Raum, der

[978] Der Raum, des -es, plur. die Räume. 1. Im engsten und allem Ansehen nach eigentlichsten Verstande, derjenige Theil des von sichtbaren Körpern leeren Luftkreises, welchen ein Ding zur Ausfüllung oder zu gewissen körperlichen Veränderungen bedarf; ohne Plural. Keinen Raum haben. Wir haben nicht Raum in dem Hause. Die Zuhörer hatten nicht alle Raum in der Kirche. Nicht Raum genug haben zu arbeiten. Raum machen. Raum zu etwas machen. Raum gewinnen, bekommen. Der Raum ist mir zu enge. Raum zu etwas lassen. Das Haus hat wenig Raum. Das nimmt zu viel Raum weg. Keinen großen Raum einnehmen. In eben diesem Verstande wird auch Platz gebraucht, obgleich bey denselben diese Bedeutung nur figürlich ist. In der Mechanik ist der Raum die gerade Linie, welche so wohl von der Last, als auch von der Kraft durchgangen wird.

2. In weiterer Bedeutung, ein jeder von Körpern leerer Ort des Lufkreises; da denn auch der Plural Statt findet. Die großen Räume des Himmels. Ein luftleeren Raum. Der Raum zwischen Säulen. Der Raum eines Fasses, einer Bouteille.

In einigen Fällen wird dieses Wort ohne allen Beysatz von besondern Arten eines solchen Raumes gebraucht. Bey den Kohlenbrennern sind die Räume kleine Öffnungen, welche der Luft den Zugang in den Meiler verstatten. In den Schiffen ist der Raum, oder bestimmter der Schiffsraum, der Boden unter dem letzten Verdecke, wo die Waaren und Güter liegen. Das Engl. Room und Schwed. Rum bedeuten auch ein Zimmer. In dem Bergbaue sind die Räume solche Örter oder Plätze, welche zu[978] Sturzplätzen, Wasserläufen, Pochwerken u.s.f. eingeräumet werden.

Im strengsten metaphysischen Verstande ist der Raum das, worin die Substanzen sich unserer Vorstellung nach befinden, das Verhältniß der außer und neben einander sich befindlichen Dinge, und in diesem Verstande sagt man, daß kein Raum sey, wenn nicht Dinge vorhanden sind, die ihn ausfüllen. Der leere Raum, der von aller auch noch so feinen Materie leer ist.

3. Figürlich. 1) Einer Neigung Raum geben, ihr nachhängen. Eines Bitte Raum geben, sie erfüllen. Diese Entschuldigung wird nicht Raum finden, wird nicht angenommen werden. Dem Zorne Raum geben. Solchen Gedanken muß man nicht Raum geben. In welchem Verstande auch das Wort Platz gebraucht wird. 2) * Zeit und Gelegenheit; eine im Hochdeutschen größten Theils veraltete Bedeutung, welche indessen noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Nicht Raum haben zu essen, Gelegenheit, Bequemlichkeit, Marc. 3, 20. Raum zur Buße lassen, Zeit, Weish. 12, 10. Raum empfahen, sich der Anklage zu verantworten, Apostg. 25, 16. Dem Zorne Gottes Raum zu geben, Röm. 12, 19.

Anm. Bey dem Ulphilas Rum, bey dem Ottfried Rumo, im Nieders. Schwed. Isländ. Dän. und Pohln. Rum. Der erste und nächste Begriff ist wohl der Begriff der Bewegung, (S. Räumen,) daher es als ein naher Verwandter von rahmen, dessen Intensivis rammeln und rammen, strömen, ruminare, Remus, Deutsch Riemen, remegare u.s.f. angesehen werden muß. Auf ähnliche Art ist das Lat. Spatium von spatiari gebildet, so wie ruman noch bey dem Notker hin- und herschweifen bedeutet. Auf diesem Begriffe folget ganz natürlich der Begriff der Ausdehnung, daher denn auch das Hebr. רהם, hoth seyn, das alte Rahm, ein Kreuz, Riemen und Strieme, Rahmen u.s.f. als Verwandte angesehen werden müssen. Das Griech. ῥυμα, der Zwischenraum, ῥυμƞ, die Gasse, das Lat. Rima u. a. m. gehören gleichfalls zu diesem Geschlechte. Übrigens ist Rümte im Nieders. ein leerer Platz. In dem zusammen gesetzten Abraum bedeutet es auch den Körper, welcher weggeräumet wird, so wie im Böhm. Rum der Schutt ist. Man vergleiche, was bey den Wörtern Ort, Platz, Stelle u.s.f. gesagt worden, so wird der Unterschied zwischen ihnen und Raum sehr leicht bestimmt werden können.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 978-979.
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