Dezernenten

[327] Dezernenten, bei den preußischen Staatseisenbahnen und den Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen übliche Bezeichnung der höheren Beamten, die bei den Eisenbahnbehörden (Eisenbahnzentralamt, Generaldirektion, Eisenbahndirektionen) nach Maßgabe des Geschäftsplanes dienstliche Angelegenheiten unter der Firma der Behörde bearbeiten. Der Regel nach bekleiden die D. etatsmäßige Mitgliedstellen der Behörde. Vorübergehend werden auch höhere Beamte, bevor ihnen eine Mitgliedstelle verliehen werden kann, als D. bestellt. Die Zahl der bei jeder Behörde einzurichtenden Dezernate bestimmt der Minister.[327] Die Einrichtung der Dezernate ist Sache des Präsidenten, der dabei an die Anleitung zur Aufstellung des Geschäftsplans gebunden ist. Man unterscheidet Dezernate administrativer, bau- und betriebstechnischer sowie maschinentechnischer Fachrichtung. Zu den administrativen Dezernaten gehören die Kassen- und Etatsdezernate, die Rechtsangelegenheiten, das Personalien- und Wohlfahrtswesen, die administrative Streckenverwaltung, das Tarif- und Verkehrswesen einschließlich des Güterwagendienstes. In die bau- und betriebstechnischen Dezernate gehört der Bau der Bahn und ihrer Anlagen, ihre Bewachung, Erhaltung und Erweiterung, das Sicherungs- und Signalwesen, ferner das Fahrplanwesen und der Zugbetrieb, sowie der Bahnhofs- und Verschubdienst. Die maschinentechnischen Dezernate umfassen die Bauart, Beschaffung und Unterhaltung des gesamten Fahrparks, den gesamten Maschinen- und elektrischen Fahrdienst im Betriebe. Ein Teil der D. ist als Oberräte bestellt, denen für gewisse Fälle der Präsident seine Vertretung übertragen kann. Einer der Oberräte ist ständiger Vertreter des Präsidenten und erhält eine höhere Dienstzulage als die anderen. Im Eisenbahnzentralamte obliegt den Oberräten vornehmlich die Leitung der für den ganzen Staatseisenbahnbereich wirkenden ständigen Ausschüsse. Die Präsidenten können sich außer den unter ihrem Namen zu erledigenden Geschäftssachen solche vorbehalten, die sie als D. erledigen.

Für alle Angelegenheiten, die den Geschäftskreis mehrerer Dezernate berühren, wird stets der meistbeteiligte als der D. bestellt, während die anderen als Kodezernenten mitwirken. Es wird zwecks gründlicher Bearbeitung und aus Erwägungen wirtschaftlicher Art auf weitestgehende Beteiligung der Kodezernenten Wert gelegt, dabei aber auf Vermeidung unnötiger Schreiberei mit Nachdruck gehalten; schriftliche Auseinandersetzungen in der Behörde sind verboten, alle Meinungsverschiedenheiten sind mündlich auszutragen, nötigenfalls entscheidet auf mündlichen Vortrag der Präsident, u. zw. endgültig.

Um die Mitwirkung des Präsidenten bei der Erledigung der Geschäftsstücke sicher zu stellen, sind die Geschäfte, die einem Dezernat zufallen, unterschieden nach solchen (minder wichtigen), in denen der D. ein für allemal selbständig entscheidet, und nach solchen, in denen die Eingangsstücke zunächst dem Präsidenten vorgelegt werden und alsdann dem D. zur eigenen Bearbeitung zugehen, sofern nicht der Präsident besondere Weisung erteilt und sich die endgültige Entscheidung vorbehält. Außerdem ist jeder D. verpflichtet, über Geschäftsvorgänge, die im Laufe der Bearbeitung eine solche Wichtigkeit erhalten, daß der Präsident darüber unterrichtet werden muß, unverzüglich Vorlage oder Vortrag zu veranlassen (s. Verwaltung).

Die vortragenden Räte des Ministeriums pflegen nicht als D., sondern als Referenten bezeichnet zu werden.

Hoff.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 3. Berlin, Wien 1912, S. 327-328.
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