Borstell, Fritz

[80] Borstell, Fritz. Johannes Hermann Friedrich Borstell wurde am 27. Mai 1834 zu Berlin geboren, erwarb, mit tüchtigen Vorkenntnissen ausgerüstet, seine buchhändlerische Bildung in der Gropius'schen Buchhandlung in Berlin; später in Mainz, Paris und wiederum in Berlin.

1863 übernahm er mit seinem Freunde Friedrich Wreden das Sortiment der Nicolaischen Buchhandlung (gegr. 1713) und schuf aus kleinen Anfängen heraus seinen Lesezirkel. Es war eine völlig neue Idee, wenigstens für Deutschland, denn England hatte bereits ein ähnliches weltbekanntes Unternehmen durch den Buchhändler Mudie in London erhalten. Der Grundsatz war, nur neue, saubere Bücher auszuleihen und sie sofort durch andere zu ersetzen, wenn ihnen diese Eigenschaft nicht mehr zugesprochen werden konnte. Mit Freytag und Scheffel, zwei überaus glücklichen Griffen, begann Borstell seinen Ausleihezirkel – aber nicht auf Romane blieb der Zirkel beschränkt, sondern von vornherein wurde mit dem Grundsatze gerechnet, jedes verlangte Buch, aus welchem Gebiet es auch sei, leihweise zu geben. Der Erfolg bewies die Richtigkeit der Idee, denn seit Jahren ist der Lesezirkel die feste Säule, um den sich die übrigen Geschäftszweige gruppieren.

1869 war Wreden ausgetreten und 1872 trat Borstells Neffe Hans Reimarus als Teilhaber ein, um sich vorwiegend dem Sortiment zu widmen. 1883 ergab sich die Notwendigkeit zur Bequemlichkeit der zahlreichen Kundschaft im Westen Berlins eine Filiale in der Potsdamerstraße zu errichten, während sich das Hauptgeschäft Brüderstraße 13 (jetzt Dorotheenstraße 75) befand. Das neue Geschäftshaus Dorotheenstr. 75 ist eigens für Borstells Zwecke und nach seinen Angaben gebaut. Im Erdgeschoß werden die ausgeliehenen Bücher gewechselt. Von hier gelangt man auf bequemer Trappe in den ersten Stock, wo sich das Sortiment befindet. Neben einer bedeutenden Auslage für Prachtwerke und Neuigkeiten der Litteratur findet man diesem trotz seiner Ausdehnung behaglichen Raume auf großen Tischen die neuesten Zeitschriften aufgelegt und bequeme Sessel laden zum Verweilen ein. Beide Räume sind in halber Höhe von Gallerien umgeben, die man auf eisernen Wendeltrappen erreicht und wo, ebenso wie im zweiten[80] Stock, die Bestände des Lesezirkels untergebracht sind; in letzterem befindet sich auch die Hauptkasse und Buchhalterei. Der dritte Stock dient der Aufbewahrung der Reservebände, im vierten endlich sind die aus dem Zirkel zurückgezogenen Werke aufgestapelt, die jetzt zum Teil zur Versorgung von Volks- und Schulbibliotheken verwandt werden. 600000 Bände stehen der Lesewelt zur Verfügung.

Fritz Borstell gründete mit gleichgesinnten Berufsgenossen im November 1857 den »Krebs«, Verein jüngerer Buchhändler in Berlin.

Er war ferner hervorragend thätig in Börsenvereinsausschüssen und dem Vorstand der Korporation Berliner Buchhändler, daneben eine zeitlang Berliner Stadtverordneter.

Fritz Borstell starb am 2. 2. 1896; die Handlung befindet sich seitdem im Besitze von Hans Reimarus und Fritz Borstells Erben.

Quellen: Schultz, Adreßbuch 1899 (Fr. Wreden), vergl. auch den Artikel Nicolai.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 1. Berlin/Eberswalde 1902, S. 80-81.
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