Mühlbrecht, Otto

[711] Mühlbrecht, O. Otto Mühlbrecht, einer der hervorragendsten Berliner Buchhändler der Neuzeit, ein ausgezeichneter Kenner der rechts- und staatswissenschaftlichen Literatur und ein namhafter Schriftsteller wurde am 28. 2. 1838 in Braunschweig geboren und trat, noch sehr jung, als Lehrling ein bei Grüneberg und Bock, einem kleinen buchhändlerischen Geschäft seiner Vaterstadt, wurde dann 1858 Gehilfe in der Akademischen Buchhandlung in Göttingen, später in Kiel und Elberfeld, und ging 1862 nach Amsterdam, wo er neben seiner buchhändlerischer Tätigkeit auch viel für deutsche Blätter und Zeitschriften korrespondierte. Nachdem sich sein Plan, in Singapore eine eigene internationale Buchhandlung zu errichten, zerschlagen, ging Mühlbrecht im August 1865 zunächst nach London, dann nach Paris und übernahm 1866 die Leitung des ausländischen Sortiments von T. O. Weigel in Leipzig. Im Jahre 1867 kam er nach Berlin, arbeitete hier zunächst noch ein Jahr als Gehilfe in B. Behrs Buchhandlung und gründete dann in Gemeinschaft mit L. A. Kallmann die Firma »Buchhandlung für Staats- und Rechtswissenschaft L. A. Kallmann.« Im Oktober desselben Jahres trat Kallmann aus und 1868 Albert Puttkammer in die Firma ein, die dank der Intelligenz und Energie ihrer Inhaber bald einen bedeutenden Aufschwung nahm und gegenwärtig als die erste in ihrem Spezialfache gelten kann. Sie ist Lieferantin der Königlichen Bibliothek in Berlin, Kommissionärin der Bibliothek des kaiserlichen Reichsrates in Petersburg, Verlegerin der Veröffentlichungen des kaiserlich deutschen Statistischen Amtes u. a. Mühlbrecht selbst war Mitglied der königl. preuß. literarischen Sachverständigenkommission, sowie der historischen Kommission und des Urheberrechtsausschusses des Börsenvereins der deutschen Buchhändler. Mehr als einmal ist seine Autorität und sein sachverständiges Urteil in Fragen des Urheberrechts, buchhändlerischer Berufs- und Standesarbeiten etc. ausschlaggebend gewesen. Neben seiner angestrengten geschäftlichen Wirksamkeit hat Mühlbrecht noch eine reiche literarische Tätigkeit entfaltet. In erster Reihe ist hier der seit 1868 in seinem Verlage erscheinenden, von ihm herausgegebenen »Allgemeinen Bibliographie der Staats- und Rechtswissenschaften« zu gedenken, von der bis jetzt 38 Bände vorliegen, in denen etwa 140000 Büchertitel bibliographisch genau verzeichnet sind. Einen wertvollen Auszug aus diesem unerschöpflichen Repertorium der juristischen und kameralistischen Fachliteratur gab Mühlbrecht in seinem »Wegweiser durch die staats- und rechtswissenschaftliche Literatur«, der in zwei Bänden (1893 und 1901) erschienen ist und eines der wichtigsten und brauchbarsten bibliographischen Hilfsmittel unserer Zeit darstellt. Durch die Vollständigkeit, mit der darin die juristische, staats- und volkswirtschaftliche Literatur[711] aller europäischen Kulturländer aus der Zeit von 1868 bis 1900 verzeichnet ist, und durch die Sorgsamkeit mit der auch alle die bemerkenswertesten Erscheinungen aus älterer Zeit nachgetragen sind, ist dieser »Wegweiser« zu einem unschätzbaren und unentbehrlichen Nachschlagebuch ebenso für den Gelehrten und den Beamten, wie für den Buchhändler und den Bibliothekar geworden. Von sonstigen schriftstellerischen Publikationen Mühlbrechts seien hier nur noch einige namhaft gemacht, die zugleich von der Vielseitigkeit des literarischen und wissenschaftlichen Interesses des hervorragenden Mannes Zeugnis ablegen können: »Beethoven und seine Werke. Eine biographisch-bibliographische Skizze« (1866); »Der holländische Buchhandel seit Coster« (1867); »Die Bücherliebhaberei in ihrer Entwicklung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts«; ganz besonders aber »Erinnerungen aus 30 Jahren 1860 bis 1890« (1890, neue Folge 1903) und »Aus meinem Leben« (1898), in welchen beiden Werken er aus dem reichen Schatze seiner Lebenserfahrungen vielerlei Wissenswertes und Interessantes mitgeteilt hat.

Otto Mühlbrecht starb am 26. 7. 1906 in Großlichterfelde. Aus dem Verlage der Firma Puttkammer und Mühlbrecht seien hier neben den amtlichen Publikationen (Reichstagsberichte, Gesetzsammlung Preußens, Ministerialblätter, Veröffentlichungen des Kaiserl. Statistischen Amts etc.) folgende Namen genannt: Bücherrevisor Alexander, Th. v. Bunge, Charles Calvo, Conradi, Dr. E. Jäger, Dr. Isaacsohn, Hch. Pfenninger, Dr. A. Soetbeer usw.

Quellen: Verlagskatalog 1878, 1893. Vergl. auch Mühlbrechts Erinnerungen aus 30 Jahren, Berlin 1890 und 1903.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 711-712.
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