Abstechen

[114] Abstêchen, verb. irreg. S. Stechen. Es ist:

I. Ein Activum, und bedeutet:

1) Herab stechen, mit Stichen von einem höhern Orte herunter bringen. Seinen Gegner von dem Pferde abstechen. So auch, ein Fuder Hen, Stroh, Garben abstechen, in der Landwirthschaft, es mit der Gabel abladen, Nieders. abstaken.[114]

2) Mit einem Stiche absondern. Einem Thiere die Kehle, sich die Gurgel abstechen. Rasen abstechen. Ein abgestochener Rasen. Bey den Drechslern ist abstechen mit dem umgekehrten Meißel abnehmen. Von dieser Art des Abstechens hat bey den Zinngießern ein gewisses Dreheisen den Nahmen des Abstecheisens. Ingleichen metonymisch, mit einem Stiche in die Gurgel tödten. Ein Schwein, ein Kalb, ein Schaf, eine Gans, ein Huhn abstechen.

3) Im Stechen übertreffen, so wohl, (a) eigentlich in den Ritterspielen, einen abstechen, den Ring oder aufgesteckten Preis mit der Lanze eher erreichen als er; als auch (b) uneigentlich, in jeder andern Sache den Vorzug abgewinnen, übertreffen. So sagt man im Kartenspiele, einen abstechen, ihn durch eine höhere Karte des Stiches berauben. Ingleichen im Scheibenschießen, näher als ein anderer zum Ziele treffen. Ferner,


Der Tauben Atlas stach Dianens Silber ab,

Günth.


Dieser Blumen Jaspis kann Sarder und Schmaragd abstechen,

Gryph.


4) Mit Stechen ableiten. Das Wasser abstechen, abgraben. Ingleichen, einen Fluß, Teich, Sumpf abstechen. Den Wein abstechen, abzapfen, in einigen Gegenden. So auch in den Hüttenwerken, das geschmolzene Erz abstechen, es vermittelst eines Stiches durch das Auge in die Abstechgrube oder den Abstechherd ableiten. Auf den hohen Öfen wird das Eisen mit dem Abstechstachel gleichfalls abgestochen.

5) Mit Stechen oder Graben nachbilden. Eine Zeichnung, ein Gemählde, ein Kupfer abstechen, mit dem Grabstichel nachstechen. Ein Muster abstechen, bey den Nähterinnen, ein Muster nach allen Zügen mit Nadeln durchstechen, und dadurch auf ein untergelegtes Papier abbilden. Ein Lager, einen Garten, einen Platz zu einem Hause abstechen, durch ausgestochene oder ausgegrabene Erde bezeichnen. Geschiehet solches durch eingeschlagene Stäbe, so heißt es abstecken.

II. Ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, als verschieden lebhaft empfunden werden, und zwar in Vergleichung mit einem andern Dinge, welches alsdann die Vorwörter gegen und von, seltener und nicht so richtig mit bekommt. Diese Farbe sticht gut, schlecht gegen jene ab. Der alte Hut sticht schlecht gegen das neue Kleid ab. Ihre fröhlichen Entzückungen stechen mit den gründlichen Eigenschaften ihrer Schwester vortrefflich ab, Less. Sie überlegen nie, daß die Stickerey von dem Grunde abstechen muß, Ebend. Man wird durch das Abstechende beyderseitiger Gedanken ungemein gerühret werden. Alberts gelassene Außenseite sticht gegen die Unruhe meines Charakters sehr lebhaft ab, Werth. Leid. Das Perfect. und Plusquamperf. sind von diesem Neutro wenig üblich.

Anm. Das Hauptwort das Abstechen kann in allen Bedeutungen der thätigen, so wohl als Mittelgattung, die Abstechung aber nur in den eigentlichen Bedeutungen der ersten gebraucht werden. Doch kommt das letztere auch zuweilen in der neutralen Bedeutung vor. Lessing hat (in der Minna von Barnhelm) die Abstechung seiner Personen aus den Verflößungen ihrer Charaktere heraus zu hohlen gewagt, Sonnenf. für Contrast. Die Charaktere, welche zur Abstechung gegen die Hauptfigur geordnet worden, ebenders. S. auch Abstich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 114-115.
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