Lyra

1. Hätt' Lyra nicht über die Bibel geschrieben, wär mancher Doctor ein Esel geblieben. Pistor., I, 60; Eiselein, 440; Simrock, 6705; Körte, 3995; Wurzbach, II, 248; Braun, I, 2449.

Luther hat nämlich, wie dies jeder gewissenhafte Schriftsteller thut, das benutzt und beachtet, was vor ihm in dem bezüglichen Fache geleistet worden ist, daher bei seiner Bibelübersetzung auch den Commentar, welchen der Franciscanermönch Nikolaus de Lyra, ein im 14. Jahrhundert als Professor zu Paris lebender gelehrter und (weil ein geborener Jude) des Hebräischen durchaus kundiger Theolog über die Bibel geschrieben hatte. Wie viel aber auch die lutherische Bibelübersetzung durch die Benutzung des Commentars von de Lyra (Postillae perpetuae u.s.w., Rom 1471, 5 Bde.), an dem sein Verfasser von 1293-1330 gearbeitet hatte, gewonnen haben mag, sie trägt das Gepräge der Selbständigkeit in einem so hohen Grade an sich, dass die Verdienste Luther's dadurch nicht im geringsten geschmälert werden; und es wäre sein mächtiges Saitenspiel wol auch erklungen, wenn Lyra nicht geleiert hätte. Aus derselben Quelle ist auch der folgende Spruch hervorgegangen.


2. Hätte Lyra nicht geleiert, hätte Luther nicht getanzt.Eiselein, 439; Simrock, 6704; Körte, 3995; Braun, I, 2448.

Er wird beim Eintreten eines Ereignisses angewandt, das als Folge eines vorangegangenen erscheint. Ungefähr dasselbe, was sich gegen die vorstehenden beiden Sprüche sagen lässt, gilt wol auch von dem Satze: »Erasmus hat die Eyer gelegt, Lutherus hat sie aussgebrut.« (Zinkgref, III, 407.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 298.
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