Klagen

[1598] Klagen, verb. reg. unangenehme Empfindungen durch Töne und Worte merklich machen. Es ist in dreyfacher Gestalt üblich.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Überhaupt. Die Fürsten trauerten, Mann und Weib klagten, 1 Macc. 1, 27. Diese murmeln und klagen immerdar, Br. Judä V. 16. Man höret ihn das ganze Jahr klagen. Immer etwas zu klagen haben. Eine klagende Stimme. Der Gegenstand der Klage bekommt das Vorwort über. Über theure Zeiten, über Mangel der Nahrung, über andrer Stolz, über jemandes Bedrückung klagen. Über Schmerzen im Kopfe, über schlaflose Nächte, über Mattigkeit, über Frost klagen. Ich habe nicht über Schmerzen zu klagen. Im Oberdeutschen auch wohl mit der vierten Endung. Schmerzen klagen, d.i. über Schmerzen.


Eh als sie was geklagt

Und Krankheit hat gefühlt,

Opitz.


Der persönliche Gegenstand, an welchen die Klage gerichtet ist, wird in diesem Falle vermittelst des Vorwortes bey ausgedruckt. Bey jemanden über etwas klagen. 2) In engerer Bedeutung, bey einem Höhern, bey einem Richter, klagen. So wohl absolute. Er will klagen. Als auch mit dem Ausdrucke des Gegenstandes der Person und Sache. Über jemand klagen. Noch mehr mit dem Vorworte wider. Wider jemand klagen. Der Endzweck, die Absicht der Klage, erhält das Wort auf. Auf die Ehescheidung, auf eine Ehrenerklärung, auf eine Schadloshaltung klagen. Bey der Obrigkeit, vor Gericht klagen.

II. Als ein Reciprocum, sich klagen, in welcher Gestalt es doch nur im Oberdeutschen und einigen gemeinen Mundarten üblich ist, für sich beklagen. So wohl absolute.


Ihm (dem Fremden) wenn er sich klagt, erleichtern seine Last,

Opitz.


Als auch mit der zweyten Endung der Sache. Der sih ouch Paulus chlageta, Notk. Sich seines Kopfes klagen, über seinen Kopf klagen. Ingleichen mit einem Vorworte. Da ich mich klag ob meiner Pein, Opitz. In engerer Bedeutung ist es im gemeinen Leben der Meißner in der absoluten Gestalt sehr üblich, über körperliche unangenehme Empfindungen klagen. So bald sich eins im Hause klagt, Gell. über Unpäßlichkeit klagt. Sie wissen es, ich klage mich nicht so leicht, ebend. Er hat gestern angefangen, sich zu klagen. Andern, besonders Niedersächsischen Mundarten, ist diese Art des Ausdruckes ein Anstoß.

III. Als ein Activum, seine unangenehmen Empfindungen durch Worte entdecken, mit der vierten Endung der Sache. 1) Überhaupt, mit der dritten Endung der Person. Einem etwas klagen. Lassen sie sich meine Noth, mein Elend, mein Anliegen, meinen Jammer klagen. Das sey dem[1598] Himmel geklagt. Mindert sich nicht unsere Unruhe schon, indem wir sie einem Freunde klagen? Gell. Mit Auslassung der vierten Endung der Sache, wir haben euch geklagt, und ihr wolltet nicht weinen, Matth. 11, 17, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2) * In engerer Bedeutung, für beklagen, mit Auslassung der dritten Endung der Person; eine nur im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Wer seinem Kinde zu weich ist, der klaget seine Striemen, Sir. 30, 7. In noch engerer Bedeutung, einen Verstorbenen beklagen. Charl chlagte sine toten, Stryker. Man wird ihn nicht klagen, ach Bruder! Jer. 22, 18. Wenn einer stirbt, so klage ihn, Sir. 38, 16. Da kam Abraham, daß er sie klagte und beweinte, 1 Mos. 23, 2. In welcher Bedeutung es auch in der höhern Schreibart der Hochdeutschen zuweilen gebraucht wird. Nunmehr klagt er ihn trostlos, Klopst.


Und wenn man sie nunmehr begräbt,

Wird sie kein Edler klagen,

Weiße.


Die Freunde klagen ihn und weinen oft dazwischen,

Zach.


Das Hauptwort die Klagung ist nur in den zusammen gesetzten Zeitwörtern üblich, weil die Klage und das Klagen dafür gebraucht werden.

Anm. Klagen, schon bey dem Kero clagen, bey dem Ottfried klagon, im Nieders. gleichfalls klagen, im Schwed. klaga, ist eine Nachahmung des kläglichen Tones, durch welchen sich die unangenehme Empfindung äußert, dessen höhere Grade durch wehklagen, weinen, winseln, ächzen u.s.f. ausgedruckt werden. Es gehöret daher zu dem Griech. κλαιειν, weinen, bey dem Ulphilas klahai, von dem Weinen kleiner Kinder, im Nieders. klönen, klagen, und andern Zeitwörtern dieser Art. So fern bloß auf den lauten Ausdruck gesehen wird, bedeutet klönen im Nieders. auch mit einer durchdringenden Stimme reden, und klaga im Schwedischen sagen, aussprechen. Daß man diese Ableitung schon ehedem gekannt haben müsse, erhellet aus dem mittlern Latein. wo clamare gerichtlich klagen, und Clamor, Clameum, eine gerichtliche Klage bedeutet, woher auch die Engländer ihr Claim, eine Klage, haben. Ja das Latein. clamare selbst gehöret mit zu dem Geschlechte des Deutschen klagen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1598-1599.
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