Marina [1]

[321] Marina (Slav. M.), bei den heidnischen Polen hochgeehrter Name einer mächtigen, überaus schönen Zaubrerin, welche nach der Fabel viel Aehnlichkeit mit der griechischen Circe hat. Ein berühmter russischer Held, Dobrüna, fiel in ihre Gewalt; sie liebte den kräftigen Mann, doch alter Nationalhass zwischen Russen und Polen hinderte ihn, die Liebe der Zaubrerin zu erwidern, worauf sie ihn in einem Anfall von Jähzorn in einen Stier verwandelte. Das Unheil war geschehen, und sie vermochte nicht, es wieder gut zu machen; ihre Liebe war jedoch nicht erloschen; sie flog in der Gestalt eines Raben oft zu ihm, setzte sich auf sein Haupt, klagte ihm ihre Leiden; endlich ward sie von ihrer Leidenschaft überwältigt, dass sie das einzige Mittel, das ihr blieb, um ihn zu befreien, ergriff: sie ward Christin, verbrannte ihr Zaubergeräth, und alsbald war der Einfluss desselben gelöst, Dobrüna stand als Mensch vor ihr, und belohnte nun ihre Liebe durch Gegenliebe.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 321.
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