Mutter (3), die

[341] 3. Die Mutter, plur. die Mütter, Diminut. das Mütterchen, Oberd. Mütterlein, ein Wort, welches überhaupt den Begriff des hohlen Raumes hat, besonders so fern derselbe zur Aufnahme eines andern dazu gehörigen Theiles bestimmt ist. 1) Überhaupt; wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. So wird der untere hohle Theil einer Racketen- oder Schwärmerform die Mutter genannt. Am häufigsten ist es von einer hohlen mit Schraubengängen versehenen Cylinder-Fläche, welche die Schraube im engsten Verstande aufnimmt, und welche die Schraubenmutter, oft aber auch nur die Mutter schlechthin genannt wird. Ein Öhr von Draht an den Kleidungsstücken, in welche der Haken eingreift, heißt im Oberdeutschen im Diminut. ein Mütterlein, verderbt Mütterle und Miderle, da denn der Haken das Häftlein, Heftle, genannt wird. 2) In engerer Bedeutung ist die Mutter bey Menschen und lebendig gebärenden Thieren weiblichen Geschlechtes,[341] ein hohles Behältniß in dem untern Schmerbauche; worin die Frucht empfangen, gebildet und zur Zeitigung gebracht wird; die Bärmutter, von bären, tragen, und verderbt auch wohl die Gebärmutter, S. Bärmutter, und viele der folgenden Zusammensetzungen. Figürlich pflegt man im gemeinen Leben aus Unwissenheit allerley Arten der Leibesschmerzen, Blähungen und andere ähnliche Empfindungen des weiblichen Geschlechtes der Mutter zuzuschreiben, und alsdann zu sagen, die Mutter stoße auf, ja diese Empfindungen wohl selbst die Mutter zu nennen; Ausdrücke, welche nichts als eine tiefe Unwissenheit des Baues des thierischen Körpers zum Grunde haben, S. Mutterbeschwerde.

Anm. In der ersten Art der Bedeutungen gehöret dieses Wort wohl unstreitig zu Muth, modius, u.s.f. so fern es ehedem die allgemeine Bedeutung eines hohlen Raumes gehabt, da es denn vermittelst der Ableitungssylbe -er aus demselben gebildet worden; so leicht es übrigens auch wäre, eine Ähnlichkeit zwischen dieser Bedeutung und dem folgenden Worte anzugeben. Die zweyte Bedeutung wird von allen Sprachforschern als eine Figur des folgenden Wortes angesehen, so hart und ungewöhnlich sie auch seyn würde. Es ist aber wahrscheinlicher, daß damit gleichfalls auf den hohlen Raum der Bärmutter gesehen worden, um deßwillen sie im Latein. auch Uterus, von Uter, ein Schlauch, genannt wird; welches Wort selbst damit verwandt seyn kann, weil das m in vielen alten Sprachen weiter nichts als ein Präfixum ist. Indessen kann es seyn, daß manche Sprachen, welche das Wort in dieser Bedeutung von ältern Mundarten empfangen, und dessen wahre Bedeutung nicht verstanden, es nach der bey ihnen üblichen Benennung der Mutter, mater, gemodelt haben. Schon Ottfried nennet die Bärmutter Muater, und im Griech. heißt sie μƞτρα, im Lat. Matrix, im Engl. Mother, im Ital. Madre, im Franz. la Mere.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 341-342.
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