V. Teil.

Die Philosophie der Aufklärung.

  • [366] Literatur: Außer der Literatur auf S. 291 sind zu vergleichen:
    LECKY, History of the rise and influence of the spirit of rationalism in Europe. 2 Bde. (6. Aufl. London 1873).
    LESLIE STEPHEN, History of English thought in the 18th century. London 1876.
    J. MACKINTOSH, On the progress of ethical philosophy during the 17th and 18th centuries; Edinburgh 1872.
    PH. DAMIRON, Mémoires pour servir à l'histoire de la philosophie au 18iéme siècle. 2 Bde. Paris 1858-64.
    E. ZELLER, Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz. München 1873.
    Dazu H. HETTNER, Literaturgeschichte des 18. Jahrh. 3 Tle.

Der natürliche Rhythmus des intellektuellen Geschehens brachte es mit sich, daß in der modernen wie in der griechischen Philosophie auf eine erste kosmologisch-metaphysische Periode ein Zeitraum wesentlich anthropologischen Charakters folgte, und daß damit das neu erwachte rein theoretische Streben wiederum einer praktischen Auffassung der Philosophie als Weltweisheit weichen mußte. In der Tat finden sich alle Züge der griechischen Sophistik mit gereifter Gedankenfülle, mit ausgebreiteter Mannigfaltigkeit, mit vertieftem Inhalt, aber deshalb auch mit verschärfter Energie der Gegensätze in der Philosophie der Aufklärung wieder, deren zeitliche Ausdehnung ungefähr mit dem 18. Jahrhundert zusammenfällt. An die Stelle Athens tritt die ganze Breite der geistigen Bewegung in den europäischen Kulturvölkern, und die wissenschaftliche Tradition zählt nun ebensoviel Jahrtausende, wie damals Jahrhunderte; aber die gesamte Richtung und die Gegenstände, die Gesichtspunkte und die Ergebnisse des Philosophierens zeigen in diesen beiden zeitlich so weit geschiedenen und ihrem Kulturhintergrunde nach so sehr verschiedenen Perioden eine lehrreiche Aehnlichkeit und Verwandtschaft. Es waltet in beiden dieselbe Einkehr in das Subjekt, dieselbe zweifelvoll überdrüssige Abwendung von metaphysischer Grübelei, dieselbe Vorliebe für eine empirisch-genetische Betrachtung des menschlichen Seelenlebens, dieselbe Forschung nach der Möglichkeit und den Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis und dieselbe Leidenschaftlichkeit in der Diskussion der Probleme des gesellschaftlichen Lebens: nicht minder charakteristisch endlich ist für beide Zeitalter das Eindringen der Philosophie in die breiten Kreise der allgemeinen Bildung und die Verschmelzung der wissenschaftlichen mit der literarischen Bewegung.

Für die Aufklärung des 18. Jahrhunderts aber war die Grundlage in den allgemeinen Zügen einer weltlichen Lebensansicht gegeben, wie sie während der Renaissance durch die frischen Bewegungen in Kunst, Religion, Staat und Naturforschung herausgearbeitet worden waren. Hatten diese im 17. Jahrhundert[366] zunächst ihre metaphysische Formulierung gefunden, so kam nun wieder die Frage in den Vordergrund, wie in dem Rahmen der neuen Weltanschauung der Mensch sein eigenes Wesen und seine eigene Stellung aufzufassen habe: und vor dem Werte, den man auf diese Frage legte, trat das Interesse an der Verschiedenheit der metaphysischen Begriffe, worin jene Weltanschauung niedergelegt worden war, immer entschiedener zurück. Man begnügt sich mit den allgemeinen Umrissen der gewonnenen Weltansicht, um desto eingehender sich mit den Fragen des Menschenlebens zu beschäftigen, und alle die Lehren der Aufklärung, welche so heftig gegen die Spekulation polemisieren, arbeiten im Grunde genommen von Anfang an mit einer Metaphysik des »gesunden Menschenverstandes«, der zuletzt seine Stimme so laut erhob, und der doch schließlich nur dasjenige als selbstverständliche Wahrheit voraussetzte, was ihm aus dem Ertrag der Arbeit der vorhergehend en Jahrhunderte zugefallen war.

Die Anfange der Aufklärungsphilosophie sind in England zu suchen. wo bei den geordneten Zuständen, die auf den Abschluß der Revolutionsperiode folgten, ein mächtiger Aufschwung des literarischen Lebens auch die Philosophie für die Interessen der allgemeinen Bildung in Anspruch nahm. Von England verpflanzte sich diese Literatur nach Frankreich: hier aber wirkte der Gegensatz der Ideale, welche sie mit sich brachte, zu der sozialen und politischen Wirklichkeit derartig, daß nicht nur der Vortrag der Gedanken von vornherein erregter, heftiger war, sondern auch die Gedanken selbst sich schärfer zuspitzten und ihre negative Energie gegen das in Staat und Kirche Bestehende kräftiger hervorkehrten. Von hier aus zunächst dann aber auch von direkter Einwirkung aus England782 übernahm Deutschland die aufklärerischen Ideen, für die es in mehr theoretischer Weise schon vorbereitet war: und hier fanden diese ihre letzte Vertiefung und eine Reinigung und Veredlung durch ihr Aufgehen in die deutsche Dichtung, mit welcher sich die Renaissance des klassischen Humanismus vollendete.

Der Führer der englischen Aufklärung ist John Locke dadurch geworden, daß er eine populäre Form empirisch-psychologischer Darstellung für die allgemeinen Umrisse der cartesianischen Weltauffassung fand. Während dann deren metaphysische Tendenz in Berkeley noch einen idealistischen Nachsprößling hervorbrachte, breitete sich die anthropologisch-genetische Betrachtungsweise schnell und siegreich über alle Probleme der Philosophie aus. Dabei blieb der Gegensatz zwischen der sensualistischen Assoziationspsychologie und den nativistischen Theorien verschiedenen Ursprungs für die Entwicklung maßgebend Er beherrschte die lebhafte Bewegung der Moralphilosophie, in der Shaftesbury als die eindrucksvollste Persönlichkeit hervortritt, und die damit zusammenhängende Ausbildung des Deismus und der Naturreligion: und er fand seine schärfste Ausprägung auf dem erkenntnistheoretischen Gebiete, wo der konsequenteste und tiefste der englischen Denker, David Hume, den Empirismus zum Positivismus entwickelte und dadurch den Widerspruch der schottischen Schule hervorrief.

Als der Pionier der französischen Aufkärung erscheint Pierre Bayle,[367] dessen »Dictionnaire« die Anschauungen der gebildeten Welt völlig in die Richtung der religiösen Skepsis lenkte; und nach dieser Seite hauptsächlich wurde dann auch die englische Literatur in Paris aufgenommen. Voltaire ist der große Schriftsteller, welcher nicht nur dieser Wendung den beredtesten Ausdruck gegeben, sondern auch die positiven Momente der Aufklärung in der nachdrücklichsten Weise vertreten hat. Aber die Entwicklung drängte mit viel größerer Wucht auf die negative Seite. In dem gemeinsamen Denken der Enzyklopädisten vollzog sich Schritt für Schritt der Umschwung vom Empirismus zum Sensualismus, von Naturalismus zum Materialismus, von Deismus zum Atheismus, von der enthusiastischen Zur egoistischen Moral. Solcher Aufklärung des Verstandes, deren gesamte Linien in dem Positvimismus Condillacs zusammenliefen, trat in Rousseau eine Gefühlsphilosophie von elementarer Gewalt gegenüber, um zur intellektuellen Gestaltung der Revolution zu führen.

Deutschland war für die aufklärerische Bewegung schon durch die Leibnizsche Philosophie und den großen Kathedererfolg, den Wolff mit ihrer Umbildung erzielte, gewonnen; aber hier überwog bei dem Mangel eines einheitlichen öffentlichen Interesses die Tendenz der individuellen Bildung. Für deren Zwecke wurden die Ideen des »philosophischen Jahrhunderts« auf psychologischem und erkenntnistheoretischem, wie auf moralischem, politischem und religiösem Gebiete mit großer Mannigfaltigkeit, aber ohne prinzipielle Neuschöpfung verarbeitet, bis der trockenen Verständigkeit, womit sich eine überhebungsvolle Popularphilosophie besonders an der Berliner Akademie783 breit machte, frisches Leben und höhere Gesichtspunkte durch die poetische Bewegung und die großen Persönlichkeiten ihrer Träger, Lessing und Herder, zugeführt wurden. Dieser Umstand bewahrte die deutsche Philosophie des 18. Jahrhunderts davor, sich in theoretisch-skeptische Selbstzersetzung wie die englische, oder in praktisch-politische Zersplitterung wie die französische zu verlieren durch die Berührung mit einer großen, von Ideengehalt strotzenden Literatur bereitete sich hier eine neue bedeutungsvolle Epoche der Philosophie vor.

John Locke, 1632 zu Wrington bei Bristol geboren, in Oxford gebildet, durch seinen Lebenslauf in das wechselvolle Geschick des Staatsmannes Lord Shaftesbury verflochten, kam mit Wilhelm von Oranien aus hollandischem Exil 1688 in seine Heimat zurück, bekleidete unter der neuen Regierang. die er auch publizistisch mehrfach vertrat, mehrere höhere Staatsämter und starb in ländlicher Muße 1704. Einfache Verständigkeit und nüchterne Klarheit sind die Vorzüge seiner intellektuellen Persönlichkeit; aber ihnen entspricht auch eine gewisse Dürftigkeit der Gedanken und ein Versagen des eigentlich philosophischen Triebes. Trotzdem hat ihn sein Mut der Trivialität populär und damit zum Führer der Aufklärungsphilosophie gemacht. Sein philosophisches Werk führt den Titel Essay concerning human understanding (1690) daneben sind Some thoughts on education (1693), The reasonableness of Christianity (1695) und unter den posthumen Abhandlungen The conduct of understanding zu nennen. Vgl. FOX BOURNE, The life of J. L. (London 1876). T. FOWLER, J. L. (London 1880). G. V. HERTLING, J. L. und die Schule von Cambridge (Freiburg i. B. 1892). E. FECHTER, J. L., ein Bild aus den geistigen Kämpfen Englands im 17. Jahrh. (Stuttgart 1898).

George Berkeley war in Killerin (Irland) 1685 geboren, beteiligte sich als Geistlicher eine Zeitlang an Missions- und Kolonisationsversuchen in Amerika, wurde 1734 Bischof von Cloyne und starb 1753. Vorbereitet durch die Theory of vision (1709), erschien[368] 1710 sein Treatise on the principles of human knowledge, welchem Hauptwerke später die Three dialogues between Hylas and Philonous und Alciphron or the minute philosopher folgten. Ausgabe der Werke von FRASER 4 Bde., London 1871; derselbe hat auch eine gute Gesamtdarstellung (Edinbuegh und London 1881) gegeben. Vgl. COLLYNS SIMON, Universal immaterialism (London 1862); FR: CLAUSSEN (Halle 1889); TH. STIER (Leipzig 1893).

Die Assoziationspsychologie fand ihre Hauptvertreter in Peter Brown (als Bischof von Cork 1735 gestorben The procedure, extent and limits of human understanding 1719), David Hartley (1704-1757; De motus sensus et idearum generatione, 1746; Observations on man, his duty and his expectations, 1749), Edward Search, pseudon für Abraham Tucker 1705-1774; Light of nature (7 Bde., London 1768-1777); Joseph Priestley (1733-1804; Hartleys Theory of human mind on the principles of association of ideals, 1775 Disquisitions relating to matter and spirit. 1777), John Horne Tooke (1736 bis 1812; 'Epea pteroenta or the diversions of parley. 1798, vgl. STEPHEN, Memoirs of J. H. T., London 1813), Erasmus Darwin (1731-1802; Zoonomia or the laws of organic life, 1794 ff.); schließlich Thomas Brown (1778-1820: Inquiry into the relation of cause and effect, 1804, posthum die in Edinburgh gehaltenen Lectures on the philosophy of human mind). – L. FERRI, Sulla dottrina psichologica dell' associazione, saggio storico e critico (Rom 1878); Vgl. BR. SCHOENLANK, Hartley und Priestley als Begründer des Assoziationismus (Halle 1882).

Von den in der älteren Weise platonisierenden Gegnern dieser Richtung ist namentlich Richard Price (1723-1791) durch seinen Streit mit Priestley bekannt geworden: Priestley, The doctrine of philosophical necessity, 1777; Price, Letters on materialism and philosophical necessity, 1778; Priestley, Free discussions of the doctrines of materialism, 1778.

Als eine ästhetische Auszweigung der Assoziationspsychologie darf man die einflußreichen Untersuchungen von Edmund Burke (1729-1797) bezeichnen: »Philosophical inquiry into the origin of our ideas of sublime and beautiful« (1756).

Unter den englischen Moralphilosophen nimmt die bedeutendste Stellung Shaftesbury (Anthony Ashley Cooper, 1671-1713) ein, dessen Abhandlungen unter dem Titel Characteristics of men, manners, opinions and times (1711, daraus »Ueber die Tugend« deutsch von P. ZIERTMANN, Leipzig 1905, »Die Moralisten« deutsch mit Einleitung von FRISCHEISEN-KÖHLER, Leipzig 1909, und von K. WOLLF, Jena 1910) gesammelt sind. Er ist einer der vornehmsten und feinsten Repräsentanten der Aufklärung, die humanistische Bildung ist die Grundlage seines geistigen Wesens, in ihr beruht die Freiheit des Denkens und Urteilens ebenso wie der Geschmack der Auffassung und der Darstellung in seinen Schriften: er selbst ist ein hervorragendes Beispiel für seine ethische Lehre vom Werte der Persönlichkeit. Vgl. G. v. GIZYCKI, Die Philosophie Sh.s (Leipzig und Heidelberg 1876). – Nach ihm scheiden sich verschiedene Gruppen: die intellektualistische repräsentieren Samuel Clarke (1675-1729; A demonstration of the being and attributes of God, 1705; Philosophical inquiry concerning Human liberty, 1715; vgl. seine Korrespondenz mit Leibniz) und William Wollaston (1659-1724, The religion of nature delineated, 1722); die Gefühlsmoral dagegen Francis Hutcheson (1694-1747; Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue. 1725, A system of moral philosophy, 1755, vgl. TH. FOWLER, Shaftesbury and Hutcheson London 1882), Henry Home, pseud. für Lord Kaimes (1696-1782; Essays on the principles of morality and natural religion 1751, Elements of criticism, 1762; vgl. den Artikel in Ersch und Grubers Encyklopädie von W. WINDELBAND); Adam Ferguson (1724-1816, Institutions of moral philosophy, 1769); und in gewissem Sinne auch Adam Smith (1723-1790. Theory of moral sentiment, 1759) – das Autoritätsprinzip vertreten Jos. Butler (1692-1752; Sermons upon human nature. 1726) und William Paley (1743-1805; Principles of moral and political philosophy, 1785); – die Ethik der Assoziationspsychologie hauptsächlich durch Jeremy Bentham ausgebildet (1748-1832: Introdoction to the principles of morals and legislation, 1789, Traité de législation civile et pénale, zusammengestellt von E. DUMONT, 1801, Deontology, hrsg. von J. BOWRING 1834, Werke in 11 Bänden, Edinburgh 1843, vgl. LESLIE STEPHEN, The English Utilitarians Bd. I, London 1900). – In eigentümlicher Sonderstellung erscheint Bernh. de Mandeville (1670-1733; The fable of the bees or private vices made public benefits, 1706, später mit erläuternden Dialogen, 1728, Inquiry into the origin of moral virtue, 1732, Free thoughts on religion, chorch, government, 1720, über ihn P. SAKMANN, Freiburg i. Br. 1898). – Vgl. E. TRÖLTSCH, Herzogs Encyclop. 3. Aufl. 436 ff.

Mit dieser moralphilosophischen Literatur fällt zum großen Teil diejenige des Deismus zusammen; in letzterer Richtung aber treten außerdem hervor: John Toland (1670-1722; Christianity not mysterious, 1696, Letters to Serena, 1704, Adeisidaemon 1709, Pantheisticon, 1710, deutsch von FENSCH, Leipzig 1897); Anthony Collins (1676[369] bis 1729; A discourse of freethinking, 1713); Matthews Tindal (1656-1733; Christianity as old as the creation, 1730); Thomas Chubb (1679-1747; A discourse concerning reason with regard to religion, 1730); Thomas Morgan (1743 gestorben; The moral philosopher, 3 Tle., London 1737 ff.); endlich Lord Bolingbroke (1672-1751: Werke von Mollet in 5 Bdn. 1753 f. herausgegeben; vgl. FR. v. RAUMER, Abhandl. der Berl. Akad. 1840). – Vgl. V. LECHLER, Geschichte der englischen Deismus (Stuttgart und Tübingen 1841).

Englands größter Philosoph ist David Hume, 1711 in Edinburgh geboren und dort gebildet. Nachdem er sich eine Zeitlang als Kaufmann versucht hatte, lebte er mehrere Jahre in Frankreich seinen Studien und verfaßte den genialen Treatise on human nature (gedr. 1739 f., deutsch von KÖTTGEN und LIPPS, Hamb. u. Leipz. 1895). Der Mißerfolg dieses Buches veranlaßte ihn, dasselbe als zweiten Band seiner erfolgreicheren Essays moral political and literary in einer Umarbeitung unter dem Titel Inquiry concerning human understanding, (1748) herauszugeben und einen Inquiry concerning principles of moral (1751), sowie The natural history of religion (1755) anzuschließen. Als Bibliothekar der Juristenfakultat in Edinburgh fand er Anlaß, seine »Geschichte Englands« zu schreiben. Kühl und besonnen, klar und schart; ein Analytiker ersten Ranges, drang er mit vorurteilsfreiem und rücksichtslosem Denken bis zu den letzten Voraussetzungen vor, auf denen die englische Philosophie der neueren Zeit beruhte, und das war der Grund, weshalb er trotz der Vorsicht seiner Aeußerungen bei seinen Landsleuten zunächst nicht die verdiente Anerkennung fand. Nach einem ruhmreichen Aufenthalt in Paris, wo er u. a. mit Rousseau in Verbindung kam, war er eine Zeitlang Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, zog sich aber dann nach Edinburgh zurück, wo er 1776 starb. Posthum erschienen die Dialogues concerning natural religion und kleinere Abhandlungen. Ausgabe der Werke von GREEN und GROSE in 4 Bdn. (London 1875). Seine Autobiographie gab sein Freund Adam SMITH (1777) heraus. Vgl. J. H. BURTON, Life and correspondence of D.H. (Edinburgh 1846 bis 1850); E. FEUERLEIN in der Zeitschr. »Der Gedanke« (Berlin 1863 f:); E. PFLEIDERER, Empirismus und Skepsis in D.H.s Philosophie (Berlin 1874); TH. HUXLEY, D. H (London 1879), FR. JODL, Leben und Philosophie D.H.s (Halle 1872); A. MEINONG, Hume-Studien (Wien 1877 und 1882), G. v. GIZYCKI, Die Ethik D.H.s (Breslau 1878): W. KNIGTH, D.H. (London 1886); P. RICHTER (Halle 1893); W. BREDE: (Halle 1896).

Die schottische Schule wurde begründet von Thomas Reid (1710-1796, Professor in Glasgow; Inquiry into the human mind on the principles of common sense, 1764, Essays on the powers of the human mind, 1785 u. 1878; Gesamtausgabe von W. HAMILTON, Edinburgh 1827) und hatte neben James Oswald (gest. 1793; Appeal to common Hense in behalf of religion, 1766) und James Beattie (gest. 1805; Essay on the nature and immutability of truth, 1770) ihren akademischen und literarischen Hauptvertreter in Dugald Stewart (1753-1828, Professor in Edinburgh, Elements of the philosophy of human mind, 3 Tle., 1792-1827 u. a., Ausgabe der Werke von W. HAMILTON, 10 Bde., Edinburgh 1854 ff.). Vgl. M.' COSH. The scottish philosophy (London 1875).

Vgl. auch E. GRIMM, Zur Geschichte des Erkenntnisproblems von Bacon zu Hume (Leipzig 1890). – E. CASSIRER, Das Erkenntnisproblem in der neueren Philosophie und Wissenschaft, II. (1908, 2. Aufl 1911).


Pierre Bayle, der Typus skeptischer Polyhistorie, 1647 zu Carlat geboren, führte ein durch zweimaligen Konfessionswechsel beunruhigtes Dasein, war schließlich in Sedan und Rotterdam Professor und starb 1706. Seine einflußreiche Lebensarbeit ist in dem Dictionnaire historique et critique (1695 u. 1697) niedergelegt. Vgl. L. FEUERBACH, P. P. nach seinen für die Geschichte der Philosophie und Menschheit interessantesten Momenten, Ansbach 1833. E. PILLON, Abhandlungen in L'année philos. 1895-99. R. EUCKEN (Bayle und Kant, Beiträge zur Einführung in die Gesch. d. Philosophie 1906, p. 82-111).

Von Voltaire (François Arouet le jeune, 1694-1778; die Hauptetappen des Schriftstellerlebens sind die Flucht nach London der Aufenthalt bei der Marquise du Châtelet in Cirey, der Besuch bei Friedrich dem Großen in Potsdam, die Altersruhe auf dem Landsitz. Ferney bei Genf) kommen hier hauptsächlich in Betracht: Lettres sur les Anglais (1734), Métaphysique de Newton (1740). Elements de la philosophie de Newton mis à la portée de tout le monde (1841), Examen important de Mylord Bolingbroke (1736), Candide ou sur l'optimisme (1757), Dictionnaire philosophique (1764), Le philosophe ignorant (1767), Réponse au système de la nature (1777), das Gedicht Les systèmes etc. Für die Geschichte der Philosophie gilt in Voltaires Wesen vor allem sein ehrliche Begeisterung für Gerechtigkeit und Menschlichkeit, sein unerschrockenes Eintreten für die Vernunft im öffentlichen Leben und anderseits der unvergleichliche Einfluß, welchen er mit dem Zauber seines immer bewegten, schlagenden Stiles auf die[370] allgemeine Geistesverfassung seiner Zeit ausgeübt hat. Vgl. E. BERSOT. La philosophie de V. (Paris 1848), D. F. STRAUSS, V. (Leipzig 1870). J. MORLEY, V. (London 1872), G. DESNOIRESTERRES, V. et la société au 18. siécle (Paris 1873).

Skeptischer schon in metaphysischer Hinsicht erscheinen Naturforscher und Mathematiker wie Maupertuis (1698-1759; an der Berliner Akademie tätig; Essai de philosophie morale, 1750, Essai de cosmologie, 1751; Streitschriften zwischen ihm und dem Wolffianer S. König, gesammelt Leipzig 1758) oder d'Alembert (Mélanges de littérature, d'histoire et de Philosophie, 1752), naturalistischer verfahren andere wie Buffon (1708-1788, Histoire naturelle générale et particulière, 1749 ff.), systematischer dagegen und mehr von den deutschen Lehren (Leibniz) beeinflußt Jean Battiste Robinet (1735-1820; De la nature, 1761, Considérations philosophiques de la gradation naturelle des formes d'être, 1767).

Der Sensualismus (Vgi. M. FERRARI, Locke e il sensissimo francese, 1900) erscheint in Verbindung mit dem Materialismus bei Julien Offrai de Lamettrie (1709-1751, Mistoire naturelle de l'âme, 1745, L'homme machine, 1748, L'art de jouir, 1751, Oeuvres Berlin 1751, über ihn A. LANGE, Gesch. des Mater. I, 326 ff.; Nérée QUÉPAT, Paris 1873: J. PORITZKY, Berlin 1900). als lediglich psychologische Theorie bei Charles Bonnet (1720-1793. Essai de psychologie, 1755, Essai analytique sur les facultés de l'âme, 1759, Considérations sur les corps organisés, 1762, Contemplation de la nature, 1764, Palingénésies philosophiques, 1769; vgl. JOH. SPECK, Ponnets Einwirkung auf die deutsche Psychologie des 18. Jahrh. Arch. f. Gesch. d. Philos. Bd. X. f., 1897 f.) mit positivistischer Zuspitzung bei Etienne Bonnot de Conidillac (1715-1780, Essai sur l'origine de la connaissance humaine, 1746, Traité des systèmes, 1749, Traité des sensations, 1754, Logique, 1780, Langue des calculs in der Gesamtausgabe, Paris 1798; vgl. F. RÉTHORÉ, C. ou l'empirisme et le rationalisme, Paris 1864; E. HÉLIGON, C., Paris 1908). Die letzten Vertreter dieser Theorien sind einerseits Pierre Jean Georges Cabanis (1757-1808, Les rapports du physique et du moral de l'homme, 1802; Oeuvres, Paris 1821-1825), anderseits Antoine Lonis Claude Destutt de Tracy (1754-1836; Eléments d'idéologie in 4 Tl. 1801-1815, zusammen 1826). – Vgl. FR. PICAVET, Les idéologues (Paris 1891).

Die literarische Konzentration der aufklärerischen Bewegung in Frankreich bildet die Enzyklopädie (Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, 28 Bde., 1752-1772, Supplement und Register 7 Bde. bis 1780). Neben d'Alembert, der die Einleitung schrieb, war ihr Herausgeber und das geistige Haupt des Kreises, aus dem sie hervorging, Denis Diderot (1713-1784; Pensées philosophiques, 1746, Pensées sur l'interprétation de la nature, 1754; aus den posthumen, der Echtheit nach nicht zweifelsfreien Veröffentlichungen sind die Promenade d'un sceptique, der Entretien d'Alembert et de Diderot und der Rêve d'Alembert hervorzuheben; auch ist der Essai de peinture zu erwähnen; Oeuvres complètes, Paris 1875, 20 Bde.; vgl. K. ROSENKRANZ, D., sein Leben und seine Werke, Leipzig 1866; J. MORLEY, D. and the Encyclopaedists, London 1878). Weitere Mitarbeiter der Enzyklopädie waren (außer den bald ausscheidenden Voltaire und Rousseau) Turgot (Art. Existence), Daubenton, Jaucourt, Duclos, Grimm, Holbach etc. – Aus dem gleichen Kreise (»Les philosophes«) ging später das Système de la nature hervor (pseudonym Mirabaud, 1770), der Hauptsache nach auf Dietrich von Holbach zurückzuführen (1723-1789, ein Pfälzer; Le bon sens ou idées naturelles opposées aux idées surnaturelles, 1772, Eléments de la morale universelle. 1776 u.s.w.). Daneben wirkten Grimm (1723-1807; Correspondance littéraire, 1812), der Mathematiker Lagrange, der Abbé Galiani, Naigeon u. a. mit; das Schlußkapitel »Abrégé du code de la nature« stammt vielleicht aus Diderots Feder; eine sehr populäre Darstellung schrieb Helvétius, »Vrai sens du système de la nature« (1771). Derselbe (Claude Adrien Helvétius, 1715-1771) gab der sensualistisch-assoziationspsychologischen Moral in seinem viel gelesenen Buch De l'esprit (1758) den schärfsten Ausdruck; vgl. auch sein posthumes Werk De l'homme, de ses facultés et de son éducation (1772).

Die Theorie des englischen Konstitutionalismus bürgerte in Frankreich Montesquieu ein (1689-1755 Lettres persanes, 1721, De l'esprit des lois. 1748). Die sozialen Probleme behandelten einerseits die sog. Physiokraten, wie Quesnay (Tableau économique, 1758), Turgot (Réflexions sur la formation et la distribution des richesses, 1774; Gegner Galiani, Dialogues sur le commerce des blés) u. a., anderseits die Kommunisten, wie Morelly (Code de la nature, 1755) und Mably, der Bruder Condillacs (De la législation ou principes des lois, 1776).

Die merkwürdigste Figur der französischen Aufklärung ist Jean Jacques Rousseau (1712 in Genf geboren, nach einem abenteuerlichen, zuletzt durch Trübsinn und Verfolgungswahn gestörten Leben 1778 in Ermenonville gestorben). Seine Hauptschriften – außer den autobiographischen Confessions – sind: Discours sur les sciences et les[371] arts (1750), Discours sur l'origine et les fondemens de l'inégalité parmi les hommes (1753), La nouvelle Héloise (1761), Emile ou sur l'éducation (1762), Du contrat social (1762). Vgl. F. BROCKERHOFF, R., sein Leben und seine Werke (Leipzig 1863 u. 74): E. FEUERLEIN in »Der Gedanke« (Berlin 1866), L. MOREAU, J. J. R. et le siècle philosophique (Paris 1870), J. MORLEY, J. J. R. (London 1873); L. DUCROS, J. J. R. (Paris 1909), R. FESTER, R. und die deutsche Geschichtsphilosophie (Stuttgart 1890), H. HÖFFDING, R. u. s. Philos. (Stuttgart 1897), FR. HAYMANN, R.s Sozialphilosophie (Leipzig 1890), G. JELLINEK, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (Heidelberg 1904).

Die philosophische Theorie der Revolution entwickeln hauptsächlich Charles François de St. Lambert (1716-1803, Principes des moeurs chez toutes les nations ou catéchisme universel, 1798), Const. Fr. Chasseboeuf Comte de Volney (1757-1820; Les ruines, 1791, La loi naturelle ou principes physiques de la morale, déduits de l'organisation de l'homme et de l'univers ou catéchisme du citoyen français, 1793), Marie Jean Ant. Nic. de Condorcet (1743-1794; Esquisse d'un tableau historique du progrès de l'esprit humain, 1795), Dominique Garat (1749-1833; vgl. Compte rendu des séances des écoles normales, II, 1-40). Vgl. E. JOYAU, La philos. en Fr. pend. la révol. (Paris 1893). L. FERRAZ, La philosophie de la révolution (Paris 1900).


Gottfried Wilhelm Leibniz, der vielseitige Begründer der deutschen Philosophie, war 1646 in Leipzig geboren, studierte dort und in Jena, promovierte in Altdorf: wurde dann durch die Bekanntschaft mit Boyneburg in die Dienste der kurmainzische Diplomatie gezogen, worin er, eigene politische und wissenschaftliche Pläne verfolgend, eine Gesandtschaftsreise nach Paris und London (mit gelegentlichem Besuch bei Spinoza im Haag) mitmachte und trat dann als Bibliothekar und Hofhistoriograph in den Dienst des hannoverschen und des braunschweigischen Hofes. In allen diesen Stellungen war er publizistisch und diplomatisch im deutsch-nationalen Sinne und im Inte resse des konfessionellen Friedens tätig. Später lebte er am Hofe der ersten preußischen Königin. Sophie Charlotte, einer hannoverschen Prinzessin, in Charlottenburg und Berlin, wo unter ihm die Akademie gegründet wurde, nachher auf einer Archiv-Reise längere Zeit in Wien. Hier, wie für Petersburg, gab er die später verwirklichten Anregungen zur Gründung der Akademien. Er starb 1716 in Hannover Leibniz war einer der größten Gelehrten, die es gegeben hat: es ist kein Gebiet der Wissenschaften, auf dem er nicht mitgearbeitet und anregend gewirkt hatte. Ueberall machte sich dieser Universalismus in konziliatorischer Richtung als Versuch, bestehende Gegensätze auszugleichen, geltend. Ebenso aber wirkte er auch auf politischem und kirchenpolitischem Gebiete. Diese Vielgeschäftigkeit und Zersplittertheit seines Lebens zeigt sich auch darin, daß seine wissenschaftlichen Ansichten meist nur in fragmentarischen Aufsätzen und in einer unglaublich ausgebreiteten Korrespondenz niedergelegt sind. Die beste Ausgabe seiner philosophischen Schriften ist die neueste von C. J. GERHARDT, 7 Bde. (Berlin 1875 bis 1890). Die metaphysischen Abhandlungen sind oben (S. 319) aufgeführt: für seine Wirkung auf die Aufklärungsphilosophie kommen neben der Korrespondenz mit Bayle und Clarke hauptsächlich in Betracht: Essai de Théodicée sur la bonte de Dieu, la liberté de l'homme et l'origine du mal (Amsterdam 1710) und die erst 1765 von Raspe veröffentlichten Nouveaux essais sur l'entendement humain. Vgl. G. E. GUHRAUER, G. W. Frhr. v. L. (Breslau 1842); E. PFLEIDERER, L. als Pairiot, Staatsmann und Bildungsträger (Leipzig 1870) Art. L. in Ersch und Grubers Enzyklopädie v. W. WINDELBAND. – L. FEUERBACH, Darstellung, Entwicklung und Kritik der L.schen Philosophie (Ansbach 1837); E. NOURISSON, La philosophie de L. (Paris 1860), L. GROTE, L. und seine Zeit (Hannover 1869). O. CASPARI, L.' Philosophie (Leipzig 1870), J. TH. MERZ, L. (London 1884); E. CASSIRER, L.' System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen (Marburg 1902).

Zu den einflußreichsten Aufklären in Deutschland gehört L.' Zeit- und Landsgenosse Christian Thomasius (1655-1728; Einleitung zur Vernunftlehre, Ausführung der Vernunftlehre, beide 1691; Einleitung zur Sittenlehre, 1692, Ausführung der Sittenlehre, 1696; Fundamenta iuris naturae et gentium ex sensu communi deducta, 1705; vgl. A. LUDEN, Chr. Th., Berlin 1805).

Den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Lebens bildeten in Deutschland während des achtzehnten Jahrhunderts die Lehre und die Schule von Christian Wolff. Er war 1679 in Breslau geboren, studierte in Jena, war in Leipzig Privaldozent und lehrte in Halle, bis er auf Betreiben orthodoxer Gegner 1723 verjagt wurde. er war dann Professor in Marburg; 1740 rief ihn Friedrich der Große in der ehrenvollsten Weise nach Halle zurück wo er darauf bis an seinen Tod 1754 gewirkt hat. Er behandelte den ganzen Umfang der Philosophie in lateinischen und in deutschen Lehrbüchern, die letzteren führen alle den Titel »Vernünftige Gedanken« und handeln von den Kräften des menschlichen Verstandes, 1712; von Gott. der Welt und der Seele des Menschen, auch allen[372] Dingen überhaupt, 1719; von der Menschen Thun und Lassen, 1720; vom gesellschaftlichen Leben der Menschen, 1721, von den Wirkungen der Natur, 1723; von den Absichten der natürlichen Dinge, 1724; von den Teilen der Menschen, Tiere und Pflanzen, 1725. Dazu Philosophia rationalis sive Logica, 1718; Philosophia prima sive Ontologia 1728; Cosmologia, 1731; Psihologia empirica, 1732, rationalis, 1734; Theologia naturalis, 1738; Jus naturae, 1740 ff.: jus gentium, 1749; Philosophia moralis, posthum 1756. – Vgl. K. G. Ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Wolffschen Philosophie (Leipzig 1736 ff.); auch W. L. G. v. ERBERSTEIN, Versuch einer Geschischte der Logik und Methaphysik bei den Deutschen von Leibniz an (Halle 1799). W. ARNSPERGER, W.s Verhältnis zu Leibniz (Welmar 1897.)

Unter den überaus zahlreichen Wolffianer sind etwa zu nennen: G. B. Billfinger (1632-1750, Dilucidationes philosophicae de deo, anima humana, mundo etc., 1725); M. Knutzen (gestorben 1751; Systema causarum efficientium, 1746, vgl. B. ERDMANN, M. Kn. und seine Zeit, Leipzig 1876), J. Chr. Gottsched (1700-1766; Erste Gründe der gesamten Weltweisheit, 1734); Alex. Baumgarten (1714- 1762; Metaphysica, 1739, Aesthetica, 1750-1758).

Als Verträter der geometrischen Methode erscheinen M. G. Hansch (1683-1752; Ars inveniendi, 1727) und G. Ploucquet (1716-1790; vgl. A. F. BÖCK, Sammlung von Schriften, welche den logischen Kalkül des Herrn P. betreffen, Frankfurt u. Leipzig 1766); als Gegner derselben Pierre Crousaz (1663-1748; Logik 1712 u. 1724, Lehre vom Schönen, 1712), Andreas Rüdiger (1671-1731; De sensu veri et falsi, 1709, Philosophia synthetica, 1707) und Chr. A. Crusius (1712-1775; Entwurf der notwendigen Vernunftwahrheiten, 1745, Weg zur Gewißheit und Zuverlässigkeit der menschlichen Erkenntnis, 1747). Eine eklektische Zwischenstellung nehmen ein J. Fr. Budde (1667 bis 1729 Institutiones philosophiae eclecticae, 1705) und die Geschichtsschreiber der Philosophie J J. Brucker und D. Tiedemann, ferner Joh. Lossius (Die physischen Ursachen des Wahren, 1775) und A. Platner (1744-1818; Philosophische Aphorismen, 1776 u. 1782). Ueber des letzteren Verhältnis zu Kant vgl. M. HEINZE (Leipzig 1880); P. ROHR (Gotha 1890), P. BERGEMANN (Halle 1891); W. WRESCHNER (Leipzig 1893).

Von selbständigerer Bedeutung sind J. H. Lambert (1728 in Mülhausen geboren, 1777 in Berlin gestorben, Kosmologische Briefe, 1761, Neues Organon, 1764, Architektonik, 1781; vgl. O. BAENSCH, L.s Philosophie und seine Stellung zu Kant, Tüb. u. Leipz. 1902) und Nic. Tetens (1766-1805; Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwicklung, 1776 f.; vgl. FR. HARMS. Uebel die Psychologie des N. T., Berlin 1887; G. STÖRRING, Die Erkenntnislehre von T., Leipzig 1901; M. SCHINZ, Die Moralphilosophie von T., Leipzig 1905). Auch Kants vorkritische Schriften gehören noch in diesen Rahmen; es sind hauptsächlich: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, 1755; Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio, 1755, Monadologia physica 1756; Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren, 1762; Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes, 1763; Versuch den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen 1763; Ueber die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral, 1764; Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, 1764; Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, 1766; De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, 1770.

Der Deismus fand in Deutschland in zahlreichen Wolffianern eine lebhafte und lehrhafte, wenn auch prinzipiell nicht neue Vertretung, für welche die Wertheimer Bibelübersetzung von Lorenz Schmidt charakteristisch ist. Den Gesichtspunkt historischer Kritik der biblischen Schriften machte Salomon Semler (1725-1781) geltend. Die schärfsten Konsequenzen der deistischen Kritik zog Samuel Reimarus (1699-1768; Abhandlungen von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion, 1754, Betrachtung über die Triebe der Tiere, 1760; besonders die Schutzschrift über die vernünftigen Verehrer Gottes, 1767, woraus Lessing die »Wolfenbüttler Fragmente«, in neuerer Zeit DAV. FR. STRAUSS, Leipzig 1862, einen Auszug herausgab). Ein spinozistischer Freidenker war Joh. Chr. Edelmann (1698-1767). Vgl. K. MÖNCKEBERG, Reimarus und Edelmann (Hamburg 1867).

Die von Spener (1635-1705) begonnene und von Aug. Herm. Francke (1663 bis 1727) mit organisatorischer Energie fortgeführte, dem Mystizismus verwandte Richtung des sog. Pietismus hat während dieser Zeit auf die Philosophie nur indirekt Einfluß gehabt, noch ferner stehen dieser die mehr vereinzelten mystischen Sektierer wie Gottfried Arnold (1666- 1714) und Courad Dippel (1673-1734).

Die empirische Psychologie ist im 18. Jahrhundert bei den Deutschen durch zahlreiche Namen, umfangreiche Sammlungen Lehrbücher und Sonderuntersuchungen vertreten. Da sind Casimir von Creuz (1724-1770). Joh. Gottl. Krüger (Versuch[373] einer experimentellen Seelenlehre, 1756), J. J. Hentsch (Versuch über die Folge der Veränderungen der Seele, 1756), J. Fr. Weiss (De natura animi et potissimum cordis humani, 1761). Fr. v. Irwing (Erfahrungen und Untersuchungen über den Menschen, 1777 ff.) u. a., einen Sammelplatz von Beiträgen zu dieser beliebten Wissenschaft bildete das von Moritz (1785-1793) herausgegebene »Magazin zur Erfährungsseelenlehre«. Weitere Literatur bei K. FORTLAGE, System der Psychologie, I, 42 f. Vgl. R. SOMMER. Grundzüge einer Geschichte der deutschen Psychol. und Aesthet. (Würzburg 1892). M. DESSOIR Geschichte der neueren deutschen Psychologie, I. Bd. 2. Aufl. (Berlin 1902).

Eine empirisch-psychologische Kunstlehre findet sich außer bei Baumgartens Schüler G. Fr. Meier (1718-1777) namentlich bei Joh. Georg Sulzer (1720-1779; Theorie der angenehmen Empfindungen, 1762, Vermischte Schritten, 1773 ff., Allgemeine Theorie der schönen Künste. 1771-1774, ein ästhetisches Lexikon; vgl. darüber JOH. LEO, Berlin 1907). Vgl. R. H. LOTZE, Geschichte der Aesthetik in Deutschland (München 1868). H. v. STEIN, Die Entstehung der neueren Aesthetik (Stuttgart 1886).

Von den Popularphilosophen seien erwähnt Moses Mendelssohn (1729 bis 1786: Briefe über die Empfindungen, 1755; Ueber die Evidenz in den metaphysischen Wissenschaften 1764; Phaedon, 1767; Morgenstunden, 1785; Werke hrsg. von BRASCH. Leipzig 1881), der Buchhändler Fr. Nicolai (1733-1811), welcher hintereinander die Bibliothek der schönen Wissenschaften, die Briefe die neueste deutsche Literatur betreffend, die Allgemeine deutsche Bibliothek und die Neue allgemeine deutsche Bibliothek herausgab; ferner J. Aug. Eberhard (1738-1809), Joh. Bernh. Basedow (1723 bis 1790), Thomas Abbt (1738-1766), Joh. Jac. Engel (1741-1802, Herausgeber des »Philosoph für die Welt«), J. G. H. Feder (1740-1821), Chr. Meiners (1747-1810), Chr. Garve (1742-1798).

Eine persönlich hochinteressante Stellung nimmt Friedrich der Große, der »Philosoph von Sanssouci« ein, über den zu vgl. ED. ZELLER, Fr. d. Gr. als Philosoph (Berlin 1886).

Von Lessings Schriften kommen für die Geschichte der Philosophie hauptsächlich in Betracht die Hamburger Dramaturgie, die »Erziehung des Menschengeschlechts«, die Wolfenbüttler Fragmente und die theologischen Streitschriften. Vgl. ROB. ZIMMERMANN, Leibniz und Lessing (Studien und Kritiken, I, 126 f.), E. ZIRNGIEBL, Der Jacobi-Mendelssohnsche Streit über Lessings Spinozismus (München 1861). C. HEBLER, Lessing Studien (Bern 1862). W. DILTHEY (Preuß. Jahrb. 1869, erneuert in »Erlebnis und Dichtung«, Leipzig 1906)

Unter Herders Schriften gehören in diese Zeit: Ueber den Ursprung der Sprache. 1772; Auch eine Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1774; Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele, 1778; Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, 1784 ff.; Gott, Gespräche über Spinozas System, 1787; Briefe zur Beförderung der Humanität, 1793 ff. (Ueber seine spätere philosophische Schriftstellertätigkeit vgl. unten VI. Tl. 2. Kap.). Vgl. R. HAYM, H. nach seinem Leben und seinen Werken (Berlin 1877-1885). E. MELZER, H. als Geschichtsphilosoph (Neisse 1872). M. KRONENBERG, H.s Philosophie (Heidelberg 1889). E. KÜHNEMANN, H.s Persönlichkeit in seiner Weltanschauung (Berlin 1893). DERS, H.s Leben (München 1895). DERS., Herder, Kant, Goethe (Logos II 3, Tübingen 1912). A. TUMARKIN, H. und Kant (Bern 1896 ). G. JACOBY, Herders und Kants Aesthetik (Leipzig 1908).

Vgl. auch J. WITTE, Die Philosophie unserer Dichterheroen (Bonn 1881).

Quelle:
Wilhelm Windelband: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Tübingen 61912, S. 366-374.
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