Eisenbahnregal

[112] Eisenbahnregal, in der älteren deutschen Privatrechtslehre und Finanzwissenschaft angenommene[112] Bezeichnung für den Ausfluß des wirtschaftlichen (nutzbaren) Hoheitsrechts, kraft dessen der Staat im Namen des öffentlichen Interesses das Unternehmen der Eisenbahnen zu einem unzertrennlichen Bestandteil der Staatswirtschaft macht und demgemäß den Bau und Betrieb der Eisenbahnen selbst in die Hand nimmt.

In der Übertragung dieses Rechts an Private unter Regelung ihrer Verpflichtungen und Berechtigungen haben einzelne eine Form der Ausübung des E. (Belehnung mit dem E.) zu erblicken gesucht.

Ein E. nahmen unter anderen an: Rau (Finanzwissenschaft, 5. Aufl., Leipzig 1864) und Stein (Lehrbuch der Finanzwissenschaft, 5. Aufl., Leipzig 1885), Bergius (Finanzwissenschaft, 2. Aufl., Berlin 1871), Rohr (Handbuch des praktischen Eisenbahndienstes, Stuttgart 1877), Haberer (das österreichische Eisenbahnrecht, Wien 1885) u.s.w.

Unter den Privatrechtslehrern vertritt insbesondere Reyscher das E. und sucht seine Ansicht wissenschaftlich zu begründen, indem er hierfür zwar keine gesetzlichen Quellen, aber ein Reichsherkommen anführt, hervorgerufen durch den besonderen Friedens- und Königsschutz über Land- und Wasserstraßen und die billige Rücksicht auf den erforderlichen Aufwand.

Neuerdings ist die Wissenschaft des deutschen Privatrechts von der Annahme eines E. abgegangen (s. schon Beseler, System d. gem. deutschen Privatrechts, 1. Aufl. 1853, Band II, S. 112, 113):


»Die Rechte der Staatsgewalt in Beziehung auf Eisenbahnen ... sind, abgesehen von den besonderen gesetzlichen Bestimmungen, nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über Staatseigentum, Aktienvereine u.s.w., nicht aber nach Analogie der Regalitätslehre zu beurteilen.«


Dieselbe Meinung findet sich in Gerbers System des deutschen Privatrechts (8. Aufl. [1863], § 62, S. 148), als auch die Volkswirtschaftslehre darüber einig war, daß ein E. nicht angenommen werden kann und niemals vorhanden gewesen ist (s.u.a. Cohn, System der Nationalökonomie, II [1889], S. 100, 101; Jäger, Die Eisenbahnkunde [1887] s. auch Eisenbahnhoheit).

Ein Erkenntnis des IV. Zivilsenats des deutschen Reichsgerichts vom 7. Januar 1886 spricht ebenfalls aus, daß der Eisenbahnbau und -betrieb nicht zu den nutzbaren Regalien des Staats gehöre und der Umstand, daß der Staat vertragsmäßig mit der Unterhaltung auch die Einkünfte einer Privatbahn übernahm (in Preußen), dem Geschäft nicht den Charakter eines Gewerbs entzogen habe (s. Ztg. d. VDEV., 1886, S. 318).

v. der Leyen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 4. Berlin, Wien 1913, S. 112-113.
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