Mensch, der

[176] Der Mênsch, des -en, plur. die -en, ein Individuum des menschlichen Geschlechtes, d.i. ein mit einer vernünftigen Seele begabtes Thier. 1. Überhaupt und im weitesten Verstande. Alle Menschen sind sterblich. Christus ist ein Mensch oder ist Mensch geworden, S. Menschwerdung. Jeder Mensch ist frey, und nie muß er es mehr seyn, als wenn es die Wahl seines Glückes betrifft, Sonnenf. Das ist keinem Menschen[176] erlaubt. Das glaubt kein Mensch, niemand. Es ist kein Mensch zu Hause, niemand. Das ist alles, was nur ein Mensch thun kann. Mit dem bestimmten Artikel wird es oft im Singular für ein Mensch, oder auch collective für Menschen gebraucht. Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest? Ps. 8, 5. Das Leben des Menschen ist vieler Gefahr unterworfen. Nur durch Untersuchung der Triebfedern der Natur entledigt sich der Mensch der Knechtschaft der Natur und wird zu einem freyen Weltbürger, Sulz. 2. In engerer Bedeutung, mit einigen Nebenbegriffen. 1) In Absicht auf dessen veränderliche Umstände. (α) In Ansehung des eingeschränkten Zustandes, der anklebenden Schwachheiten. Wir sind alle Menschen, d.i. eingeschränkte, schwache, Fehlern und Irrthümern unterworfene Menschen. (β) In Ansehung des gesellschaftlichen Lebens gesitteter Menschen und der darin gegründeten Pflichten; im Gegensatze des Unmenschen. Erinnere dich, daß du ein Mensch bist.


Freund unsre Zeit von Eisen

Ist sehr an Menschen arm, obgleich sehr reich an Weisen,

Gieseke.


S. Menschlich, welches in diesem Verstande noch üblicher ist. (γ) In Ansehung der Vernunft, durch welche sich der Mensch von allen übrigen sichtbaren Geschöpfen unterscheidet. Die hellen Zwischenräume der Vernunft, die einzigen Augenblicke, worin der Mensch wahrhaftig ein Mensch ist. 2) Der ganze Gemüthszustand des Menschen; doch nur in der biblischen Schreibart und ohne Plural. Der alte Mensch, das natürliche Verderben, im Gegensatze des neuen Menschen, oder der in der Wiedergeburt hervor gebrachten neuen Fertigkeit; beydes, weil sie sich über alle Fähigkeiten des Menschen erstrecken. Der innere Mensch, bey den Mystikern, das Gemüth, im Gegensatze des äußern Menschen, oder des Körpers. Die Übereinstimmung in dem Laute mit dem Latein. Mens ist hier bloß zufällig, indem dieses zu dem Zeitworte meinen gehöret. 3) Eine Person männlichen Geschlechtes; wo es doch gemeiniglich im verächtlichen Verstande üblich ist, wenigstens nur von solchen Personen gebraucht wird, von welchen man ohne besondere Achtung sprechen zu können glaubt. Mit Achtung gebraucht man dafür das Wort Mann, und mit Ehrerbiethigkeit das Wort Herr. Im Plural hat es in dieser Bedeutung nicht Menschen sondern Leute. Ein artiger junger Mensch. Was ist das für ein Mensch? Ein böser, liederlicher, ruchloser Mensch. Es ist ein guter, ehrlicher Mensch. Ein armer Mensch. Also vertheidigen sie den Menschen noch, Gell. Im weiblichen Geschlechte lautet es in einer ähnlichen Bedeutung das Mensch, S. das folgende.

Anm. Schon bey dem Kero als ein Hauptwort Mennisch, bey dem Ottfried Mennisco, Mennisg, bey dem Notker Mennischo, im Nieders. Minsk, im Dän. Menniske, im Schwed. Menniska, im Isländ. Manneska, im Angels. Mennisc, und schon bey den ältern Ägyptiern Manosch. Es ist ein zusammen gesetztes Wort von Mann, welches ehedem auch einen Menschen bedeutete, wie noch im Isidor Manno und im Engl. Man, und der Ableitungssylbe -isch. Gemeiniglich glaubt man, daß dieses -isch die Endung der Beywörter sey, und daß Mensch anfänglich nur als ein Beywort gebraucht worden, bis es endlich die Gestalt eines Hauptwortes angenommen habe. Es wird solches dadurch wahrscheinlich, weil manniska bey dem Ulphilas und manask bey dem Kero wirklich als ein Beywort vorkommen. Allein, zu geschweigen, daß der Übergang solcher Beywörter in Hauptwörter selten ist, so gibt es auch eine substantive, Ableitungssylbe -isch, wie in Harnisch, dem alten Hiuuisk, die Familie, und vielleicht noch einigen andern. Hier scheinet es das alte Angels. Aesc, alt Schwed. Ask, ein Mann, Mensch, und vielleicht[177] in noch weiterer Bedeutung auch ein Ding, ein Geschöpf zu seyn, welches mit dem Hebr. איש, ein Mann, genau überein kommt. Man-ask, Men-isch, und zusammen gezogen Mensch, würde also ein menschliches Geschöpf, ein menschliches Individuum bedeuten. Im Pohln. ist Meszka eine Mannsperson, ein Mann. Bey dem Ottfried heißt ein Mensch auch Gomono, welches mit dem Latein. Homo sehr genau überein kommt. S. Mann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 176-178.
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