§ 34. Die Erkenntnis der Außenwelt.

[390] Den Hintergrund aller dieser Theorien bildet ihr erkenntnistheoretischer Zweck. Dieser aber nimmt unter der Voraussetzung des naiven Realismus, der sich an die cartesianische Metaphysik anknüpfte, von vornherein eine etwas engere Fassung an. Das Prinzip des cogito sum ließ die Selbsterkenntnis des geistigen Wesens als die ursprüngliche Gewißheit, als das Selbstverständliche und unmittelbar Zweifellose erscheinen je andersartiger aber neben der Welt des Bewußtseins diejenige des Raums und der Körper aufgefaßt wurde, um so größere Schwierigkeiten ergaben sich hinsichtlich der Erkennbarkeit der letzteren. Das lehrte schon die metaphysische Entwicklung unmittelbar nach Descartes (vgl. § 31), und dasselbe wiederholte sich nun in den mannigfaltigsten Formen bei der Uebersetzung derselben Gedanken in die Sprache der empirischen Psychologie und des Sensualismus.

So ist in der Erkenntnistheorie der modernen Philosophie von Anfang an ein Uebergewicht der inneren Erfahrung angelegt, vermöge deren das Wissen von der Außenwelt problematisch wird. Damit macht sich in der ganzen Ausdehnung des neueren Denkens eine Nachwirkung des Terminismus, mit dem das Mittelalter geendet hatte, als bestimmende Auffassung geltend: die Heterogeneität von Außenwelt und Innenwelt gibt dem Geiste ein stolzes Gefühl substantieller Eigenheit den Dingen gegenüber, zugleich aber eine gewisse Unsicherheit und Zweifelhaftigkeit bei seiner Orientierung in dieser ihm fremden Welt. Auf diese Weise erweist sich gerade die Grundproblemstellung[390] der Aufklärungsphilosophie als ein Nachklang jener Vertiefung des Geistes in sich selbst, jener Verselbständigung des Bewußtseins gegenüber der Außenwelt, worin die antike Philosophie ausgelaufen war. Darin wurzelte die Macht des augustinischen Geistes über die moderne Philosophie.

1. Das Uebergewicht der inneren Erfahrung macht sich auch bei Locke sehr stark geltend, obgleich er in psychologischer Hinsicht Sensation und Reflexion prinzipiell gleichstellte und in der genetischen Theorie sogar die letztere von der ersteren abhängig machte. Allein bei der erkenntnistheoretischen Wertung kehrt sich dies Verhältnis sogleich im Sinne der cartesianischen Bestimmungen um. Der Dualismus der endlichen Substanzen, den der große französische Metaphysiker aufgestellt hatte, wird nämlich bei Locke in der Stille mit dem Dualismus der Erlahrungsquellen eingeführt. Die Sensation ist zur Erkenntnis der körperlichen Außenwelt, die Reflexion zur Erkenntnis der Tätigkeiten des Geistes selbst bestimmt: und dabei findet sich denn von selbst, daß die letztere ihrer Aufgabe sehr viel mehr gewachsen ist, als die erstere. Unser Wissen von unseren eigenen Zuständen ist ein intuitives und das gewisseste von allem, und mit unseren Zuständen sind wir dabei auch unserer eigenen Existenz vollkommen und zweifellos sicher. Mit fast wörtlicher Anlehnung an Descartes trägt Locke diese Lehre von der Selbstgewißheit vor829: dagegen verhält er sich hinsichtlich der Erkenntnis der Körperwelt sehr viel zurückhaltender. Eine solche ist nur durch Empfindung möglich und ermangelt, wenn sie auch noch den Namen knowledge verdient, doch der völligen Sicherheit und Adäquatheit. Zunächst ist nur das Vorhandensein der Idee im Geiste intuitiv gewiß; daß ihr ein Ding entspricht, ist nicht intuitiv sicher, und die Demonstration kann höchstens lehren, daß ein Ding da ist, aber nichts über dies Ding aussagen.

Freilich ist Locke in dieser Hinsicht durchaus nicht mit sich selber in Uebereinstimmung. Bei der Theorie der Ideen der Sensation übernimmt er die Lehre von der Intellektualität der Sinnesqualitäten ganz in der von Descartes ausgearbeiteten Form (vgl. oben § 31, 2), bezeichnet sie glücklich durch die Unterscheidung primärer und sekundärer Eigenschaften, fügt dann noch als tertiäre Eigenschaften solche Kräfte hinzu, welche die Beziehung auf andere Körper ausdrücken, erklärt die primären Eigenschaften für diejenigen, welche den Körpern an sich real zukommen, und rechnet dazu sogar außer den von Descartes angenommenen noch die Undurchdringlichkeit. Sachlich ist das noch weit mehr als bei Hobbes ein entschiedener Rückfall in die demokritisch-epikureische Vorstellungsweise, und dies zeigt sich auch darin, daß Locke nach der Theorie der »Bilderchen« (vgl. oben § 10, 3) die Reize auf die Berührung der Nerven durch kleinste von den Gegenständen ausströmende Stoffteilchen zurückführt.830 Im ganzen werden hier also die cartesianischen Grundlagen der mathematischen Naturerkenntnis wiederholt und sogar in wichtiger Hinsicht erweitert.

Ganz anders aber lautet Lockes Entscheidung bei der Analyse des Substanzbegriffs. Von der intuitiven und der durch Sensation gegebenen Erkenntnis unterscheidet er, ähnlich wie Occam, die demonstrative: diese bezieht sich nicht[391] auf das Verhältnis von Ideen zur Außenwelt, sondern auf das Verhältnis der Ideen untereinander. Sie steht an Erkenntniswert der intuitiven nach, während sie der sensitiven darin überlegen ist.831 Das demonstrative Denken wird dann ganz terministisch, etwa wie bei Hobbes, als ein Rechnen mit Begriffszeichen aufgefaßt: die Notwendigkeit der Demonstration gilt nur innerhalb der Vorstellungswelt, sie betrifft unter anderem die allgemeinen oder abstrakten Begriffe, denen in natura rerum keine eigene Wirklichkeit entspricht. Sind einmal die Ideen vorhanden, so lassen sich, ganz abgesehen von aller Beziehung auf die Sachen, Urteile über die zwischen ihnen bestehenden Verhältnisse bilden, und damit allein hat es das demonstrative Wissen zu tun. Solche »komplexen« Vorstellungen sind Gedankendinge, die, nachdem sie durch Definition festgestellt sind, jede durch ihren Inhalt bestimmte Verbindung untereinander im Denken eingehen können, ohne daß dadurch eine Beziehung auf die Außenwelt gewonnen wäre. Unter diesen Verbindungsweisen zeichnet sich nun aber diejenige, welche durch den Substanzbegriff ausgedrückt wird (die Kategorie der Inhärenz), in besonderer Weise aus. Alle übrigen Inhalte und Verhältnisse nämlich können nur so gedacht werden, daß sie an irgend einer Substanz haften. Diesem Verhältnisse kommt also doch Realität zu, die Idee der Substanz ist nach Lockes Ausdruck »ectypisch«, – aber nur so, daß wir für die in den einzelnen Ideen gegebenen Modi ein reales Substrat anzunehmen genötigt sind, ohne dabei noch etwas darüber aussagen zu können, was dieses Substrat selbst sei. Substanz ist der selbst unbekannte Träger bekannter Eigenschaften, deren Zusammengehörigkeit wir anzunehmen Veranlassung haben.

Diese Ansicht von der Unerkennbarkeit der Substanzen hindert nun freilich Locke nicht, an anderer Stelle832 doch wieder ganz cartesianisch eine Einteilung aller Substanzen in »cogitative und nicht-cogitative« vorzunehmen: anderseits aber wendet er sie auf seine Behandlung des cogito sum an. Dies Prinzip überträgt er aus dem metaphysischen ganz in das empirisch-psychologische Gebiet. Die Selbstgewißheit ist ihm diejenige des inneren Sinnes (internal sense); die Intuition bezieht sich dabei nur auf unsere Zustände und Tätigkeiten, aber nicht auf unser Wesen; sie zeigt uns zwar unmittelbar und zweifellos, daß wir sind, aber nicht, was wir sind. Die Frage nach der Substanz der Seele (und demgemäß auch diejenige nach ihrem Verhältnis zum Körper) ist ebenso unbeantwortbar, wie die nach dem »Was« irgend einer Substanz überhaupt.

Gleichwohl hält es Locke für möglich, von dem Dasein Gottes eine demonstrative Gewißheit zu gewinnen. Er eignet sich zu diesem Zwecke den ersten der cartesianischen Beweise (vgl. oben § 30, 5) in etwas modifizierter Form an, und fügt noch den üblichen kosmologischen Beweis hinzu. Es muß ein unendliches, ewiges und vollkommenes Wesen gedacht werden, eine letzte Ursache der endlichen Substanzen, als deren eine der Mensch sich selbst intuitiv erkennt.

So mannigfach und widersprüchsvoll sind die Denkmotive, die sich in Lockes Erkenntnislehre kreuzen. Die scheinbar so leichte und durchsichtige Darstellung, zu der er den Cartesianismus verwässert hat, gleitet über die[392] Strudelhinweg, welche aus der dunklen Tiefe ihrer historischen Voraussetzungen aufsteigen. Wie aber die vieldeutige Unbestimmtheit seiner Psychologie sich in die Gegensätze der folgenden Entwicklung auseinander legte, so bot auch diese erkenntnistheoretische Metaphysik die Ansatzpunkte für die mannigfaltigsten Urbildungen dar.

2. Gleich die erste darunter zeigt der Lockeschen Unentschiedenheit gegenüber eine kühne Energie der Einseitigkeit. Berkeley brachte das Uebergewicht der inneren Erfahrung zur vollen Herrschaft, indem er an der Hand seines extremen Nominalismus, mit Rückgriff auf die Lehren von Hobbes, der schwankenden Stellung, welche Locke in der Frage nach der Erkenntnis der Körper eingenommen hatte, ein Ende machte. Er zerstörte den Begriff der körperlichen Substanz. Von dem Ideenkomplex, den uns die Wahrnehmung als einen Körper darbietet, sollte nach der Unterscheidung primärer und sekundärer Qualitäten ein Teil ausgeschieden und ein anderer als allein real zurückgehalten werden; aber diese Unterscheidung, so hatte bereits Hobbes gelehrt (vgl. § 31, 2), ist schon sachlich unrichtig. Auch die »mathematischen« Eigenschaften der Körper sind ebenso Ideen in uns wie die Sinnesqualitäten und Berkeley hatte gerade dies mit analogen Argumenten in seiner »Theorie des Sehens« nachgewiesen, welche die Mitwirkung von früheren Erfahrungen und dadurch bestimmten Urteilen in der optischen Auffassung räumlicher Verhältnisse darzutun suchte. Er bestreitet die Berechtigung der cartesianischen (bezw. demokritischen) Unterscheidung. Sind aber danach alle Eigenschaften des Körpers ausnahmslos Ideen in uns, so hat Locke als ihren realen Träger noch eine unerkennbare »Substanz« übrig behalten: ähnlich reden andere von der Materie als dem Substrat der »erscheinenden« Eigenschaften.

Allein in allen diesen Fällen, sagt Berkeley, wird uns zugemutet, ein Abstraktum für das allein Wirkliche zu halten. Abstrakte Begriffe aber existieren nicht, – sie existieren nicht einmal im Geiste, geschweige denn in natura rerum (vgl. oben § 33, 4). Locke hat ganz Recht gehabt, daß diese »Substanz« niemand erkennen könne: es kann sie sogar keiner denken; sie ist eine Schulfiktion. Für das naive Bewußtsein, für den »gesunden Menschenverstand«, dessen Sache Berkeley gegen die Künstelei der Philosophen zu führen meint, ist der Körper eben genau das, was wahrgenommen wird, nicht mehr und nicht weniger: nur die Philosophen suchen dahinter noch etwas anderes, Geheimnisvolles, Abstraktes, das sie selbst nicht sagen können. Für den unbeirrten Sinn ist der Körper das, was man sieht, tastet, schmeckt, riecht und hört: sein esse fällt mit seinem percipi zu sammen.

Der Körper ist also nichts anderes als ein Komplex von Ideen. Zieht man von einer Kirsche alle die Eigenschaften ab, welche durch irgend einen Sinn perzipiert werden können, was bleibt übrig? Nichts, Der Idealismus, der im Körper nichts weiter sieht, als ein Bündel von Vorstellungen, ist die Ansicht des gemeinen Mannes; er soll auch diejenige des Philosophen sein. Den Körpern kommt keine andere Wirklichkeit zu als diejenige des Vorgestelltwerdens. Es ist falsch zu meinen, es stecke in ihnen oder hinter ihnen noch eine Substanz, die in ihren Eigenschaften »erscheine«. Sie sind nichts als die Summe dieser Eigenschaften.

Auf die naheliegende Frage, worin denn, wenn alle Körper nur, vorgestellt[393] sind, der Unterschied zwischen dem »wirklichen« und dem eingebildeten oder geträumten Körper besteht, antwortet Berkeley mit einer spiritualistischen Metaphysik. Die Ideen, welche das Sein der Außenwelt ausmachen, sind Tätigkeiten der Geister. Von den beiden cartesianischen Welten besteht substantiell nur die eine; nur die res cogitantes sind wirkliche Substanzen, die res extensae sind ihre Vorstellungen. Allein den endlichen Geistern sind die Ideen gegeben, und der Ursprung aller Vorstellungen ist nur in dem unendlichen Geiste, in Gott, zu suchen. Die Realität der Körper. besteht also darin, daß ihre Ideen von Gott den endlichen Geistern mitgeteilt werden, und die Reihenfolge, in der Gott dies zu tun pflegt, nennen wir die Naturgesetze; daher findet Bischof Berkeley keine metaphysische Schwierigkeit darin, daß Gott unter Umständen zu besonderem Zweck von der gewohnten Reihenfolge abgeht, wo dann der Mensch von Wundern redet. Das Wesen des göttlichen Geistes (und ebenso auch der endlichen Geister) besteht in der Freiheit des Willens, und die Vorstellungen sind nur die Tätigkeitsformen, in dellen sich diese entfaltet. Unwirklich dagegen ist nach Berkeley derjenige Körper, der nach sei es mechanisch zufälliger, sei es willkürlicher Einbildung nur in dem einzelnen Geiste vorgestellt wird, ohne ihm von Gott mitgeteilt zu sein. Da endlich so die wirkliche Körperwelt in ein von Gott gewolltes System von Ideen sich verwandelt, so bereitet auch die Zweckmäßigkeit, die ihre Einrichtung und die Zeitfolge ihrer Veränderungen aufweisen, kein Problem mehr.

Der Parallelismus zwischen dieser Folgerung aus Locke und derjenigen, welche Malebranche aus Descartes gezogen hatte, ist unverkennbar; ja, auch darin sind Malebranche und Berkeley einig, daß Gott allein die in der Welt tätige Kraft, daß kein Einzelding wirksam sei (vgl. § 31, 8). Es ist höchst interessant, wie der extreme Realismus des Franzosen und der extreme Nominalismus des Engländers auf dieselbe Ansicht hinauslaufen. Die Begründungen können nicht verschiedener sein: das Resultat ist dasselbe. Denn was beide Männer noch trennte, ließ sich leicht forträumen. Dies bewies ein Zeit- und Landsgenosse Berkeleys, Arthur Collier (1680-1732) in seiner interessanten Schrift Clavis universalis.833 Malebranche834 hatte zwar als Cartesianer die Realität der Körperwelt nicht direkt beanstandet, aber ihre Erkenntnis durch den Menschen nur so begreifen zu können gemeint, daß die Ideen der Körper in Gott das gemeinsame Original seien, wonach Gott einerseits die wirklichen Körper, anderseits die Ideen davon in den endlichen Geistern erzeuge. Collier zeigte nun, daß in dieser Lehre die Realität der Körperwelt eine völlig überflüssige Rolle spiele: da doch keine wirkliche Beziehung zwischen ihr und der menschlichen Vorstellung angenommen werde, so bleibe der Erkenntniswert der menschlichen Ideen ganz derselbe, wenn man nur eine ideale Körperwelt in Gott statuiere und diese als den realen Gegenstand der menschlichen Erkenntnis betrachte.[394]

Der »Idealismus«, welcher in dieser Weise auf mehreren Wegen aus dem Cogilo ergo sum hervorging, erzeugte noch eine paradoxe Nebenerscheinung, die namenlos und unbestimmt gelegentlich in der Literatur des 18. Jahrhunderts erwähnt wird. Die einzig sichere intnitive Erkenntnis hat jeder einzelne Geist nur von sich selbst und seinen Zuständen; auch von andern Geistern weiß er nur etwas durch Ideen, welche sich zunächst auf Körper beziehen und nach Analogie auf Geister gedeutet werden. Ist aber die gesamte Körperwelt nur Vorstellung im Geiste, so ist schließlich jeder einzelne nur seiner eigenen Existenz gewiß: die Realität alles übrigen, die gesamten andern Geister nicht ausgeschlossen, ist problematisch und kann nicht demonstriert werden. Man bezeichnete diese Lehre damals als Egoismus; jetzt pflegt man sie Solipsismus zu nennen. Es ist eine metaphysische Spielerei, die man dem Geschmack des einzelnen überlassen muß: denn der Solipsist widerspricht sich ja schon, indem er seine Lehre andern zu beweisen anfängt.

So war es im Gefolge der Meditationen, worin Descartes das Selbstbewußtsein als den rettenden Felsen im Meere des Zweifels erkannte, schließlich zu dem Resultate gekommen, welches Kant835 später als einen Skandal der Philosophie bezeichnete: daß man nämlich einen Beweis für die Realität der Außenwelt forderte und keinen zureichenden zu finden vermochte. Erklärten doch französische Materialisten, Berkelys Lehre sei zwar Wahnsinn, aber unwiderleglich.

8. Die Umbildung der Lockeschen Lehre durch Berkeley führt in direkter Linie zu Humes Erkenntnistheorie weiter. An die nominalistische Leugnung der abstrakten Begriffe knüpfte der tiefsinnige Schotte seine Unterscheidung aller intellektuellen Funktionen in Impressionen und Ideen, welche Kopien von Impressionen sind: damit aber deckte sich sogleich der Unterschied intuitiver und demonstrativer Erkenntnis. Jede davon hatte ihre eigene Art von Gewißheit. Die intuitive Erkenntnis besteht einfach in der Behauptung der tatsächlichen Impressionen. Welche Eindrücke ich habe, kann ich mit absoluter Sicherheit aussagen: darin kann ich mich nicht irren, sofern ich mich in den Grenzen halte, nur einfach festzustellen, daß ich eine Wahrnehmungsvorstellung von diesem oder jenem einfachen oder zusammengesetzten Inhalt habe, ohne darüber irgend welche deutenden Begriffe hinzuzufügen.

Zu diesen Impressionen, denen unmittelbar intuitive Gewißheit zukommt, rechnet nun Hume hauptsächlich auch das räumliche und zeitliche Verhältnis der Empfindungsinhalte, die Feststellung der Koexistenz oder Succession der elementaren Impressionen. Die räumliche Ordnung, in der sich die Wahrnehmungsinhalte darstellen, ist unmittelbar mit ihnen selbst zweifellos gegeben, und ebenso besitzen wir eine sichere Impression davon, ob die verschiedenen Inhalte gleichzeitig oder nacheinander wahrgenommen sind. Die räumliche und zeitliche Contiguität ist also mit den Impressionen intuitiv gegeben, und von diesen Tatsachen (facts) besteht im menschlichen Geiste eine vollkommen sichere und in keiner Weise anzuzweifelnde Erkenntnis. Nur darf bei der Charakteristik der Humeschen Lehre nicht vergessen werden, daß diese absolut gewisse Tatsächlichkeit der Impressionen lediglich diejenige ihres Vorhandenseins[395] als Vorstellungen ist. In dieser Bedeutung und Beschränkung umfaßt die intuitive Erkenntnis nicht nur die Tatsachen der inneren, sondern auch diejenigen der äußeren Erfahrung, – aber um den Preis, daß die letzteren eigentlich auch nur eine Art der ersteren sind, ein Wissen nämlich von Vorstellungszuständen.

Die räumliche und zeitliche Contiguität (in der modernen Psychologie die »Berührung«) ist aber nur die elementarste Form der Vorstellungsassociation; daneben zählt Hume noch zwei andere Gesetze der letzteren auf: die Aehnlichkeit (bezw. den Kontrast) und die Kausalität. Was die erstere Beziehungsform anlangt, so haben wir von der Gleichheit oder Ungleichheit und ihren verschiedenen Graden hinsichtlich der Sensationen eine klare und deutliche Impression: sie besteht in dem Wissen von dem Maße der Aehnlichkeit unseres eigenen (sensitiven) Tuns und gehört also zu den Impressionen des inneren Sinnes, welche Locke reflection genannt hat. Darauf gründet sich infolgedessen eine demonstrative Erkenntnis von vollkommener Gewißheit: sie betrifft die Formen der Grö ßenvergleichung, die wir an den gegebenen Vorstellungsinhalten vollziehen, und ist nichts als eine Analyse der Gesetzmäßigkeit, mit der dies geschieht. Diese demonstrative Wissenschaft ist die Mathematik: sie entwickelt die Gesetze der Gleichsetzung in Bezug auf Zahlen und Raumverhältnisse, und Hume ist geneigt, der Arithmetik einen noch höheren erkenntnistheoretischen Wert zuzuerkennen als der Geometrie.836

4. Allein die Mathematik ist auch die einzige demonstrative Wissenschaft; und zwar eben deshalb, weil sie sich auf nichts anderes bezieht als auf die möglichen Verhältnisse zwischen Vorstellungsinhalten und weil sie gar nichts über deren Beziehung zu einer realen Welt behauptet. In dieser Weise herrscht bei Hume vollständig das terministische Prinzip von Hobbes (vgl. oben § 30, 3), nur daß der erstere mit der Beschränkung dieser Theorie auf die reine Mathematik noch konsequenter verfährt. Denn Hume erklärt, daß keine Behauptung über die Außenwelt demonstrierbar sei. An unser Wissen beschränkt sich auf die Konstatierung der Inpressionen und auf die Verhältnisse dieser Vorstellungen untereinander.

Daher erscheint es für Hume als ein unberechtigter Uebergriff des Denkens, wenn die Gleichheit der Vorstellungen auf eine metaphysische Identität gedeutet wird: dies aber geschieht bei jeder Anwendung des Begriffs der Substanz. Woher dieser Begriff? Er wird nicht wahrgenommen, er findet sich als Inhalt weder in den einzelnen Empfindungen noch in deren Verhältnissen: die Substanz ist der unbekannte, unaussagbare Träger der bekannten Vorstellungsinhalte. Woher diese Idee, für welche im ganzen Umkreise der Sensationen keine Impression als das erforderliche Original aufzufinden ist? Ihr Ursprung ist in der Reflexion zu suchen: sie ist das Abbild einer mehrfach wiederholten Vorstellungsverknüpfung Durch das wiederholte Zusammensein der Impressionen, durch die Gewohnheit des gleichen Vorstellens entsteht vermöge des Gesetzes der Ideenassociation eine Nötigung zur Vorstellung ihrer Koexistenz, und das Gefühl dieser associativen Notwendigkeit des Vorstellens wird als reale Zusammengehörigkeit der Empfindungselemente d, h. als Substanz gedacht.[396]

Die Denkform der Inhärenz wird damit psychologisch erklärt und zugleich erkenntnistheoretisch verworfen: es entspricht ihr nichts weiter als das Gefühl einer Gleichheit der Vorstellungsverbindung, und da wir von der Existenz niemals etwas anders als durch unmittelbare Sinneswahrnehmung wissen können, so ist die Realität des Substanzbegriffs unbegründbar. Es ist klar, daß Hume sich damit, soweit es die körperlichen Dinge anlangt die Lehre Berkeleys zu eigen macht. Aber dieser hat die Arbeit am Substanzbegriff nur halb getan. Er hat gefunden, daß die Körper nur Empfindungskomplexe sind, daß ihr Sein mit dem Percipiertwerden identisch ist, daß es keinen Sinn hat, deren Zusammengehörigkeit als eine unbekannte Substanz zu hypostasieren; aber er hat die seelischen Substanzen, die Geister, die res cogitantes stehen lassen; er hat sie für die Träger angesehen, denen alle diese Vorstellungstätigkeiten inhärieren sollten. Humes Argument trifft auch diese. Was Berkeley von der Kirsche gezeigt hat, gilt auch vom »Ich«. Auch die innere Wahrnehmung837 zeigt nur Tätigkeiten, Zustände, Eigenschaften. Nehmt diese fort, und auch von Descartes' res cogitans bleibt nichts übrig: nur die »Gewohnheit« konstanter Vorstellungsverbindung liegt dem Begriff des Geistes zugrunde; auch das Ich ist nur ein Bündel von Vorstellungen.838

5. Die gleiche Betrachtung gilt mulalis mutandis auch für die Kausalität, diejenige Form, unter welcher die Notwendigkeit der Verknüpfung von Vorstellungsinhalten gewöhnlich gedacht zu werden pflegt; aber auch diese ist weder intuitiv noch demonstrativ gewiß. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung wird nicht wahrgenommen: Gegenstand der sinnlichen Erfahrung ist vielmehr nur das Zeitverhältnis, wonach das eine regelmäßig auf das andere folgt. Wenn nun das Denken dies Folgen in ein Erfolgen, wenn es das post hoc in ein propter hoc umdeutet839, so ist dies auch in dem Inhalte der kausal aufeinander bezogenen Ideen nicht begründet. Aus einer »Ursache« ist nicht logisch ihre »Wirkung« abzuleiten, in der Vorstellung einer Wirkung steckt nicht diejenige ihrer Ursache. Analytisch ist das Kausalverhältnis nicht zu verstehen.840 Die Erklärung dieser Denkform ist nach Hume wieder durch die Ideenassociation zu gewinnen. Durch die Wiederholung derselben Succession[397] von Vorstellungen und die Gewohnheit, sie aufeinander folgen zu finden, entsteht eine innere Nötigung, nach der einen die andere vorzustellen und zu erwarten: und das Gefühl dieser inneren Nötigung, womit eine Idee die andere hervorruft, wird als eine reale Nötigung aufgefaßt, als ob der Gegenstand der einen Vorstellung denjenigen der andern in natura rerum zum Wirklichsein nötige oder ihm, wie es später Kant ausdrückte, sein Dasein in der Zeit bestimme. Die Impression ist das Notwendigkeitsverhältnis zwischen den Vorstellungstätigkeiten, und in der Idee der Kausalität wird daraus ein Notwendigkeitsverhältnis der Vorstellungsinhalte.

Auf diese Weise zersetzt Humes Erkenntnistheorie die beiden Grundbegriffe, um welche sich die metaphysische Bewegung des 17. Jahrhunderts gedreht hatte. Substanz und Kausalität sind Ideenbeziehungen, die weder durch Erfahrung noch durch logisches Denken begründbar sind: sie beruhen auf der Unterschiebung von Impressionen der Reflexion unter solche der Sensation. Damit aber ist der üblichen Metaphysik der Boden unter den Füßen fortgezogen: an ihre Stelle tritt nur noch die Erkenntnistheorie. Die Metaphysik der Dinge weicht einer Metaphysik des Wissens.

6. Die Zeitgenossen haben dies Resultat der Humeschen Untersuchungen – insbesondere aus Rücksicht auf die Folgerungen in Betreff der religiösen Metaphysik (vgl. § 35, 6) – als Skeptizismus bezeichnet: doch ist es wesentlich von denjenigen Lehren verschieden, welchen dieser Name historisch zukommt. Die Feststellung von Tatsachen durch sinnliche Erfahrung gilt Hume als intuitive, die mathematischen Verhältnisse gelten ihm als demonstrative Gewißheit: bei allem aber, was durch Begriffe über eine von den Vorstellungen verschiedene Realität ausgesagt werden soll, ruft Hume: »Ins Feuer damit!« Es gibt keine Erkenntnis dessen, was die Dinge sind und wie sie wirken: wir können nur sagen, was wir empfinden, welche räumliche und zeitliche Anordnung und welche Aehnlichkeitsverhältnisse wir zwischen ihnen erleben. Diese Lehre ist der absolut konsequente und ehrliche Empirismus: sie verlangt, daß, wenn die einzige Quelle des Wissens in der Wahrnehmung fließt, in diese auch nichts weiter hineingemengt wird, als sie wirklich enthält. Damit ist jede Theorie, jede Erforschung der Ursache, jede Lehre vom »wahren Sein« hinter den »Erscheinungen« ausgeschlossen.841 Wenn man, wie die Terminologie sich im 19. Jahrhundert ausgebildet hat, diesen Standpunkt als Positivismus bezeichnet, so hat dieser durch Hume seine erkenntnistheoretische Begründung gefunden.

Englands tiefster Denker hat aber dieser radikalen Erkenntnistheorie eine charakteristische Ergänzung gegeben. Den Ideenassociationen, welche den Begriffen der Substanz und der Kausalität zu Grunde liegen, wohnt zwar weder intuitive noch demonstrative Gewißheit bei, statt dessen aber eine gefühlsmäßige Ueberzeugungskraft, ein natürlicher Glaube (belief), der, von allen theoretischen Ueberlegungen unbeirrt, sich im praktischen Verhalten[398] des Menschen siegreich geltend macht und der auch für die erreichbaren Zwecke des Lebens und die dazu erforderlichen Kenntnisse völlig genügt. Darauf beruht die Erfahrung des täglichen Lebens. Diese zu beanstanden ist Hume nicht in den Sinn gekommen: er will nur verhüten, daß sie sich als Erfahrungswissenschaft aufspiele, wozu sie nicht ausreicht. Mit dem ganzen Ernst philosophischer Vertiefung verbindet er den offenen Blick für die Bedürfnisse des praktischen Lebens.

7. Für die Aufnahme dieses Positivismus war die Stimmung in England weniger günstig als in Frankreich. Hier lag der Verzicht auf eine »Metaphysik der Dinge« schon in der skeptischen Grundrichtung, welche auch aus der cartesianischen Philosophie so vielfach wieder hervorgebrochen war: und die Herrschaft dieser Stimmung war besonders durch Bayle befördert worden, dessen Kritik sich zwar prinzipiell hauptsächlich gegen die rationale Begründung der religiösen Wahrheiten richtete, damit aber doch zugleich alle über das Sinnliche hinausgreifende Erkenntnis, also jede Metaphysik traf. Dazu kam, ebenfalls durch Bayle und zugleich durch den Einfluß der Engländer gefördert, in der französischen Literatur ein freierer, weltmännischer Zug, der die Fesseln des Schulsystems abstreifen wollte und statt abstrakter Begriffe die unmittelbare Wirklichkeit des Lebens verlangte. So wurde in Frankreich mehr als in seiner Heimat Bacons Lehre mit ihrer Einschränkung der Wissenschaft auf physikalische und anthropologische Erfahrung wirksam. Das point de système begegnet uns hier auf Schritt und Tritt, von den causes premières will niemand mehr etwas wissen, und diesen Baconismus mit seiner ganzen encyklopädischen und programmatischen Ausbreitung legte d'Alembert als die philosophische Grundlage der Encyklopädie fest.842

Aus Gründen des Geschmacks wurde mit dem point de système auch die Wolffsche Lehre in Deutschland von Männern wie Crousaz und Maupertuis bekämpft, und in der Tat bot der Pedantismus jener Lehlbücherphilosophie dazu mancherlei Angriffspunkte. Ihr gegenüber war denn auch die deutsche Popularphilosophie auf ihre Systemlosigkeit stolz: auch sie wollte sich, wie es Mendelssohn ausführte, aller Grübeleien über das Unerfahrbare enthalten und sich dafür desto mehr mit dem für den Menschen Brauchbaren beschäftigen. Einen feinen Anklang dieser Stimmung findet man endlich in Kants »Träumen eines Geistersehers«, wo er die Baumeister mancherlei künstlicher Gedankenwelten mit scharfer Ironie geißelt und über das metaphysische Bestreben mit einem Galgenhumor, der seine eigene Neigung am empfindlichsten trifft, die Schale reichlichen Spottes ausgießt. Unter den deutschen Dichtern ist in diesem Sinne Wieland der witzige Anti-Metaphysiker.

8. Eine sehr eigentümliche Wendung hat endlich der Positivismus in der späteren Lehre von Condillac genommen. In ihm laufen damit die Linien der französischen und der englischen Aufklärung zusammen, und er findet eine positivistische Synthese von Sensualismus und Rationalismus, welche als der vollkommenste Ausdruck des modernen Terminismus angesehen werden darf. Seine »Logik« und seine posthume »Langue des calculs« entwickeln diese Lehre. Sie baut sich im wesentlichen auf einer Theorie der »Zeichen« (signes)[399] auf.843 Die menschlichen Vorstellungen sind sämtlich Sensationen oder Umbildungen von solchen, wozu es keiner besonderen Kräfte der Seele bedarf.844 Alle Erkenntnis nun besteht im Bewußtsein der Verhältnisse der Ideen, und das Grundverhältnis ist dasjenige der Gleichheit. Das Denken hat es nur damit zu tun, die Gleichheitsbeziehungen zwischen den Ideen herauszustellen845, Dies geschieht dadurch, daß die Ideenkomplexe in ihre Bestandteile zerlegt und dann wieder zusammengesetzt werden: décomposition des phénoménes und composition des idées. Die dazu erforderliche Isolierung der Bestandteile ist aber nur mit Hilfe der Zeichen, bezw. der Sprache möglich. Jede Sprache ist eine Methode zur Analyse der Erscheinungen, und jede solche Methode ist eine »Sprache«. Die verschiedenen Arten der Zeichen geben verschiedene »Dialekte« der menschlichen Sprache: als solche unterscheidet Condillac fünf, die Finger (Gebärden), die Lautsprache, die Ziffern, die Buchstaben und die Zeichen der Infinitesimalrechnung. Die Logik, als die allgemeine Grammatik aller dieser »Sprachen«, bestimmt also auch die Mathematik, und zwar die höhere ebenso wie die elementare, als Spezialfälle.

Alle Wissenschaft enthält damit nur Transformationen: es kommt immer darauf an herauszubekommen, daß das Unbekannte, was man sucht, eigentlich ein schon Bekanntes ist, d.h. die Gleichung aufzufinden, welche das x einer Komposition von Ideen gleich setzt: eben zu diesem Zwecke müssen die Wahrnehmungsgebilde vorher dekomponiert werden. Es ist deutlich, daß dies nur eine neue, verallgemeinernde Ausdrucksweise für Galileis Lehre von der resolutiven und kompositiven Methode ist; aber sie erhebt sich hier auf rein sensualistischer Grundlage, sie verleugnet das konstruktive Element, das Hobbes so scharf betont hatte, und sie macht aus dem Denken ein Rechnen mit nur gegebenen Größen. Dabei lehnt sie jeden Gedanken einer Beziehung dieser Daten auf die metaphysische Realität ab, und in der wissenschaftlichen Erkenntnis sieht sie nur einen Aufbau von Gleichungen unter Vorstellungsinhalten nach dem Prinzip Le même est le même. Die menschliche Ideenwelt wird vollständig in sich isoliert, und Wahrheit besteht nur für die innerhalb des Denkens durch die »Zeichen« ausdrückbaren Gleichungen.

9. So indifferent diese Ideologie in metaphysischer Hinsicht sein wollte, so involvierte doch ihre sensualistische Grundlage eine materialistische Metaphysik. Mochte auch über die den Sensationen entsprechende Wirklichkeit nichts ausgesagt werden sollen, so blieb im Hintergrunde doch immer die populäre Vorstellung bestehen, daß Sinnesempfindungen eben von Körpern hervorgerufen werden. Deshalb brauchte nur die vorsichtige Restriktion, welche diesen positivistischen Konsequenzen des Sensualismus eigen war, verabsäumt werden, um den anthropologischen Materialismus, der sich (vgl. oben § 33, 5) in den psychologischen Theorien entwickelt hatte, in einen metaphysischen und dogmatischen zu verwandeln. So sprach Lamettrie mit koketter Rücksichtslosigkeit[400] aus, was viele andere sich selbst nicht einzugestehen, geschweige denn zu verkündigen oder zu vertreten wagten.

Auf den Materialisnlus trieben aber, unabhängig von der Ideologie, auch andere Gedankengänge der Naturforschung zu. Lamettrie hatte sehr richtig gesehen, daß das Prinzip der mechanischen Naturerklärung schließlich nichts neben der durch ihre eigenen Kräfte bewegten Materie dulden werde: schon lange vorher, ehe Laplace die bekannte Antwort gab, er bedürfe der »Hypothese der Gottheit« nicht, war die französische Naturphilosophie auf diesem Standpunkte angelangt. Daß die Welt der Gravitation in sich lebe, war auch Newtons Meinung; aber er glaubte, den Anstoß Ihrer Bewegungen in einer Wirkung Gottes suchen zu müssen. Einen Schritt weiter ging Kant, als er in seiner »Naturgeschichte des Himmels« ausrief: Gebt mir Materie und ich will euch eine Welt bauen. Er machte sich anheischig, das ganze Universum der Fixsterne nach Analogie des Planetensystems zu erklären846, und führte die Entstehung der einzelnen Weltkörper aus einem feurig-flüssigen Urzustande lediglich auf die gegensätzliche Wirkung der beiden Grundkräfte der Materie, Attraktion und Repulsion, zurück. Allein Kant war überzeugt, daß die Erklärung, welche für die Sonnensysteme ausreicht, am Grashalm und an der Raupe scheitere: der Organismus erschien ihm als ein Wunder in der Welt der Mechanik.

Die französische Naturphilosophie suchte auch diesen Gegensatz zu überwinden und das Problem der Organisation aus der Welt zu schaffen. Unter den zahllosen Atomkomplexen, lehrte sie, sind auch solche, welche die Fähigkeit der Erhaltung und Fortpflanzung besitzen. Buffon, der diesen vielfach geäußerten Gedanken mit voller Energie ausgesprochen und durchgeführt hat, gab solchen Atomkomplexen den Namen der organischen Moleküle, und unter Voraussetzung dieses Begriffs ließ sich alles organische Leben im Prinzip als eine nach mechanischen Gesetzen durch die Berührung mit der Außenwelt entwickelte Tätigkeit solcher Moleküle betrachten.847 Das hatte schon Spinoza getan, an dessen Naturlehre Buffon vielfach erinnert: auch der letztere redet von Gott und der »Natur« als Synonymen. Dieser Naturalismus fand somit in der Mechanik das gemeinsame Prinzip für alles körperliche Geschehen. Wenn nun aber die Ideologie auch die Ideen und deren Umbildung als Funktionen der Organismen betrachten lehrte, wenn es nicht mehr für unmöglich, sondern immer mehr für wahrscheinlich galt, daß das Ding, welches denkt, dasselbe sei, welches ausgedehnt ist und sich bewegt, wenn Hartley und Priestley in England, Lamettrie in Frankreich zeigten, daß die Bewußtseinsveränderung eine Funktion des Nervensystems sei, so war man dicht daran zu lehren, daß die Ideen mit allen ihren Transformationen nur einen Spezialfall der mechanischen Tätigkeit der Materie, nur eine besondere Art ihrer Bewegungsformen bildeten. Hatte Voltaire gemeint, Bewegung und Empfindung könnten wohl Attribute derselben unbekannten Substanz sein, so schlug dieser Hylozoismus,[401] sobald man die Abhängigkeit des Psychischen vom Physischen in eine Gleichartigkeit umdeutete, in entschiedenen Materialismus um, und es sind oft nur leise und feine Nuancen des Ausdrucks, wodurch sich das eine in das andere verwandelt. Diesen Uebergang bieten die Schriften von Robinet dar. Er gibt freilich der Naturphilosophie einen metaphysischeh Flug: mit Anlehnung an das Entwicklungssystem der Leibnizschen Monadologie betrachtet er die Stufenleiter der Dinge als eine unendliche Mannigfaltigkeit von Daseinsfomen, bei denen die beiden Faktoren der Körperlichkeit und der psychischen Funktion in allen möglichen verschiedenen Verhältnissen gemischt seien, so daß, je mehr sich das Wesen des Einzeldinges in der einen Richtung entfalte, um so geringer seine Betätigung in der andern sei. Dasselbe Verhältnis gilt nach Robinet auch in der Lebensbewegung der Einzelwesen: die Kraft, welche sie geistig verbrauchen sollen, geht physisch verloren und umgekehrt. Allein im ganzen betrachtet, erscheint gerade deshalb das seelische Leben als eine besondere Form, welche die materielle Grundtätigkeit der Dinge anzunehmen vermag, um sich später wieder in die ursprüngliche Gestalt zurückzuübersetzen.848 Während also Leibniz das System der Entwicklung in dem Sinne entworfen hatte, daß die Monaden, welche die körperliche Materie darstellen, als niederste, unbewußte Arten von Seelen aufgefaßt werden sollten, so betrachtet umgekehrt Robinet Vorstellungen und Willenstätigkeiten als mechanische Transformationen der Nerventätigkeit, die sich dann wieder in solche zurückzuverwandeln vermögen. Seelisch geschieht dabei nichts, was nicht in der physischen Form angelegt war, und der Leib erfährt somit in den psychischen Impulsen nur die Rückwirkungen seiner eigenen materiellen Bewegung.

Unverhüllt als rein dogmatische Metaphysik tritt zum Schluß der Materialismus im Système de la nature auf. Er fahrt sich mit dem epikureischen Motive ein, den Menschen von der Furcht vor dem Uebersinnlichen befreien zu wollen: es soll gezeigt werden, daß dies nur die unsichtbare Tätigkeitsform des Sinnlichen sei. Niemand habe je etwas anderes Uebersinnliches ausdenken können, als ein abgeblaßtes Nachbild des Materiellen. Wer von Idee und Wille, von Seele und Gott rede, denke Nerventätigkeit, Leib und Welt noch einmal in abstrakter Form. Im übrigen bietet diese »Bibel des Materialismus« in schwerfällig lehrhafter und systematisch langweiliger Darstellung keine neuen Lehren oder Argumente: doch ist eine gewisse Wucht der Gesamtauffassung, ein großer Zug in der Führung der Linien der Weltanschauung, ein herber Ernst des Vortrags nicht zu verkennen. Das ist nicht mehr ein pikantes Spiel der Gedanken, sondern ein schwerer Waffengang gegen jeden Glauben an die immaterielle Welt.

10. Trotz des psychogenetischen Gegensatzes war doch das Erkenntnisproblem bei den Vertretern der »eingeborenen Ideen« demjenigen der Sensualisten nicht allzu unähnlich. Die dualistische Voraussetzung beider machte es den letzteren schwer, die Konformität zu begreifen, welche die von den Körpern in den Seelen hervorgerufenen Vorstellungen mit Jenen beanspruchen; aber fast noch schwieriger schien es zu verstehen, daß der Geist durch die Entwicklung der in seiner Natur begründeten Denkformen eine von ihm unabhängige[402] Welt erkennen sollte. Und doch ist gerade dies eine in denu menschlichen Nachdenken so tief eingewurzelte Annahme, daß sie nicht nur dem naiven Bewußtsein, sondern auch der philosophischen Ueberlegung meist als selbstverständlich gilt. Es war die Mission des in der neueren Philosophie nachwirkenden Terminismus, diese dogmatische Grundüberzeugung zu erschüttern und die Frage nach dem Grunde der Konformität zwischen Denknotwendigkeit und Realität hervorzutreiben. Schon Descartes hatte es für notwendig gefunden, die Erkenntniskraft des lumen naturale durch die veracitas dei zu stützen, und damit den Weg gewiesen, welchen die metaphysische Lösung des Problems allein einschlagen konnte.

Wo freilich jener philosophische Trieb fehlte, der sein thaumazein gerade auf das scheinbar Selbstverständliche richtet, da wog auch jetzt jene Schwierigkeit gering. Das war trotz aller Kraft der logischen Klarheit und systematischen Sorgfalt bei Wolff, trotz aller Feinheit der psychologischen Analyse bei den Schotten der Fall. Der erstere geht daran, aus den allgemeinsten formalen Gesetzen der Logik, aus dem Satze des Widerspruchs und dem des zureichenden Grundes (wobei sogar der zweite noch auf den ersten zurückgeführt werden soll) eine weitschichtige Ontologie und eine Metaphysik mit ihren auf Gott, Welt und Seele bezüglichen Teilen more geometrico abzuleiten, und er steht so sehr im Bann dieses logischen Schematismus, daß ihm die Frage garnicht zu kommen scheint, ob sein ganzes Unternehmen, eine »Lehre von allem Möglichen, sofern es möglich ist«, aus logischen Sätzen herauszuspinnen, in der Sache selbst berechtigt sei. Dies Problem verdeckte sich für ihn um so mehr, als er jede rationale Wissenschaft durch eine empirische bestätigte, – eine Uebereinstimmung, die freilich nur möglich war, weil die apriorische Konstruktion der metaphysischen Disziplinen unvermerkt von Schritt zu Schritt Anleihen bei der Erfahrung machte. Trotzdem hatte dies mit reicher Schülelschaft gesegnete System den großen didaktischen Wert, Strenge des Denkens, Klarheit der Begriffe und Gründlichkeit des Beweisverfahrens als oberste Regeln für die Wissenschaft aufzustellen und einzubürgen; und gegen die Pedanterie, die sich damit unvermeidlich einschlich, gaben andere geistige Mächte ein ausreichendes Gegengewicht ab.

Die schottische Philosophie begnügte sich mit dem Aufsuchen der Grundsätze des gesunden Menschenverstandes. Jede Empfindung ist das Zeichen – so terministisch denkt auch Reid – für die Anwesenheit eines Objekts; das Denken gewährleistet die Realität des Subjekts; was wirklich wird, muß eine Ursache haben etc. Solche Sätze sind absolut gewiß; sie zu leugnen oder auch nur zu bezweifeln ist absurd. Insbesondere aber gehört dazu der Satz, daß, was der Verstand klar und deutlich erkennt, auch notwendig so ist. Darin ist das allgemeine Prinzip einer philosophischen Auffassung formuliert, welche man (nach Kants Vorgange) Dogmatismus nennt, das bedingungslose Vertrauen in die Uebereinstimmung des Denkens mit der Realität. Dabei zeigen jene Proben der einzelnen Sätze, wie elektisch und prinziplos dieser Common-sense seine Grundwahrheiten aus den verschiedenen Systemen der Philosophie zusammensuchte. Darin war ihm dann der »gesunde Menschenverstand« der deutschen Popularphilosophen durchaus ähnlich. Mendelssohn war wie Reid der Ansicht, daß alle extremen Gegensätze in der Philosophie[403] Irrtümer seien, zwischen denen die Wahrheit in der Mitte liege: jeder radikalen Ansicht liegt ein berechtigter Keim zu Grunde, der nur künstlich zu einseitiger und krankhafter Entwicklung getrieben ist. Ein gesundes Denken (auf dies Prädikat legt namentlich Nicolai Gewicht) wird all den verschiedenen Motiven gerecht und findet so als seine Philosophie – die Meinung des Durchschnittsmenschen.

11. In Leibniz' Geiste war das Problem durch die Hypothese der prästabilierten Harmonie gelöst. Die Monade erkennt die Welt, weil sie die Welt ist: ihr Vorstellungsinhalt ist von vornherein das Universum, und das Gesetz ihrer Tätigkeit ist das Weltgesetz. Sie hat ihrer »Fensterlosigkeit« wegen eine Erfahrung im eigentlichen Sinne überhaupt nicht: trotzdem ist die Möglichkeit der Welterkenntnis in ihrem Begriffe so wesentlich angelegt, daß als solche geradezu alle ihre Zustände gelten müssen. Zwischen Verstand und Sinnlichkeit bestand danach ein Unterschied weder hinsichtlich der Gegenstände noch hinsichtlich der Art der Beziehung des Bewußtseins darauf: nur sollte die Sinnlichkeit die undeutliche Erscheinungsform, der Verstand das wahre Wesen der Dinge erkennen. In wissenschaftlicher Hinsicht wurde deshalb die sinnliche Erkenntnis teils als die unvollkommenere Vorstufe, teils als das undeutliche Gegenbild der Verstandeseinsicht behandelt: die »historischen« Wissenschaften galten entweder als Vorbereitungen oder als niedere Seitenstücke zu den philosophischen.

Aus diesem Verhältnis hat sich nun eine eigentümliche Konsequenz ergeben. Auch der sinnlichen Vorstellungsweise wohnt eine gewisse eigenartige Vollkommenheit bei, weiche, von der Klarheit und Deutlichkeit des Verstandeswissens unterschieden, die Erscheinungsform ihres Gegenstandes ohne Bewußtsein der Gründe auffaßt: und in diese Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis hatte Leibniz849 das Gefühl des Schönen gesetzt. Als nun einer von Wolffs Schülern, Alexander Baumgarten, bei dem der architektonische Trieb des Systematisierens besonders stark entwickelt war, der Logik als der Wissenschaft vom vollkommenen Verstandesbrauch eine entsprechende Wissenschaft von der Vollkommenheit der Empfindung, eine Aesthetik an die Seite stellen wollte, da gestaltete sich diese Disziplin zu einer Lehre vom Schönen.850 So erwuchs die Aesthetik851 als philosophischer Wissenszweig nicht aus Interesse an ihrem Gegenstande, sondern mit entschiedener Geringschätzung desselben, und als eine »nachgeborene Schwester« der Logik behandelte sie ihn auch mit sehr geringem Verständnis für seine Eigenart und mit verstandeskühler Pedanterie; auch vermochte dieser Rationalismus, dem nach Leibniz die wirkliche Welt als die beste und darum auch als die schönste unter den möglichen galt, für die Theorie der Kunst kein anderes Prinzip als das sensualistische der Naturnachahmung aufzustellen und entwickelte dieses wesentlich in eine langweilige Poetik. Allein trotzdem bleibt es Baumgartens großes Verdienst, das Schöne zum erstenmal wieder systematisch aus den allgemeinsten Begriffen der Philosophie behandelt und damit eine Disziplin begründet zu haben, der in der Weiterentwicklung[404] besonders der deutschen Philosophie eine so wichtige Rolle auch für die theoretischen Lehren bestimmt war: ihre nächsten Fortschritte freilich waren durch ihre aus den allgemeinen literarischen Verhältnissen erwachsende Beziehungen zu den moralphilosophischen Problemen bestimmt (vgl. unten § 36, 8).

12. Die Leibniz-Wolff'sche Auffassung von dem Verhältnis zwischen Sinnlichkeit und Verstand, die insbesondere für die rationale Erkenntnis eingeführte geometrische Methode stieß jedoch in der deutschen Philosophie des 18. Jahrhunderts auf eine zahlreiche Gegnerschaft, die nicht nur von den Anregungen des englischen und französischen Sensualismus und Empirismus, sondern von selbständigen Untersuchungen über das methodische und erkenntnistheoretische Verhältnis zwischen Mathematik und Philosophie ausging.

In letzterer Hinsicht haben Rüdiger und, voll ihm angeregt, Crusius am erfolgreichsten gegen die Wolffsche Lehre gekämpft. Jener stellte der Wolffsche Definition der Philosophie als der Wissenschaft des Möglichen die Bestimmung entgegen, ihre Aufgabe sei, das Wirkliche zu erkennen. Die Mathematik und deshalb auch eine ihrer Methode nachgebildete Philosophie habe es nur mit dem Möglichen, mit der widerspruchslosen Uebereinstimmung der Vorstellungen untereinander zu tun: eine wahre Philosophie bedürfe der realen Beziehung ihrer Begriffe auf das Wirkliche, und eine solche sei nur durch die Wahrnehmung zu gewinnen. Crusius machte sich diese Gesichtspunkte zu eigen, und obwohl er weniger sensualistisch als sein Vorgänger dachte, so kritisierte er doch in ganz ähnlicher Weise das Bestreben der geometrischen Methode, nur mit Hilfe der logischen Formen die Wirklichkeit erkennen zu wollen. Er verwarf den ontologischen Beweis für das Dasein Gottes, da aus Begriffen allein niemals auf die Existenz geschlossen werden, die Existenz (wie es Kant ausdrückt) nicht herausgeklaubt werden könne. In der gleichen Richtung lag es auch, daß Crusius bei der Behandlung des Satzes vom Grunde auf die genaue Unterscheidung zwischen dem realen Verhältnis von Ursache und Wirkung und der logischen Beziehung von Grund und Folge drang. Er benutzte seinerseits die Verschiedenheit von Real-und Idealgründungen zur Bestreitung des Leibniz-Wolffschen Determinismus und namentlich dazu, um der thomistischen Auffassung, welche die Rationalisten von dem Verhältnis des göttlichen Willens und des göttlichen Verstandes hatten, die scotistische von der unbeschränkten Willkür des Schöpfers (§ 26) entgegenzustellen. Die in allen diesen Folgerungen liegende Abwendung von der Naturreligion stimmte auch die strengere protestantische Orthodoxie günstig für die Crusiussche Lehre.

Am einschneidendsten und erfolgreichsten ist in dieser Hinsicht die methodische Grundverschiedenheit von Philosophie und Mathematik durch Kant untersucht worden, dessen Schriften schon für auf Crusius Rücksicht nehmen. In seiner Preisschrift jedoch »über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral« bringt er eine entscheidende Auseinandersetzung. Die beiden Wissenschaften verhalten sich in jedem Betracht als Gegensätze. Die Philosophie ist eine analytische Wissenschaft der Begriffe, die Mathematik eine synthetische Wissenschaft der Größen: jene empfängt ihre Begriffe, diese konstruiert ihre Größen: jene sucht Definitionen, diese geht von Definitionen aus: jene bedarf der Erfahrung, diese nicht: jene beruht auf der Tätigkeit des Verstandes, diese auf derjenigen der Sinnlichkeit. Die[405] Philosophien muß deshalb, um das Wirkliche zu erkennen, zetetisch verfahren: sie darf die konstruktive Methode der Mathematik nicht nachahmen wollen.

Mit dieser fundamentalen Einsicht in den sinnlichen Charakter der Erkenntnisgrundlagen der Mathematik sprengte Kant das System der geometrischen Methode. Denn danach können Sinnlichkeit und Verstand nicht mehr als der niedere und der höhere Grad von Klarheit und Deutlichkeit des Erkennens unterschieden werden. Die Mathematik beweist, daß sinnliche Erkenntnis sehr klar und deutlich, und manches System der Metaphysik beweist, daß Verstandeserkenntnis recht dunkel und verworren sein kann. Jene Unterscheidung muß deshalb mit einer andern vertauscht werden, und Kant versucht es, indem er die Sinnlichkeit als das Vermögen der Rezeptivität, den Verstand als dasjenige der Spontaneität bestimmt. Er tut dies in seiner lnauguraldissertation und baut darauf, in Anlehnung an das psychologische Prinzip des virtuellen Eingeborenseins (vgl. § 33, 12) ein neues System der Erkenntnistheorie852

Dessen Grundzüge sind folgende: die Formen der Sinnlichkeit sind Raum und Zeit, diejenigen des Verstandes die allgemeinsten Begriffe. Aus der Reflexion auf die einen entspringt die Mathematik, aus der Entwicklung der andern die Metaphysik, beides apriorische Wissenschaften von unbedingter Gewißheit. Zwischen ihnen stellt nach Kants damaliger Auffassung die (newtonsche) Erfahrungswissenschaft, die auf dem usus logicus rationis, d.h. der formal-logischen Bearbeitung der Wahrnehmungen beruht, während der usus realis rationis die rein begriffliche Metaphysik der Dinge-an-sich ausmacht. Aber die Formen der (rezeptiven) Sinnlichkeit auch mit Hilfe der diskursiven Denkformen geben nur die notwendige Erkenntnis der Erscheinung der Dinge im menschlichen Geiste (mundus sensibilis phaenomenon), die Formen des Verstandes dagegen enthalten das adäquate Wissen vom wahren Wesen der Dinge (mundus intelligibilis noumenon). Ueber diese reinen Verstandesformen (die später sog. Kategorien) hat Kant zu dieser Zeit noch keine systematische Vorstellung gewonnen; aber daß sie eine Metaphysik zu liefern vermögen, beruht ihm auf dieser Entwicklungsstufe darin, daß beide, der Verstand wie die Dinge selbst, ihren Ursprung im göttlichen Geiste haben, daß wir also durch ihn die Dinge gewissermaßen »in Gott sehen«.853

Quelle:
Wilhelm Windelband: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Tübingen 61912, S. 390-406.
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