Irgend

[1393] Irgend, ein Nebenwort, welches auf doppelte Art gebraucht wird.

I. So, daß es zunächst zum Zeitworte gehöret, da es denn einen unbestimmten Umstand des Ortes, der Zeit und der Sache bezeichnet. 1. Des Ortes, an einem gewissen, aber unbekannten Orte. Wenn irgend guter Wein wächset, so wächset er in Italien. Er muß doch irgend seyn. Am häufigsten mit dem Nebenworte wo, irgend wo, welches von einigen ohne Noth zusammen gezogen irgendwo geschrieben wird. Er muß doch irgend wo seyn. Wenn irgend wo guter Wein u.s.f. Er wird irgend wohin gegangen seyn. Obgleich ein Geist keinen Ort einnimmt, so befindet er sich doch nothwendig irgend wo. Ich erinnere mich, ihn schon irgend wo gesehen zu haben. Der Gegensatz ist nirgend. 2. Der Zeit. 1) Eigentlich. (a) Zu einer ungewissen oder unbekannten Zeit, etwa, jemahls. Wenn Stax irgend den guten Einfall bekommen sollte, und u.s.f. (b) Zuweilen, dann und wann; eine im Hochdeutschen wenig mehr gebräuchliche Bedeutung. Es ist kein Mensch, der nicht irgend fehlen sollte. 2) Figürlich. (a) Für vielleicht, etwa. Irgend kommt er noch. Wenn es irgend nöthig seyn sollte. Besonders in Fragen. Ist irgend jemand von ihnen hier? Ist es irgend verloren? Hast du irgend etwas Böses begangen? (b) Ungefähr; am häufigsten im gemeinen Leben. Er ist irgend vor einer halben Stunde hier gewesen. Es sind ihrer irgend zwey.

II. Vor Für- oder Nennwörtern dehnet es ihre Bedeutung auf das weiteste aus, und bedeutet alsdann, es sey wer es wolle, was es wolle, oder wie es wolle. Du sollt dir kein Bildniß noch irgend ein Gleichniß machen, 2 Mos. 20, 4. Wenn jemand seinem Nächsten einen Esel oder Ochsen oder Schaf oder irgend ein Vieh zu behalten thut, Kap. 22, 10. Wenn eine Seele sündigen würde aus Versehen, an irgend einem Gebot des Herrn, 3 Mos. 4, 2. Und wer dieses Tages irgend eine Arbeit thut, Kap. 23, 30. Sehet, ob irgend ein Schmerzen sey wie mein Schmerzen, Klagl. 1, 12. Cajus konnte es nicht über das Herz bringen, irgend jemanden etwas abzuschlagen. Wo ist eine Privat-Thorheit, die nur in dem Bezirke unsrer selbst bliebe und nicht auf irgend eine Weise sich der Gesellschaft mittheilte? Gell. Ich will mit ihr reden und sehen, ob ihr Herz nicht durch irgend eine Lücke auszuspähen ist, Wiel. Man flattert von einem Gegenstande zum andern, ohne sich auf irgend einen heften zu können. Wenn du sonst irgend etwas davon erfährest.

Anm. Diese Partikel lautet bey dem Ottfried uuergin, bey dem Willeram iergen, im Theuerdanke ynndert, wo auch für nirgend nindert vorkommt. Die erste Hälfte dieses Wortes scheinet wohl das je zu seyn; nur die letzte ist noch ungewiß,[1393] denn Frischens Meinung, der das veraltete Werb, ein Mahl, von der Zeit gebraucht, dafür hält, ist zu sehr gewagt. Das d ist bloß des Wohlklanges wegen angehänget, wie solches auch bey jemand, niemand geschehen. In dem uuergin des Ottfried scheinet das wo voran gesetzet, und in das bloße w übergegangen zu seyn. Die Niedersachsen sagen für irgend wo eenerwegen, einer Wege; sollte irgend etwa auch aus einer Gegend zusammen gezogen seyn? Das s welches einige noch anhängen, irgends, ist unnöthig, ob es gleich in andern Fällen das Merkmahl eines Nebenwortes ist. S. auch Nirgend.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1393-1394.
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