Kirchenwagen

[357] Kirchenwagen, Sonderwagen mit Einrichtungen für die Abhaltung von Gottesdiensten. In den Vereinigten Staaten haben die verschiedenen Konfessionen und Sekten (insbesondere die Baptisten) begonnen, fahrbare K. zu bauen, um auch den Bewohnern der zahlreichen, an der Bahn gelegenen Orte, die einer Kirche entbehren, eine würdige Stätte der Andacht zu bieten.

Die K. gleichen in ihrem Äußeren den gewöhnlichen Eisenbahnwagen, während sie im Innern eine vollständige Kirchen- oder Kapelleneinrichtung bergen. Eines dieser Fahrzeuge, das eine dem heil. Andreas geweihte katholische Kapelle darstellt, bietet Raum für 100 Andächtige. Die Länge des Schiffes von der Eingangstür bis zum Altar beträgt, wie dem »Technical World Magazine« zu entnehmen ist, 45 Fuß; den übrigen Teil des Wagens in einer Länge von 20 Fuß nehmen Wohnräume, Küche, Speisezimmer und Schlafraum ein. Die Sitzbänke sind zu beiden Seiten eines Mittelganges angeordnet. Neben dem Altar befindet sich eine kleine Sakristei; auch eine Orgel ist vorhanden. Der Wagen hat 15.000 Dollar gekostet. Auf den Eisenbahnen der Vereinigten Staaten verkehrt zurzeit etwa ein Dutzend solcher K., die auf allen Linien unentgeltlich befördert werden. Auf einsamen Stationen werden die K. auf ein Nebengleis geschoben und verbleiben dort bis zu sechs Wochen. Während dieser Zeit halten die Wanderprediger täglich Gottesdienste und Bibelstunden ab. Gelegentlich überwachen sie dabei auch den Bau neuer Gotteshäuser, zu deren Errichtung sie durch ihre Predigten die Anregung gegeben haben. Zu den Förderern der Eisenbahnkirchen gehörte John D. Rockefeller, dem die erste dieser Kirchen ihr Entstehen verdankt, und der auch den Bau weiterer K. mit namhaften Beiträgen unterstützt.[357]

Ein kirchlichen Zwecken dienender Eisenbahnwagen, dessen Inneres zu einer Kapelle umgewandelt wurde, verkehrt auch auf der sibirischen Eisenbahn.

In Amerika und Südafrika verkehren überdies sog. Missions- (Evangelien-) Wagen, in denen sich Missionare mit Flugschriften u.s.w. einrichten. Die Kapregierung hat mehrere solche Wagen gebaut, die drei Abteilungen enthalten, einen Wohnraum, einen Schlafraum und eine Küche. Im Wohnraum befindet sich eine Bücherei, bestehend aus illustrierten Zeitschriften, Zeitungen und Wochenschriften, sowie guten Büchern.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 357-358.
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