Ilithyia

[272] Ilithyia (Gr. u. röm. M.), die Geburtsgöttin, Tochter des Jupiter und der Juno, auf Creta in der amnisischen Höhle geboren, Schwester der Hebe, des Mars, des Vulkan. Homer spricht von mehreren Ilithyien, Töchtern der Juno, die zwar den herben Pfeil des Schmerzens senden, aber doch den schwer Gebärenden helfen. Diese doppelte Thätigkeit der I. geht durch die ganze weitere Ausbildung des Begriffes und des Mythus von dieser Gottheit hindurch. Sie sitzt nach dem Willen der Juno, während Latona auf Delos neun Tage und Nächte mit Geburtswehen ringt, auf dem Gipfel des Olymp, um die Geburt zu verhindern, bis die um Latona versammelten Göttinnen die Iris zu ihr senden und ihr zum Lohn einen Halsschmuck versprechen; da erscheint sie auf Delos und sogleich gebiert Latona. Wie Alcmene den Hercules gebaren soll, sind Anfangs die hülfreichen Ilithyien anwesend, aber ihre Mutter, die eifersüchtige Juno, vertreibt sie, um die Geburt zu hindern. Nach Späteren dagegen erscheint I., von Juno zuvor gewonnen, bloss, um die Geburt aufzuhalten, und wird dann durch Galanthis oder Galinthias, eine Freundin oder Dienerin der Alcmene, überlistet. Vielfältig wird I. mit Juno selbst, die sonst ihre Mutter heisst, identificirt, was nicht befremden kann, da Juno die Göttin der Ehe ist. Juno entband zu Argos das Weib des Sthenelus von dem Eurystheus, und führte bei ihrer Verehrung zu Argos den Beinamen I. In demselben Sinne gaben die Römer der Juno den Beinamen Lucina. Auffallender aber ist, dass die griechische I., die römische Lucina, auch mit Diana vereinigt wird. Dazu trug vielleicht das Jungfräuliche bei, was in dem Wesen beider liegt, da der I., mit einziger Ausnahme eines Hymnus des uralten Sängers Olen, wo sie die Mutter Amors heisst, weder Gemahl, noch Geliebter, noch Kinder beigelegt werden. Auch als Monds-Göttin konnte der Diana ein Einfluss auf die Geburt zugeschrieben werden. Vielleicht ist auch erst im Verlauf der Zeit eine Vermischung der cretischen I., welche mit Juno, und einer delischen, welche mit Diana eins oder verbunden war, eingetreten.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 272.
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