Spitzen

[215] Spitzen, verb. regul. act. 1. Spitzig machen. So spitzen die Nadler die Nadeln, wenn sie selbige spitzig schleifen. Die Feder spitzen, spitzig schneiden. Nach einer größten Theils veralteten Figur ist, die Feder wider jemanden spitzen, ihn schriftlich mit bittern oder lebhaften Vorwürfen angreifen. Den Mund zum Pfeifen spitzen. Die Ohren spitzen, aufmerksam zuhören.

[215] Er wird die Ohren spitzen,

Wenn er erfährt, was unsre Absicht ist,

Wiel.


In eben demselben Verstande sagt schon Ovidius cacuminare aures. Die Figur ist von einigen Thieren, z.B. den Pferden, entlehnt, welche die Ohren spitzig heraus, oder in die Höhe recken, wenn sie scharf hören wollen. Sich auf etwas spitzen, figürlich und in der vertraulichen Sprechart, sich Hoffnung auf oder zu etwas machen. Frisch leitet diese Figur von einem veralteten sich erspitzen, sich mit Spitzen putzen, her; allein wahrscheinlicher ist es eine Figur von dem Spitzen sowohl der Ohren als auch des Mundes zu dem Genusse einer angenehmen Sache. Vollständiger singt Hagedorn:


Ihr lacht und spitzt den Mund auf Küsse.


In Preußen sagt man dafür sich erspitzen, und in Schlesien sich verspitzen.


Die Themis, kömmt mir vor, verspitzt sich schon auf ihn.

Günth.


2. Im entgegen gesetzten Verstande ist spitzen in einigen Fällen der Spitzen berauben. In der Würtembergischen Waldordnung bey dem Frisch, bedeutet jemanden die Finger spitzen, ihm selbige abhauen. Die Huthmacher spitzen das Haar an den Hasenfellen, wenn sie die Spitzen der groben Haare mit einer Scheere abschneiden, damit sie nicht länger sind, als die feinen. Bey den Müllern wird der Rocken und Weitzen zuweilen gespitzet, wenn man nur die Spitzen von den Körnern abstoßen lässet, welches besonders bey dem Weitzen, wenn er den Spitzbrand hat, vermittelst des Spitzbeutels geschiehet; worauf er erst gegrieset, d.i. zu Gries gemahlen, der Rocken aber geschroten wird. So auch das Spitzen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 215-216.
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