2. Räubermoral

[110] Die Gesellen des Räubers Dschï fragten ihn einmal und sprachen: »Braucht ein Räuber auch Moral?«

Er antwortete ihnen: »Aber selbstverständlich! Ohne Moral kommt er nicht aus. Intuitiv erkennt er, wo etwas verborgen ist: das ist seine Größe; er muß zuerst hinein: das ist sein Mut; er muß zuletzt heraus: das ist sein Pflichtgefühl; er muß wissen, ob es geht oder nicht: das ist seine Weisheit; er muß gleichmäßig verteilen: das ist seine Güte. Es ist vollkommen ausgeschlossen, daß ein Mann, der es auch nur an einer dieser fünf Tugenden fehlen läßt, ein großer Räuber wird.«

An diesem Beispiel kann man sehen, daß ebenso wie die guten Menschen auf die Moral der Heiligen angewiesen sind, um zu bestehen, auch der Räuber Dschï auf die Moral angewiesen ist, um sein Handwerk betreiben zu können. Nun aber sind die Guten auf der Welt wenige und die Schlechten viele. Daraus folgt, daß der Nutzen der Heiligen für die Welt gering ist und ihr Schaden groß.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 110-111.
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