Stalling, Gerhard

[927] Stalling, G. Als Gründungstag der Firma Gerhard Stalling, Verlagsbuchhandlung, Buch- und Steindruckerei in Oldenburg, wird zwar der 23. Oktober 1789 bezeichnet, doch lassen sich die Anfänge der Druckerei bis auf den zweiten Buchdrucker der Stadt Oldenburg zurückführen.

Der erste Buchdrucker dieser Stadt war Warner Berendt, von dem Näheres allerdings nicht bekannt ist. Das erste Buch, welches in Oldenburg gedruckt erschienen ist, war »De Klene Catechismus vor de gemenen Parheren vnde Hußveder. D. Mart. Luth. Sampt dem klenen Corpore doctrinae Matthaei Indicis. Gedrücket tho Oldenborch, 1599« – auf der vorletzten Seite steht: »doch Warner Berendts Eruen Anno 1599.«

1633 wurde im Namen des regierenden Grafen Anton Günther mit dem Buchdrucker Heinrich Conrad Zimmer ein Kontrakt abgeschlossen, der bestimmte, »daß derselbe zu Oldenburg eine Truckerey iedoch allerdings auff seine eigenen Costen an- vnd aufrichten möge, vnd ihm von privatpersonen, so etwas trucken lassen, für einen Bogen in gemein Format von grossen antiquen vnd cursiven 1 Rthlr., vnd für einen Bogen von kleinen antiquen vnd cursiven 11/4 Rthlr.... bezahlt werden«. Erst 1636 war die Einrichtung einer leidlichen Druckerei möglich, die Zimmer im Auftrage der Oldenburger Kammer in Rinteln für 268 Taler käuflich erstand. Mit dem Jahre 1640 setzen dann die von Zimmer gelieferten Drucke, mit Muskulus nützlichen Rechnungstafeln, ein.

1664 folgte als Nachfolger Zimmers sein Sohn Hans Erich Zimmer, der bis dahin einer Druckerei in Leiden vorgestanden hatte. Aus dem noch vorhandenen Anstellungsdekret ist zu ersten, daß die ihm zugesicherten Bedingungen bei weitem besser waren, als die seinem Vater bewilligten. »Dagegen soll er jährlich zu genießen haben an geldt dreysig Rthlr., freye wohnung, Etwaß fewrung, und wan er sich fleißig verhalten wirdt, ein Küchenbeest, undt von einem Ballen Papier zu 1000 exemplarien zu setzen undt zu drucken fünff Rthlr.« Von seinen Druckwerken sind vor allem zu nennen die Schriften des Geschichtsschreibers Johann Justus Winkelmann.

1689 finden wir Zimmers Schwiegersohn Nicolaus Gödjin (gest. 1698) als Mitbesitzer der Druckerei, deren Pressen[927] sich damals insbesondere mit der Drucklegung der im ganzen Lande verbreiteten Gesangbücher und Katechismen des Generalsuperintendenten Nicolaus Alardus beschäftigten.

Nach Wiederverheiratung der Witwe Gödjens führte ihr nunmehriger Ehemann Jacob Nicolaus Adler die Offizin fort; er druckte u. a. 1705 die erste Oldenburger Bibel. 1726 folgte Adler in der Leitung sein Stiefssohn Johann Conrad Gödjen und als dieser 1742 starb wurde die Druckerei unter der Firma Johann Conrad Gödjen Erben von der Witwe und ihrem ältesten Sohne bis 1750 fortgesetzt, in welchem Jahre letzterer, Johann Arnold Gödjen, sie allein übernahm. 1746 erschien in Oldenburg die erste periodische Schrift unter dem Titel »Oldenburgische Nachrichten von Staats-, gelehrten und bürgerlichen Sachen«; sie bestand jedoch nur drei Jahre und mit Anfang 1749 schlossen sich ihr die »Oldenburgischen wöchentlichen Anzeigen« an.

J. A. Gödjen hinterließ 1758 die Offizin seiner Witwe, die sich 1772 mit dem Buchdrucker Johann Heinrich Thiele verheiratete, der nunmehr das Geschäft fortführte. Als er 1788 starb, war die Witwe bei ihrem hohen Alter nicht im Stande, das Geschäft fortzusetzen. Es sah daher die Kammer sich veranlaßt, die Druckerei wieder zu übernehmen und sie 1789 an Gerhard Stalling zu übertragen. Dieser war in Bergedorf bei Delmenhorst als Sohn unbemittelter Eltern geboren. Seine besondere geistige Begabung ließ ihn den Beruf eines Schullehrers ergreifen, in welchem er 1781 Stadtschullehrer in Oldenburg wurde. Durch eine Papierfabrik, die er 1807 in der Nähe von Aurich anlegte und Stallingslust nannte, dehnte er sein Geschäft immer mehr aus, so daß er bei seinem am 21. 9. 1818 erfolgten Tode, der durch einen jähren Unglücksfall beim Umbau des Geschäftshauses, Ritterstraße, 4, welches er 1818 angekauft hatte, erfolgte – die Druckerei, welche damals mit drei Pressen arbeitete, seinen Erben als Eigentum überlassen konnte.

Die erste Arbeit Stallings war »Die Bestallungen der Landschullehrer«, welcher vom 2. November 1789 ab das »Oldenburger Wochenblatt« als regelmäßig wiederkehrende Arbeit folgte. Weiter druckte und verlegte zugleich Stalling den »Unterricht in der christlichen Lehre mit Hinweisung auf Luthers kleinen Katechismus. Zum Gebrauch für Kirchen und Schulen«, von Mutzenbrecher, welches Buch bis in die 50er Jahre des Jahrhunderts in den Schulen des Herzogtums in Gebrauch geblieben ist. Durch Erlangung des Privilegiums zum Druck und Verlag eines neu zur Einführung gelangenden Oldenburger Gesangbuches am 7. September 1791 hatte Stalling das Glück, die Buchdruckerei immer mehr emporzubringen. Seit 1768[928] erschien alljährlich der Oldenburgische Tafelkalender, 1770 eine Schrift von M. Claudius, »Gedanken über den Ursprung der Seele« und seit 1775 der Oldenburgische Staatskalender; zu erwähnen sind auch von Halems Geschichte Oldenburg (1794-96) und desselben Bibliographische Unterhaltungen (1794).

1819 übernahm Johann Heinrich Stalling (geb. 1789, gestorb. 1822) die Druckerei und setzte solche, solange seine Mutter lebte, unter der Firma Gerhard Stallings Witwe fort, nachdem diese aber am 25. 4. 1834 gestorben war, und er sich mit seinen Geschwistern auseinandergesetzt hatte, nahm er 1838, um das Andenken seines Vaters zu ehren, die alte Firma Gerhard Stalling wieder an. 1822 verband er mit der Druckerei eine lithographische Anstalt und errichtete 1839 eine Spielkartenfabrik. Auch fügte er dem Geschäft eine Sortimentsbuchhandlung hinzu, welche 1860 auf den jüngeren Sohn Karl Stalling überging und sich seit 1883 im Besitze von Max Schmidt befindet. Sein Nachfolger wurde 1860 sein Sohn Joh. Heinrich Anton Stalling, geb. 1825, welcher, seit 1850 im Geschäfte seines Vaters tätig, im Jahre 1851 die Prokura erhalten hatte. Seit seinem Tode sind Paul Stalling und Heinrich Stalling jr. Besitzer des ausgedehnten Geschäftes.

Der Verlag umfaßt besonders Schulbücher, darunter das Rechenbuch von Harms und Kallius (Kuckuck), ferner die Stacke'schen Geschichtswerke, für den Schulgebrauch verfaßt, die Baskerville'schen Lehrbücher der englischen Sprache usw. Auf Anregung Paul Stallings schlug der Verlag auch die belletristische Richtung ein, es entstanden die Werke: »Kniest, Wind und Wellen (1889)«, »Wat de Kiewit sprook« (plattdeutsche Gedichte 1889), »Freudenthal, In de Fierabendtied« (plattdeutsche Erzählungen 1889) etc. Seit 1815 erscheint die »Oldenburger Zeitung«, seit 1902 die »Buchdruckerwoche«. Die Zahl der Schnellpressen in der Druckerei beträgt fünf. Das Personal der Firma beläuft sich auf vierzig Mann. Neben der Verlagsbuchhandlung und Druckerei besteht auch ein Papier-Engrosgeschäft.

Quellen: Strackerjan, Gesch. d. Buchdruckerei im Herzogtum Oldenburg etc., 1840; Buchholtz, Aus dem Oldenburger Lande, 1889.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 927-929.
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