Schuster & Loeffler

[879] Schuster und Loeffler. Die Verlagsbuchhandlung von Schuster u. Loeffler in Berlin wurde am 25. November 1895 gegründet durch den Ankauf der Schriften Detlevs von Liliencron aus dem Verlage von Wilhelm Friedrich in Leipzig. Der heute zu unsern gefeiertsten Dichtern zählende holsteinische Lyriker hatte damals nur eine kleine Gemeinde; es war mühevoll, ihm den großen Freundeskreis zuzuführen, der ihn heute verehrt. Liliencrons engster Freund Richard Dehmel schloß sich 1896 dem jungen Verlage an. Die vier ältesten Bücher dieses Dichters wurden von[879] verschiedenen Verlegern erworben und durch seine später entstandenen Werke vervollständigt. Einer der ersten Vorkämpfer für die Anerkennung dieser beiden Dichter: Otto Julius Bierbaum, ward mit seinen humorstarken Prosawerken der dritte in dem Triumvirat, das zunächst den Kern der sich schnell vergrößernden Firma bilden sollte. Der Ankauf des gesamten Münchener Verlages Dr. E. Albert & Co. Sep.-Konto brachte einen Zuwachs von etwa 40 Autoren, unter denen neben dem bedeutsamen Schweizer Erzähler Walther Siegfried, M. G. Conrad, Anna Croissant-Rust, Heinrich von Reder, Ludwig Scharf, Ernst Rosmer und andere Dichter vertreten waren. Gewonnen wurden darauf drei der verbreitetsten Reisewerke von Pierre Loti, Romane von Maupassant, Huysmans, des Finnen Juhani Aho, des Dänen Karl Larsen, der Italienerin Neera, der Norweger Johann Bojer, zuletzt des populärsten holländischen Dichters Frederik van Eeden; sie beweisen, daß der Verlag nicht nur dem deutschen Schrifttum eine Heimstätte zugedacht hat. Eine höchst wertvolle Bereicherung war der Erwerb der bald zu ansehnlicher Verbreitung gelangenden Memoiren- und Essayswerke der »Idealistin« Malwida von Meysenbug, deren Nachlaß sich nachträglich der Verlag ebenfalls sichern konnte.

Als dann der eine Mitinhaber Ludwig Loeffler aus der Firma ausscheiden mußte, konnte der verbleibende Inhaber Richard Schuster einen seit lange vorbereiteten Plan zur Ausführung bringen: die Gründung einer Musikzeitschrift größten Stils. »Die Musik«, vom Kapellmeister Bernhard Schuster mit Organisatorischen Scharfblick geleitet, wurde als das Bedeutendste Fachorgan anerkannt und gewann schnell eine ungewöhnliche Verbreitung. Die Erweiterung des Verlages nach der musikwissenschaftlichen Seite brachte den Erwerb einer Reihe wichtiger Schriften mit sich, unter denen diejenigen von Arthur Seidl, Paul Marsop, Alfr. Chr. Kalischer, Ernst Decsey, Friedrich Kerst, Otto Erich Deutsch, Paul Moos und Edgar Istel in erster Linie zu nennen sind.

Inzwischen wurde der belletristische Teil des Verlages durch viele wertvolle Werke bereichert: durch mehrere Prosawerke von J. J. David, dessen außerordentliche Schöpfungen nach Ankauf von fünf seiner ältesten Bücher aus Georg Heinrich Meyers Verlag in Leipzig nunmehr fast sämtlich vereinigt wurden; durch die Uebernahme des vielseitigen Schaffens von John Henry Mackay aus den Händen der Verleger S. Fischer und Karl Henckell, nachdem die Stirner-Biographie Mackays und seine groß angelegte Anthologie, die »Meisterdichtungen auf einzelnen Blättern«: Freunde und Gefährten, vorangegangen waren. Eine besondere Hervorhebung verdienen ferner die erfolgreichen Romane[880] von Georg Reicke, die »Gesammelten Werke« von Peter Hille, die nach dem Tode dieses merkwürdigen Dichters von Freundeshand gesichtete und zusammengestellt hier endlich ihren schützenden Hafen fanden. Auch der erzählenden Werke von Elisabeth Dauthendey, Dora Hohlfeld, Hennie Raché, Betty Winter und Meta Schoepp, den talentvollsten Schriftstellerinnen der jüngeren Genration, sei hier gedacht.

Eine Reihe bemerkenswerter essayistischer Schriften von Franz Servaes, Willy Pastor, Marie Herzfeld, Anton Lindner, Arthur Moeller-Bruck, Carl Hagemann und eine große Anzahl vornehmer Versände, die eigentliche Domäne des Verlages, brachte ihm die erstrebte Rundung. Von den Lyrikern seien besonders hervorgehoben: Paul Verlaine, Hans Bethge, Paul Remer, Franz Evers, Christian Morgenstern, Bruno Wille, Stefan Zweig, Gustav Kühl, Alberta von Puttkamer, Hedwig Lachmann, Margarete Susmann, Thekla Lingen, Gabriele d'Annunzio, Emile Verhaeren und Alfred Mombert.

Die letzten Jahre brachten der Firma noch den Komödiendichter Adolf Paul, den Nachlaß des feinsinnigen Lyrikers Hieronymus Lorm, Maximilian Fuhrmanns Satiren und die ergreifenden Memoiren von Frau Wanda von Sacher-Masoch.

Dem neuzeitlichen Bedürfnis nach wohlfeilen illustrierten Monographien wurde ebenfalls entsprochen. Nachdem der Verlag mit dem von Franz Meißner herausgegebenen »Künstlerbuch« schon vorher seine Stellung zur modernen bildenden Kunst betont hatte, entstand unter Paul Remers fein abwägender Redaktion die so schnell populär gewordene Monographien-Sammlung »Die Dichtung«, die es in kurzer Zeit auf 60 Bände brachte und an der Dichter wie Gustav Falke, Ricarda Huch, Hans Hoffmann, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Hesse, Fritz Mauthner, Gabriele Reuter, Paul Scheerbart, Johannes Schlaf, Wilhelm Hegeler, Richard Schaukal, Wilhelm Holzamer, Otto Ernst, Leo Greiner, Fritz Lienhard, Timm Kröger, Hermann Stehr mitarbeiten. Eine ähnliche Sammlung: »Das Theater«, die Carl Hagemann herausgibt, umfaßt 20 Bände, für die Forscher und Darsteller wie Berthold Litzmann Carl Fr. Glasenapp, Wolfgang Golther, Richard Sternfeld, Rudolph Lothar und andere gewonnen wurden. Eine weitere Kollektion ist die Brevier-Bibliothek, die sich ebenfalls schnell einen Dankbaren Liebhaberkreis erwarb. Sie repräsentiert heute bereits die Anzahl von 16 Bänden.

Die Gesamtziffer der gedruckten Bände stellt eine Summe von etwa 11/4 Million Büchern dar. Die größte Verbreitung – von der[881] »Musik« abgesehen – erreichten Liliencrons »Kriegsnovellen«, von denen über 60000 Exemplare verkauft worden sind.

Die letzten Erwerbungen sind mehrere hochbedeutsame Briefsammlungen Richard Wagners, die Vorarbeiten, zu seiner Gesamtausgabe der Briefe des Meisters darstellend, sowie die sämtlichen Briefe Beethovens und eine sich an diese anschließende umfassende Beethovenliteratur. 1906 gingen Dehmels Bücher in den Verlag S. Fischer über. Dagegen wurden noch Erwerbungen einzelner Verlagswerke gemacht von Carl Ruprecht Verlag in München; August Deubner in Berlin; Verlag der Genossenschaft Pan in Berlin; Hugo Storm in Berlin; Gebrüder Paetel in Berlin; G. J. Göschensche Verlagsbuchhandlung in Leipzig und Deutsche Schriftstellergenossenschaft in Berlin.

Quellen: Verlagskataloge 1905 uff.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 879-882.
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