Laune, die

[1941] Die Laune, plur. die -n, ein altes Wort, welches ehedem nur in den gemeinen Sprecharten üblich war, seit einiger Zeit aber auch in die edlere Schreibart aufgenommen ist. Es bedeutet,

1. * Die Gesichtsbildung eines Menschen, und in weiterer Bedeutung, die äußere Gestalt eines jeden Dinges; welche Bedeutung im Deutschen nur noch einige Spuren hinterlassen hat, aus den verwandten Sprachen aber desto erweislicher ist. Bey dem Ulphilas ist Lynne die Gesichtsbildung, im Schwedischen Lund das Gesicht, und im Wallisischen Llun eine jede Gestalt. In den Deutschen Mundarten kommen dessen Ableitungen noch von einigen besondern zufälligen Gestalten des Gesichtes vor. Dahin gehöret das Nieders. lunen, sauer sehen, lunsk, tückisch aussehend, lünschen, das Maul hängen, schmollen, das Oberdeutsche launen, mürrisch von der Seite sehen, und vielleicht auch das Nieders. lünfen, lünsken, still vor sich hin sehen,[1941] figürlich nachdenken, im Mecklenburg. nalünsen, und nach etwas forschen im Osnabrück. lünsken, wenn nicht vielmehr diese letztern Zeitwörter zu unserm lauschen gehören. Aus allem scheinet zu erhellen, daß der Begriff des Sehens in diesem Worte der herrschende, und daß es ein Seitenverwandter von Glanz, Flinkern, Lahn u.s.f. ist.

2. Figürlich.

1) * Die Art und Weise, die Art, wie ein Ding da ist; eine im Deutschen fremde Bedeutung, welche sich aber noch in dem Schwedischen Lund und Lynne befindet, welche so wohl allein, als in allerley Zusammensetzungen üblich sind. Allälund bedeutet daselbst auf alle Art und Weise, annorlunda auf andere Art, hurulunda wie, margalunda auf mancherley Art, Lunderni die Gemüthsfähigkeit, ingenium u.s.f.

2) In engerer Bedeutung, die Stellung des Gemüthes, die Einrichtung des Veränderlichen in demselben, in einzelnen Fällen, besonders so fern sich selbige durch äußere Merkmahle an den Tag legt.

(a) Überhaupt. Bey guter Laune seyn, aufgeräumt seyn. Die mürrische, närrische Laune haben. Üble Laune, Unmuth. Ich kenne ihre Launen zu gut, als daß ich mich auf sie verlassen könnte. Er hat die ernsthafte, die philosophische, die lustige Laune, sein Gemüth ist jetzt zur Ernsthaftigkeit, zum Philosophiren, zur Lustigkeit bestimmt. Ich ward so vorsichtig, daß ich jede Veränderung meiner Laune, wie der Arzt das Maß des Pulsschlages, auszuspähen suchte, Hermes. Von guter Laun ist er dabey, Weiße. Er hat es nicht in der Laune, heißt im Niedersächsischen, der Kopf stehet ihm nicht darnach, er ist nicht dazu aufgelegt. Zuweilen, besonders im gemeinen Leben, auch von zufälligen körperlichen Neigungen. Er schläft beständig, und ich weiß nicht, was ich von dieser Laune sagen soll. Der Trieb nach dem Essen zu schlafen wird im gemeinen Leben Meißens im Scherze die Zwenkische Laune genannt, zu welcher Benennung ein Bürgermeister aus dem kleinen Orte Zwenka Anlaß gegeben haben soll. In Baiern ist launlen schlummern. Auch gewisse epidemische Krankheiten, besonders geringerer Art, z.B. Schnupfen, Flüsse, Husten u.s.f. heißen im gemeinen Leben Launen.

(b) In engerer Bedeutung, gewisse besondere Arten der Gemüthsstellung und deren Äußerung durch Mienen und Worte. (α) Mürrische, verdrießliche Gemüthsstellung und deren Äußerung, besonders im gemeinen Leben Ober- und Nieder Deutschlandes. Laß ihn gehen, er hat die Laune. (β) Gute Gemüthstellung, Aufgeräumtheit. Ihre Laune war eben nöthig, um mich aufzuheitern. (γ) Derjenige Zustand des Gemüthes und der Einbildungskraft, da man den Dingen durch Umkehrung der gewöhnlichen Begriffe das Ansehen der Neuheit zu geben sucht; wenn man z.B. sich das Ansehen gibt, daß man die Tugend lächerlich, und das Laster angenehm vorstellen wolle. In dieser Bedeutung ist es besonders in den neuern Werken des Witzes aufgenommen worden, das Engl. Humour auszudrucken. So sagt man von Yorick, er habe eine unnachahmliche Laune; wo es auch zuweilen für Wirkungen dieser Laune, für launige Einfälle gebraucht wird.

Anm. In dieser ganzen zweyten figürlichen Bedeutung schon bey den Schwäbischen Dichtern Lune, im Niedersächsischen Lune, im Schwed. Luna und Lund, im Finnländischen Luondo und Luonnon. Wachter leitet es in derselben von dem Griechischen ελαυγεσθαι, Frisch und Ihre aber von dem Lat. Luna, der Mond, ab, weil dieser einen merklichen Einfluß in die menschliche Gemüthsstellung haben soll. Allein, man darf wohl nicht erst erinnern, wie gezwungen und seltsam eine solche Ableitung ist.[1942] Die oben angenommene Abstammung ist so wohl wahrscheinlicher und fruchtbarer, als auch dem Gange der menschlichen Ideen, besonders in der Deutschen Sprache, gemäßer. Im Oberdeutschen ist es männlichen Geschlechtes, der Laun.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1941-1943.
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