mit dieser. Warum also machst du jene Einheit, anstatt sie nur in der Beziehung auf das Wissen zu erkennen, nicht vielmehr allgemein, allgegenwärtig, allumfassend, und verbreitest sie über alles? Erst dann werde ich glauben, daß du sie wahrhaft an sich erkennest und die intellektuelle Anschauung von ihr habest, wenn du sie auch von der Beziehung auf das Bewußtsein befreit haben wirst. In den Dingen siehest du nichts als die verschobenen Bilder[460] jener absoluten Einheit, und selbst im Wissen, sofern es eine relative Einheit ist, siehst du nichts anderes als ein nur nach anderer Richtung verzogenes Bild jenes absoluten Erkennens, in welchem so wenig das Sein durch das Denken als das Denken durch das Sein bestimmt ist.

LUCIAN. Hierüber möchten wir uns nun wohl verstehen, o Freund, denn auch wir haben die Philosophie an das Bewußtsein zurückgewiesen nur der Einsicht wegen, daß jene Gegensätze des Wissens und Seins, oder wie wir sie sonst ausdrücken wollen, außerhalb des Bewußtseins keine Wahrheit haben, daß, abgesehen vom Bewußtsein, so wenig ein Sein als solches als ein Wissen als solches sei. Da nun auf der Verschiebung oder relativen Trennung und Wiederherstellung jener Einheit, wie du selbst sagst, alles dasjenige beruht, was insgemein für reell gehalten wird, jene Trennung aber selbst nur ideell und im Bewußtsein gemacht wird, so siehst du, warum diese Lehre Idealismus ist, nicht weil sie das Reelle von dem Ideellen bestimmt, sondern weil sie den Gegensatz beider selbst bloß ideell sein läßt.

BRUNO. Dieses sehe ich allerdings ein.

LUCIAN. Allein, o Freund, daß jene Trennung in Ansehung der höchsten Idee ohne Wahrheit sei, darüber sind wir zwar einig, allein eben wie jenes Heraustreten aus dem Ewigen, mit dem das Bewußtsein verknüpft ist, selbst nicht nur als möglich, sondern als notwendig eingesehen werden könne, dieses hast du noch keinesweges dargetan, sondern völlig unberührt gelassen.

BRUNO. Mit Recht forderst du, daß ich hiervon rede. Denn du zwar, indem du die absolute Einheit ursprünglich schon in der Beziehung auf die relative Einheit des Wissens erkannt wissen willst, entgehst jener Frage, welche nur ein besonderer Fall der allgemeinen Untersuchung der Abkunft des Endlichen aus dem Ewigen ist. Deine Meinung also scheint diese zu sein, o Bester, daß ich von dem Standpunkte des Ewigen selbst aus, und ohne daß ich außer der höchsten Idee etwas anderes voraussetze, zu dem Ursprung des wirklichen Bewußtseins und der mit ihr zugleich gesetzten Absonderung und Trennung gelange. Denn auch diese[461] Trennung, zusamt dem, was mit ihr gesetzt wird, ist wieder begriffen in jener Idee, und wie das Einzelne auch die Kreise seines Daseins erweitere, hält und faßt sie dennoch jene Ewigkeit, und keiner überschreitet den ehernen Ring, der um alle gelegt ist.

So erinnere dich dann, daß wir in jener höchsten Einheit, die wir als den heiligen Abgrund betrachten, aus dem alles hervorgeht und in den alles zurückkehrt, in Ansehung welcher das Wesen auch die Form, die Form auch das Wesen ist, vorerst zwar die absolute Unendlichkeit setzen, dieser aber nicht entgegen, sondern schlechthin angemessen, genügend, weder selbst begrenzt noch jene begrenzend das zeitlos gegenwärtige und unendliche Endliche, beide als Ein Ding, selbst nur im Erscheinenden unterscheidbar und unterschieden, der Sache nach völlig eins, doch dem Begriff nach ewig verschieden, wie Denken und Sein, ideal und real. In dieser absoluten Einheit aber, weil in ihr, wie gezeigt, alles vollkommen und selbst absolut ist, ist nichts von dem andern unterscheidbar, denn die Dinge unterscheiden sich nur durch ihre Unvollkommenheiten und die Schranken, welche ihnen durch die Differenz des Wesens und der Form gesetzt sind; in jener allervollkommensten Natur aber ist die Form dem Wesen jederzeit gleich, weil das Endliche, welchem allein eine relative Verschiedenheit beider zukommt, in ihm selbst nicht als endlich, sondern unendlich, enthalten ist, ohne allen Unterschied beider.

Weil aber das Endliche, obschon reellerweise dem Unendlichen völlig gleich, doch ideell nicht aufhört endlich zu sein, so ist in jener Einheit gleichwohl auch wieder die Differenz aller Formen, nur in ihr selbst ungetrennt von der Indifferenz, insofern in Ansehung ihrer selbst nicht unterscheidbar, jedoch so enthalten, daß für sich selbst jedes aus ihr sich ein eignes Leben nehmen, und, ideell zwar, in ein unterschiedenes Dasein übergehen kann. Auf diese Weise schläft wie in einem unendlich fruchtbaren Keim das Universum mit dem Überfluß seiner Gestalten, dem Reichtum des Lebens und der Fülle seiner, der Zeit nach endlosen, hier aber schlechthin gegenwärtigen, Entwicklungen, in jener ewigen Einheit, Vergangenheit und Zukunft, beide endlos für das Endliche,[462] hier beisammen, ungetrennt, unter einer gemeinschaftlichen Hülle. Wie nun das Endliche in jener absoluten Ewigkeit, die wir mit andern auch Vernunftewigkeit nennen können, begriffen sei, ohne daß es für sich selbst aufhöre endlich zu sein, habe ich früher genug begreiflich gemacht, o Freund. Ist also das Endliche, obwohl für sich selbst endlich, gleichwohl bei dem Unendlichen, so ist es auch als Endliches, mithin nicht zwar in Ansehung des Unendlichen, aber für sich selbst relative Differenz des Idealen und Realen, und setzt mit dieser Differenz erstens sich selbst und seine Zeit, hernach auch die Wirklichkeit aller Dinge, deren Möglichkeit in seinem eignen Begriff enthalten ist.

Doch dieses wirst du noch unmittelbarer einsehen aus dem, was du selbst zuvor zugegeben, nämlich daß die Einheit des Denkens und Anschauens allgegenwärtig sei, allgemein, woraus folgt, daß kein Ding oder Wesen sein könne ohne diese Untrennbarkeit, und keines als dieses bestimmte ohne bestimmte Gleichheit des Denkens und Anschauens, und nachdem du dieses als Differenz, jenes aber als Indifferenz bestimmt hast, keines, an dem nicht als Ausdruck des Anschauens Differenz, als Ausdruck des Denkens Indifferenz angetroffen würde, und jenem zwar das, was wir Leib, diesem aber das, was wir Seele nennen, entspräche.

So sind also alle in jener zeitlosen Endlichkeit, die bei dein Unendlichen ist, von Ewigkeit begriffenen Dinge unmittelbar durch ihr Sein in den Ideen auch belebt, und mehr oder weniger des Zustandes fähig gemacht, durch welchen sie sich für sich selbst, aber nicht für das Ewige lossagen von jener und zu dem zeitlichen Dasein gelangen. Du wirst also nicht glauben, daß die einzelnen Dinge, die vielfältigen Gestalten der lebenden Wesen, oder was du sonst unterscheidest, wirklich so getrennt, als du sie erblickest, im Universum an und für sich selbst enthalten seien, vielmehr, daß sie bloß für dich sich absondern, ihnen selbst aber und jedem Wesen die Einheit in dem Maße sich aufschließe, in welchem es sich selbst von ihr abgesondert hat; z.B. der Stein, den du siehest, ist in der absoluten Gleichheit mit allen Dingen,[463] für ihn auch sondert sich nichts ab oder tritt hervor aus der verschlossenen Nacht; dagegen dem Tier, dessen Leben in ihm selbst ist, öffnet sich mehr oder weniger, je mehr oder weniger individuell sein Leben ist, das All, und schüttet endlich vor dem Menschen alle seine Schätze aus. Nimm jene relative Gleichheit hinweg, und du siehst alles wieder zusammengehen in Eins.

Scheint es dir aber nicht, daß eben diese Betrachtung uns davon überzeugen könne, wie das Dasein aller Wesen aus einem und demselben Grund eingesehen werden könne, daß also nur Eine Formel sei für die Erkenntnis aller Dinge, nämlich, daß jedes Ding mit dem relativen Gegensatz des Endlichen und Unendlichen sich absondere von der Allheit, in dem aber, wodurch es beide vereint, das Gepräge und gleichsam ein Abbild des Ewigen an sich trage, denn weil die Einheit des Endlichen und Unendlichen, Reellen und Ideellen, in ihrer Vollkommenheit die ewige Form, und als Form zugleich das Wesen des Absoluten ist, so nimmt das Ding, wo es in ihm zu jener relativen Einheit kommt, einen Schein desjenigen mit sich, in welchem die Idee auch die Substanz, die Form das schlechthin Reelle ist.

Die Gesetze sonach alles Endlichen lassen sich ganz allgemein aus jener relativen Gleichheit und Entgegensetzung des Endlichen und Unendlichen einsehen, welche zwar, wo sie lebendig ist, Wissen heißt, in ihrem Ausdruck aber an den Dingen der Art nach dieselbe ist, welche im Wissen.

Doch dieses sage ich im Allgemeinen, und wenn es jemand ohne die Anwendung auf das Einzelne nicht allzu klar fände, würde es mich wenig verwundern.

Von dem sichtbaren Universum nun und der Körperwerdung der Ideen, scheint es mir, daß also gedacht werden müsse.

In dem, was du das Anschauen genannt hast, ist an sich keine Differenz, sondern nur, sofern es dem Denken entgegengesetzt ist. An und für sich nun aller Form und Gestalt ledig, ist es aller empfänglich, vom unendlichen Denken mit allen Formen und Verschiedenheiten der Dinge von Ewigkeit befruchtet,[464] ihm aber unendlich angemessen, mit ihm zur absoluten Einheit verknüpft, in der alle Mannigfaltigkeit sich vertilgt, und, weil sie alles enthält, eben deswegen nichts Unterscheidbares enthalten sein kann. Nur also in Ansehung des einzelnen Dings selbst, nicht aber in Ansehung dessen, worin das Denken und Anschauen, wie du sagst, eins ist, sondert sich Anschauen und Denken ab zum Gegensatz (denn nur in jenem ist das Anschauen nicht genügend dem Denken); indem es sich aber absondert, zieht es das, worin beide eins sind, die Idee, mit in die Zeitlichkeit, welche dann als das Reale erscheint und, anstatt daß sie dort das Erste, hier das Dritte ist.

Weder aber das Denken ist an sich der Zeitlichkeit unterworfen noch das Anschauen, sondern jedes nur durch seine relative Trennung und Vereinigung von und mit dem andern. Denn wie uns schon von den Alten überliefert worden ist, so ist das, was in Ansehung aller Dinge der Differenz empfänglich, das mütterliche Prinzip, der Begriff aber oder das unendliche Denken das väterliche, das Dritte aber, was aus beiden hervorgegangen ist, ist entstanden und hat die Art eines Entstandenen, der Natur aber beider gleich teilhaftig und in sich wieder Denken und Sein auf vergängliche Weise verknüpfend, ahmt es die absolute Realität täuschend nach, aus der es seinen Ursprung genommen, für sich selbst aber ist es notwendig einzeln, einzeln indes und dieses Bestimmte nur durch den relativen Gegensatz des Reellen und Ideellen, deren keines für sich, jedes aber durch das andere sterblich gemacht, auch das Ding selbst oder das Reale der Zeitlichkeit überliefert.

Das Entstandene also ist notwendig und ins Unendliche endlich, aber es ist dies nur in Beziehung. Denn wahrhaft für sich existiert nie das Endliche, sondern nur die Einheit des Endlichen mit dem Unendlichen. Jenes Endliche also für sich betrachtet, ist mit dem, wodurch es reell ist, wiederum diese Einheit selbst, mit dem aber, was an ihr Form ist, die relative Einheit des Endlichen und Unendlichen. Je vollkommener nun ein Ding ist, desto mehr bestrebt es sich, schon in dem, was an ihm endlich ist, das Unendliche darzustellen, um auf diese Weise das an sich[465] Endliche dem an und für sich Unendlichen so viel möglich gleich zu machen. Je mehr nun das Endliche an einem Wesen von der Natur des Unendlichen hat, desto mehr nimmt es auch von der Unvergänglichkeit des Ganzen an, desto dauernder und bleibender, in sich vollendeter erscheint es, und unbedürftiger dessen, was außer ihm ist.

Von dieser Art sind die Gestirne und alle Weltkörper, deren Ideen von allen, die in Gott sind, die vollkommensten sind, weil sie am meisten jenes Sein des Endlichen bei dem Unendlichen in Gott ausdrücken.

Verstehe aber unter Weltkörper die erste Einheit eines jeden selbst, aus welcher erst diese Mannigfaltigkeit und Getrenntheit der einzelnen Dinge auf ihm auf gleiche Weise hervorgegangen ist, wie aus der absoluten Einheit die unendliche Mannigfaltigkeit aller Dinge. Da also jeder Weltkörper das ganze Universum in sich darzustellen nicht nur bestrebt ist, sondern es wirklich darstellt, so sind auch alle zwar unendlicher Verwandlungen gleich einem organischen Leibe fähig, an sich selbst aber unverderblich und unvergänglich, frei ferner, unabhängig wie die Ideen der Dinge, losgelassen, sich genügend, mit Einem Wort selige Tiere und, verglichen mit sterblichen Menschen, unsterbliche Götter.

Um aber die Art zu begreifen, wie sie dies seien, merke Folgendes.

Die Idee eines jeden ist absolut, befreit von der Zeit, wahrhaft vollkommen. Das aber, was in der Erscheinung das Endliche an ihnen mit dem Unendlichen vereint und jene abgeleitete Realität hervorbringt, von der wir schon früher gesprochen, ist das unmittelbare Abbild der Idee selbst, welches, so wenig wie diese der Differenz fähig, auf ewig gleiche Weise das Allgemeine in das Besondere, das Besondere in das Allgemeine setzt. An sich zwar ist es Einheit schlechthin, nicht entstanden noch bedingt, in der Beziehung aber auf Gegensatz bringt es Einheit hervor.

Der Gegensatz nun, wie du weißt, ist der des Endlichen und Unendlichen. Und das Endliche selbst zwar verhält sich zu dem Unendlichen wieder wie Differenz zur Indifferenz.[466]

Dem Endlichen aber für sich kommt keine Realität zu, vielmehr hat es zu der Substanz ein solches Verhältnis, daß es erst mit seinem Quadrat vervielfacht ihr gleich kommt. Was ich aber unter seinem Quadrat verstehe, wirst du zwar zum Teil schon aus dem Vorhergehenden erraten können, und wird dir auch nachher noch deutlicher werden.

Dem nämlich, was wir an den Dingen das Endliche genannt haben, ist das Unendliche entgegengesetzt. Dieses nun, sofern es sich unmittelbar auf jenes Endliche bezieht, ist auch nur das Unendliche dieses Endlichen: nicht die unendliche Einheit alles Endlichen, sondern die relative Einheit dieses Endlichen, oder der Begriff, der sich unmittelbar nur auf dieses, als die Seele desselben, bezieht.

Diese relative Einheit, welche aus dem Allgemeinen in einem jeden Ding das Endliche als das Besondere verknüpft wird durch das, worin Einheit und Gegensatz ungetrennt sind, ist es, wodurch das Ding sich absondert von der Allheit der Dinge, und in seiner Absonderung beharrend, ewig dasselbe, von andern verschiedene, nur sich selbst gleiche, ist.

Die erste Bedingung aber, unter welcher das an und für sich Unendliche das Unendliche dieses Endlichen, mit Ausschluß alles anderen, sein kann, ist, daß dieses Endliche selbst schlechthin endlich, nicht unendlich, sei.

Nicht nur aber ist das Unendliche hier in der Beziehung auf das Endliche gesetzt, sondern auch das, was beide verknüpft, und von dem wir angenommen haben, daß es ein Abbild des Ewigen sei.

Das aber, was aus der Beziehung des Endlichen, Unendlichen und Ewigen auf das Endliche entspringt, wenn jene beiden zwar absolut gleich werden, ist der Raum, das ewig ruhige, nie bewegte Bild der Ewigkeit. Der Begriff aber, der sich unmittelbar auf das Endliche bezieht, ist an dem Ding ausgedrückt durch die erste Dimension oder die reine Länge. Denn daß die Linie in der Ausdehnung dem Begriff im Denken entspreche, wirst du auch daraus erkennen, erstens, daß sie für sich betrachtet unendlich, und in sich keinen Grund der Endlichkeit[467] enthält, ferner auch daraus, daß sie der höchste und reinste Absonderungsakt von der Allheit des Raumes, die Seele aller Figuren ist, weshalb die Geometer, unfähig sie aus der Allheit abzuleiten oder entstehen zu lassen, sie fordern, gleichsam um anzueigen, daß sie vielmehr eine Handlung sei als ein Sein.

Jener Akt nun der Absonderung ist gleichsam das Trübende der allgemeinen Einheit, und mit ihm schlägt alles sich als Besonderes nieder aus dem, worin nichts unterscheidbar; denn da die Einheit in ihm eine relative und der Besonderheit entgegengesetzt wird, so kann in derselben auch nicht die absolute, sondern nur die relative Gleichheit von Subjekt und Objekt gesetzt werden.

Der Ausdruck nun davon an dem Dinge ist dasjenige an ihm, wodurch es mit sich selbst eins ist und ebenso zusammenhängt, wie wir sehen, daß wegen der relativen Gleichheit der Natur das Eisen sich an den Magnet und jedes Ding an das hängt, was ihm am nächsten verwandt oder seiner Natur am ähnlichsten ist.

Allein weil die relative Einheit nicht existieren kann als in der Beziehung auf ein einzelnes Endliches oder die Differenz, so ist mit der ersten Dimension notwendig die zweite vereinigt.

Du siehest also, daß so, wie die absolute Einheit des Gegensatzes und der Einheit das Ewige ist, so das, wo die Einheit und der Gegensatz, und das, worin beide vereinigt, unterschieden werden, das Entstandene ist. Das auseinandergezogene Bild also der innern Verhältnisse des Absoluten ist das Gerüste der drei Dimensionen, deren absolute Gleichheit der Raum ist. Doch dieses wird durch die Folge noch klarer werden.

Der Begriff also, sagten wir, sofern er sich unmittelbar nur auf dieses bestimmte Endliche bezieht, sei auch selbst endlich und mir die Seele dieses Einzelnen. An sich aber ist er unendlich. Zu dem unendlichen Begriff nun verhält sich das Endliche wie die Wurzel zu ihrem Quadrat. Sofern er nun als unendlich außer dem Dinge liegt, insofern, da dieses die Zeit nicht in sich selbst hat, ist es der Zeit notwendig unterworfen.[468]

Denn von dem unendlichen Denken ist ein stets bewegtes, ewig frisches, harmonisch fließendes Bild die Zeit, und jene relative Gleichheit eines Dings ist selbst der Ausdruck der Zeit an ihm. Wo also jene lebendig, unendlich, tätig wird und als solche hervortritt, ist sie die Zeit selbst, und in uns zwar das, was wir das Selbstbewußtsein nennen. An dem Ding aber, sofern ihm nicht der unendliche Begriff absolut verbunden ist, ist von jener lebendigen Linie nur der tote Ausdruck, der Akt selbst aber, der sich an ihm durch die Einheit, die es mit sich selbst hat, ausdrückt, bleibt im Unendlichen verborgen.

Durch diese Art der Einheit also, sich selbst gleich und auf diese Weise Subjekt und Objekt von sich selbst zu sein, ist das Ding, wie es der Zeit, auch dem Geradlinigen untergeordnet.

Es ist nun aber bloß für sich selbst oder ideell einzeln und außer dem unendlichen Begriff, reell aber nur durch das, wodurch es jenem verbunden und in die Allheit der Dinge aufgenommen wird.

Sofern es nun bloß die relative Gleichheit mit sich selbst behauptet, wird ihm das Allgemeine und das Besondere nicht anders als wie die Linie dem Winkel, mithin zum Dreieck verbunden.

Sofern es aber dem unendlichen Begriff der Dinge verknüpft wird, welches sich zu dem Endlichen an ihm wie das Quadrat zu seiner Wurzel verhält, kann ihm jener nur als das Quadrat von ihm verknüpft werden.

Verknüpft werden indes kann es ihm nur durch das, worin das Allgemeine und Besondere absolut eines sind, und welches für sich selbst, wie du weißt, keiner Differenz fähig ist; das Ding also, da es als ein solches, nur durch den Gegensatz des Allgemeinen und des Besonderen existiert, ist jenem Einen, welches ohne Gegensatz, nicht gleich, oder es selbst, sondern, abgesondert von ihm, vielmehr im Differenzverhältnis mit ihm. Daher jenes in Ansehung des Dings nicht als das, was existiert, erscheint, sondern als das, was Grund von Existenz ist.

Wird aber das Quadrat mit dem, wovon es das Quadrat ist, vervielfacht, so entsteht der Würfel, welcher das sinnliche[469] Abbild der Idee oder der absoluten Einheit des Gegensatzes und der Einheit selbst ist.

Doch dieses wirst du auch auf folgende Weise weiter begreifen.

Das erscheinende Reale kann ebenso wie das wahre nur ein solches sein, welches Unendliches und Endliches verknüpft. Denn sowohl die Einheit für sich als die Differenz für sich sind bloß ideelle Bestimmungen, und nur so viel ist reell an den Dingen, als an ihnen von der Einheit jener beiden ausgedrückt ist. Da nun jene an den Dingen durch die erste, diese durch die zweite Dimension dargestellt wird, so muß die Einheit beider sich durch dasjenige am vollkommensten ausdrücken, worin die beiden ersten sich auslöschen, welches die Dicke oder die Tiefe ist.

Jenes Prinzip nun, zu welchem die Dinge zwar im Differenzverhältnis erscheinen, und welches die Seele oder den Ausdruck: des unendlichen Denkens an ihnen dem Leibe verknüpft, ist die Schwere; unterworfen jedoch sind sie ihr nur insofern, als die Zeit nicht in sie selbst und in ihnen lebendig wird. Insofern dies aber ist, sind sie selbständig, lebendig, frei, selbst absolut wie die Weltkörper.

Die Schwere indes (denn dieses ist nötig vorauszuwissen), welche unaufhörlich die Differenz in die allgemeine Indifferenz aufnimmt, ist an sich unteilbar, daher, wie auch ein sinnliches Ding geteilt werde, doch die Schwere nicht geteilt und an sich weder vermehrt noch vermindert wird; von einer solchen Natur ferner, daß sie die Indifferenz des Raums und der Zeit ist, kann sie keinem von beiden entgegengesetzt sein, und mit zunehmendem Raum (welcher Ausdruck der Differenz) weder abnehmen, noch mit abnehmendem zunehmen. Je mehr auch ein Ding sich absondert von der Allheit, desto weniger Verlangen zwar oder Bestreben ist in ihm, ideell betrachtet, zur Einheit aller zurückzukehren, die Schwere aber ändert sich dadurch nicht, und ist, unbewegt, gleich gegen alle.

Was nun die Dinge für das bloß Geradlinige und den endlichen Begriff bestimmt, ist der unorganische Anteil, was ihnen aber Gestalt gibt, oder sie für das Urteil und die Aufnahme[470] des Besonderen ins Allgemeine bestimmt, der organische, das aber, wodurch sie die absolute Einheit des Allgemeinen und Besonderen ausdrücken, der vernünftige.

Daher, was wir an einem jeden Dinge zu seiner Wirklichkeit erfordern, durch drei Stufen oder Potenzen ausgedrückt werden kann, so daß jegliches Ding das Universum nach seiner Weise darstellt.

Das Dritte aber an den einzelnen Dingen sei an sich das Erste, haben wir zuvor festgesetzt; für sich höchste Reinheit, ungetrübte Klarheit, getrübt an den Dingen durch das, was wir bisher Einheit und Gegensatz genannt haben, was wir aber, wenn es lebendig ist, Selbstbewußtsein und Empfindung nennen können.

Die reale Dimension jedoch ist allein die Vernunft, welche das unmittelbarste Abbild des Ewigen ist, der absolute Raum aber nur in der Beziehung auf Differenz. Die relative Einheit und der Gegensatz aber, indem sie, wie schon gesagt, bloße Formbestimmungen sind, machen die reine Einheit eben dadurch, daß sie die trüben, den Raum erfüllend.

Jedoch bisher habe ich das Meiste von den unvollkommeneren Dingen geredet, die den unendlichen Begriff außer sich haben, jetzt aber wende dich zur Betrachtung der vollkommeneren, welche andere zwar Weltkörper nennen, wir abersinnige und verständige Tiere nennen wollen. Denn offenbar ist, daß ihnen ihre Zeit eingeboren und der unendliche Begriff als die Seele zugegeben sei, welche ihre Bewegungen lenkt und ordnet.

In dem nämlich, was an ihnen endlich ist, das Unendliche darstellend, drücken sie die Idee als Idee aus, und leben auch, nicht wie dem Begriff unterworfene Dinge ein abhängiges und bedingtes, sondern ein absolutes und göttliches Leben.

Wie aber in dem Endlichen, was bei dem an und für sich selbst Unendlichen von Ewigkeit ist, Unzähliges von unendlicher Fülle enthalten sein könne, welches selbst wieder die Einheit ist, worin die Macht unzähliger Dinge sich verbündet, wird dir nicht unbegreiflich sein nach dem, was wir zuvor auch festgesetzt haben. Nach demselben Gesetz aber, nach welchem Eines sich absondert von der höchsten Einheit, teilt es auch, selbst wieder[471] unendlich vieler Dinge genesen, die Vollkommenheit der ersten Einheit, und atmet in unzählige Wesen aus, was es sich selbst von oben genommen.

Auf diese Weise hat alles, was ist, eine Einheit, aus der es seinen Ursprung gewonnen, und von der es getrennt ist durch die relative Entgegensetzung des Endlichen und Unendlichen in ihm selbst, indes auch jene Einheit wieder aus einer höheren entsprossen ist, welche die Indifferenz aller Dinge enthält, die in ihr begriffen sind.

Entweder hat nun ein Ding das Sein in sich selbst und ist sich selbst die Substanz, welches nur dann möglich ist, wenn das Endliche in ihm dem Unendlichen gleich ist, so daß es, in seiner Absonderung zwar, gleichwohl das Universum in sich darstellen kann, oder es ist nicht sich selbst die Substanz, so ist es beständig gezwungen da zu sein, wo es allein sein kann, und zu der Einheit zurückzukehren, aus der es genommen ist.

Die reine Differenz nun an einem Ding oder das rein Endliche ist das, wodurch überhaupt der Schein einer Idee in den Raum fällt, von der wahren Idee aber ein solcher Teil, daß er erst dreimal mit sich selbst vervielfacht ihr gleichkommt, und da ferner die Größe jener Differenz auch die Größe der Entfernung eines Dings im Raum von dem Abbilde seiner Einheit bestimmt, so hat auch diese zu dem wahren den Raum füllenden Abbilde dasselbe Verhältnis, welches die reine Differenz zu der Idee selbst hat.

Die Entfernung aber ist entweder reell oder bloß ideell, ideell aber immer, wo ein Ding nicht sich selbst die Substanz ist, denn auch die mannigfaltigen Dinge, welche du zu einem Ganzen, wie die Erde, verbunden siehst, sind gegen sie als die Einheit, doch jedes aus einer bestimmten Entfernung schwer, welches denn die Größe ihres besonderen Schwerseins bestimmt.

Die Zeit nun, die lebendige Einheit, wird, wie du weißt, in der Schwere der Differenz verbunden, aus der Verbindung aber der Einheit mit der Differenz entspringt das Maß der Zeit, die Bewegung; wo also ein Ding nicht die Substanz in sich selbst hat, bewegt es sich notwendig gegen das, worin ihm das Sein ist, dieses aber so, daß die Zeit der Bewegung nicht der[472] Entfernung (welche der sinnliche Ausdruck der Differenz), sondern dem Quadrat der Entfernung gleich sei, daher umgekehrt, indem es sich gegen das bewegt, in welchem es ist, die Zeiten sich vermindern, und die Räume ihren Quadraten gleich werden.

Das Vollkommenere nun betreffend, welches das Sein und das Leben in ihm selbst hat, so hört die Differenz, oder was an ihm rein endlich ist, nicht auf, dem Unendlichen dem Begriff nach entgegengesetzt zu sein, obgleich es reell und in Ansehung der Substanz ihm absolut gleich ist. Sofern es nun ideell entgegengesetzt dem Unendlichen, verhält sich dieses zu ihm als sein Quadrat, und insofern auch bestimmt es jenem, von dem es das Endliche ist, die Linie seiner Entfernung von dem Abbilde der Einheit. Reell aber oder in Ansehung dessen, welches sich selbst das Leben, ist das Endliche dem Unendlichen in ihm auf solche Weise verbunden, daß dieses zu jenem sich nicht mehr als sein Quadrat, sondern wie völlig Gleiches zu völlig Gleichem verhält.

Hinwiederum kann jenes nur dadurch sich selbst die Substanz sein, daß die Linie seiner Entfernung in ihm lebendig wird, lebendig aber wird sie nur dadurch, daß die Differenz oder das rein Endliche an ihm dem unendlichen Begriff gleich wird, welcher, da er die Zeit ist, der Entfernung vereint, diese zum Umlauf macht.

Auf diese Weise sind den Sphären ihre Zeiten eingepflanzt worden, sie selbst aber durch ihre himmlische Natur angewiesen, durchkreisende Bewegungen das Sinnbild des Alls zu sein, das sich ausbreitend in alle Naturen, doch stets zurückkehrt wieder in seine Einheit.

Denn das, wodurch sie sich absondern und entfernen von dem Abbild ihrer Einheit, und das, wodurch sie aufgenommen werden in den unendlichen Begriff, ist in ihnen nicht getrennt, wie in den irdischen Dingen, oder in streitende Kräfte gesondert, sondern harmonisch verknüpft, und wie sie allein wahrhaft unsterblich sind, genießen sie allein auch in dem abgesonderten Dasein die Seligkeit des Universums.

In ihrem Umlauf selbst aber, welcher die Vertilgung alles Gegensatzes und die reine Einheit, die absolute Selbständigkeit[473] selbst ist, atmen sie den göttlichen Frieden der wahren Welt und die Herrlichkeit der ersten Beweger.

Merke also, o Freund, den Sinn der Gesetze, die ein göttlicher Verstand uns enthüllt zu haben scheint.

Ein Wesen, welches selbständig, gottgleich, ist nicht der Zeit untergeordnet, sondern zwingt diese, ihm unterwürfig zu sein, und macht sie sich selbst Untertan. Das Endliche ferner an sich dem Unendlichen gleichsetzend, mäßigt es die gewaltige Zeit, so daß sie, nicht mehr mit dem, wovon sie das Quadrat ist, sondern mit sich selbst vervielfacht, der wahren Idee gleich wird. Aus dieser Mäßigung der Zeit entspringt das himmlische Maß der Zeit, jene Bewegung, in welcher Raum und Zeit selbst als die völlig gleichen Größen gesetzt werden, die, sich selbst vervielfacht, jenes Wesen göttlicher Art erzeugen.

Den Umlauf selbst also denke als schlechthin ganz, einfach, nicht als zusammengesetzt, sondern als absolute Einheit, von der jenes, wodurch ein Ding in der Einheit ist, und welches insgemein Schwere genannt wird, und das, wodurch es in sich selbst ist, und welches als das Entgegengesetzte der Schwere angesehen wird, die völlig gleichen Formen sind, beide dasselbe Ganze, Ein Ding; denn weder kann ein Ding, indem es in der Einheit ist, von ihr entfernt in sich selbst sein, noch, indem es in sich selbst ist, in der Einheit sein als dadurch, daß das Endliche in ihm dem Unendlichen absolut verknüpft wird; einmal auf solche Weise verknüpft, können diese nie und auf keine Weise sich trennen, und, was wir an dem Bewegten auch unterscheiden, ist nie das eine oder das andere, sondern immer und notwendig die Einheit selbst des Endlichen und Unendlichen.

Keine der Sphären also wird durch etwas anderes als ihre eigne angeborene Vortrefflichkeit, welche darin besteht, daß sie das, wodurch sie abgesondert ist, zur absoluten Einheit selbst, und hinwiederum die Einheit selbst zu dem, wodurch sie abgesondert ist, zu machen weiß, von ihrer Einheit weder entfernt noch ihr verbunden.

Wenn nun das von sich selbst Bewegte auf eine solche völlig gleiche Weise die Differenz an sich in die Indifferenz aufnehmen,[474] und hinwiederum die Indifferenz in seine Differenz setzen könnte, entstünde diejenige Figur, welche der vollkommenste Ausdruck der Vernunft, der Einheit des Allgemeinen und des Besonderen ist, die Kreislinie.

Wäre diese Form allgemein, so würden jene himmlischen Tiere in gleichen Zeiten völlig gleiche Bogen beschreiben, und jene Differenz des Raumes und der Zeit, welche du in der Bewegung des Einzelnen gegen seine Einheit, im Fall, gesehen hast, wäre völlig vertilgt.

Allein dann wären alle gleich vollkommen; die ungeborene Schönheit aber, die sich in ihnen enthüllt, wollte allgemein, daß an dem, wodurch sie sichtbar würde, eine Spur des Besonderen zurückbliebe, damit auf diese Weise auch die sinnlicheren Augen sie erblickten, welche sie an besondern Dingen erkennend entzückt werden, die unsinnlichen aber zurückschließend von dieser in der Differenz selbst ausgedrückten und unvertilgbaren Einheit, zu der Anschauung der absoluten Schönheit und ihres Wesens an und für sich selbst gelangten.

Deswegen auch, indem sie ihr Angesicht an dem Himmel für sinnliche Augen entschleierte, wollte sie, daß jene absolute Gleichheit, welche die Bewegungen der Sphären lenkt, in zwei Punkte getrennt erschiene, in deren jedem zwar dieselbe Einheit der Differenz und der Indifferenz ausgedrückt sei, in dem einen aber die Differenz der Indifferenz, in dem andern die Indifferenz der Differenz gleich werde, die wahre Einheit also, zwar der Sache, jedoch nicht dem Schein nach, gegenwärtig sei.

Auf diese Weise geschieht es erstens, daß die Sphären in Linien sich bewegen, welche in sich selbst zwar zurückkehren, wie die Kreislinie, aber nicht wie diese sich um Einen Mittelpunkt, sondern um zwei getrennte Brennpunkte beschreiben, die sich wechselseitig das Gleichgewicht halten, und deren einen zwar das leuchtende Abbild der Einheit füllt, aus der sie genommen sind, der andere aber die Idee eines jeden ausdrückt, sofern er sich selbst das All und absolut und selbständig ist, damit so in der Differenz selbst die Einheit und das eigne Verhängnis einer jeden erkannt werde, als besonderes Wesen absolut, und als absolut ein Besonderes zu sein.[475]

Allein weil die Differenz nur für die Erscheinung, wahrhaft aber oder an sich keine sein sollte, so sind jene himmlischen Geschöpfe durch eine wahrhaft göttliche Kunst gelehrt worden, den Lauf ihrer Bewegungen jetzt zu mäßigen und anzuhalten, jetzt ihrem einwohnenden Triebe freier zu folgen, und, damit auf diese Art Zeiten und Räume wieder gleich würden, und die Entfernung, welche nur durch ihre Gleichheit mit der eingeborenen Zeit lebendig ist, nicht aufhörte lebendig zu sein, in der größeren Entfernung in derselben Zeit einen kleineren Bogen zurückzulegen, in welcher in der geringeren der größere Bogen zurückgelegt wird.

Durch diese mehr als sterbliche Klugheit, welche in der Differenz selbst die Gleichheit bewahrt, geschieht es, daß die Gestirne, deren Bahnen in dem Schein zwar aufgehobene Kreislinien sind, doch wahrhaft und der Idee nach Zirkelbahnen beschrieben.

Dies alles aber, o Freund, was ich bisher von der Ordnung der himmlischen Bewegung erwähnt habe, der Würde des Gegenstandes gemäß auseinanderzusetzen, würde uns weiter führen als jenes selbst, um dessen willen diese Untersuchung angestellt ist. Doch von jenen Dingen können wir auch in der Folge reden. Aber keine sterbliche Rede ist fähig, jene himmlische Weisheit würdig zu preisen, oder die Tiefe des Verstandes auszumessen, welche in jenen Bewegungen angeschaut wird.

Willst du aber, daß ich sage, o Freund, nach welchen Gesetzen die Ordnung, Zahl, Größe und die übrigen erkennbaren Eigenschaften der Gestirne bestimmt seien, so sage ich, daß, was die Ordnung betrifft, dieselbe Materie zwar sei im Ganzen, nur mannigfaltig verwandelt, innerhalb desselben aber zwei verschiedene Gegenden, die eine, welche von jenen Sphären bewohnt wird, denen die Zeit vollkommener als den übrigen vermählt ist, und deren Einheit der absoluten am meisten gleichkommt, die andere, worin jene leben, welche die Zeit minder vollkommen in sich selbst haben und weniger selbständig sind.

Und da jedes Ding, dem die Zeit lebendig verknüpft ist, auch den äußeren Ausdruck davon trägt, welcher die Linie und[476] in Verbindung mit der Materie der Zusammenhang und die Festigkeit ist, so ist unter jenen auch, den vollkommeneren, erstens jedem einzelnen das Gepräge der Zeit, die Linie, eingepflanzt, welche wir seine Achse nennen, und deren äußerste Punkte durch Süd und Nord bezeichnet werden; dann aber ist es auch dem Ganzen so aufgedrückt, daß alle zusammen eine gemeinschaftliche Linie bilden, und nach der Stelle, die sie in dieser einnehmen, einen größeren oder geringeren Grad des Zusammenhangs und der Einheit mit sich selbst zeigen, die äußersten Punkte aber des Ganzen sich wieder wie Süd und Nord verhalten.

Jene Sphären also, die im Ganzen die Verbindung von Süd und Nord darstellen, sind aus festerem und dauernderem Stoff gebaut, unter sich aber so angeordnet, daß innerhalb jener Verbindung alle Gegenden des Himmels sich verbünden, jede Verbindung aber durch drei Gestirne dargestellt sei, wovon das erste, welches am wenigsten von dem Abbilde der Einheit entfernt ist, der einen, das dritte oder entfernteste der entgegengesetzten angehöre, das mittlere aber die Indifferenz beider in dieser Verbindung darstelle, so daß keines vor dem andern wesentlich verschieden ist, die Zahl aller Gestirne aber, welche innerhalb dieser Verbindung sind, der Zwölfzahl gleichkommen möchte.

Diesen nun sind die vollkommensten Bewegungen verliehen. Wie aber diese im Ganzen genommen die Verbindung von Süd und Nord darstellen, so jene, welche die zweite Gegend bewohnen, die von Ost und West, jedoch so, daß innerhalb dieser Entgegensetzung selbst wieder alle Gegenden des Himmels, von deren jeder an einem jeden körperlichen Dinge notwendig ein Ausdruck ist, sich verschlingen und verbinden.

Diese nun, weil sie eine Art der Einheit in sich tragen, welche am wenigsten absolut ist, eben weil sie sich von der absoluten am wenigsten absondert, weichen eben deswegen mehr oder weniger von der vollkommensten Bewegung ab. Das Gesetz aber ihrer Anzahl zu finden, welche in großen Verhältnissen zunimmt, möchte allen unmöglich sein.

Nach welcher Ordnung nun ferner unter denen, welche das vollkommenere Leben in sich selbst haben, die Entfernungen[477] zunehmen, könnte einer, der weiter nachdächte, schon aus dem zuvor von uns Verhandelten begreifen, noch mehr aber, wenn er die Geheimnisse des Dreiecks erkannt hätte.

Die Massen aber und Dichtigkeiten betreffend, so hat es jener himmlischen Kunst gefallen, daß im Ganzen genommen die größten Massen die Mitte einnehmen, die dichtesten aber der Einheit aller oder dem Abbilde der Einheit die nächsten seien, im Einzelnen aber auch je unter drei Gestirnen, die von Einer Ordnung sind, auf das, welches am meisten durch Dichtigkeit ausgezeichnet ist, ein solches, welches durch die größere Masse, und auf dieses eines der Art folge, welches unter diesen am meisten in seinem Lauf von der Kreislinie abweicht.

Im allgemeinen aber, was das letzte betrifft, so ist folgendes Gesetz.

Die Dinge im Universum überhaupt sind mehr oder weniger vollkommen, je mehr oder weniger ihnen die Zeit einverleibt ist. Einverleibt aber ist sie allen, die sich vor den andern auszeichnen.

Denn an dem einzelnen Ding zwar, sagten wir, sei der Ausdruck der Zeit die Linie oder die reine Länge, das also, welches die Länge an sich am vollkommensten ausdrückt, hat von allen bloß körperlichen und einzelnen Dingen auch die Zeit vollkommener in sich als die andern. Ist ihm aber die Zeit als Zeit lebendig, tätig verknüpft, so muß auch in seinem Begriff mehr oder weniger die Möglichkeit anderer Dinge enthalten sein. Daher wir sehen, daß jener Stein, welchen die Alten zwar den Stein des Herakles, die späteren aber Magnet genannt haben, obgleich er einzeln scheint, doch eine Kenntnis und Gefühl anderer Dinge habe, die er bewegt und entweder an sich zieht oder von sich zurückstößt, ferner daß ihm auch der Wechsel der Jahreszeiten nicht fremd sei, gleich dem Zugvogel, der den Flug nach einem anderen Himmelsstrich lenkt, und daß auch er ein Zeiger der Zeit sei, und, gleich den Gestirnen, nur unvollkommener und unterliegend der Einheit, die außer ihm ist, seine Jahre und Tage habe. Wenn ihm aber die Zeit nicht vollkommener einverleibt ist, so liegt der Grund davon in der Unvollkommenheit seines Leibes oder desjenigen, was an ihm reine Differenz ist.[478]

Je mehr also erstens einem Dinge die Zeit verbunden ist, desto weniger bedarf es der Einheit außer sich, denn es ist sich selbst die Einheit, desto weniger aber kann es auch zu denen gehören, welche der Schwere am meisten unterworfen, und welche die dichtesten sind. Hinwiederum werden eben deswegen die dichtesten die Zeit unvollkommener in sich selbst haben, die aber, welche am wenigsten von der Zeit in sich tragen, sind auch am wenigsten individuell und abgesondert von der Einheit, desto weniger also auch der Schwere unterworfen, welche von seifen des Dings ein Differenzverhältnis fordert.

Wende dieses auf die Gestirne an, so wirst du begreifen, warum diejenigen, denen die Zeit am vollkommensten eingepflanzt ist, welche also die vortrefflichsten sind, und die Gleichheit, die in ihnen ist, auch in ihren Bewegungen am vollkommensten ausdrücken, zu den weniger dichten gehören, hinwiederum auch, warum die dichtesten, da sie die Zeit unvollkommen in sich selbst haben, von der schönsten Art der Bewegung mehr abweichen als jene; endlich warum diejenigen, welche am wenigsten von dem Ausdrucke der Zeit, Form und Gestalt, an sich tragen, und die am meisten von der schönsten Bewegung abweichen, auch die am wenigsten dichten seien, nicht weil sie der Einheit weniger bedürfen, sondern weil sie am wenigsten sich von ihr angesondert haben.

Und hierin liegt denn das Geheimnis der Verschiedenheiten, welche an den himmlischen Dingen in Ansehung der Vollkommenheit wahrgenommen werden, mit der sie die schönste Figur in ihren Bewegungen nachahmen.

Nachdem nun auf diese Weise alles nach Maß und Zahl aufs schönste geordnet und einer jeden Sphäre eine doppelte Einheit verliehen war: die erste, wodurch sie sich selbst absolut, und jener vollkommensten Vereinigung des Endlichen mit dem Unendlichen in Gott, deren Idee wir das absolute Tier nennen können, am ähnlichsten, sonach organisch, frei und lebendig wäre, die andere, wodurch sie im Absoluten, und mit dem, was an ihr Differenz, aufgenommen wäre in die Einheit; nachdem es ferner der himmlischen Weisheit gefallen hatte, daß die Gleichheit beider[479] Einheiten nur in der Differenz erhalten würde: so wurde mit dieser Differenz zugleich auch die Trennung beschlossen in Dinge, welche als Differenz nur der Aufnahme in die Indifferenz fähig, und wegen der unvollkommenen Art die Zeit in sich zu haben, völlig der Schwere unterworfen, als tot und unbelebt erschienen, und in solche, in welchen die Differenz selbst Indifferenz wäre, und die, die Zeit und das Leben vollkommener in sich selbst habend, lebendig und organisch wären, und jene Einheit der Sphären, wodurch sie sich selbst das All und frei und vernünftig sind, am vollkommensten von allen einzelnen Wesen ausdrückten.

Auf diese Weise sind die himmlischen Sphären, indem von ihrer Einheit sich trennte, was bestimmt war in einem anderen zu leben, zugleich mit lebenden Wesen aller Art und von jeder Vollkommenheit, die in der ersten Einheit enthalten war, bevölkert worden, dies aber durch denselben Ratschluß, welcher ihre Bahnen mehr oder weniger abweichend machte von der Kreislinie.

Je vollkommener nun eine Sphäre die Einheit, durch welche sie organisch, und diejenige, durch welche sie unorganisch, vereinigte, desto mehr notwendig näherte sie sich dem Urbilde der Bewegung.

In der Mitte aber aller, an dem Abbild ihrer Einheit, entzündete sich das unsterbliche Licht, welches die Idee aller Dinge ist. Denn da die Idee, welche die Form ist, der Substanz gleich, ja sie selbst ist, so mußte an dem, worin alle Dinge des Universums der Substanz nach eines sind, auch die Idee aller ausgedrückt sein. Damit also jene Einheit des Wesens mit der Form offenbar würde, schuf die himmlische Kunst jenes Gestirn so, daß es ganz Masse und ganz Licht wäre, der Herd der Welt, oder wie andere sagen, die heilige Wache des Zeus; da es aber selbst aus einer höheren Einheit genommen und insofern ein Einzelnes ist, so drückte sie, was an ihm noch Differenz ist, durch dunkle Stellen aus, welche sie über seinen Lichtglanz zerstreute.

Weil aber das Licht, als die Idee, zugleich die Indifferenz des Raumes und der Zeit ist, so wurde weiter verordnet, daß[480] es erstens den Raum nach allen Richtungen beschreibe, ohne ihn zu erfüllen, und alle Dinge erleuchte, darauf, daß es die Fackel und der Zeiger der Zeit und das Maß sowohl der Jahre als der Tage sei.

Denn die Sonne, außerdem, daß sie die Indifferenz aller Dinge ist, die in ihrem Universum enthalten sind, strebt noch überdies beständig mit dem, was an den andern Sphären, die sich um sie bewegen, reine Differenz ist, zusammenzuhängen, ihre eigne relative Einheit durch sie fortzusetzen, durch sie selbst fortzuwachsen und mit Einem Wort auf solche Weise mit ihnen eins zu werden, wie ein Ding mit sich selbst eines ist.

Allein je vollkommener einem Dinge die Zeit eingeboren ist, desto mehr sich selbst gleich ist es, daher wir sehen, daß die Erde auch an dem, was an ihr tot ist, das Gepräge der lebendigen Zeit ausdrückend, die Differenz durch die Einheit des Begriffs und die Linie vereinigt, welche der Ausdruck ihres Selbstbewußtseins ist, und die in der Erscheinung zwar sich als die Achse darstellt, deren äußerste Punkte wir durch Süd und Nord bezeichnet haben.

Auf diese Weise das Besondere in sich dem Allgemeinen verknüpfend strebt sie der Sonne entgegen, welche jenes als Besonderes zu setzen, und mit dem Ausdruck der Zeit, den sie an sich selbst hat, zu verbinden trachtet.

Da nun die Erde und jede andere Sphäre die relative Gleichheit mit sich selbst, welche darin bestellt, daß die Differenz an ihr dem Begriff vereinigt sei, in der Richtung der Länge setzt, so strebt die Sonne, indem sie dem Besonderen einer jeden ihren Begriff zu verbinden sucht, eine gleiche relative Einheit in der Richtung der Breite hervorzubringen.

Dadurch aber, daß jede Sphäre diesem Streben durch ihr eignes Leben sich widersetzt, sind erstens Tag und Nacht gemacht (denn jenes Streben der Sonne macht jede Sphäre sich um sich selbst bewegen), das Jahr aber von dem Tage getrennt und verhindert worden, daß nicht die eingeborene und lebendige Zeit einer jeden, mit der, welcher sie unter worfen ist, eins und gleich gesetzt würde.

Denn wenn die Sonne mit einer Sphäre auf solche Weise[481] eins würde, wie ein Ding mit sich selbst eins ist, so würde jene in derselben Zeit, in welcher sie sich Einmal um sich selbst bewegt, auch ihren Umlauf um die Sonne machen, das Jahr also würde dem Tage gleich sein, die eine Hälfte der Erde aber weder das Angesicht der Sonne sehen, noch das heitere Licht gleichwie wir bemerken, daß jene niederen Sphären, die wir Monde nennen, denen, mit welchen sie zusammenhängen, immer dieselbe Zeit zukehren und Eine Zeit haben der Bewegung um sich selbst und des Umlaufs um diese.

Die Differenz aber der Erde, welche nur durch die Verbindung mit dem Begriff und der Seele der Erde belebt ist, der relativen Einheit der Sonne verbunden, würde den völligen Tod leiden.

Auf diese Weise also, wie wir es beschrieben haben, ist das Universum mit sich selbst verflochten, und strebt immer mehr sich selbst ähnlich und Ein Leib und Eine Seele zu werden.

Gleichwie aber in einem Tier die Seele sich in vielgestaltige Glieder absondert, deren jedes aus ihm seine besondere Seele nimmt, und alles Einzelne, obgleich zum Ganzen verbunden, doch für sich selbst lebt, so ist auch im Universum, damit es in der Vielheit eins und in der Unendlichkeit endlich wäre, jedem seine besondere Zeit gegeben, das Ganze aber so abgebildet aus Gott, daß es die Zeit absolut in sich selbst habe, selbst also in keiner Zeit und ein so eingerichtetes Tier sei, daß es nicht sterben könne.

Die ewige Idee nun aller körperlichen Dinge, o Freund, nannten wir das Licht. Wo nun an einem Dinge das Endliche dem Unendlichen gleich wird, ist an ihm auch die Idee oder jenes absolute Erkennen ausgedrückt, in welchem kein Gegensatz ist des Denkens und Seins. Die Form ferner an einem solchen ist die Substanz, die Substanz die Form, beide untrennbar.

Je mehr aber ein Ding einzeln ist und in seiner Einzelnheit beharret, desto mehr trennt es sich von dem ewigen Begriff aller Dinge, welcher in dem Licht außer ihm fällt, wie der unendliche in der Zeit, es selbst aber gehört dem an, was nicht ist, sondern Grund von Existenz ist, der uralten Nacht, der Mutter aller Dinge.[482]

Das Licht nun, das mit sinnlichen Augen gesehen wird, ist nicht die Indifferenz des Denkens und Seins selbst, schlechthin betrachtet, sondern sofern sie sich bezieht auf eine Differenz, wie die der Erde oder einer andern Sphäre; je nachdem nun ein irdischer Körper sich absondert von der Allheit der Erde, ist er notwendig undurchsichtig, je geringer aber der Grad der Absonderung, desto durchsichtiger notwendig.

Die Grade aber des Belebtseins betreffend, so sage ich, daß ein Ding in dem Verhältnis, als es die Zeit und das Licht in ihm selbst hat, auch belebt sei.

Die Form nun als Form ist nicht die Seele des Dings, sondern je vollkommener sie ist, desto mehr der Substanz gleich; die Seele aber ist der Begriff des Dings, welcher, endlich zwar betrachtet, bestimmt ist, auch nur die Seele des einzelnen existierenden Dings zu sein.

Es fällt also auch in die Seele jedes Dings von dem Universum nur so viel, als das Ding von ihm dargestellt hat. Das bloß körperliche Ding nun, wie wir wissen, ist notwendig und ins Unendliche ein einzelnes.

Das organische Wesen dagegen, an welchem das Licht und die Form die Substanz selbst wird, enthält in seinem Begriff die Möglichkeit unendlich vieler Dinge außer dem einzelnen, es sei nun die Möglichkeit seiner selbst in unendlichen Zeugungen durch die Fortpflanzung, oder die Möglichkeit anderer Dinge, die von ihm verschieden sind und die es mit sich selbst durch Bewegung verbindet, oder endlich die Möglichkeit anderer Dinge, die von ihm verschieden zugleich, und doch in ihm sind, indem ihm selbst die Idee einverleibt ist, wel che in der Beziehung zwar auf eine Differenz das Anschauende ist.

Allein weil die organischen Wesen zwar den unendlichen Begriff und das Leben in sich selbst, die Differenz aber, welche jenem jederzeit angemessen wäre, und die Bedingung des Lebens sich von außen nehmen sollten, so sind sie dadurch erstens abhängig gemacht, bedürftig, dann auch der Krankheit fähig, dem Alter unterworfen und sterblich, so daß sie auf keine Weise der Vortrefflichkeit der himmlischen Dinge gleich kommen.[483]

Die Einheit aber, wodurch die Erde sich selbst die Substanz ist, mehr oder weniger unvollkommen in sich tragend, verhalten sich die organischen Wesen zu jener Einheit als zu ihrem Grunde, ohne sie selbst zu sein, und sind in ihren Handlungen zwar vernünftig, nicht aber durch die in ihnen selbst, sondern durch die in dem Universum wohnende Vernunft, welche sich an ihnen als ihre Schwerkraft äußert.

Da sie aber einzeln sind und notwendig unvollkommen durch den Gegensatz des Ideellen und Reellen, der Seele und des Leibes, so sind alle ihre Handlungen auf die Einheit gerichtet, nicht aber durch sie selbst, sondern durch das göttliche Prinzip, welches sie lenkt. Dieses aber hat ihnen eine solche Einheit mit allen Dingen gegeben, die zu ihrem Da sein gehören, daß sie sich in diesen Dingen fühlen, und auf alle Weise sie mit sich eins zu machen streben. Einen Strahl auch der lebendigen Kunst, welche alle Dinge baut, verlieh es ihnen, und lehrte sie durch mehr oder weniger zusammengesetzte Handlungen der Indifferenz des Denkens und Seins, die sie nicht in sich haben, außer sich, in Werken zu erreichen, welche darum zweckmäßig erscheinen, weil dem Begriff, welcher sie beseelt, mehr oder weniger der Begriff anderer Dinge verbunden ist. Auch einen Teil pflanzte es ihnen ein der himmlischen Musik, die im ganzen Universum, im Licht und in den Sphären ist, und lehrte die, welche bestimmt waren den Äther zu bewohnen, in ihrem Gesang sich vergessend, zurückzukehren in die Einheit.

Andere hat die Einheit freier gelassen, und ihnen verstattet mehr von ihr in sich selbst als außer sich zu haben, gleichwie auch eine fruchtbare und vielbegabte Mutter allen ihren Kindern sich selbst eingebiert, dem einen aber mehr, dem andern weniger, und nur Einem sich ganz mitteilt.

In jedem aber das, was in ihr selbst ist, mit Differenz setzend, hat sie das, was in ihr ununterscheidbar ist, unterscheidbar gemacht, denn jede besondere Eigenschaft lebender Wesen entsteht dadurch, daß keines die ganze Indifferenz der Einheit in sich trägt, welche, da sie der Inbegriff aller Formen ist, selbst keiner besondern gleichen kann.

Allein das Wesen, welches die Substanz nicht vollkommen[484] in sich selbst hat, kann auch nicht vollkommen sich absondern von der Einheit, und ist nur in ihr. Von dem bloß körperlichen Dinge zwar wissen wir, daß von dem Begriff an ihm nur ein toter Ausdruck, der lebendige Begriff aber außer ihm in dem Unendlichen sei, und daß es nur ein äußeres Leben im Absoluten habe. Jeder leidenden Art zu sein aber entspricht in dem Universum eine tätige, und jedes Tier hat außerdem, daß es eine besondere Art zu sein ist, auch noch Teil an dem lebendigen Begriff und ein inneres Sein im Absoluten; nur aber teilhabend und auch an dem, was an ihm endlich ist, das Unendliche unvollkommener ausdrückend, ist es nicht das anschauende Prinzip selbst, sondern im Differenzverhältnis mit ihm.

Indem aber eine Seele von der Natur des an und für sich selbst Unendlichen ist, der Leib aber endlich zwar, jedoch, im Endlichen unendlich, das Universum darstellt, wird jene in Gott verborgene absolute Gleichheit des Unendlichen, welches das Vorbild, mit dem unendlich Endlichen, welches das Gegenbild, offenbar an einem zeitlichen Wesen.

Jenes also, in Ansehung dessen Seele und Leib, Denken und Sein absolut eins sind, wird das Wesen des schlechthin Ewigen, Unteilbaren, in welchem die Idee auch die Substanz ist, an sich tragen, die Seele aber, an sich zwar das unendliche Erkennen, als die Seele aber dieses Existierenden die unendliche Möglichkeit sein alles dessen, wovon in diesem die Wirklichkeit ausgedrückt ist. Dieses nun, welches wir als den Leib bestimmt haben, obwohl es nicht ein endliches Sein, sondern ein unendlich-endliches ist und die Allheit in sich darstellt, ist doch ideell notwendig einzeln, notwendig also auch bestimmbar im Gegensatz gegen andere Dinge, die ein endliches oder unendliches Sein ausdrücken, und von denen in dem Begriff des Leibes entweder die Möglichkeit ohne die Wirklichkeit oder die Wirklichkeit ohne die Möglichkeit enthalten ist.

Wird also das unendliche Denken, welches, mit dem Sein gleichwerdend, sich als unendliches Erkennen am Endlichen darstellt, gedacht als die Seele des Leibes, sofern er notwendig einzeln ist, so erscheint es auch notwendig nur in der Endlichkeit[485] unendlich und als einzelner Begriff, obgleich von der vollkommensten Art, des unendlichen Erkennens; dagegen an sich betrachtet, ist es nicht die Seele dieses Dings, sondern der unendliche Begriff der Seele selbst, und das, was allen Seelen gemein ist.

Unmittelbar also, indem du das unendliche Erkennen, die lebendige und unsterbliche Idee aller Dinge, als existierend setzest, setzest du, weil dies ohne Beziehung auf ein einzelnes Ding nicht geschehen kann, auch wieder den Gegensatz von Differenz und Indifferenz, und gleichsam eine doppelte Seele, die, welche von dem unendlichen Erkennen die Wirklichkeit, und die, welche die unendliche Möglichkeit enthält.

Wenn ich nun, o Freund, fähig sein werde zu beweisen, daß mit jener Trennung zugleich auch, nicht zwar in Ansehung des Absoluten, wohl aber, wie alles andere, was zur abgebildeten Welt gehört, in Ansehung seiner selbst und für sich selbst, das Bewußtsein, für dasselbe aber zugleich auch das zeitliche Sein der Dinge und die gesamte Erscheinungswelt gesetzt sei, so werde ich zu dem von dir vorgesteckten Ziel gelangt sein, und den Ursprung des Bewußtseins aus der Idee des Ewigen selbst und seiner innern Einheit abgeleitet haben, ohne einigen Übergang vom Unendlichen zum Endlichen zuzugeben oder anzunehmen.

Allein zuvor laß uns noch das Bleibende festhalten, und jenes, das wir als unbeweglich setzen müssen, indem wir das Bewegliche und Wandelbare setzen, denn nicht müde wird die Seele, immer zu der Betrachtung des Vortrefflichen zurückzukehren; her nach auch uns erinnern, wie allem, was aus jener Einheit hervorzugehen oder von ihr sich loszureißen scheint, in ihr zwar die Möglichkeit für sich zu sein vorher bestimmt sei, die Wirklichkeit aber des abgesonderten Daseins nur in ihm selbst liege, und selbst bloß ideell, als ideell aber nur in dem Maße stattfinde, als ein Ding durch seine Art im Absoluten zu sein fähig gemacht ist, sich selbst die Einheit zu sein.

Weder also ein Ding kann durch Dauer bestimmt werden, als insofern es das Objekt einer Seele ist, welche endlich und deren Existenz durch Dauer bestimmt ist, noch kann hinwiederum die Existenz der Seele als Dauer bestimmt sein, als insofern sie[486] bestimmt ist, der Begriff eines einzelnen existierenden Dings zu sein. Weshalb die Seele so wenig als der Leib etwas an sich; denn sowohl jene als dieser sind jedes nur an dem andern zeitlich, an sich ist nur die Einheit beider in dem nicht der Dauer Unterworfenen, in der allerseligsten Natur, worin die Möglichkeit nicht von der Wirklichkeit, das Denken nicht vom Sein getrennt ist, das Urbild also, welches unerschaffen und wahrhaft unvergänglich ist. Denn weder die Seele, die sich unmittelbar auf den Leib bezieht, ist unsterblich, da es dieser nicht ist, und ihr Dasein überhaupt nur durch Dauer bestimmbar und dadurch bestimmt ist, sofern dieser dauert, noch selbst die Seele der Seele, die zu dieser sich ebenso wie diese zu dem Leibe verhält.

Die Seele ferner, da sie nur durch den relativen Gegensatz mit dem Leibe, also überhaupt nicht an sich ist, erscheint nur durch diesen Gegensatz, mithin nur, sofern sie der Begriff eines einzelnen Seins ist, zum Dasein bestimmt, dieses aber nicht durch eine Verknüpfung mit dem Dinge, sondern durch ihre eigne Endlichkeit, kraft welcher die Möglichkeit, die in Gott ihrer Wirklichkeit, und hinwiederum die Wirklichkeit, die in ihm ihrer Möglichkeit verknüpft ist, in Ansehung ihrer selbst außer ihr liegt. Denn die Begriffe, welche unmittelbare Begriffe endlicher Dinge sind, verhalten sich wie diese selbst, und sind dem unendlichen Begriff ebenso wie diese entgegengesetzt, und nur, sofern sie in der Endlichkeit unendlich sind, ihm angemessen.

Wie also das Ding sich seine Zeit setzt, indem es eine Wirklichkeit enthält, von der die Möglichkeit, oder eine Möglichkeit, von der die Wirklichkeit außer ihm selbst ist, ebenso auch der Begriff, sofern er schlechthin endlich ist. Und wie in Ansehung der Dinge, ebenso ist auch in Ansehung der unmittelbaren Begriffe der Dinge jene unendliche Einheit, in der jede Möglichkeit ihre Wirklichkeit, jede Wirklichkeit ihre Möglichkeit unmittelbar mit und in sich hat, auseinander gezogen im Reflex, ein Verhältnis der Ursache und Wirkung, so daß jeder Begriff zum Dasein bestimmt scheint durch einen andern Begriff, in welchem seine unmittelbare Möglichkeit angeschaut wird, dieser wieder durch einen andern gleicher Art, und so fort ins Unendliche.[487]

Da sonach die endlichen Begriffe die endlichen Dinge selbst und mit ihnen absolut eines sind, so kann auch der Gegensatz des Endlichen und Unendlichen allgemein als der Gegensatz der endlichen Begriffe und des unendlichen Begriffs aller Begriffe ausgedrückt werden, so daß jene zu diesem selbst wie das Reelle zum Ideellen sich verhalten, die Differenz also des Ideellen und Reellen selbst eine Differenz in der Sphäre der Begriffe sei.

Nur aber der von seinem unendlichen Begriff getrennte und in dieser Trennung betrachtete Begriff erscheint zum Dasein bestimmt, seine Idee aber, oder er selbst dem Unendlichen verknüpft, ist in der ewigen Gemeinschaft mit Gott. In den endlichen Begriff aber, sofern er getrennt wird, fällt von dem, was in Gott ewig, ohne Zeit, ist, nur, was zugleich mit ihm sich absondert von der Allheit, und dies wiederum ist bestimmt durch die Möglichkeit anderer Dinge, die ihm selbst in Gott verknüpft ist.

Das Gesetz aber, nach welchem auch nur für sich selbst die Seele sich absondert und zum Dasein bestimmt scheint, würde, weil jede Seele ein Teil ist des unendlichen organischen Leibes, der in der Idee ist, wenn wir es erkennten, einen fernen Blick wenigstens verstauen in die Harmonie jener glanzvollen Welt, die wir hier nur wie durch einen Spiegel erkennen.

Allein ein solches Gesetz zu finden ist ebenso schwer, als es für alle auszusprechen unmöglich.

Die allgemeinsten Gesetze aber, nach welchem die absolute Welt in dem endlichen Erkennen sich entwirft, zu finden, ist ein hohes Ziel des Denkens.

Laß uns daher, Freund, jetzt von dem Punkt aus weiter schließend, den wir zuvor bezeichnet haben, wo nämlich durch Beziehung des unendlichen Erkennens auf ein einzelnes Ding unmittelbar und notwendig der relative Gegensatz des Endlichen und Unendlichen im Erkennen selbst gesetzt ist, jenes Ziel zu erreichen streben. Dann auch werden wir zu dem Ersten und dem Ursprung aller Dinge am sichersten zurückkehren, wenn wir gezeigt haben, daß alle Gegensätze, wodurch endliche Dinge[488] bestimmt und unterschieden sind, durch jene Eine Trennung gesetzt seien, welche selbst nur innerhalb des Ewigen, und nicht in Ansehung des Absoluten, sondern nur in Ansehung des von ihm für sich selbst Abgesonderten, gemacht ist.

Allein damit wir unserer Sache gewiß seien, ist es dir gefällig, daß wir nochmals kurz wiederholen, worüber wir übereingekommen sind?

LUCIAN. In alle Wege.

BRUNO. Das unendliche Erkennen also könne nur als die Seele eines Dings existieren, welches das Endliche unendlich, also das Universum in sich darstellt?

LUCIAN. So ist es; denn jeder Begriff, sagten wir, existiere nur dadurch, daß er der Begriff eines existierenden Dinges sei.

BRUNO. Jenes Ding aber ist notwendig wieder ein Einzelnes, und insofern es als solches existiert, der Zeit und der Dauer unterworfen.

LUCIAN. Freilich.

BRUNO. Die Seele also, deren unmittelbares Objekt es ist, nicht minder?

LUCIAN. Ebenso.

BRUNO. Die Seele also, welche der Begriff dieses Dings (von dieser aber reden wir ferner allein), ist wiederum nur ein Teil der unendlichen Möglichkeit, die in Gott ohne Zeit wirklich ist; in die einzelne Seele fällt aber nur die Wirklichkeit von dem, wovon in ihr selbst die Möglichkeit enthalten ist.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Nahmen wir aber nicht an, daß die Seele das unendliche Erkennen selbst sei?

LUCIAN. Allerdings, wir setzen dies aber, insofern wir sie an sich betrachten; insofern aber als die Seele dieses Dings, setzen wir sie notwendig endlich und der Dauer unterworfen.

BRUNO. Wir haben also notwendig eine gedoppelte Ansicht der Seele?

LUCIAN. Natürlich, denn setzen wir sie bloß als sich beziehend[489] auf dieses, dessen Begriff sie ist, so setzen wir sie nicht als unendliches Erkennen, und bloß als unendlich, so setzen wir sie nicht als Begriff eines existierenden Dinges, mithin selbst nicht als existierend. Wir setzen also notwendig die Seele zugleich als endlich und unendlich.

BRUNO. Das unendliche Erkennen also existiert oder erscheint nur unter der Form der Differenz und Indifferenz.

LUCIAN. So ist es.

BRUNO. Wir setzen aber beide als notwendig vereinigt; die Seele, insofern sie mit dem Leib eins, ja er selbst ist, und die Seele, insofern sie das unendliche Erkennen ist?

LUCIAN. Vereinigt durch den ewigen Begriff, worin Endliches und Unendliches sich gleich sind.

BRUNO. Nur diese Idee ist in Gott, der Gegensatz aber von Differenz und Indifferenz, nur in der Seele selbst, sofern sie existiert.

LUCIAN. Auch dies verhält sich so.

BRUNO. Sagtest du aber nicht, die Seele, in der einen Rücksicht betrachtet, sei mit dem Leib eins, ja der Leib selbst?

LUCIAN. So sagte ich.

BRUNO. Welches Verhältnis also wirst du der als unendlich betrachteten zu der als endlich betrachteten Seele geben?

LUCIAN. Notwendig wiederum das der Seele zu dem Leib.

BRUNO. Wir haben nun also den Gegensatz zwischen Seele und Leib in die Seele selbst versetzt.

LUCIAN. Es scheint so.

BRUNO. Der Seele also, insofern sie endlich ist, werden wir alle Verhältnisse zuschreiben müssen, welche dem Leib notwendig zugeschrieben werden.

LUCIAN. Wir können nicht anders.

BRUNO. Die Seele aber, insofern sie sich auf den Leib bezieht, bestimmten wir als die Möglichkeit, wovon in dem Leib die Wirklichkeit ausgedrückt wäre.

LUCIAN. Ganz richtig.

BRUNO. Müssen wir daher nicht, da wir die Seele, als[490] unmittelbaren Begriff des Leibes, und den Leib selbst als Ein Ding gesetzt haben, jene, insofern sie sich unmittelbar auf den Leib bezieht, der Seele, insofern sie unendlich ist, als Wirklichkeit der Möglichkeit, diese aber jener wie Möglichkeit der Wirklichkeit entgegensetzen?

LUCIAN. Ohne Frage.

BRUNO. Jene Möglichkeit aber setzen wir notwendig als schlechthin unendlich, diese Wirklichkeit dagegen als endlich?

LUCIAN. Wie anders?

BRUNO. Du wirst es also auch zufrieden sein, wenn wir jene den unendlichen Begriff des Erkennens, diese aber, da sie ein Denken in bezug auf ein Sein ist, das Erkennen selbst, und zwar das objektiv existierende Erkennen nennen.

LUCIAN. Warum nicht?

BRUNO. Dieses objektive Erkennen aber, da es als endlich, dem Leib gleich, der Verknüpfung durch Ursache und Wirkung unterworfen, ist notwendig ins Unendliche ein bestimmtes, einzelnes.

LUCIAN. Unleugbar.

BRUNO. Wodurch aber denkst du es bestimmt? Durch etwas außer ihm, oder durch sich selbst?

LUCIAN. Notwendig das letzte.

BRUNO. Du setzest also eine Verknüpfung durch Ursache und Wirkung in ihm selbst, und eine solche, daß jedes einzelne Erkennen bestimmt sei durch ein anderes Einzelnes, dieses wieder durch ein anderes, und so fort ins Unendliche.

LUCIAN. So verhält es sich.

BRUNO. Du setzest eben deswegen jedes Erkennen in dieser Reihe verschieden von dem, wodurch es bestimmt wird, als notwendig different ins Unendliche.

LUCIAN. Es ist nicht anders.

BRUNO. Jenen unendlichen Begriff des Erkennens denkst du als sich selbst gleich, unwandelbar, unabhängig von Zeitlichkeit, unbestimmt durch eine solche Verknüpfung, als wir eben angenommen haben.

LUCIAN. Notwendig.[491]

BRUNO. Du setzest also zwischen dem objektiven Erkennen und dem unendlichen Erkennen jetzt ganz dasselbe Verhältnis als zuvor zwischen Anschauen und Denken.

LUCIAN. Es scheint so.

BRUNO. Du hast aber die Einheit des Ideellen und Reellen in eben diese Einheit des Denkens und des Anschauens gesetzt.

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Du siehest also, daß du für jene Einheit den Ausdruck von einem einzelnen Punkt hergenommen hast, als ob sie auf diesen eingeschränkt wäre. Jedoch desto mehr muß es uns angelegen sein, diesen Punkt zu bestimmen, um seine Würde erkennen zu lernen. Du setzest also, wenn du die Einheit des Anschauens und Denkens setzest, notwendig das objektive Erkennen mit dem unendlichen Begriff des Erkennens gleich?

LUCIAN. So setze ich.

BRUNO. Das objektive Erkennen aber ist endlich nur, sofern es auf den Leib als sein unmittelbares Objekt bezogen wird, unendlich also, insofern es auf den Begriff des Erkennens?

LUCIAN. Es folgt wohl.

BRUNO. Aber dieser ist gleichfalls unendlich?

LUCIAN. Richtig.

BRUNO. Das Bezogene also und das, worauf bezogen wird, sind eins und ununterscheidbar.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Das Unendliche kommt also zu dem Unendlichen, und wie denkst du nun, daß dieses zu sich selber Kommen des Unendlichen sich ausspreche, oder welcher Ausdruck dafür sei?

LUCIAN. Ich.

BRUNO. Du hast den Begriff genannt, mit dem als einem Zauberschlag die Welt sich öffnet.

LUCIAN. Gewiß, er ist Ausdruck der höchsten Absonderung des Endlichen vom Endlichen.

BRUNO. Welche weiteren Bestimmungen aber dieses Begriffs pflegt ihr zu geben?[492]

LUCIAN. Was wir Ich nennen, ist nur jene Einheit des Idealen mit dem Realen, des Endlichen mit dem Unendlichen; diese selbst aber wieder ist nur sein eignes Tun. Das Handeln, wodurch es entsteht, ist zugleich es selbst, es ist folglich nichts unabhängig von diesem Handeln und außer demselben, sondern nur für sich selbst und durch sich selbst. Ebenso auch die an sich ewigen Dinge gelangen in das objektive und zeitliche Erkennen, worin sie durch Zeit bestimmt werden, bloß dadurch, daß das unendliche Denken sich im Endlichen Objekt wird.

BRUNO. Dieses Objektiv werden des unendlichen Denkens aber ist gerade das, was wir eben die Einheit des Endlichen und Unendlichen genannt haben?

LUCIAN. Notwendig, denn was wir in dem endlichen Erkennen oder den Dingen, und was wir im unendlichen Begriff des Erkennens setzen, ist ein und dasselbe, nur angesehen von verschiedenen Seiten, dort objektiv, hier subjektiv.

BRUNO. Auf diesem zugleich subjektiv- und objektiv-, unendlich- und endlich-Sein beruht das Ich.

LUCIAN. Freilich.

BRUNO. So sind also auch die endlichen und erscheinenden Dinge für das Ich nur durch das Ich; denn du sagst, sie gelangen in das zeitliche Erkennen nur durch jenes Objektiv werden des Unendlichen im Endlichen.

LUCIAN. Auch dies ist eben meine Meinung. Bruno. Du siehst, wie genau wir übereinstimmen. Die höchste Absonderung also des Endlichen von dem ihm Gleichen ist die, wo das Endliche in die Einheit und gleichsam die unmittelbare Gemeinschaft mit dem Unendlichen tritt. Da es aber ein Endliches ist, so kann dieses, das Unendliche, die schrankenlose Möglichkeit, die in seinem Denken enthalten ist, in jenem auch nur auf endliche Weise wirklich machen, und was in ihm unendlich vorgebildet ist, in jenem nur endlich zurückstrahlen.

So sondert sich, was im Ewigen Möglichkeit und Wirklichkeit in absoluter Einheit ist, im Objektiven des Ich als Wirklichkeit,[493] im Subjektiven als Möglichkeit ab, in dem Ich selbst aber, welches die Einheit des Subjektiven und Objektiven ist, wird es als Notwendigkeit reflektiert, welche das bleibende Bild der göttlichen Harmonie der Dinge und gleichsam der unbewegliche Widerschein der Einheit ist, aus der sie alle genommen sind. – Bist du nun auch hiermit einverstanden?

LUCIAN. Vollkommen.

BRUNO. Muß nicht eben darum an allen endlich erkannten Dingen der Ausdruck des Unendlichen, aus welchem, und des Endlichen, in welchem sie reflektiert werden, und des Dritten, worin diese eins sind, erkannt werden? – Denn von dem, was im Absoluten das Erste ist, sagten wir schon früher, daß es im Abgebildeten notwendig zum Dritten werde. –

LUCIAN. Unstreitig folgt, was du geschlossen hast.

BRUNO. Die Bestimmungen also und die Gesetze der endlichen Dinge können unmittelbar eingesehen werden, ohne daß wir aus der Natur des Wissens herausgehen. Denn bist du nicht auch hierin meiner Meinung, daß wir das objektive Erkennen nicht für sich ein Wissen nennen können, so wenig als das, was wir ihm entgegengesetzt haben?

LUCIAN. Vielmehr ist das Wissen nur in der Einheit beider.

BRUNO. Notwendig, denn mit allem Wissen ist, außerdem daß es ein wirkliches Erkennen ist, auch noch der Begriff dieses Wissens verbunden; wer weiß, weiß unmittelbar auch, daß er weiß, und dieses Wissen seines Wissens und das Wissen um dieses Wissen seines Wissens ist eins und unmittelbar verbunden mit dem ersten Wissen, aller Rückgang ins Unendliche ist aufgehoben, denn der mit dem Wissen verbundene Begriff des Wissens, der Prinzip des Bewußtseins ist, ist das an und für sich Unendliche selbst.

Jedoch hier gilt es, um diese verwickelten Verhältnisse von innen heraus zu entwickeln, jedes für sich zu betrachten. Das Wissen also, sagtest du, bestehe in der Einheit des objektiven Erkennens mit dem unendlichen Begriff desselben. Das objektive Erkennen aber hast du zuvor dem Anschauen gleichgesetzt, und behauptet, daß es notwendig endlich, auf zeitliche Weise[494] bestimmt und im Gegensatz gegen das Denken different sei. Allein du möchtest kaum ein bloßes Endliches oder reine Differenz setzen können, und wo du es also setzest, geschieht es bloß im Gegensatz gegen ein anderes. Dieses aus Endlichem und Unendlichem verschlungene Wesen aber ganz zu entwirren ist nur dem möglich, welcher einsieht, daß und wie in allem alles enthalten und auch in dem Einzelnen die Fülle des Ganzen niedergelegt ist.

Die Anschauung also ist Endliches, Unendliches und Ewiges, nur im Ganzen untergeordnet dem Endlichen. Das Endliche nun an ihr ist das, was der Empfindung angehört, das Unendliche aber, was an ihr Ausdruck des Selbstbewußtseins ist. Jenes im Gegensatz mit diesem ist notwendig Differenz, dieses im Gegensatz mit jenem Indifferenz, jenes real, dieses ideal; das, worin das Ideale und Reale, die Indifferenz und die Differenz eins sind, ist, was in ihr die Natur des schlechthin Realen oder des Ewigen nachahmt. Glaubst du nun, daß du dieses Ewige in der Anschauung dem Denken entgegensetzen könnest, wie du doch getan hast?

LUCIAN. Freilich sehe ich nicht, wie es möglich ist.

BRUNO. Die Anschauung hast du bestimmt als Differenz, das Denken als Indifferenz?

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Die Anschauung aber in der Anschauung ist weder Differenz noch Indifferenz, sondern das, worin beide eins sind. Wie geschah es also, daß du sie dem Denken entgegen und in der Einheit des Idealen und Realen als das Reale setzen konntest?

LUCIAN. Ich bitte dich, mir dies zu erklären.

BRUNO. Du wolltest die Einheit des Idealen und Realen einschränken auf einen bestimmten Punkt, wie ich dir eben erst bewiesen hatte, und das Reale zu einem wahren Gegensatz des Idealen machen, indes dieser Gegensatz ewig nur ideell ist, und das, was du als das Reale bestimmest, selbst wieder aus einer Einheit des Idealen und Realen besteht, so daß, was an ihm das wahre Reale ist, diese Einheit selbst, das aber, was an ihm auf dem Gegensatz des Idealen und Realen beruht, nur ideelle Bestimmung des Realen ist. Du findest also nirgends ein reines[495] Reales im Gegensatz gegen ein Ideales; was aber das Anschauen insbesondere betrifft, so magst du, um zu finden, daß du mit einer jeden Anschauung, welche sie sei, eine Einheit des Denkens und des Seins setzest, nur dich selbst fragen, was du eigentlich anschauest, wenn du sagst, daß du ein Dreieck oder einen Zirkel oder eine Pflanze anschauest? Ohne Zweifel den Begriff des Dreiecks, den Begriff des Zirkels, den Begriff der Pflanze, und du schaust nie etwas anderes an als Begriffe. Daß du also das, was an sich ein Begriff oder eine Art des Denkens ist, eine Anschauung nennest, davon liegt der Grund darin, daß du ein Denken in ein Sein setzest; das aber, wodurch du es setzest, kann nicht wieder weder ein Denken noch ein Sein, sondern nur das sein, worin sie überall nicht unterschieden sind.

Die absolute Gleichheit nun des Denkens und des Seins in der Anschauung ist der Grund von der Evidenz der geometrischen Anschauung. Das Anschauende aber in allem Anschauen ist das, was keines Gegensatzes von Allgemeinem und Besonderem fähig ist, an sich die absolute Vernunft, und abgesehen von dem, was durch den Reflex im Endlichen hinzukommt, ungetrübte Einheit, höchste Klarheit und Vollkommenheit.

Das aber, was im Reflex hinzukommt, ist, wie bereits gezeigt worden, der relative Gegensatz des Unendlichen, welches die Einheit an ihr ist, und des Endlichen, welches die Differenz; jenes zwar ist der Ausdruck des Begriffs an ihr, dieses des Urteils, jenes das Setzende der ersten, dieses der ersten und zweiten Dimension.

Was nun in der Anschauung undurchsichtig, empirisch, nicht reiner Raum, reine Gleichheit des Denkens und Seins ist, ist das, was an ihr durch jenen relativen Gegensatz bestimmt ist.

Der Grund aber, daß in der Anschauung Endliches, Unendliches und Ewiges dem Endlichen untergeordnet sind, liegt allein in dem unmittelbaren Verhältnis der Seele zu dem Leibe als einzelnem Dinge. Denn da Leib und Seele Ein Ding, beide nur aneinander und durcheinander abgesondert sind von der Allheit, so daß es in bezug auf den unendlichen Begriff völlig gleichgültig[496] ist, den Leib als das endliche Sein oder als den Begriff des endlichen Seins zu bestimmen, im Begriff des Leibes aber notwendig der Begriff anderer Dinge enthalten ist; so ist auch dieser Begriff, d.h. die Seele selbst, sofern sie der Begriff jenes einzelnen existierenden Dings ist, bestimmt durch den Begriff anderer Dinge. Auf diese Weise ist das Untrennbare aus Endlichem, Unendlichem und Ewigem in der Seele dem Endlichen untergeordnet, und dieses Anschauen, welches der Zeit unterworfen, notwendig einzeln und von sich selbst verschieden ist, hast du dem Denken entgegengesetzt. Da aber das Anschauen, so bestimmt, nicht das wahre Anschauen ist, sondern ein verworrener Schein desselben, so folgt auch, daß jene Einheit des Denkens und Anschauens, so wie sie von dir bestimmt und als höchste gesetzt worden ist, einzelner und untergeordneter Art und aus bloßer Erfahrung aufgegriffen sei. Du wirst also diese Enge, in der du dich zuvor festgehalten, indem du die höchste Einheit auf das Bewußtsein eingeschränkt hattest, verlassen, und dich mit mir in den freien Ozean des Absoluten begeben, wo wir uns sowohl lebendiger bewegen, als die unendliche Tiefe und Höhe der Vernunft unmittelbarer erkennen werden.

Auf welche Art nun die Drei-Einigkeit des Endlichen, Unendlichen und Ewigen, wie im Anschauen dem Endlichen, so im Denken dem Unendlichen, in der Vernunft aber dem Ewigen untergeordnet sei, ist noch übrig zu sagen.

Von dem Universum also fällt zu jeder Zeit in die Anschauung nur ein Teil, der Begriff der Seele aber, welcher der Seele unmittelbar, lebendig verknüpft ist, ist der unendliche Begriff aller Dinge. Die Absonderung des objektiven Erkennens von diesem Begriff setzt die Zeit. Das Beziehen aber des endlichen Erkennens auf das unendliche bringt das Wissen hervor, nicht ein absolut zeitloses Erkennen, sondern ein Erkennen für alle Zeit. Durch jene Beziehung wird notwendig die Anschauung mit dem, was in ihr endlich, unendlich und ewig ist, zugleich unendlich und zu einer unendlichen Möglichkeit von Erkenntnis. Das Unendliche aber unendlich gesetzt, ist, was wir Begriff nennen, das Endliche[497] aber unter das Unendliche aufgenommen, erzeugt das Urteil, so wie das Ewige unendlich gesetzt, den Schluß.

Unendlichkeit aber hat in dieser Sphäre alles, obgleich eine bloße Verstandesunendlichkeit. Der Begriff ist unendlich, das Urteil ist unendlich, der Schluß ist unendlich. Denn sie gelten von allen Objekten, und für alle Zeit. Jedes derselben aber muß besonders betrachtet werden.

Das Unendliche nun an der Anschauung, das im Begriff aufs neue unendlich gesetzt wird, ist der Ausdruck des unendlichen Begriffs der Seele, der mit der Seele selbst eins ist; das Endliche der Ausdruck der Seele, sofern sie der unmittelbare Begriff des Leibes und mit ihm eines ist; das Ewige aber dessen, worin jene beiden eines sind. Der unendliche Begriff der Seele nun enthält, wie wir wissen, die unendliche Möglichkeit aller Anschauungen, die Seele, deren unmittelbares Objekt der Leib ist, die unendlich-endliche Wirklichkeit, das aber worin beide eins sind, die unendliche Notwendigkeit.

Da nun der Begriff das unendlich gesetzte Unendliche ist, so ist er die als unendlich gesetzte unendliche Möglichkeit der für sich differenten Anschauungen; das Urteil aber, da es das Endliche unendlich setzt, ist das unendlich Bestimmende der Wirklichkeit, der Schluß aber, da er das Ewige, der Notwendigkeit.

Der Begriff selbst alsdann ist wiederum Begriff, also unendliche Möglichkeit nicht nur des Unendlichen, des Endlichen und des Ewigen, sondern auch des dem Unendlichen, Endlichen und Ewigen untergeordneten Unendlichen, Endlichen und Ewigen, so daß diese ersten drei, mit sich selbst vervielfacht und von sich selbst durchdrungen, die Zahl der Begriffe bestimmen. Hierin liegt ein schwer zu entwickelndes Gewebe und eine bestimmte Artikulation; willst du aber mit mir versuchen, es zu entwirren, so hoffe ich, daß wir zum Ziel kommen werden.

Die Unendlichkeit des Begriffs also ist eine bloße Unendlichkeit der Reflexion, das Schema der Reflexion aber die Linie, welche den Dingen zwar, an denen sie ausgedrückt ist, die Zeit einpflanzt, lebendig aber und tätig gesetzt, wie im objektiven Erkennen, die Zeit selbst ist.[498]

Das Unendliche also, Endliche und Ewige dem Unendlichen untergeordnet, durch welche Art von Begriffen glaubst du, daß sie ausgedrückt seien?

LUCIAN. Notwendig durch Zeitbegriffe, und zwar scheint mir dies so bestimmt zu sein:

Die bloße unendliche Möglichkeit einer Zeit enthält die reine Einheit selbst, die unendlich-endliche Wirklichkeit der Zeit die Differenz oder die Vielheit; die ganze Wirklichkeit der Zeit bestimmt durch die unendliche Möglichkeit ist die Allheit.

BRUNO. Vortrefflich, so daß ich kaum dich aufmerksam zu machen brauche, daß der erste unter diesen Begriffen der quantitativen Indifferenz oder dem Begriffe selbst, der zweite aber, weil er ein Setzen der Indifferenz in die Differenz, eine Aufnahme des Verschiedenen unter das Eine voraussetzt, dem Urteil entspricht, der dritte aber, welcher Totalität, zu den beiden ersten ebenso sich verhält wie zum Begriff und Urteil der Schluß.

Da nun die Einheit auch nicht Einheit ist, die Vielheit nicht Vielheit, ohne daß jene in diese gesetzt, diese in jene aufgenommen wird: so ist das, worin sie eins sind, und was in der Reflexion als Drittes erscheint, notwendig das Erste.

Nimmst du das Relative hinweg, das im Reflex hinzugekommen, so hast du die höchsten Begriffe der Vernunft: absolute Einheit, absoluten Gegensatz, und absolute Einheit der Einheit und des Gegensatzes, welche in der Totalität ist.

Das Unendliche nun, das Endliche und das Ewige dem Endlichen untergeordnet, erzeugen mit ihm folgende Begriffe:

Die unendliche Möglichkeit aller Wirklichkeit für die Reflexion enthält die grenzenlose Realität; die Wirklichkeit des Wirklichen, das, was absolute Nichtrealität, bloße Grenze ist, die Wirklichkeit des Wirklichen durch die ganze Möglichkeit be stimmt, ist in dem, worin das Grenzenlose und die Grenze schlechthin eines sind, und welches absolut betrachtet wieder das Erste und in der Anschauung der absolute Raum ist. Es ist aber offenbar, daß, so wie durch die Zeitbegriffe die Dinge am meisten für den Begriff[499] bestimmt waren, so durch die Raumbegriffe am meisten für das Urteil. Das Unendliche und Endliche aber dem Ewigen verbunden, muß jedes Zwillingsbegriffe erzeugen, weil in der Natur des Ewigen an und für sich schon die des Endlichen und Unendlichen vereinigt ist, jenes aber so, daß je der eine von beiden Begriffen notwendig an der Natur des Endlichen, der andere des Unendlichen teilnehme.

Im Unendlichen also drückt sich die Form des Ewigen durch zwei Begriffe aus, wovon der erste im Reflex selbst wieder Möglichkeit, der andere Wirklichkeit ist, beide verbunden aber, wie sie sind, die Notwendigkeit erzeugen.

Diese Begriffe nennen wir Substanz und Akzidens. In der Endlichkeit aber oder Wirklichkeit spiegelt sich das Ewige durch die Begriffe der Ursache und der Wirkung, wovon jene im Reflex die bloße Möglichkeit der Wirkung, diese aber die Wirklichkeit, beide verbunden die Notwendigkeit sind. Zwischen die Möglichkeit aber und Wirklichkeit tritt in dem Reflex die Zeit, und nur vermöge dieses Begriffs dauern die Dinge. In der Notwendigkeit endlich drückt sich das Ewige durch den Begriff der allgemeinen Wechselbestimmung der Dinge durcheinander aus, und dieses ist die höchste Totalität, welche sich in der Reflexion erkennen läßt.

So wie es uns nun klar geworden ist, daß das Unendliche, Endliche und Ewige, dem Endlichen oder der Differenz untergeordnet, als Raum, dem Unendlichen oder der relativen Einheit, als Zeit erscheine, so ist es offenbar, daß dieselbe Einheit angeschaut unter der Form des Ewigen die Vernunft selbst sei und sich als Vernunft im Begriff ausdrücke.

Woraus auch die Einheit und Verschiedenheit der drei Wissenschaften der Arithmetik, der Geometrie und der Philosophie leicht eingesehen werden möchte.

Den Organismus nun der reflektierten Vernunft im Urteil, welcher, mit dem zuvor bestimmten Unterschied des Urteils vom Begriff, derselbe wie im Begriff ist, weiter zu entwickeln, wäre unnötige Arbeit.

Von dem Schluß aber, welcher das Ewige unendlich setzt, reicht es hin zu bemerken, daß, da in jedem für sich schon Möglichkeit,[500] Wirklichkeit und Notwendigkeit beisammen sind, alle weitere Verschiedenheit in Ansehung desselben sich darauf beschränke, daß die Einheit dieser drei, die in allen Schlüssen sind, entweder unter der Form des Unendlichen, oder des Endlichen, oder des Ewigen, ausgesprochen werde.

Die unendliche Form nun ist die kategorische, die endliche die hypothetische, die am meisten von der Natur des Ewigen hat, die disjunktive. In jedem Schluß aber ist bei aller Verschiedenheit der Obersatz in bezug auf den Untersatz stets kategorisch oder unendlich, der Untersatz hypothetisch und endlich, der Schlußsatz aber disjunktiv und jenes sowohl als dieses in sich vereinigend.

LUCIAN. O bewundernswürdige Form des Verstandes! Welche Lust ist es, deine Verhältnisse zu ergründen, und den gleichen Abdruck des Ewigen von dem Gerüste der körperlichen Dinge an bis herauf zur Form des Schlusses zu erkennen. In deine Betrachtung versenkt sich der Forscher, nachdem er in dir das Abbild des Herrlichsten und Seligsten erkannt hat. In diesem Widerschein bewegen sich die Gestirne und laufen ihre vorgeschriebene Bahn, in ihm sind alle Dinge das, als was sie erscheinen, und dieses notwendig. Der Grund aber dieser Notwendigkeit liegt in ihrer wahren Natur, wovon das Geheimnis bei niemand ist als bei Gott, und unter den Menschen bei dem, der ihn erkennt.

BRUNO. Zur Erkenntnis aber der Prinzipien der Dinge, welche in Gott sind und den Dingen ihre Erscheinung bestimmen, ist es über alles wichtig zu wissen, was dem Reflex angehört, damit nicht, wie es denen geschieht, die aufs geratewohl philosophieren, einiges von dem, was zur Erscheinung gehört, wie es kommt, verworfen, anderes aber als wahr aufgenommen werde, wodurch jene die Philosophie zugleich und das göttliche Wesen verunstalten.

Denn außer dem Absoluten, dessen Natur sie nicht rein erkannt, nehmen sie auch vieles an, was sie brauchen, um das, was sie ihre Philosophie nennen, zustande bringen zu können, ohne Sonderung und Scheidung dessen, was bloß für die Erscheinung, und was in Ansehung Gottes wahr ist. Einige sogar[501] gehen noch tiefer als zur Erscheinung, und nehmen einen Stoff an, dem sie die Form des Außereinander und der unendlichen Mannigfaltigkeit zuschreiben. Absolut aber oder in Ansehung der göttlichen Natur ist nichts außer ihr selbst und dem, wodurch sie vollkommen ist, der absoluten Einheit der Einheit und des Gegensatzes, also zwar der Gegensatz wie die Einheit, aber dieser absolut gleich, ohne Zeit, so daß nirgends eine Trennung, nirgends ein Reflex in Ansehung ihrer selbst ist.

Andere aber bestimmen auch die Erscheinungswelt so, als ob sie der göttlichen Natur entgegengesetzt wäre, da sie doch in Ansehung dieser überhaupt nichts ist. Denn was wir die Erscheinungswelt nennen, ist nicht jenes Endliche, welches auf eine völlig unsinnliche Weise dem Unendlichen in der Idee verknüpft ist, sondern der bloße Widerschein desselben, so wie es in der Idee ist. Da nun außer den erkennbaren Dingen auch die Idee dessen, welches bestimmt war das Universum im sichtbaren Abbild zu erkennen, in dem Universum an und für sich auf ewige Weise enthalten ist, so ist die Idee zwar vor der Erscheinungswelt, aber ohne ihr der Zeit nach voran zu gehen, wie vor den einzelnen erleuchteten Dingen, nicht der Zeit, sondern der Natur nach, das allgemeine Licht, welches, obgleich von unzähligen Dingen zurückgeworfen und von jedem gemäß seiner eignen Natur reflektiert, doch selbst nicht mannigfaltig wird, und in seiner Klarheit ungetrübt alle diese Reflexe in sich versammelt. Die wahre Welt aber ist nicht die, welche das Einzelne im Reflex sich bildet, und wovon es die Idee aus dem nimmt, was über ihm ist, sondern der unbewegliche und harmonische Feuerhimmel, der über allen schwebt und alle umschließt.

Wie nun das Endliche, Unendliche und Ewige dem Endlichen in der Anschauung, dem Unendlichen in dem Denken untergeordnet sei, o Freund, ist uns bisher gelungen zu zeigen.

Es entstehen aber in der Beziehung des objektiven Erkennens auf das unendliche alle jene Begriffe, durch welche die Dinge allgemein und notwendig bestimmt sind, und die daher den Gegenständen voranzugehen scheinen. Kaum aber, vermute ich, wirst du glauben, daß die Dinge unabhängig von diesen Begriffen also bestimmt seien.[502]

LUCIAN. Nimmermehr glaube ich das.

BRUNO. Da sie aber von diesen Bestimmungen nicht getrennt werden können, so sind sie überhaupt nichts unabhängig von jenen Begriffen.

LUCIAN. Schlechthin nichts.

BRUNO. Wie nanntest du aber jene Einheit des objektiven Erkennens mit dem unendlichen Begriff desselben?

LUCIAN. Wissen.

BRUNO. Jene Dinge also werden auch nichts unabhängig von diesem Wissen sein.

LUCIAN. Durchaus nichts. Sie entstehen nur durch das Wissen und sind selbst dieses Wissen.

BRUNO. Vortrefflich. Du siehst, wie wir in allen Punkten übereinstimmen. Die gesamte Erscheinungswelt ist also auch rein bloß aus dem Wissen für sich betrachtet zu begreifen.

LUCIAN. So verhält es sich.

BRUNO. Aus welchem Wissen aber, aus einem solchen, welches an sich reell oder selbst bloß erscheinend ist?

LUCIAN. Notwendig das letzte, wenn nämlich überhaupt das Entgegensetzendes endlichen Erkennens und des unendlichen und das Gleichsetzen desselben zur Erscheinung gehört.

BRUNO. Könntest du nach dem Bisherigen daran zweifeln? – In dieser ganzen Sphäre also des Wissens, die wir zuletzt beschrieben haben, und die durch Beziehung des Endlichen, Unendlichen und Ewigen im Erkennen auf das Unendliche entsteht, waltet eine durchaus untergeordnete Erkenntnisart, welche wir die der Reflexion oder des Verstandes nennen werden.

LUCIAN. Ich bin es zufrieden.

BRUNO. Werden wir auch die Erkenntnis durch Schlüsse für eine wahre Erkenntnis der Vernunft, und nicht vielmehr für eine bloße durch Verstand halten müssen?

LUCIAN. Das letzte wahrscheinlich.

BRUNO. Es ist nicht anders. Denn wenn du im Begriff zwar die Indifferenz, im Urteil die Differenz, im Schluß aber die[503] Einheit beider setzest, so ist doch diese Einheit eine dem Verstande untergeordnete; denn die Vernunft zwar ist in allem, in der Anschauung aber der Anschauung, im Verstande dem Verstande untergeordnet, und wenn in der Vernunft Verstand und Anschauung absolut eines sind, so hast du in dem Schluß zwar im Obersatz das, was dem Verstande, in dem Untersatz das, was der Anschauung entspricht, dort das Allgemeine, hier das Besondere, diese aber auseinandergezogen für den Verstand und im Schlußsatz auch nur vereinigt für den Verstand. Der unseligste Mißgriff also ist es, diese dem Verstand untergeordnete Vernunft für die Vernunft selbst zu halten.

LUCIAN. Ohne Zweifel.

BRUNO. Die Lehre aber, welche durch diese Unterordnung des Ganzen der Vernunft unter den Verstand entsteht, haben die vor uns Logik genannt. Die Logik also, wenn wir diesem Gebrauch folgen, werden wir als eine bloße Verstandeswissenschaft ansehen müssen?

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Welche Hoffnung also zur Philosophie für den, welcher sie in der Logik sucht?

LUCIAN. Keine.

BRUNO. Die Wissenschaft aber vom Ewigen, welche durch diese Erkenntnisart erreicht werden kann, wird Verstandeserkenntnis sein und bleiben?

LUCIAN. So müssen wir denken.

BRUNO. Wie in den drei Formen der Schlüsse das Absolute der Form nach auseinanderfällt in ein Unendliches, Endliches und Ewiges des Verstandes, so der Materie nach in den Schlüssen der dem Verstande dienstbaren Vernunft in Seele, Welt und Gott, welche drei alle voneinander getrennt, jedes geschieden, die höchste Auseinanderziehung des im Absoluten schlechthin Einen für den Verstand vorstellen.

Von allen also, welche in dieser Art der Erkenntnis die Philosophie suchen, das Sein aber des Absoluten auf diesem Wege oder überhaupt beweisen wollen, werden wir urteilen, daß sie noch nicht die Schwelle der Philosophie begrüßt haben.[504]

LUCIAN. Wie billig.

BRUNO. Da uns ferner das, was ein großer Teil der Philosophen vor uns, fast alle aber, die sich jetzt so nennen, für die Vernunft ausgegeben haben, noch unter die Sphäre des Verstandes fällt, so werden wir für die höchste Erkenntnisart eine von jenen unerreichte Stelle haben, und sie als diejenige bestimmen, durch welche Endliches und Unendliches im Ewigen, nicht aber das Ewige im Endlichen oder Unendlichen erblickt wird.

LUCIAN. Vollendet scheint mir dieser Beweis.

BRUNO. Was meinest du also ferner, genügt es dieser höchsten Erkenntnisart, das Endliche nur überhaupt als ideell zu erblicken, da das Ideelle nichts anderes als das Unendliche selbst ist, oder besteht sie nicht vielmehr darin, außer dem Ewigen nichts und das Endliche für sich so wenig im ideellen als reellen Sinne zuzugeben?

LUCIAN. Es folgt wohl.

BRUNO. Wird also nach unserer Meinung ein Idealismus, der es nur in Ansehung des Endlichen ist, überall den Namen der Philosophie verdienen?

LUCIAN. Es scheint nicht.

BRUNO. Kann aber überhaupt irgend eine Erkenntnis für absolut wahr geachtet werden, als eine solche, welche die Dinge bestimmt, so wie sie in jener höchsten Indifferenz des Ideellen und Reellen bestimmt sind?

LUCIAN. Unmöglich.

BRUNO. Alles nun an den Dingen, Freund, was wir reell nennen, ist es durch die Teilnahme am absoluten Wesen, keines aber der Abbilder stellt es in der völligen Indifferenz dar außer dem Einen, worin alles zu der gleichen Einheit des Denkens und Seins, wie im Absoluten, gelangt: der Vernunft, welche sich selbst erkennend, jene Indifferenz, die in ihr ist, allgemein, absolut setzend als den Stoff und die Form aller Dinge, allein unmittelbar alles Göttliche erkennt. Nimmermehr aber wird zur Anschauung seiner unbeweglichen Einheit gelangen, wer sich nicht von dem Widerschein abwenden kann.[505]

Denn jener König und Vater aller Dinge lebt in ewiger Seligkeit außer allem Widerstreit, sicher und unerreichbar in seiner Einheit wie in einer unzugänglichen Burg. Das Innere aber einer solchen Natur, welche an sich weder Denken noch Sein, aber die Einheit davon ist, einigermaßen zu fühlen, vermöchte nur der, welcher mehr oder weniger an ihr Teil nähme. Dieses innere Geheimnis jedoch ihres Wesens, nichts in ihr selbst weder von einem Denken noch einem Sein zu enthalten, aber die Einheit davon zu sein, die über beiden ist, ohne von beiden getrübt zu sein, offenbart sich an der Natur der endlichen Dinge; denn im Reflex tritt die Form auseinander in Ideelles und Reelles, nicht als wäre dieses in jenem zuvor gewesen, sondern damit es als das, was die bloße Einheit davon ist, ohne es selbst zu sein, erkannt würde.

Das Ewige demnach erkennen, heißt, in den Dingen Sein und Denken nur durch sein Wesen vereinigt erblicken, nicht aber, es sei der Begriff als die Wirkung des Dings oder das Ding als Wirkung des Begriffs zu setzen. Dieses ist die weiteste Entfernung von der Wahrheit. Denn Ding und Begriff sind nicht durch Verknüpfung von Ursach und Wirkung, sondern durch das Absolute eins, wahrhaft betrachtet aber nur die verschiedenen Ansichten eines und desselben; denn nichts existiert, was nicht im Ewigen endlich und unendlich ausgedrückt wäre.

Die Natur indes jenes Ewigen an und für sich selbst durch sterbliche Worte auszudrücken ist schwer, da die Sprache von den Abbildern hergenommen und durch den Verstand geschaffen ist. Denn wenn wir das, was keinen Gegensatz über sich oder in sich, allen aber unter sich hat, mit Recht zwar das Eine zu nennen schienen, das da ist: so schließt doch eben dieses Sein keinen Gegensatz in sich gegen das, was in jeder andern Beziehung als das Formelle des Seins bestimmt wird, das Erkennen; denn zur Natur des Absoluten gehört auch, daß die Form in ihm das Wesen, das Wesen die Form sei; da es nun in der Vernunft, als absoluter Erkenntnis, der Form nach ist, so ist es auch dem Wesen nach ausgedrückt in ihr, es bleibt also in Ansehung des Absoluten kein Sein zurück, das einem Erkennen entgegengesetzt werden könnte; wollten wir aber hinwiederum das Absolute als[506] absolutes Erkennen bestimmen, so könnten wir dies abermals nicht in dem Sinn, daß wir dieses absolute Erkennen dem Sein entgegensetzten, denn absolut betrachtet ist das wahre Sein nur in der Idee, hinwiederum aber ist die Idee auch die Substanz und das Sein selbst.

Als Indifferenz aber des Erkennens und Seins ist das Absolute wieder nur in der Beziehung auf die Vernunft bestimmbar, weil allein in dieser Erkennen und Sein als Entgegengesetzte vorkommen können.

Am weitesten jedoch würde sich von der Idee des Absoluten entfernen, wer seine Natur, um sie nicht als Sein zu bestimmen, durch den Begriff der Tätigkeit bestimmen wollte.

Denn aller Gegensatz von Tätigkeit und Sein ist selbst nur in der abgebildeten Welt, indem, abgesehen von dem schlechthin und an und für sich Ewigen, die innere Einheit seines Wesens nur entweder im Endlichen oder im Unendlichen, in beiden aber notwendig auf gleiche Weise erblickt wird, damit so im Reflex wieder aus der Vereinigung beider, der endlichen und der unendlichen Welt, die Einheit als Universum geboren werde.

Weder aber kann das Absolute im Endlichen, noch kann es im Unendlichen reflektiert werden, ohne in jedem die ganze Vollkommenheit seines Wesens auszudrücken, und die Einheit zwar des Endlichen und Unendlichen im Endlichen reflektiert erscheint als Sein, im Unendlichen aber als Tätigkeit, dieselbe aber ist im Absoluten weder als das eine noch als das andere, und weder unter der Form der Endlichkeit noch der Unendlichkeit, sondern der Ewigkeit.

Denn im Absoluten ist alles absolut, wenn also die Vollkommenheit seines Wesens im Realen als unendliches Sein, im Idealen als unendliches Erkennen erscheint, so ist im Absoluten das Sein wie das Erkennen absolut, und indem jedes absolut ist, hat auch keines einen Gegensatz außer sich in dem anderen, sondern das absolute Erkennen ist das absolute Wesen, das absolute Wesen das absolute Erkennen.

Indem ferner die Unbegrenztheit des ewigen Wesens auf gleiche Weise im Endlichen und im Unendlichen reflektiert wird,[507] so müssen beide Welten, in welchen sich die Erscheinung trennt und entfaltet, da sie Eine sind, auch dasselbe enthalten, dasselbe also, was im Endlichen oder im Sein, muß auch im Unendlichen oder in der Tätigkeit ausgedrückt sein.

Was du also in der realen oder natürlichen Welt als Schwere, in der idealen als Anschauung ausgedrückt siehst, oder was an den Dingen vermöge der Trennung des Allgemeinen und Besonderen als relative Einheit und relativer Gegensatz bestimmt, im Denken aber als Begriff und als Urteil bestimmend erscheint, ist ein und dasselbe; weder ist das Ideale als solches Ursache einer Bestimmung im Realen, noch dieses Ursache einer Bestimmung im Idealen; keines auch hat einen Wert vor dem andern, noch ist das eine aus dem andern begreiflich, da keinem die Würde eines Prinzips zukommt, sondern beide, Erkennen wie Sein, sind nur verschiedene Reflexe aus einem und demselben Absoluten.

Wahrhaft daher oder an sich ist die Einheit, die dem Gegensatz des Allgemeinen und des Besonderen an den Dingen und demselben Gegensatz im Erkennen zugrunde liegt, weder Sein noch Erkennen, beide im Gegensatz gedacht.

Wo es aber in jedem für sich, es sei im Realen oder im Idealen, zur absoluten Gleichheit der Entgegengesetzten kommt, ist auch unmittelbar, im Realen und Idealen selbst, die Indifferenz des Erkennens und Seins, der Form und des Wesens ausgedrückt.

Im Idealen zwar oder im Denken reflektiert, erscheint jene ewige Einheit des Endlichen und Unendlichen ausgedehnt in die anfang- und endlose Zeit, im Realen oder im Endlichen stellt sie sich, unmittelbar und notwendig, vollendet als Einheit dar, und ist Raum; obgleich aber nur im Realen, erscheint sie doch als höchste Einheit des Erkennens und Seins. Denn der Raum, wenn er einerseits zwar als höchste Klarheit und Ruhe auch als das höchste Sein erscheint, das, in sich selbst gegründet und vollendet, nicht aus sich herausgeht oder handelt, ist doch andererseits zugleich absolutes Anschauen, höchste Idealität, und insofern, je nachdem auf das Subjektive oder Objektive gesehen wird, deren[508] Gegensatz selbst in Ansehung seiner völlig vertilgt ist, höchste Indifferenz von Tätigkeit und Sein.

Sonst aber verhalten sich Tätigkeit und Sein in allen Dingen wie Seele und Leib; daher auch das absolute Erkennen, obgleich es ewig bei Gott und Gott selbst ist, doch nicht wie Tätigkeit gedacht werden kann. Denn von ihm sind Seele und Leib, Tätigkeit also und Sein, selbst die Formen, die nicht in ihm, sondern unter ihm sind; und wie das Wesen des Absoluten im Sein reflektiert der unendliche Leib, so ist dasselbe im Denken oder in der Tätigkeit reflektiert, als unendliches Erkennen, die unendliche Seele der Welt, im Absoluten aber kann sich weder die Tätigkeit wie Tätigkeit noch das Sein wie Sein verhalten.

Wer daher den Ausdruck fände für eine Tätigkeit, die so ruhig wie die tiefste Ruhe, für eine Ruhe, die so tätig wie die höchste Tätigkeit, würde sich einigermaßen in Begriffen der Natur des Vollkommensten annähern.

So wenig aber genügt es, das Endliche, Unendliche und Ewige im Realen, als es im Idealen erkennen, und nimmer erblickt die Wahrheit an und für sich selbst, wer sie nicht im Ewigen anschaut.

Die Trennung aber der beiden Welten, jener, welche das ganze Wesen des Absoluten im Endlichen, und jener, welche es im Unendlichen ausdrückt, ist auch die des göttlichen von dem natürlichen Prinzip der Dinge. Denn dieses zwar erscheint als leidend, jenes aber als tätig. Weshalb die Materien z.B. wegen ihrer leidenden und empfänglichen Natur dem natürlichen Prinzip anzugehören, das Licht aber wegen seiner schaffenden und tätigen göttlicher Art scheint.

Selbst aber das Einzelne, welches in der dem Endlichen unterworfenen Welt oder auch in der dem Unendlichen durch seine Art zu sein am unmittelbarsten die Natur des Absoluten ausdrückt, kann so wenig wie dieses bloß als Sein oder bloß als Tätigkeit begriffen werden.

Wo nur Seele und Leib gleichgesetzt sind an einem Ding, ist an ihm ein Abdruck der Idee, und wie diese im Absoluten auch das[509] Sein und das Wesen selbst ist, so ist in jenem, dem Abbild, die Form auch die Substanz, die Substanz die Form.

Von dieser Art ist unter den realen Dingen der Organismus, unter den idealen das, was durch Kunst hervorgebracht und schön ist, indem jener das Licht oder die im Endlichen, dieses aber das Licht jenes Lichtes oder die im Unendlichen ausgedrückte ewige Idee, als das göttliche Prinzip, dem Stoffe, als dem natürlichen, verbindet. Nur jener, weil er notwendig als ein einzelnes Ding erscheint, hat zu der absoluten Einheit noch immer das Verhältnis, welches auch die Körper, indem sie schwer sind, das Verhältnis nämlich der Differenz. In seiner Form also ist Tätigkeit und Sein zwar immer gleichgesetzt (so daß das Handelnde auch das Bestehende, und hinwiederum das Bestehende auch das Handelnde ist), aber, sofern er einzeln ist, ist die Gleichheit nicht durch ihn selbst, sondern bewirkt durch die Einheit, zu der er sich, für sich selbst, wie zu seinem Grunde verhält. Weshalb auch jene beiden in ihm noch nicht zur höchsten Ruhe in der höchsten Tätigkeit, sondern nur zur Wirksamkeit, als einem Mittleren oder Gemeinschaftlichen aus Bestehen und aus Handeln, vereinigt erscheinen.

Die Welt aber, in welcher Sein durch Tätigkeit, Endliches durch Unendliches gesetzt scheint, wird der Natur, wo dieses vielmehr in jenem und durch jenes ist, entgegengesetzt, und als die Welt und gleichsam als die durch Freiheit gebaute Stadt Gottes betrachtet.

Durch diese Entgegensetzung haben die Menschen gelernt, die Natur außer Gott, Gott aber außer der Natur zu sehen, und, indem sie jene der heiligen Notwendigkeit entzogen, sie der unheiligen, welche sie mechanisch nennen, untergeordnet, die ideale Welt aber eben dadurch zum Schauplatz einer gesetzlosen Freiheit gemacht. Zugleich, indem sie jene als ein bloß leidendes Sein bestimmten, glaubten sie sich das Recht erworben zu haben, Gott, den sie über die Natur erheben, als reine Tätigkeit, lautere Aktuosität zu bestimmen, als ob nicht der eine dieser Begriffe mit dem andern stünde und fiele, keiner aber Wahrheit für sich hätte.

Sagt man ihnen aber, daß die Natur nicht außer Gott, sondern[510] in Gott sei, so verstehen sie darunter diese eben durch die Trennung von Gott getötete Natur, als ob diese überhaupt etwas an sich, oder überhaupt etwas anderes als ihr selbst gemachtes Geschöpf wäre.

So wenig aber als der natürliche Teil der Welt ist auch der freie etwas getrennt von dem, worin beide nicht sowohl eines als vielmehr überhaupt nicht gesondert sind. Unmöglich aber ist, daß sie in dem, worin beide eines sind, durch das seien, wodurch sie außer ihm sind, der eine also durch Notwendigkeit, der andere durch Freiheit.

Die höchste Macht also oder der wahre Gott ist der, außer welchem nicht die Natur ist, so wie die wahre Natur die, außer der nicht Gott ist.

Jene heilige Einheit nun, worin Gott ungetrennt mit der Natur ist, und die im Leben zwar als Schicksal erprobt wird, in unmittelbarer, übersinnlicher Anschauung zu erkennen, ist die Weihe zur höchsten Seligkeit, die allein in der Betrachtung des Allervollkommensten gefunden wird.

Das Versprechen nun, das ich euch getan, im allgemeinen, so viel ich vermöchte, den Grund der wahren Philosophie zu enthüllen, glaube ich erfüllt und in verschiedenen Gestalten immer das Eine aufgezeigt zu haben, welches Gegenstand der Philosophie ist.

Wie aber auf diesem Grunde weiter gebaut und der göttliche Keim der Philosophie zur höchsten Entwicklung gebracht werden könne, und welche Form ihr einer solchen Lehre zukommend glaubt, mögt ihr selbst ferner erforschen.

ANSELMO. Gar sehr aber, o Vortrefflicher, scheint es mir, daß wir uns um die Formen zu bekümmern haben; denn obwohl überhaupt, nicht im Allgemeinen nur das Höchste zu erkennen, sondern es in dauernden und bleibenden Zügen der Natur und mit unveränderlicher Festigkeit und Klarheit darzustellen, das ist, was die Kunst zur Kunst, die Wissenschaft zur Wissenschaft erhebt und von der Liebhaberei unterscheidet, so ist doch insbesondere die Materie des Edelsten und Herrlichsten, wovon die Philosophie ist, solange sie der Form und Gestalt entbehrt, der[511] Verderblichkeit nicht entzogen, und vielleicht haben die unvollkommeneren Formen vergehen, der edle Stoff aber, der an sie gebunden war, nachdem er von ihnen befreit worden, mit unedelm versetzt, verflüchtigt und zuletzt völlig unkenntlich gemacht werden müssen, um zu dauernderen und weniger wandelbaren Formen aufzufordern.

Niemals aber scheint der Stoff der Philosophie dem Wechsel unterworfener gewesen zu sein, als eben zu dieser Zeit unter uns, wo zugleich mit der regsten Unruhe nach dem Unvergänglichen gestrebt wird. Denn indes er einigen in dem Untrennbarsten und Einfachsten gefunden wird, ist er bei jenen in Wasser übergegangen, bei diesen aber in dürren Sand, andern aber wird er immer dünner, durchsichtiger und gleichsam luftähnlicher.

Weswegen es wenig zu verwundern, wenn die meisten die Philosophie nur meteorischer Erscheinungen fähig halten, und auch die größeren Formen, in denen sie sich geoffenbart hat, das Schicksal der Kometen bei dem Volk teilen, das sie nicht zu den bleibenden und ewigen Werken der Natur, sondern zu den vergänglichen Erscheinungen feuriger Dünste zählt.

Daher es ferner von den meisten fast angenommen ist, daß es verschiedene Philosophien geben könne, ja beinahe daß von allen, die überhaupt sich bestreben zu philosophieren, ein jeder notwendig seine besondere Philosophie habe. Übermächtig aber drückt alle die Zeit, sie sind in einen und denselben Ring geschmiedet und gehen nur so weit als die Kette reicht, die sich aber am weitesten entfernen wollen, fallen in der Regel am tiefsten zurück.

Genau betrachtet leiden sie alle unter demselben Übel, daß sie nur Eine Erkenntnisart kennen, die, welche von der Wirkung auf die Ursache schließt. Nachdem sie nun bloß die dem Verstande dienstbare Vernunft gerichtet, und damit von der Vernunft selbst bewiesen zu haben glauben, daß sie nur in unvermeidliche Fehlschlüsse und eitle Widersprüche verwickele, so sind sie berechtigt, aus ihrer Scheu vor der Vernunft die Philosophie selbst zu machen. Wollen sie aber diese Schranken überschreiten, so fürchten sie sich doch vor nichts so sehr als dem Absoluten, so wie vor[512] der kategorischen und apodiktischen Erkenntnis. Sie können keinen Schritt tun, ohne vom Endlichen auszugehen und von diesem aus fortzuschließen, wie es kommt, ob sie zu etwas gelangen mögen, das schlechthin und durch sich selbst wäre. Was sie aber auch als Absolutes setzen, setzen sie notwendig und immer mit einem Gegensatz, damit es nicht zum Absoluten werde. Zwischen jenem aber und dem Entgegengesetzten gibt es wiederum kein anderes als das Verhältnis der Ursache und der Wirkung, und unter allen Formen wiederholt sich doch Ein Beginnen, Ein Streben, nicht die Einheit dessen zuzugeben, was sie im Verstande getrennt haben, und die angeborene und unüberwindliche Entzweiung ihrer Natur zur Philosophie selbst zu machen.

Doch dieses gilt von dem Pöbel der jetzt Philosophierenden. Selbst aber das Bessere, was dieses Zeitalter getragen hat, und was noch für das Höchste gilt, hat sich in der Darstellung und dem Verständnis der meisten in eine bloße Negativität verwandelt. Sie würden das Endliche vollkommen durch die Form erklären, verweigerte nicht das Ewige hartnäckig den Stoff. Ihre Philosophie besteht in dem Beweis, daß, was allerdings nichts ist, die Sinnenwelt, wirklich nichts sei, und diese nur dem Nichts gegenüber kategorische Philosophie nennen sie Idealismus.

Die großen und wahren Formen aber sind mehr oder weniger verschwunden. Der Stoff der Philosophie ist von der Natur des Unzerlegbarsten, und in jeder Form ist nur so viel Wahres und Rechtes, als sie von dieser Unzerlegbarkeit in sich hat. Gleichwie aber der Eine Schwerpunkt der Erde doch von vier verschiedenen Seiten angesehen werden kann, und der Eine Urstoff durch vier Metalle, gleich edel, gleich untrennbar, sich darstellt, so hat auch jenes Unzerlegbare der Vernunft vorzüglich in vier Formen sich ausgesprochen, welche gleichsam die vier Weltgegenden der Philosophie bezeichnen; denn der Westwelt zwar scheint das zu gehören, was die Unsrigen Materialismus genannt haben, dem Orient aber das, was Intellektualismus, südlich aber können wir den Realismus nennen, nördlich den Idealismus. Das Eine Metall aber der Philosophie, welches in allen dasselbe ist, in seiner Reinheit und Gediegenheit zu erkennen, ist das Ziel des höchsten[513] Strebens. Wichtig aber scheint mir, diese besondern Formen und ihre Schicksale zu kennen, dem, der sich über sie erheben will, angenehm dem, der sich über sie erhoben hat. Deswegen, gefällt es euch, so ist meine Meinung, daß Alexander zwar die Geschichte jener Philosophie, welche das ewige und göttliche Prinzip in der Materie erkennt, ich dagegen das Wesen jener Lehre der Intellektualwelt eröffne, Lucian aber und du, Bruno, die Gegensätze des Idealismus und Realismus in Betrachtung ziehet.

Denn so scheint sich mir das Gebäude unseres Gesprächs am vollkommensten zu wölben, wenn wir zeigen, wie die eine Idee, welche wir gelehrt worden sind in der Philosophie vor allen vorauszusetzen und zu suchen, allen Formen und den noch so verschiedenen Äußerungen der sich in Philosophie gestaltenden Vernunft zugrunde gelegen habe.

ALEXANDER. Die Schicksale also jener Lehre betreffend, o Freunde, die von der Materie den Namen hat, so kann ich mich kurz fassen, zu zeigen, daß sie keine andern sind, als welche im Lauf der Zeit jede andere spekulative Lehre nicht minder erfahren hat, und daß auch jene nur in dem Untergang der Philosophie selbst den ihrigen gefunden. Denn was uns über den Sinn jener Lehre von den Alten überliefert worden, ist hinreichend, uns zu belehren, daß sie die Keime der höchsten Spekulation mehr oder weniger entwickelt in sich getragen.

Die wahre Idee aber der Materie ist frühzeitig verloren gegangen und zu jeder Zeit nur wenigen bekannt gewesen.

Sie ist die Einheit des göttlichen und natürlichen Prinzips selbst, schlechthin einfach also, unwandelbar, ewig.

Die Nachfolgenden aber und schon Plato haben unter Materie das bloße Subjekt der natürlichen und veränderlichen Dinge verstanden, dieses jedoch ist schlechthin nichts, was zum Prinzip gemacht werden könnte; das Eine aber, das über allen Gegensatz erhoben, und an welchem erst, was an den Dingen natürlich, und was göttlich ist, sich unterscheidet und entgegengesetzt wird, ist das, was die Urheber dieser Lehre die Materie genannt haben.

Noch spätere Zeitalter haben Materie mit Körper verwechselt[514] und das, was seiner Natur nach verderblich und vergänglich ist, mit dem Unverderblichen und Unvergänglichen vermischt.

Nachdem es einmal so weit gekommen, war es leicht, auch noch die rohe unorganische Masse für die wahre ursprüngliche Materie zu nehmen. Die Idee aber der Materie liegt nicht da, wo sich Organisches und Unorganisches schon getrennt haben, sondern in dem, worin sie beisammen und eines sind. Welcher Punkt aber eben deswegen nicht mit sinnlichen Augen, sondern nur mit Augen der Vernunft zu erblicken ist.

Die Art aber, wie aus dieser Einheit alle Dinge hervorgegangen sind, ist auf folgende Weise vorzustellen.

Die Materie ist an sich ohne alle Mannigfaltigkeit. Sie enthält alle Dinge, aber eben deswegen ohne alle Unterscheidbarkeit, ungetrennt, gleichsam als eine unendliche in sich verschlossene Möglichkeit. Das nun, wodurch alle Dinge eins sind, ist eben die Materie selbst, das aber, wodurch verschieden, und wodurch sie jedes sich von den andern absondern, ist die Form. Die Formen aber alle sind vergänglich, nicht ewig; ewig aber und gleich unvergänglich mit der Materie selbst ist die Form aller Formen, die notwendige und erste Form, die, weil sie die Form aller Formen ist, wiederum keiner besondern ähnlich oder gleich, schlechthin einfach, unendlich, unwandelbar und eben dadurch der Materie gleich sein muß. Es ist aber von ihr keine Form ausgeschlossen, so daß sie unendlich fruchtbar an Formen, die Materie aber für sich selbst arm ist; daher die Alten, indem sie aus Reichtum und Armut Eros erzeugt, durch diesen aber die Welt gebildet sein ließen, damit eben jenes Verhältnis der Materie zu der ursprünglichen Form angedeutet zu haben scheinen.

Für diese also liegt in der Materie die unendliche Möglichkeit aller Formen und Gestalten, diese aber, die in ihrer Armut vortrefflich, ist allen gleich genügend, und indem in Ansehung des Vollkommensten Möglichkeit und Wirklichkeit ohne Zeit eins sind, so sind auch alle jene Formen von Ewigkeit in ihr ausgedrückt und in Ansehung ihrer zu jeder Zeit, oder vielmehr ohne alle Zeit, wirklich.[515]

Durch die Form aller Formen also kann das Absolute alles sein, durch das Wesen ist es alles. Die endlichen Dinge als solche sind zwar zu jeder Zeit, was sie in diesem Augenblick sein können, nicht aber was sie ihrem Wesen nach sein könnten. Denn das Wesen ist in allen jederzeit unendlich, deswegen sind die endlichen Dinge diejenigen, in welchen Form und Wesen verschieden, jene endlich, dieses unendlich ist. Das aber, worin Wesen und Form schlechthin eins sind, ist immer, was es sein kann, jederzeit und auf einmal, ohne Unterschied der Zeit, ein solches aber kann nur Eines sein.

Durch dieselbe Verschiedenheit auch wird das Dasein der einzelnen Dinge ein zeitliches, denn da sie mit einem Teil ihrer Natur unendlich, mit dem andern endlich sind, so enthält jener zwar die unendliche Möglichkeit alles dessen, was in ihrer Substanz der Potenz nach liegt, dieser aber von jener Möglichkeit notwendig und immer nur einen Teil, damit Form und Wesen verschieden seien; das Endliche an ihnen ist also nur in der Unendlichkeit jenem, dem Wesen, angemessen. Diese unendliche Endlichkeit aber ist die Zeit, von der das Unendliche des Dings die Möglichkeit und das Prinzip, das Endliche die Wirklichkeit enthält.

Auf diese Weise geht das Absolute, da es für sich selbst eine absolute Einheit, schlechthin einfach, ohne alle Vielheit ist, in der Erscheinung zwar über in eine absolute Einheit der Vielheit, in eine beschlossene Totalität, was wir Universum nennen. So ist die Allheit Einheit, die Einheit Allheit, beide nicht verschieden, sondern dasselbe.

Damit aber nicht jene Form aller Formen, welche wir zwar allerdings mit andern das Leben und die Seele der Welt nennen könnten, von jemand als Seele, die der Materie als dem Leib entgegengesetzt ist, gedacht werde, so muß wohl bemerkt werden, daß die Materie nicht der Leib ist, sondern das, woran der Leib und die Seele existieren. Denn der Leib ist notwendig sterblich und vergänglich, das Wesen aber unsterblich und unvergänglich. Jene Form aber der Formen, absolut betrachtet, ist nicht der Materie entgegengesetzt, sondern eins mit ihr, in der Beziehung aber auf das Einzelne setzt sie, weil dieses nie ganz ist, was es sein kann,[516] notwendig und immer einen Gegensatz, welcher der des Unendlichen und Endlichen ist, und dieser selbst ist der der Seele und des Leibes.

Seele und Leib also sind selbst begriffen in jener Form aller Formen, diese aber, welche, weil sie einfach ist, alles, und weil sie alles ist, eben deswegen nichts insbesondere sein kann, ist mit dem Wesen schlechthin eins. Die Seele also als solche ist der Materie notwendig untergeordnet, dem Leib aber entgegengesetzt unter jener.

Auf diese Art demnach, wie es auseinandergesetzt ist, sind alle Formen der Materie eingeboren, Form aber und Materie in allen Dingen notwendig Ein Ding. Welches einige, nachdem sie gesehen, wie in allen Dingen Materie und Form sich suchen, bildlich so ausgedrückt haben: die Materie begehre auf ähnliche Weise, wie das Weib des Mannes begehrt, der Form, und sei ihr brünstig zugetan; einige aber, weil absolut zwar betrachtet Materie und Form gänzlich ununterscheidbar sind, die Materie aber, sofern sie in dem Endlichen ausgedrückt und Leib wird, der Differenz empfänglich erscheint, im Unendlichen aber, oder sofern sie Seele wird, als Einheit, haben nach dem Vorgang der Pythagoreer, welche die Monas den Vater, die Dyas aber die Mutter der Zahlen genannt haben, die Form den Vater, die Materie aber die Mutter der Dinge genannt. Der Punkt aber, wo Materie und Form völlig eins, Seele und Leib aber in dieser Form selbst ununterscheidbar sind, liegt über aller Erscheinung.

Nachdem wir einmal zu der Erkenntnis gelangt sind, wie an der Materie Seele und Leib sich trennen können, so begreifen wir ferner, daß es mit dem Fortgang dieser Entgegensetzung keine Grenze hat; zu welcher Vortrefflichkeit aber in derselben die Seele und der Leib gelangen mögen, so geschieht doch diese Entwicklung nur innerhalb des alles umschließenden und ewigen Prinzips der Materie.

Es ist Ein Licht, das in allem leuchtet, und Eine Schwerkraft, welche dort die Körper den Raum erfüllen lehrt, dort den Hervorbringungen des Denkens Bestand und Wesen gibt. Jenes ist der Tag, diese die Nacht der Materie. So unendlich ihr Tag ist, so[517] unendlich auch ihre Nacht. In diesem allgemeinen Leben entsteht keine Form äußerlich, sondern durch innere, lebendige und von ihrem Werk ungetrennte Kunst. Es ist Ein Verhängnis aller Dinge, Ein Leben, Ein Tod; nichts schreitet vor dem andern heraus, es ist nur Eine Welt, Eine Pflanze, von der alles, was ist, nur Blätter, Blüten und Früchte, jedes verschieden, nicht dem Wesen, sondern der Stufe nach, Ein Universum, in Ansehung desselben aber alles herrlich, wahrhaft göttlich und schön, es selbst aber unerzeugt an sich, gleich ewig mit der Einheit selbst, eingeboren, unverwelklich.

Da es zu jeder Zeit ganz, vollkommen, die Wirklichkeit in ihm der Möglichkeit angemessen, nirgends ein Mangel, ein Gebrechen, so ist nichts vorhanden, wodurch es aus seiner unsterblichen Ruhe gerissen werden könnte. Es lebt ein unveränderliches, sich immer gleiches Sein. Alle Tätigkeit und Bewegung ist nur eine Betrachtungsweise des Einzelnen und als solche nur Fortsetzung jenes absoluten Seins, unmittelbar hervorquellend aus seiner tiefsten Ruhe.

So wenig es sich bewegen kann, denn aller Raum und alle Zeit, worin es sich bewegen sollte, ist in ihm, es selbst aber in keiner Zeit begriffen und keinem Raum, ebensowenig kann es seine innerliche Gestalt wandeln; denn auch alle Verwandlung, Veredlung und Verunedlung der Formen ist bloß in der Betrachtung des Einzelnen; könnten wir es aber im Ganzen erblicken, so würde es dem entzückten trunkenen Auge ein stets, unveränderlich heiteres, sich selbst gleiches Antlitz zeigen.

Von jenem Wechsel aber, der bei dem Unvergänglichen ist, kann man weder sagen, daß er angefangen, noch daß er nicht angefangen habe. Denn er ist abhängig vom Ewigen, nicht der Zeit, sondern der Natur nach. Er ist also auch nicht endlich der Zeit, sondern dem Begriff nach, d.h.: er ist ewig endlich. Dieser ewigen Endlichkeit aber kann niemals eine Zeit angemessen sein, so wenig eine solche, die angefangen, als die nicht angefangen hat. Die Zeit aber, die alles getötet hat, und jenes besondere Alter der Welt, das die Menschen gelehrt hat, das Endliche von dem Unendlichen, den Leib von der Seele, das Natürliche von dem[518] Göttlichen zu trennen, beide aber in zwei ganz verschiedene Welten zu verbannen, hat auch jene Lehre in das allgemeine Grab der Natur und den Tod aller Wissenschaften verschlungen.

Nachdem nun vorerst die Materie getötet, das rohe Bild an die Stelle des Wesens gesetzt war, so ging es von selbst weiter bis zu der Meinung, daß alle Formen der Materie äußerlich aufgedrückt seien: da sie bloß äußerlich wären und außer ihnen nichts Unvergängliches, so mußten sie auch unveränderlich bestimmt sein; auf diese Weise wurde die innere Einheit und Verwandtschaft aller Dinge vernichtet, die Welt in eine unendliche Menge fixierter Verschiedenheiten zersplittert, bis sich von hieraus die allgemeine Vorstellung bildete, nach welcher das lebendige Ganze einem Behältnis oder einem Wohngemach gleicht, worein die Dinge gestellt sind, ohne aneinander teilzunehmen und ohne daß eins in dem andern lebte oder wirkte.

Indem jene Anfänge der Materie tot waren, war der Tod als Prinzip, das Leben aber als Abgeleitetes beschlossen.

Nachdem die Materie diesem Tode sich gefügt hatte, so blieb, um den letzten Zeugen ihres Lebens zu verbannen, nichts übrig, als jenen allgemeinen Geist der Natur, die Form aller Formen, das Licht, zu einem gleichen körperlichen Wesen zu machen und mechanisch, wie alles, zu trennen; da auf diese Weise das Leben in allen Organen des Ganzen erloschen, und auch die lebendigen Erscheinungen der Körper untereinander auf tote Bewegungen zurückgeführt waren, so war nun der höchste und letzte Gipfel übrig, nämlich der Versuch, diese bis in ihr Innerstes erstorbene Natur mechanisch ins Leben zurückzurufen, welches Bestreben in den nachfolgenden Zeiten Materialismus hieß, und wenn der Wahnsinn desselben nicht so viel vermochte, die, welche ihn erkannten, zur ersten Quelle zurückzuleiten, wenn er vielmehr nur dazu diente, den Tod der Materie noch weiter zu bestätigen und außer allen Zweifel zu setzen, so hat er statt dessen eine Roheit der Vorstellung von der Natur und ihrem Wesen hervorgebracht, in bezug auf welche jene sonst roh genannten Völker ehrwürdig werden, welche die Sonne, die Gestirne, das Licht, oder Tiere oder einzelne Naturkörper anbeteten.[519]

Weil aber das Leben aus den Gedanken der Menschen so wenig je ganz entfliehen kann als aus dem Universum selbst, und nur seine Formen verwandelt, so flüchtete es sich unmittelbar aus der Natur in eine dem Schein nach verschiedene Welt, und so erhob sich aus dem Untergange jener Philosophie unmittelbar das neue Leben jener uralten Lehre der Intellektualwelt.

ANSELMO. Nicht mit Unrecht, o Freund, rühmst du das hohe Alter jener Lehre, daß alle Dinge im Universum nur durch Mitteilung und Verursachung solcher Naturen, die vollkommener und vortrefflicher als sie selbst sind, ihr Dasein erhalten. Und mit Grund möchte jemand, der bedächte, daß die Kenntnis der ewigen Dinge nur bei den Göttern sei, zu der Meinung gelangen, daß sie aus jenen Zeiten stamme, wo die Sterblichen mit den Göttern Umgang pflogen, auch war sie in ihrem Ursprung und da, woher sie zuerst geflossen, weder getrennt von der Verehrung der Götter noch einem heiligen und ihrer Erkenntnis gemäßen Leben.

Dreifach also, o Freunde, ist der Wesen Stufe. Die erste ist die der erscheinenden, welche nicht an sich, wahrhaft, und unabhängig von den Einheiten, sind, welche die zweite Stufe einnehmen. Jede derselben aber ist nur ein lebendiger Spiegel der urbildlichen Welt. Diese jedoch ist das einzige Reale.

Alles wahrhafte Sein also ist in den ewigen Begriffen allein oder in den Ideen der Dinge. Wahrhaft absolut aber ist nur ein solches Urbild, welches nicht bloß Vorbild ist und den Gegensatz außer sich in einem andern hat oder hervorbringt, sondern welches Vorbild zugleich und Gegenbild auf solche Weise in sich vereinet, daß jedes aus ihm abgebildete Wesen unmittelbar aus ihm, nur mit eingeschränkter Vollkommenheit, die Einheit und den Gegensatz, und von dem Vorbilde die Seele, von dem Gegenbild aber den Leib nehme.

Dieses jedoch, da es notwendig endlich, ist in dem, worin es von Ewigkeit bei dem Vorbild ist, ohne Nachteil der Endlichkeit auf unendliche Weise ausgedrückt.

Die Idee also oder die absolute Einheit ist das Unveränderliche,[520] keiner Dauer Unterworfene, die Substanz schlechthin betrachtet, von der, was insgemein Substanz genannt wird, als ein bloßer Widerschein angesehen werden muß.

Die Einheiten aber sind das von den Ideen Abgeleitete; denn wird auf die Substanz zwar in ihnen gesehen, auf diese aber, wie sie an sich ist, so sind sie die Ideen selbst, auf das aber an ihnen, wodurch sie individuiert oder abgesondert sind von der Einheit, und die Substanz, sofern sie an diesem das Reale ist, so bleibt diese zwar auch im Schein, wie die körperliche Substanz, die, so vielfach sich ihre Form wandelt, selbst nicht verändert, und weder vermehrt noch vermindert wird, der Natur des Unveränderlichen getreu; jenes aber das Individuierende ist notwendig wandelbar, ohne Bleiben und sterblich.

Wenn also in der Idee eine unendliche Einheit ist der vorbildlichen und realen Welt, so entsteht die abgebildete Einheit aus ihr, wenn ein Begriff aus der unendlichen Fülle der gegenbildlichen Welt sich ein Einzelnes nimmt, worauf er sich bezieht, in welchem Fall er zu diesem sich wie die Seele zum Leib verhält. Je größer nun jener Teil der gegenbildlichen Welt, und je mehr in ihm das Universum angeschaut wird, je mehr also das Gegenbild, welches endlich ist, der Natur des Vorbilds gleich kommt, desto mehr nähert sich auch die Einheit der Vollkommenheit der Idee oder der Substanz.

Was sich aber wie das Gegenbild verhält, hat immer und notwendig eine bestimmbare Natur, das aber, welchem es entspricht, eine bestimmende. Da nun in der Idee aller Ideen beide schlechthin eines sind, sie selbst aber das Leben des Lebens, das Tun alles Tuns ist (denn nur weil sie das Tun selbst ist, kann von ihr nicht gesagt werden, daß sie handle), so kann jenes zwar an ihr als das Wollen, dieses aber als das Denken betrachtet werden.

So daß, indem an jedem Ding einiges bestimmbar, anderes bestimmend ist, jenes der Ausdruck des göttlichen Wollens, dieses des göttlichen Verstandes ist. Wille jedoch und Verstand ist, das eine wie das andere, nur sofern es sich an den geschaffenen[521] Dingen offenbaret, nicht aber an sich selbst. Was aber das Bestimmende mit dem Bestimmbaren vereinigt, ist die Nachahmung der absoluten Substanz selbst oder der Idee.

Wo nun das Vorbildliche und wo das Gegenbildliche anfange oder aufhöre, ist unmöglich zu sagen. Denn da jedes mit dem andern in der Idee unendlich verknüpft ist, so kann es auch in nichts getrennt sein, und ist notwendig und ins Unendliche beisammen.

Was also in der einen Rücksicht Bestimmbares ist, ist in sich selbst wieder eine der urbildlichen ähnliche Einheit, und was an dieser wieder als das Bestimmbare erscheint, ist für sich betrachtet eine aus Bestimmbarem und Bestimmendem gemischte Einheit. Denn so unendlich die Wirklichkeit in der gegenbildlichen, ist die Möglichkeit in der vorbildlichen Welt, und immer höhere und höhere Beziehungen entstehen der Möglichkeit in jener auf die Wirklichkeit in dieser.

Je mehr demnach das Bestimmbare an einem Wesen von der Natur des Bestimmenden hat, welches unendlich, desto höher ist die Einheit der Möglichkeit und der Wirklichkeit, die in ihm ausgedrückt ist. Daher daß die organischen Leiber, und unter diesen der, welcher am meisten organisch ist, von allem Bestimmbaren das Vollkommenste seien, keines Beweises bedarf.

Indem nun die Seele unmittelbar bloß die Einheit des Leibes ist, welcher notwendig einzeln, seiner Natur nach endlich, sind auch ihre Vorstellungen notwendig undeutlich, verworren, unangemessen. Denn insofern erscheint ihr die Substanz nicht an sich, sondern in der Beziehung auf den Gegensatz des Bestimmenden und Bestimmbaren, nicht als das, worin beide absolut eins sind, sondern als das, was sie auf endliche Weise zusammenknüpft.

Die Idee selbst aber oder die Substanz der Seele und des Leibes kommt in jener Beziehung der Seele auf den Leib in ein äußeres Verhältnis zur absoluten Substanz, und ist selbst durch jene bestimmt, den Leib vorerst und die Seele, dann aber auch andere Dinge, welche mit dem Begriff des Leibes verbunden sind, der Zeit und Dauer zu unterwerfen, sie selbst aber, die absolute Substanz, nur als das, was Grund von Sein ist, zu erkennen (dieses[522] aber ist das Entgegengesetzteste der vollkommenen Erkenntnis), und jenes sowohl außer sich selbst, in andern Dingen, als in sich selbst. Denn wie sie selbst in der Beziehung auf die bestimmte Einheit des Leibes und der Seele nur ein Abbild ist der wahren Einheit, so wird es ihr auf gleiche Weise auch alles, was an andern Dingen das Reale ist. Dies also ist die Art, wie die Erscheinungswelt entsteht aus den Einheiten.

Jede Einheit aber an sich betrachtet, abgesehen von dem Gegensatz der Seele und des Leibes, ist das Vollkommene und die absolute Substanz selbst, denn diese, welche nicht beziehungsweise, sondern schlechthin und an sich unteilbar ist, ist in Ansehung jeder Einheit das gleiche Absolute, worin Möglichkeit und Wirklichkeit eins, und, indem sie, durch ihre Natur selbst verhindert an der Quantität teilzunehmen, durch ihren Begriff Eine ist, ist jede der Einheiten eine vollkommene Welt, sich selbst genügend, und so viel es Einheiten gibt, so viel auch Welten, diese aber, da jede gleich ganz, jede absolut an sich, sind wiederum nicht voneinander unterschieden, sondern Eine Welt.

Betrachten wir nun jenes An-sich in der Einheit, so sehen wir, daß nichts von außen in sie gelangen kann, denn insofern ist sie die absolute Einheit selbst, die alles in sich enthält und aus sich hervordrängt, und die nie eingeteilt wird, wie auch die Formen sich sondern. Das Produktive also in einer jeden Einheit ist die Vollkommenheit aller Dinge selbst, das aber, wodurch das Ewige, das in dieser ist, jener sich in ein Zeitliches verwandelt, ist das beschränkende und individuierende Prinzip in ihr.

Denn das An-sich einer jeden stellt, immer gleich, das Universum vor, das Besondere aber reflektiert von jener absoluten Einheit so viel in sich, als an ihm durch die relative Entgegensetzung der Seele und des Leibes von ihr ausgedrückt ist, und da die Art dieser Entgegensetzung die größere oder geringere Vollkommenheit der Seele und des Leibes bestimmt, so stellt jede zeitlich angesehen das Universum gemäß ihrer Entwicklungsstufe vor, und in jeder ist davon so viel, als sie durch das individuierende Prinzip in sich gesetzt hat. Jede aber bestimmt sich auf dieselbe[523] Weise ihr Leiden und Tun, indem sie aus der Gemeinschaft mit dem Ewigen tritt, in welchem die Ideen aller Dinge sind, ohne wechselseitig voneinander zu leiden, jede vollkommen, gleich absolut.

Keine Substanz also kann als Substanz die Einwirkung einer andern erfahren oder selbst auf sie wirken, denn als solche ist jede unteilbar, ganz, absolut, das Eine selbst. Das Verhältnis von Seele und Leib ist nicht ein Verhältnis von Verschiedenen zu Verschiedenen, sondern von Einheit zu Einheit, wovon jede, an sich betrachtet, wieder in sich das Universum, gemäß ihrer besonderen Natur, darstellend, mit der andern nicht durch Verknüpfung von Ursache und Wirkung, sondern durch die in dem Ewigen bestimmte Harmonie übereinkommt. Der Körper aber als solcher wird von dem Körper bewegt, denn er selbst gehört nur zum Schein, in der wahren Welt aber ist kein Übergang; denn das An- sich ist die Einheit, welche wahrhaft betrachtet der Einwirkung so wenig fähig als bedürftig ist, sondern sich immer gleich, stets Unendliches aus Unendlichem schafft.

Das Eine aber, was schlechthin ist, ist die Substanz aller Substanzen, welche Gott genannt wird. Die Einheit seiner Vollkommenheit ist der allgemeine Ort aller Einheiten, und verhält sich zu ihnen, wie sich im Reiche des Scheins sein Ebenbild, der unendliche Raum, zu den Körpern verhält, der unberührt von den Schranken des Einzelnen durch alle hindurch geht.

Nur sofern die Vorstellungen der Einheiten unvollständig, eingeschränkt, verworren sind, stellen sie das Universum außer Gott, und zu ihm als zu seinem Grunde sich verhaltend, sofern aber adäquat, in Gott vor. Gott also ist die Idee aller Ideen, das Erkennen alles Erkennens, das Licht alles Lichtes. Aus ihm kommt alles und zu ihm geht alles. Denn erstens die Erscheinungswelt ist nur in den Einheiten und nicht von ihnen getrennt, denn nur sofern sie den getrübten Schein der Einheit erblicken, ist in ihnen das Universum sinnlich, bestehend aus abgesonderten Dingen, die vergänglich und unaufhörlich wandelbar sind. Die Einheiten selbst aber sind wieder abgesondert von Gott nur in[524] bezug auf die Erscheinungswelt, an sich aber in Gott und eins mit ihm.

Dieses aber, o Freunde, was von jener Lehre nur die hauptsächlichsten Punkte begreift, habe ich hinreichend gehalten zu beweisen, daß auch diese Form der Philosophie auf das Eine zurückführe, welches als dasjenige bestimmt worden ist, worin ohne Gegensatz alles sei, und in dem allein die Vollkommenheit und Wahrheit aller Dinge angeschaut werde.

BRUNO. Es ist noch übrig, nach eurem Willen, o Freunde, die Gegensätze des Realismus und Idealismus zu betrachten. Allein schon naht die Zeit, die uns abruft. Laßt uns also streben, o Lucian, in dem Wenigsten das Meiste zu begreifen, und, dünkt es dir fördernd, der Untersuchung die Frage zum Grunde legen: welchem Realismus der Idealismus, welchem Idealismus der Realismus entgegengesetzt sein müßte.

LUCIAN. Vor allem also scheint es nötig, überhaupt zu sagen, wie sich Idealismus und Realismus unterscheiden können. Nicht: aber durch den Gegenstand, wenn beide die höchste Erkenntnisart bezwecken, denn dieser ist notwendig nur Einer. Sind sie aber überhaupt nicht spekulativer Art, entweder der eine von beiden oder beide, so ist im ersten Fall keine Vergleichung möglich, im andern lohnt es sich der Mühe nicht ihre Verschiedenheit zu untersuchen. Das Eine aber aller Philosophie ist das Absolute.

BRUNO. Dieses also muß in Beiden auf gleiche Weise Gegenstand der höchsten Erkenntnisart sein.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Meinst du also, daß sie sich durch die Art der Betrachtung unterscheiden?

LUCIAN. Ich denke.

BRUNO. Wie aber? Ist in dem Absoluten eine Verschiedenheit oder Doppelheit, oder ist es nicht vielmehr notwendig und schlechthin eines?

LUCIAN. Nicht eine Doppelheit in ihm selbst, sondern nur in[525] der Betrachtung. Denn indem zwar das Reale an ihm betrachtet wird, entstehet Realismus, indem das Ideale, Idealismus. In ihm selbst aber ist das Reale auch das Ideale, und umgekehrt das Ideale das Reale.

BRUNO. Es scheint nötig, daß du bestimmest, was du das Reale und was du das Ideale nennest; denn diese Worte, wie wir wissen, sind gar sehr verschiedenen Bedeutungen unterworfen.

LUCIAN. Unter dem Realen also laß uns in dieser Untersuchung überhaupt das Wesen, unter dem Idealen die Form verstehen.

BRUNO. Der Realismus entstünde also durch die Reflexion auf das Wesen, der Idealismus aber durch das Festhalten der Form des Absoluten.

LUCIAN. So ist es.

BRUNO. Wie aber, sagten wir nicht, im Absoluten sei Form und Wesen notwendig eins?

LUCIAN. So notwendig, als im Endlichen das Wesen von der Form unterschieden wird.

BRUNO. Wie aber eins?

LUCIAN. Nicht durch Verbindung, sondern so, daß jedes für sich dasselbe ist, jedes nämlich für sich das ganze Absolute.

BRUNO. Realismus also und Idealismus, indem der eine das Absolute dem Wesen, der andere der Form nach betrachtet, betrachteten notwendig und ohne Widerspruch in beiden nur Ein Ding (wenn überhaupt ein Ding) – Einen Gegenstand.

LUCIAN. Offenbar.

BRUNO. Wie würde man aber eine solche Einheit, die nicht auf einem Zugleich-, sondern auf einem völligen Gleichsein beruhet, am besten bezeichnen?

LUCIAN. Wir haben sie früher schon, wie mir dünkt nicht unschicklich, als Indifferenz bezeichnet, und dadurch eben jene Gleichgültigkeit für die Betrachtung ausgedrückt.

BRUNO. Wenn aber Idealismus und Realismus die höchsten Gegensätze der Philosophie sind, beruht nicht auf der Einsicht[526] dieser Indifferenz die Einsicht der Philosophie ohne allen Gegensatz, der Philosophie schlechthin?

LUCIAN. Ohne Zweifel.

BRUNO. Laß uns weiter forschen nach diesem höchsten aller Geheimnisse. Haben wir nicht früher schon festgesetzt, das Absolute selbst sei von allem Entgegengesetzten weder das eine noch das andere, lautere Identität, und überhaupt nichts als es selbst, nämlich durchaus absolut.

LUCIAN. Allerdings.

BRUNO. Von der Form aber kamen wir überein, sie sei die des einen und anderen, der Idealität nämlich und der Realität, des Subjektiven und Objektiven, beides aber mit gleicher Unendlichkeit.

LUCIAN. So ist es.

BRUNO. Jede Einheit aber des Subjektiven und Objektiven, tätig gedacht, ist ein Erkennen.

LUCIAN. Versteht sich.

BRUNO. Ein Erkennen also, das gleich unendlich ideal und real ist, ist ein absolutes Erkennen.

LUCIAN. Ganz gewiß.

BRUNO. Ein absolutes Erkennen ferner ist kein Denken im Gegensatz gegen ein Sein, es hält vielmehr Denken und Sein selbst schon vereinigt in sich und auf absolute Weise.

LUCIAN. Unstreitig.

BRUNO. Es hat also auch Denken und Sein unter sich, nicht über sich.

LUCIAN. Es ist notwendig höher als diese beiden, sofern sie Entgegengesetzte sind.

BRUNO. Dieses Erkennen aber ist mit dem Wesen des Ewigen im Verhältnis der absoluten Indifferenz.

LUCIAN. Notwendig, da es die Form ist.

BRUNO. Da es aber Denken und Sein unter sich hat, so werden wir unmöglich Denken oder Sein zu unmittelbaren Attributen des Absoluten selbst, dem Wesen nach, machen können.[527]

LUCIAN. Unmöglich.

BRUNO. Werden wir also einen solchen Realismus für vollendet von seiten der Form ansehen können, der Denken und Ausdehnung als die unmittelbaren Eigenschaften des Absoluten ansieht, wie man denjenigen zu verstehen pflegt, der sonst für den vollendetsten gehalten wird?

LUCIAN. Nimmermehr werden wir dies können.

BRUNO. Diejenigen aber, welche, auf welche Weise es sei, das Denken als solches zum Prinzip machen und ihm das Sein schlechthin entgegensetzen, werden wir ganz und gar zu den Unmündigen in der Philosophie rechnen.

LUCIAN. Wohl gesprochen.

BRUNO. Ist es aber nicht notwendig, daß wir das absolute Erkennen als ein solches beschreiben, in welchem das Denken unmittelbar auch ein Setzen des Seins, so wie das Setzen des Seins auch ein Denken ist, anstatt daß dieses im endlichen Erkennen vielmehr als ein Nichtsetzen des Denkens, so wie das Denken als ein Nichtsein des Seins, erscheint.

LUCIAN. Unvermeidlich, so scheint es.

BRUNO. Setzen wir aber nicht eben damit zugleich, weil in Ansehung desselben kein Gegensatz von Denken und Sein ist, jenes absolute Erkennen schlechthin identisch, einfach, lauter, ohne alle Entzweiung?

LUCIAN. Getroffen.

BRUNO. Denken und Sein ist also nur der Potenz, nicht aber der Tat nach in ihm. Das, woraus etwas abgeschieden wird, braucht nicht das Abgeschiedene zu enthalten, sondern kann schlechthin einfach sein. Jenes Erkennen macht, eben weil es absolut ist, in der Beziehung auf die Endlichkeit oder überhaupt die Erscheinung die Trennung in Denken und Sein notwendig, anders kann es sich, als absolut, an endlichen Dingen nicht ausdrücken; jene beiden werden aber erst mit der Trennung gesetzt, und sind vor ihr und in jenem auf keine Weise vorhanden.

LUCIAN. Dies alles ist so beschaffen, daß ich ihm beipflichten muß.[528]

BRUNO. Denken und Sein aber können im Endlichen als solchem nie mehr auf absolute Weise, also immer nur relativ vereinigt sein?

LUCIAN. Notwendige Folge, so scheint es, wenn die Endlichkeit der Form nach auf dem Gegensatz des Denkens und Seins beruht.

BRUNO. Ist nicht aber notwendig auch im Endlichen ein Punkt, wo beide, wenn sie nicht absolut ungetrennt, doch absolut vereinigt sind, da nämlich, wo das im Unendlichen ausgedrückte Wesen des Absoluten vollkommen durch das im Endlichen oder im Sein dargestellt ist?

LUCIAN. Wir haben einen solchen Punkt abgeleitet. Er ist notwendig da, wo das unendliche Erkennen sich als Subjektives auf ein Objektives bezieht, das die ganze unendliche Möglichkeit von jenem in sich als Wirklichkeit darstellt. Es ist der Einschlagpunkt des Unendlichen in das Endliche.

BRUNO. Notwendig aber ist die Beziehung des unendlichen Erkennens auf das Objektive, der Unendlichkeit unerachtet, welche dieses im Endlichen ausdrückt, die Beziehung auf ein Einzelnes. Die Einheit des Denkens mit dem Sein ist also nur in der Idee und in einer intellektuellen Anschauung absolut, in der Tat aber oder in der Wirklichkeit immer nur relativ.

LUCIAN. Dies ist einleuchtend.

BRUNO. Da wir nun jene bestimmte Einheit des Denkens und des Seins überhaupt Ichheit genannt haben, so werden wir dieselbe, sofern sie intellektuell angeschaut wird, absolute Ichheit, sofern sie aber relativ ist, relative Ichheit nennen können. LUCIAN. Ohne Bedenken.

BRUNO. In der relativen Ichheit nun werden die Objekte zwar durch die Beziehung des objektiv gesetzten Erkennens auf den unendlichen Begriff desselben, aber nur für ihre Endlichkeit und in ihrer Endlichkeit, unendlich gesetzt und bestimmt, der Gegensatz von Endlichem und Unendlichem ist nur relativ aufgehoben, es entstehen relative Wahrheiten, zwar unendliches, aber nur relatives Wissen.

LUCIAN. Auch hierüber sind wir übereingekommen.[529]

BRUNO. In der absoluten Ichheit aber oder in der intellektuellen Anschauung werden die Dinge nicht für die Erscheinung, obzwar unendlich, sondern dem ewigen Charakter nach, oder wie sie an sich sind, bestimmt. Es entsteht absolutes Wissen.

LUCIAN. So muß es sein.

BRUNO. Insofern die Objekte nur durch das relative Wissen unendlich bestimmt werden, sind sie auch nur durch dieses Wissen und für dieses Wissen.

LUCIAN. Freilich.

BRUNO. Und wollen wir Idealität im gemeinen Sinn nur als das Entgegengesetzte der sinnlichen Realität, Idealismus aber für nichts weiter als eine Lehre ansehen, die die Realität der Sinnenwelt leugnet, so ist den so bestimmten Dingen gegenüber alle Philosophie notwendig Idealismus und dem Realismus, in gleich gemeinem Sinn, ebenso notwendig entgegengesetzt.

LUCIAN. Notwendig.

BRUNO. Auf diesem Standpunkt der bloßen relativen Einheit von Subjekt und Objekt erscheint die absolute Einheit beider als etwas von ihr schlechthin Unabhängiges, unerreichbar durch Wissen. Nur im Handeln wird sie ihrer im relativen Wissen erhaltenen Natur gemäß, nämlich als eine von diesem Wissen schlechthin unabhängige, objektiv, denn das Objektive in dem, was geschehen soll, er scheint als etwas, das schlechthin kein Wissen ist, weil dieses (nach der Voraussetzung) bedingt, jenes aber unbedingt ist. Hiermit ist das Differenzverhältnis des Absoluten mit dem Wissen und Erkennen fest gemacht. Vom relativen Wissen aus wird also das Urreale in die Ethik, die Spekulation aber in Ansehung desselben an die Pflicht verwiesen. Hier erscheint die Einheit des Denkens mit dem Sein erst kategorisch und absolut, aber, weil die absolute Harmonie der Wirklichkeit mit der Möglichkeit in der Zeit nie möglich ist, nicht absolut gesetzt, sondern absolut gefordert, für das Handeln also als Gebot und unendliche Aufgabe, für das Denken aber als Glaube, welcher das Ende aller Spekulation ist.

LUCIAN. Es ist nichts gegen die Richtigkeit dieser Folgerungen einzuwenden.[530]

BRUNO. Nachdem die absolute Einheit des Denkens und Seins einmal nur als Forderung existiert, so ist sie auch überall, wo sie ist, in der Natur z.B., nur durch das Sollen und für das Sollen. Dieses ist der Urstoff nicht nur alles Handelns, sondern auch alles Seins. Nur für die Ethik hat die Natur eine spekulative Bedeutung, denn sie ist überhaupt nur Organ, nur Mittel: nicht um ihrer eignen Göttlichkeit willen, schön ohne Zweck außer sich und an sich selbst, sondern für sich betrachtet tot, bloßer Gegenstand und Stoff eines Handelns, das außer ihr liegt und nicht aus ihr selbst stammt.

LUCIAN. Es folgt, wie du sagst.

BRUNO. Wird nicht eine Philosophie, die auf ein solches Wissen gegründet ist, vollkommen den Inbegriff des gemeinen Bewußtseins darstellen und ihm ganz angemessen sein, ohne – eben deswegen – im mindesten Philosophie zu sein?

LUCIAN. Ganz gewiß.

BRUNO. Jener Idealismus, welcher, nachdem er die absolute Einheit verloren, statt des absoluten Indifferenzpunkts den relativen der Unterordnung des Seins unter das Denken, des Endlichen und Ewigen unter das Unendliche, zum Prinzip macht, wird notwendig dem Realismus entgegengesetzt sein?

LUCIAN. Unfehlbar, wenn dieser sich auf das Wesen des Absoluten gründet, diesem aber nur das absolute Erkennen gleichgesetzt werden kann.

BRUNO. Ein solcher hat eben deswegen auch nicht das Ideale an sich, sondern nur das erscheinende Ideale zum Prinzip?

LUCIAN. Notwendig, denn sonst würde er sich außer allem Gegensatz mit Realismus erblicken.

BRUNO. Das reine Subjekt-Objekt aber, jenes absolute Erkennen, das absolute Ich, die Form aller Formen, ist der dem Absoluten eingeborne Sohn, gleich ewig mit ihm, nicht verschieden von seinem Wesen, sondern eins. Wer also diesen besitzt, besitzt auch den Vater, nur durch ihn gelangt man zu jenem, und die Lehre, die aus ihm ist, ist dieselbe welche aus jenem.

Jene Indifferenz also im Absoluten, daß nämlich in Ansehung[531] seiner die Idee die Substanz, das Reale schlechthin, die Form auch das Wesen, das Wesen die Form ist, eins von dem andern untrennbar, jedes des andern völlig gleichendes Ebenbild nicht nur, sondern das andere selbst – diese Indifferenz erkennen heißt den absoluten Schwerpunkt und gleichsam jenes Urmetall der Wahrheit erkennen, dessen Stoff alles einzelne Wahre legiert, und ohne welchen nichts wahr ist.

Dieser Schwerpunkt ist derselbe im Idealismus und Realismus, und wenn beide sich entgegengesetzt sind, fehlt es nur an der Erkenntnis oder vollkommenen Darstellung desselben in dem einen oder in beiden.

Was aber die Form der Wissenschaft betrifft, und die Forderung, den gedrungenen Keim jenes Prinzips zur höchsten Entwicklung und bis zur vollkommenen Harmonie mit der Gestalt des Universums auszubilden, von der die Philosophie der getreue Abdruck sein soll, so können wir zu diesem Zweck keine vortrefflichere Regel weder uns selbst noch andern vorschreiben, die wir beständig vor Augen haben, als welche ein Philosoph vor uns in den Worten hinterlassen hat: Um in die tiefsten Geheimnisse der Natur einzudringen, muß man nicht müde werden, den entgegengesetzten und widerstreitenden äußersten Enden der Dinge nachzuforschen; den Punkt der Vereinigung zu finden, ist nicht das Größte, sondern aus demselben auch sein Entgegengesetztes zu entwickeln, dieses ist das eigentliche und tiefste Geheimnis der Kunst.

Diesem folgend werden wir erst in der absoluten Gleichheit des Wesens und der Form die Art erkennen, wie sowohl Endliches als Unendliches aus ihrem Inneren hervorquillt, und das eine notwendig und ewig bei dem andern ist, und wie jener einfache Strahl, der vom Absoluten ausgeht und es selbst ist, in Differenz und Indifferenz, Endliches und Unendliches getrennt erscheine, begreifen, die Art aber der Trennung und der Einheit für jeden Punkt des Universums genau bestimmen, und dieses bis dahin verfolgen, wo jener absolute Einheitspunkt in die zwei relativen getrennt erscheint, und in dem einen den Quellpunkt der reellen und natürlichen, in dem andern der ideellen und der göttlichen Welt erkennen, und mit jener zwar die Menschwerdung Gottes[532] von Ewigkeit, mit dieser die notwendige Gottwerdung des Menschen feiern, und indem wir auf dieser geistigen Leiter frei und ohne Widerstand auf und ab uns bewegen, jetzt herabsteigend die Einheit des göttlichen und natürlichen Prinzips getrennt, jetzt hinaufsteigend und alles wieder auflösend in das Eine, die Natur in Gott, Gott aber in der Natur sehen.

Dann, nachdem wir zu dieser Höhe gelangt sind und das harmonische Licht jenes wundervollen Erkennens angeschaut, dieses aber zugleich als das Reale des göttlichen Wesens erkannt haben, wird es uns verstattet sein, die Schönheit in ihrem höchsten Glanze zu sehen, ohne von ihrem Anblick geblendet zu werden, und in der seligen Gemeinschaft mit allen Göttern zu leben. Dann werden wir die königliche Seele des Jupiter begreifen; sein ist die Macht; unter ihm aber ist das formende und das formlose Prinzip, welches in der Tiefe des Abgrunds ein unterirdischer Gott wieder zusammenknüpft: er aber wohnt in unnahbarem Äther. Auch die Schicksale des Universums werden uns nicht verborgen bleiben, die Zurückziehung des göttlichen Prinzips von der Welt, und wie die mit der Form vermählte Materie der starren Notwendigkeit überliefert worden, noch werden uns die Vorstellungen von den Schicksalen und dem Tode eines Gottes dunkel sein, die in allen Mysterien gegeben werden, die Leiden des Osiris und der Tod des Adonis. Vor allem aber werden unsere Augen auf die oberen Götter gerichtet sein, und jenes seligsten Seins Teilnahme durch Anschaun erlangend, werden wir wahrhaft, wie die Alten sich ausdrückten, vollendet werden, indem wir nicht nur als der Sterblichkeit Entflohene, sondern als solche, die die Weihe unsterblicher Güter empfangen haben, in dem herrlichen Kreise leben. Jedoch, o Freunde, schon mahnt uns die sinkende Nacht und das Licht einsam funkelnder Sterne. Lasset uns also von hinnen gehen.[533]

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 2, Leipzig 1907, S. 421-534.
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