Hartleben, Conrad Adolf

[379] Hartleben, C. A. Conrad Adolf Hartleben wurde, als Sohn des Rechtsgelehrten Franz Josef Hartleben, am 26. August 1778 in Mainz geboren und trat 1793 in das kurmainzische Regiment als Kadett ein. 1795 ging er mit seinem Vater nach Wien und besuchte 1797[379] die juridischen Vorlesungen an der dortigen Universität; als aber in demselben Jahre das allgemeine Aufgebot berufen wurde, ließ er sich in die Universitäts-Brigade einreihen und wurde vom Marschall Prinzen von Württemberg zum Offizier befördert. Familienverhältnisse bestimmten ihn, im folgenden Jahre von dieser Laufbahn abzutreten und Buchhändler zu werden; er wandte sich vorerst dem Verlage zu. Die 1801 herausgegebenen »Malerischen Darstellungen aus Oesterreich«, das erste Werk dieser Art, das so viele Nachfolger weckte, fand großen Beifall. 1802 kaufte er die Buchhandlung des Sigmund von Ivanics in Ofen und 1803 erhielt er die Bewilligung zur Errichtung einer Buchhandlung in Pest. Eine ununterbrochene Reihe von Werken, alle Zweige des Wissens und der schönen Litteratur umfassend, in deutscher und ungarischer Sprache, entsproß der Thätigkeit C. A. Hartlebens, der sich als unermüdlicher Verleger bewährte, manches Talent vor die Oeffentlichkeit führte und sich ein bleibendes Verdienst um die Litteratur zweier Nationen erwarb. Vor allem befruchtend wirkte Hartleben auf die Entwickelung der ungarischen Litteratur. Sterne erster Größe, wie Baron Eötvös, Jokai, Baron Kemény, Petöfi und Szalag Láßló wurden von ihm mit ihren Erstlingswerken in die ungarische Lesewelt eingeführt. Außerdem gehören hierher die gesammelten Werke Csokonais, die ungarische Uebertragung einer Reihe von erstklassigen deutschen Werken aus allen Wissenschaften. 1844 verlegte Hartleben den Hauptsitz seiner Verlagshandlung nach Wien, um bei der damaligen Schwerfälligkeit der Verkehrswege den Bezug seiner Werke besser zugänglich zu machen, und firmierte C. A. Hartlebens Verlags-Expedition in Pest, Wien und Leipzig.

Nach seinem Tode (5. April 1863) fand eine Trennung der verschiedenen Geschäftszweige in selbständige Abteilungen für Sortiment (Budapest) und Verlag (Wien) unter verschiedenen Besitzern statt. Das Budapester Sortimentsgeschäft wurde unter der Firma Hartleben & Comp. fortgeführt, seit 1872 von August Röber und Hermann Starke unter dem Namen Röber & Starke. Den gesamten deutschen und ungarischen Verlag übernahm, da der verstorbene keine direkten Nachkommen hinterlassen, laut testamentarischer Verfügung dessen Großneffe Adolf Hartleben. Der ungarische Verlag in Budapest wurde, um eine Zersplitterung der Kräfte zu vermeiden, 1866 verkauft. – Adolf Hartleben wurde 1835 in Neu-Gradiska in Croatien, woselbst sein Vater als Vorsteher der k. k. Forstbehörde fungierte, geboren. Durch das Jahr 1848 plötzlich in seinen[380] Studien unterbrochen, trat Hartleben 1851 als Kadett in das 14. Grenz-Infanterie-Regiment ein, wurde in das Geniekorps versetzt, und ging später zum 9. Ulanen-Regimente über. Er diente bis 1861 als Offizier und Adjutant, bis seitens seines Großoheims C. A. Hartleben, da Letzterer kinderlos war, ihm die Rechte eines Nachfolgers in der Firma eingeräumt wurden. Als Kompagnon hatte Hartleben Eugen Marx aufgenommen.

Geschäfts- und Familienverhältnisse bestimmten Hartleben 1870 seinen Wohnsitz nach Leipzig zu verlegen; Kaiser Franz Joseph verlieh ihm 1888 den erblichen Adel und das Prädikat von Sarkháza.

1864 trat Eugen Marx, geboren in Leipzig am 27. Oktober 1844, in die Firma A. Hartleben in Wien ein. 1870 wurde ihm als Leiter des Geschäftes Prokura erteilt, und 1875 wurde Eugen Marx nach zwölfjähriger, zum größeren Teil selbständiger Thätigkeit, als öffentlicher Gesellschafter in die Firma aufgenommen. Seit 1892 ist er alleiniger Besitzer der Verlagsbuchhandlung A. Hartleben. Lag die Hauptthätigkeit der Firma früher vorzugsweise auf dem Gebiete der Belletristik, so nahm sie dagegen jetzt zahlreiche Gebiete der Wissenschaften und der Technik in ihr Programm auf. Jährlich wurden durchschnittlich 75 bis 100 neue Bücher oder neue Auflagen veröffentlicht.

Eine solch hervorragende Produktion kann natürlich nicht einmal annähernd hier erschöpfend genannt werden, es mag deshalb nur Einzelnes herausgehoben sein. 1875 wurde die jetzt bis auf 255 Bände angewachsene »Chemisch-technische Bibliothek« ins Leben gerufen, ihr folgte die »Elektro-technische Bibliothek« (jetzt 56 Bände), 1884 die »Bibliothek des Eisenbahnwesens«, 8 Bände; »Hartlebens Bibliothek der Sprachenkunde«, (jetzt 76 Bände) Handbücher für den Selbstunterricht, die in einer Reihe von Auflagen allergrößte Verbreitung fanden; »Hartlebens illustrierte Führer«, die namentlich Oesterreich – Ungarn in erschöpfender Weise behandeln; »Hartlebens Spielbücher« und »Hartlebens Sportbibliothek«. Von einzelnen hervorragenden Werken nennen wir, die naturwissenschaftlichen Schriften von Rud. Falb, dem bekannten Wetterpropheten; Urbanitzkys zahlreiche Abhandlungen aus dem Gebiete der Elektrizität. Geographie und Geschichte bringen Werke von Karl Faulmann (Geschichte der Buchdruckerkunst, 1882; Geschichte der Schrift, 1880; Kulturgeschichte, 1881); A. Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld, Fr. Umlauft, E. von Hesse-Wartegg, Jos. Chavanne; Adrian Balbis Allgemeine Erdbeschreibung (früher Verlag von G. C. E. Meyer jr. in Braunschweig) in 8 Auflagen erschienen u. a. sowie die »Deutsche[381] Rundschau für Geographie und Statistik«, seit 1878 erscheinend. Auf dem Gebiete der Gewerbekunde sind die bekanntesten Namen Andés, Jos. Bersch, Ed. Bratassevic, M. Haushofer, J. Husnik, Ed. Japing, Jul. Krüger, Stan. Mierzinski, Ant. dal Piaz, J. H. Wehle (Die Zeitung, 1883 – Das Buch, 1890 – Die Reklame, 1880); ergänzend hierzu erscheint die Monatsschrift »Neueste Erfindungen und Erfahrungen auf den Gebieten der praktischen Technik, Elektrotechnik, der Gewerbe, Industrie, der Land- und Hauswirtschaft«, die Hartleben 1877 aus dem Verlage von G. J. Manz in Regensburg übernahm. Aber auch die Schöne Litteratur nimmt einen ansehnlichen Platz in Hartlebens Verlag ein. An erster Stelle steht zweifellos P. K. Rosegger mit seinen Schriften, Jules Verne mit seinen bekannten Phantasieromanen (bis jetzt 82 Bände); in drei größeren Sammlungen vereinigte Hartleben in sorgfältigen Uebersetzungen Romane aller Kulturvölker: Belletristisches Lese-Kabinet (802 Lieferungen à 40 Pfg., 1846-53); Neues belletrist. Lese-Kabinet (450 Lfgn. à 40 Pfg.); Neuestes belletr. Lese-Kabinet (1787 Lieferungen à 40 und 45 Pfg.) mit Romanen von Alex. Dumas, Georges Sand, James, E. Berthet, Paul de Kock, E. Sue, J. Turgénjew, Beecher-Stowe, Bret Harte, G. Eliot, E. Bulwer, u. v. a., seit 1899 sind in der Kollektion Hartleben (jährlich 26 Bände à 75 Pfg.) eine weitere Reihe der Romane ausländischer Schriftsteller vereinigt. Die illustrierte Zeitschrift »Der Stein der Weisen«, seit 1889 erscheinend, bringt Unterhaltung und Belehrung aus allen Gebieten des Wissens für Haus und Familie. A. Hartlebens Verlag ist das beste Beispiel die Wahrheit des Satzes, daß der Verleger, der Buchhändler einen bedeutenden, einschneidenden Einfluß auf die gesamte Litteratur ausübt, und daß durch seinen Unternehmungsgeist auch die entferntesten Gebiete erschlossen und bebaut werden.

Litteratur: Pester Lloyd 1863 Nr. 80; Verlagskatalog 1895 mit Nachträgen.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 379-382.
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