Kraut (2), das

[1760] 2. Das Kraut, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten. die Kräuter, Diminut. das Kräutchen, Oberd. Kräutlein.

1. Die Blätter derjenigen Gewächse, welche nicht zu den Bäumen und Stauden gerechnet werden, als ein Collectivum und ohne Plural; wo es bald in weiterer Bedeutung von dem ganzen außer der Erde befindlicher Theil eines solchen Gewächses, im Gegensatze der Wurzel, theils nur von den Blättern allein gebraucht wird, welche bey den Bäumen und Stauden das Laub genannt werden. Eine Pflanze wächset zu sehr in das Kraut, wenn sie zu viele Blätter treibet, zum Nachtheile der Wurzel oder der Blumen und Früchte. Das Kraut an einem Gewächse abschneiden. Die Möhren haben ein schönes grünes Kraut. Noch mehr,

2. Ein solches Gewächs selbst, eine Pflanze, welche nicht zu den Sträuchen und Bäumen gerechnet werden kann.

1) Eigentlich, wo dieses Wort in einem vielfachen Umfange der Bedeutung gebraucht wird. (a) In dem weitesten Verstande, von allen Arten dieser Gewächse, mit Inbegriff der Gras- und Getreidearten; in welcher veraltete Bedeutung es noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorzukommen scheinet. In den Zusammensetzungen Kräuterreich, Kräuterkunde, Kräuterkenner, Kräuterlehre u.s.f. kommt es zuweilen noch in dieser Bedeutung vor, wo aber in noch weiterm Verstande auch die Sträuche und Bäume mit darunter begriffen werden. (b) In engerm Verstande, mit Ausschließung der Gras- und Getreidearten. Und die Erde ließ aufgehen, Gras und Kraut, 1 Mos. 1, 12; wo es collective für Kräuter stehet. Kräuter sammeln. Feldkräuter, Gartenkräuter, Heilkräuter, Wundkräuter u.s.f. (c) In noch engerm Verstande, nur die zu einer gewissen Absicht brauchbaren Kräuter. α) Eßbare Kräuter[1760] oder Gartengewächse führen wenigstens in einigen Zusammensetzungen den Nahmen der Kräuter; im Gegensatze des Unkrautes. Der Krautgarten, ein Küchengarten. β) Gewürze, eine nur noch im Niedersächsischen übliche Bedeutung, wo das Gewürz Kruud oder Kraut genannt wird. Daher ist Kruudkrämer daselbst ein Gewürzhändler, Kruudlade die Gewürzlade, krüden würzen u.s.f. Auch im Schwed. ist Krydda Würze. γ) Arzeneykräuter, Heilkräuter. Besonders wurde es ehedem von solchen Kräutern gebraucht, deren man sich zum Aberglauben und zur Vergiftung bedienete, in welchem Verstande auch Herba im mittlern Lateine häufig ist. Das gehet mit Kräutern zu, mit unrechten Dingen. Im Franz. ist enherber gleichfalls vergiften. (d) In der engsten Bedeutung werden diejenigen einzelnen Gewächsarten, deren man sich zu einer gewissen Absicht am häufigsten bedienet, nur Kraut schlechthin und ohne Plural genannt. So heißt der Schmak oder Sumach bey den Gärbern einiger Gegenden nur das Kraut, da denn auch diejenigen Gärber, welche sich dessen bedienen, unter dem Nahmen der Kräuter bekannt sind. Am häufigsten ist es von dem Kohle, weil derselbe das gewöhnlichste unter den eßbaren Kräutern ist. Grünes Kraut oder Grünkraut, grüner Kohl, Weißkraut, weißer Kohl, Kopfkraut, Kappiskraut, Kopfkohl, Sauerkraut, geschnittener und sauer eingemachter Kopfkohl, Komstkraut u.s.f. Kraut schneiden, kochen, einmachen u.s.f. Er mengt alles unter einander, wie Kraut und Rüben, ohne alle Ordnung. S. viele der folgenden Zusammensetzungen.

2) Figürlich, wo dieses Wort im gemeinen Leben zuweilen von Menschen, doch allemahl im nachtheiligen Verstande und ohne Plural gebraucht wird. Du bist mir ein schönes Kräutchen, sagt man von einem leichtsinnigen, muthwilligen, hitzigen Menschen. In noch härterm Verstande wird auch wohl Unkraut dafür gebraucht.

Anm. In der zweyten eigentlichen Bedeutung bey dem Ottfried Chrut, bey dem Willerem Krut, bey dem Notker im Plural Chriutter, Chroter, im Nieders. Kruud, im Schwed. Krut und Krydda. Es stammet ohne Zweifel von dem veralteten Angels. growan, Schwed. gro, wachsen, her, so daß Kraut eigentlich ein Gewächs bedeutet. S. Gras, Grob, Grun und Groden. Im Oberdeutschen hat man noch ein anderes sehr genau damit verwandtes Wort, welches Krätz lautet, und eigentlich eßbare Kräuter, Gartengewächse bedeutet. Daher ist Krätzerey und Krätzwerk daselbst Gemüse, der Krätzgarten ein Küchengarten u.s.f. Frisch leitet es sehr gezwungen von Krätze, ein Korb, ab, weil dergleichen Gewächse in Körben zu Markte gebracht würden. Allein, wer siehet nicht, daß es zu Kraut gehöret, und in Ansehung des Ableitungslautes das Mittel zwischen diesem Worte und Gras ist?

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1760-1761.
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