Haruspex

[230] Haruspex (Röm. Rel.). Die Haruspicina, die Kunst und Wissenschaft der Haruspices, stammte aus Etrurien, verschmolz aber allmälig vollkommen mit dem Glauben und den Gebräuchen der Römer. Bei den Etruriern war der Hauptzweck der Religion die Weissagung, die sie für unerlässlich zu allen Verrichtungen des öffentlichen wie den Privat-Lebens hielten. Sie hatten daher schon sehr frühe eine reichhaltige Literatur über diese Gegenstände, und schrieben die Begründung derselben einem Gotte Tages zu, der einst plötzlich aus einem frisch gepflügten Ackerfeld emporgestiegen sein sollte, als Knabe an Gestalt, aber als Greis an Weisheit, und nun sogleich die Wissenschaft von den göttlichen Dingen lehrte, deren Inhaber nachmals Haruspices genannt wurden. Ihre Geschäfte theilten sich in drei Hauptarten ab:

1) Erklärung der Wunderzeichen, nebst Ergreifung der Massregeln, um den durch die letzteren geoffenbarten göttlichen Willen zu erfüllen;

2) Besorgung dessen, was man glaubte thun zu müssen, wenn irgend ein Punkt vom Blitze getroffen war (Fulguration), und

3) Eingeweideschau nebst Vogelschau. So sehr nun auch alle ihre Verrichtungen den Römern nothwendig schienen, so konnten doch die Haruspices zu keiner geachteten Stellung gelangen, vielmehr waren sie gedungene Leute aus Etrurien, und müssen daher von den römischen Augurn sorgfältig unterschieden werden.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 230.
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