Raugraf, der

[975] Der Raugraf, des -en, plur. die -en, Fämin. die Raugräfinn, eine ehemahlige Benennung eines längst ausgestorbenen gräflichen Geschlechtes an dem Ober-Rheine, wo besonders die eine Linie der ältern Wild- und Rheingrafen, welche aber längst ausgestorben ist, den Nahmen der Raugrafen führete. Erst im vorigen Jahrhunderte erhob Churfürst Carl Ludwig von der Pfalz die von Degenfeld mit ihren Kindern zu Raugrafen; allein auch hier ist der Nahme mit der Familie selbst wieder abgestorben.

In der Lateinischen Schreibart der mittlern Zeiten werden sie aus Unwissenheit der wahren Abstammung auf eine seltsame Art oft Comites pilosi oder hirsuti genannt, welches denn nachmahls zu eben so seltsamen Ableitungen Anlaß gegeben hat. Allein da die diesen Grafen gehörige Grafschaft in den waldigen Gebirgen an dem Ober-Rheine lag, daher sie auch Wild- und Rheingrafen genannt werden, so haben andere mit mehrerm Rechte dafür gehalten, daß mit ihrer Benennung auf die raube und wilde Beschaffenheit der Bezirke gesehen werden, welche sie vorgesetzet wurden, als welche aus gebirgigen und waldigen Wildnissen bestanden, die unter ihrer Aufsicht ausgereutet und urbar gemacht werden sollten. Sie heißen daher im Latein. der mittlern Zeiten auch Comites silvestres, Comites silvae, Comites novelletorum et emphyteuseos, in welcher Rücksicht auch das Wort reuten mit in Betrachtung kommen kann. Hätte diese Ableitung um der gleichbedeutenden Benennung Wildgraf (S. dieses Wort) nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, so könnte man in Versuchung gerathen, die erste Hälfte dieses Wortes, wie wirklich von einigen geschehen, von dem Worte rügen herzuleiten, und es von einem Rügegrafen, d.i. obersten kaiserlichen Richter eines gewissen Bezirkes, zu erklären.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 975.
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